Protocol of the Session on May 10, 2000

Weil wir gerade bei der Frage sind, wie wir ein solches Thema in der Öffentlichkeit behandeln: Herr Wulff hat völlig Recht, in Rheinland-Pfalz fahren die meisten Züge. Nur, meine Damen und Herren, es kommt nicht darauf an, wie viel Züge fahren,

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Für die Menschen schon!)

sondern wie viel Menschen.

(Eveslage [CDU]: Wo keine Züge fahren, können auch keine Leute fah- ren! - Zuruf von Fischer [CDU])

Im Gegensatz zu Rheinland-Pfalz, wo in der Tat eine Steigerung der Zugkilometer zu verzeichnen ist, ist Niedersachsen das Bundesland, das in dieser Zeit mit zu den Ländern gehört, die die größte Steigerung bei den Fahrgastzahlen zu verzeichnen hatten. Das ist die Realität in Niedersachsen, Herr Wulff!

(Beifall bei der SPD)

Nach dem Motto „Traue keiner Statistik, außer du fälscht sie selber“ sage ich Ihnen, Herr Wulff:

Zählen Sie die Menschen, nicht die Züge und Kilometer.

(Zuruf von Frau Pruin [CDU])

Im Gespräch mit Herrn Mehdorn am 8. Mai ist für Niedersachsen Folgendes vereinbart worden: Wir haben für die nächsten Jahre vereinbart, in den Schienenverkehr in Niedersachsen rund 700 Millionen DM zu investieren, z. B. in den Bereich Oldenburg und Wilhelmshaven ohne die Elektrifizierung bereits 50 Millionen DM. Wenn Sie sagen, das sei alles kein Ergebnis, dann würde mich einmal eine Stellungnahme des Kollegen Dr. Biester oder des Kollegen Ontijd hierzu interessieren. Ich würde gerne erfahren, was diese dazu sagen, dass wir hier mit niedersächsischer Hilfe die Versprechen der CDU-Bundesregierung einlösen, was Sie über Jahre nicht hinbekommen haben.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Mich würde interessieren, was der Kollege Ontijd zu Leer - Groningen sagt.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Das ist doch längst vereinbart!)

Es hat einen Staatsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande gegeben, Sie aber waren über Jahre hinweg nicht bereit, auch nur eine müde Mark bereitzustellen. Wir haben für diese Strecke 25 Millionen DM mit der Bahn AG verabredet. Diese Strecke wird gebaut, nicht nur auf dem Papier, wie bei Herrn Wissmann und anderen aus Ihrer Partei.

(Beifall bei der SPD)

Delmenhorst - Hesepe: 70 Millionen DM Investitionsbedarf, seit Jahren bekannt. Keine einzige Maßnahme!

Hude - Nordenham. Herr Kollege Wenzel, wenn Sie es in etwa wüssten: Es geht u. a. darum, die Strecke für die Häfen, für die BEB und andere im Güterverkehr attraktiv zu halten, weil wir sonst Arbeitsplätze verlieren. Die CDU und andere haben in diesem Bereich nur Dinge versprochen und nichts gemacht.

(Beifall bei der SPD)

Ich verstehe nicht, warum Sie sich an dieser Stelle gegen uns wenden.

700 Millionen DM Investitionsprogramm in den kommenden Jahren. In der Tat geht es auch darum, meine Damen und Herren, endlich den Verkehrsvertrag abzuschließen. Es ist doch nicht so, dass ich sagen würde, mit der Bahn sei alles in Ordnung. Aber ich muss auch akzeptieren, dass die Privatisierung und die Rahmenbedingungen, die im Deutschen Bundestag einmütig beschlossen worden sind,

(Eveslage [CDU]: Aha!)

dazu geführt haben, dass die Bahn in strukturelle Schwierigkeiten geraten ist. Das Pharisäerhafte der Politik ist es doch, einen Beschluss zu fassen und immer dann, wenn sich die Bahn betriebswirtschaftlich verhält, also das tut, was wir von ihr verlangt haben, in den Regionen den Aufstand zu proben nach dem Motto: Wenn ich der Bevölkerung vormache, ich stehe an ihrer Seite, dann wird sie schnell vergessen, dass ich dafür gesorgt habe, dass das die Konsequenz meines Handelns ist. Das ist doch die Politik, die Sie in der Vergangenheit betrieben haben.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt zwei Wege, mit der Bahn umzugehen: Entweder haut man populistisch drauf und macht vergessen, wofür man selbst mit der Privatisierung gesorgt hat. Der andere Weg ist in der Tat der, Herr Kollege Wenzel, mit der Bahn auch auf der Basis von Verständnis für ihre strukturellen Probleme nach konkreten Lösungen in Niedersachsen zu suchen. Dieser Weg ist schwieriger, er schafft keine so großen Schlagzeilen, er ist am Anfang auch nicht immer gleich von Beifall begleitet, aber er wird am Ende für die Menschen, die Bahn fahren, und für das Bundesland eindeutig bessere Ergebnisse bringen als die populistische Art und Weise, mit der Sie hier agiert haben.

