Was der Kollege Schröder und auch Sie, Frau Kollegin und Herr Kollege, hier des Weiteren gefordert haben, ist nichts anderes als Diätenerhöhung nach tagespolitischen Opportunitäten.
Wollen Sie denn, wenn es in Deutschland einmal wieder eine Situation gibt, in der die Menschen mit den politischen Entscheidungen sehr einverstanden sind, eine Erhöhung um 20 % vornehmen?
(Lindhorst [CDU]: Ist das Rechts- oder Linkspopulismus, oder gibt es einen Grünen-Populismus, oder was?)
ist durchsichtig und vor allem nachweisbar falsch, weil Sie eine Vergangenheit als Regierungspartei haben, aus der Sie an dieser Stelle nicht aussteigen können.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für den Kollegen Gansäuer und für mich ist das wohl die 26. Beratung über derartige Fragen, und diese Beratungen waren nie bequem.
- Ja. - Es ist richtig, was sowohl der Kollege Schröder als auch Frau Kollegin Harms gesagt haben, nämlich dass dies ein ganz besonders kritischer Punkt in der allgemeinen öffentlichen Debatte ist.
Das bedeutet aber nicht, dass wir in ganz besonderen kritischen Situationen, in denen wir alle stehen, sozusagen jeden Schritt, den wir nur zurückgehen können, zurückgehen und alles das, was im Lande diskutiert wird, auf uns selber beziehen müssen. Irgendwann müssen wir uns auch die Frage stellen, was wir uns selber, unseren Familien und auch unserer Arbeit wert sind.
Der Korruptionsverdacht gegen die Politik allgemein, den Sie vorgetragen haben, würde bei ähnlicher Debatte konsequent zu Ende gedacht zu der Frage führen, wie viel ein Abgeordneter aus öffentlichen Geldern überhaupt bekommen soll. Und jedes Mal, wenn wir selbst über öffentliche Gelder abstimmen, kommt das Argument: Schon wieder mal!
In der öffentlichen Debatte geht es eigentlich gar nicht darum, wie viel wir verdienen dürfen, sondern es ist so, dass die Bürgerinnen und Bürger aus Unmut, aus welchen Gründen auch immer, die Politik natürlich bestrafen wollen, und zwar sofort. Auch dann, wenn wir nur A 12 oder noch weniger als Leitbild hätten, wäre die Debatte nicht anders, als sie heute ist. Das muss man wissen. Deswegen muss man auch sagen: Irgendwo gibt es eine Grenze der Zumutbarkeit in der Akzeptierung von kritischen Punkten. In der Politik ja und vielleicht auch noch viel härter als heute, aber an dieser Stelle nicht.
Meine letzte Bemerkung. Historisch gesehen sind die Diäten entstanden, weil zu Beginn des Parlamentarismus nur Leute in den Parlamenten sitzen konnten, die Geld hatten. Die Diäten waren für diejenigen, die kein Geld hatten, um in Berlin oder in den damaligen Landeshauptstädten etwa ein Hotel bezahlen zu können. Deswegen kommen wir nicht darum herum zu sagen: Die politische Unabhängigkeit eines oder einer Abgeordneten wird dadurch hergestellt, dass sie öffentlich, zumutbar, angemessen, dann aber auch nachkontrollierbar ist. Das müssen wir verteidigen. Wenn wir das nicht tun, dann geraten wir genau in den Verdacht, Frau Kollegin Harms, in den Sie nicht geraten wollen, nämlich in den Korruptionsverdacht.
Der Gesetzentwurf soll zur federführenden Beratung und Berichterstattung an den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen und zur Mitberatung an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen überwiesen werden. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist die Mehrheit.
Tagesordnungspunkt 7: Erste Beratung: a) Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Abgeordnetengesetzes Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/1394 b) Erste Konsequenzen aus den ernsthaften Fehlern in der Amtsführung des früheren Ministerpräsidenten Gerhard Glogowski - Änderung des Niedersächsischen Ministergesetzes - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/1395
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der letzte und dieser Tagesordnungspunkt passen ganz gut zusammen. Herr Wernstedt, wenn die Diätenregelungen, die Sie in Ihrer letzten Einlassung angesprochen haben, so geglückt wären, wie sie heute sind, dann dürften wir in Sachen Demokratie und Korrumpierbarkeit von Politikern eigentlich überhaupt keine Probleme haben; wir haben aber diese Probleme.
Wir sind gegen die Erhöhung der Diäten, auf jeden Fall zum jetzigen Zeitpunkt. Wir sind für andere Prioritäten, nämlich dafür, zuerst das zu tun, was wir mit unserem Gesetzentwurf bzw. mit unserem Antrag hier vorschlagen.
Wir sind dafür, zunächst einmal schärfere Bestimmungen in das Ministergesetz bzw. in das Abgeordnetengesetz zu bringen. Warum?