(Starker Beifall bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion spricht noch einmal der Kollege Dinkla.

Herr Ministerpräsident, was Sie hier eben abgehalten haben, war die größte „verkehrspolitische Märchenstunde“ der letzten Jahre.

(Beifall bei der CDU)

Die Medien haben Recht! In den Medien lautete die Headline: „Gabriel bei Mehdorn abgeblitzt“. Das ist auch die Realität.

(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Sie müssen aber auch einmal über die Schlagzeile hinaus lesen! Wenn Sie das denn noch können!)

Herr Ministerpräsident, Sie haben doch gesagt, dass Sie von Begriffen wie „Abzockerei“ nichts hielten.

(Zuruf von Plaue [SPD])

- Herr Plaue, man sagt gelegentlich: Gutes Benehmen ist Glückssache. - Wenn das so ist, haben Sie leider läufig Pechsträhnen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Dinkla, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, im Moment nicht. Meine Zeit ist sehr begrenzt. Ich kenne die Taktik, die dahinter steht. Es war die Presseerklärung aus dem MW, in der von „Abzockerei“ gesprochen wurde. Insofern war das, Herr Ministerpräsident, eine „Watschen“ an den Wirtschaftsminister. Das muss man hier einmal ehrlich sagen.

(Beifall bei der CDU)

Ich kann auch nicht verstehen, dass Sie hier von einem „gewissen Verständnis“ sprechen. Wir haben hier im Plenum eine einstimmige Erklärung abgegeben; mit Ihrer Stimme.

Nach Ihrem Besuch in Berlin weiß ich nun aber auch, was „Meinungsaustausch“ im wahrsten Sinne des Wortes bedeutet: Herr Ministerpräsident, Sie sind mit Ihrer Meinung nach Berlin gefahren und mit der Meinung von Herrn Mehdorn zurückgekommen. Das ist „Meinungsaustausch“.

(Beifall bei der CDU)

Wo sind denn die konkreten Erfolge? - Sie haben die Strecke Delmenhorst - Hesepe angesprochen. Wenn ich mich recht erinnere, hat die Bahn für diesen Bereich 15 Millionen DM kassiert. Sie sollte bis Ende 1999 Leistungen abliefern, sie hat aber null gemacht. Inwiefern, Herr Minister, ist es

ein Erfolg, wenn die Bahn ihre Leistungen nicht pünktlich abliefert?

(Beifall bei der CDU)

Bezüglich der Strecke Oldenburg - Wilhelmshaven müssen Sie sich korrigieren. Es trifft nicht zu, dass hier 0 DM vorgehalten worden sind. Es waren Leistungen eingeplant. Es waren alte Verträge, unterschrieben von den damaligen Staatssekretären Carstens und Tacke. Wir müssen erwarten, dass das, was vertraglich geregelt wird, auch eingehalten wird.

Sie, Herr Ministerpräsident, haben in Berlin versucht, Schadensbegrenzung zu betreiben. Sie haben gespürt, dass Ihnen die miserable Verkehrspolitik in Niedersachsen politisch ans Bein läuft. Deshalb setzten Sie sich nun selbst ein.

Ich muss Ihnen jetzt noch eines sagen: Ich kann Ihnen nur empfehlen, die Aussagen der SPD anlässlich der Wahlen in den Jahren 1990 und 1994, anlässlich der Halbzeitbilanz und aus Anlass der Wahlen im Jahr 1998 in Sachen Verkehrspolitik und ÖPNV wirklich einmal zu lesen. Ich möchte es bei einem Beispiel bewenden lassen. Dort heißt es u. a.:

„Die Reisezeiten der Bahn zwischen der Landeshauptstadt und den großen Städten in Niedersachsen müssen verkürzt und bis zum Jahr 2000 schrittweise halbiert werden.“

(Lachen bei der CDU)

Meine Damen und Herren, dass muss man sich einmal verinnerlichen! Unter dem Strich bleibt: Zehn Jahre SPD-Verantwortung für die Verkehrspolitik in Niedersachsen auf der Basis der Wahlankündigungen der letzten Jahre kommen einer politischen Bankrotterklärung gleich.

(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Sie reden über Ihre Verkehrspolitik in Bonn, Herr Kollege!)

Sie können keinem Menschen im Land erklären, weshalb es bei uns mit der Entwicklung integraler Taktfahrpläne nicht klappt. In der Antwort auf die Kleine Anfrage schreibt die Landesregierung, es wäre bei uns die „Vorstufe“ integraler Taktfahrpläne. - Toll, muss ich sagen. Wirklich erstaunlich. Es klappt auch nicht mit der länderübergreifenden Koordination. Herr Wulff hat dies soeben angeführt. Wenn Sie, Herr Ministerpräsident, eben