Die Demokratie nimmt auf Dauer Schaden. - Damit rechnen laut Infratest-dimap zwei Drittel der Bundesbürger. Fast jeder zweite Bürger der Bundesrepublik vertritt laut der letzten, aktuellen Umfrage die Auffassung, dass Entscheidungen nicht mehr in Parlamenten, sondern zwischen Regierenden und den mächtigen Leuten in der Wirtschaft ausgehandelt werden. 40 % der Befragten denken, dass die Einflussnahme der Wirtschaft auf die Politik durch finanzielle Zuwendungen an Politiker oder Parteien oder durch die Verschaffung von persönlichen Vorteilen für die Inhaber politischer Ämter erfolgt.
Meine Damen und Herren, ich habe in den letzten Wochen und Monaten hier im Plenum immer wieder deutlich gemacht, dass ich die Unterschiede zwischen den Affären und Skandalen, die die Republik erschüttern, sehe. Es ist ein Unterschied, ob die CDU schwarze Konten unterhält und Geldwäsche betreibt oder ob sich einzelne Politiker im Amt bereichern. Obwohl ich diese Unterschiede kenne, ist es für mich nicht überraschend gewesen, als ich gestern in einem Kasten in der „ElbeJeetzel-Zeitung“, in dem die genannten Umfrageergebnisse zitiert wurden, ein Foto des ehemaligen Ministerpräsidenten Gerhard Glogowski und einen Bericht über Bier, Politik und Vereinswesen gefunden habe. Gerhard Glogowski hat mit seinem Auftritt im Untersuchungsausschuss gezeigt, dass er bis heute kein Bewusstsein von Schuld hat. Bis heute scheint er nicht zu wissen, warum er zurücktreten musste, und bis heute glaubt er offenbar, sein Rücktritt sei unbegründet, und zwar deshalb, weil andere Politiker in der Bundesrepublik noch mehr gerafft haben als er selber.
Für diese unbelehrbare Haltung ist nicht nur Gerhard Glogowski verantwortlich, sondern sind es auch die SPD-Fraktion und der Nachfolger im Amt, Sigmar Gabriel; denn bis zur Veröffentlichung des Herbst-Berichts hat gerade auch Ministerpräsident Gabriel die Legende gesponnen, sein Vorgänger Gerhard Glogowski sei ein Opfer einer Medienkampagne, und bis heute versucht für mein Gefühl die SPD-Fraktion im Untersuchungsausschuss alles, um eine umfassende Aufklärung dieser Affäre zu behindern.
So oft in den letzten Wochen große Worte über Aufklärung und Konsequenzen gemacht worden sind, so oft ist die Umsetzung dieser Versprechen ausgeblieben.
Wir meinen - das bitte ich ernst zu nehmen -, dass die Diskussionen darüber, welche gesetzlichen Regelungen wie zu verschärfen sind, ins Parlament, in diesen öffentlichen politischen Raum, gehören. Die Vorschläge, die wir Ihnen dazu heute unterbreiten, haben zugegebenermaßen keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Allerdings meinen wir, dass wir mit den Änderungsvorschlägen, die wir Ihnen dazu heute präsentieren, zwei zentrale Probleme aufgreifen.
Das eine ist das der fehlenden Transparenz bei den Einkommen der Abgeordneten und der Minister. Das sollte auf jeden Fall vor einer neuen Diätenerhöhung geregelt sein.
Die begrenzte Veröffentlichung, die wir vorschlagen, ist sicherlich nicht die radikalste Antwort auf das Misstrauen gegenüber Politikern. Unser Vorschlag versucht, grundrechtlich geschützte Positionen oder Standesrecht abzuwägen gegen das Prinzip der Offenlegung. Ziel dieses Vorschlages ist es, unzulässige Interessensverflechtungen oder Mehrfachbelastungen festzustellen. Wir haben schon oft darüber geredet, dass in den USA oder in Schweden Abgeordnete ihre Vermögensverhältnisse und die ihrer Ehegatten und Kinder lückenlos veröffentlichen müssen.
Herr Gabriel hat ja gestern in der Pressekonferenz die Auffassung vertreten, unsere grünen Vorschläge, die wir vorgelegt hätten, seien noch nicht scharf genug. Nun sind Sie, wie man heute Morgen lesen konnte, im Kabinett mit Ihrem Ehrenkodex ja selbst nicht allzu weit gekommen. Wir sind der Auffassung: Nur zu, Herr Gabriel! Unterbreiten Sie selbst in den Beratungen über unsere Vorschläge schärfere Vorschläge. Im Übrigen ist heute schon niemand daran gehindert, seine Steuererklärung z. B. auf seiner Homepage, die viele Abgeordnete bereits haben, zu veröffentlichen.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass es keine Fiktion ist, sondern wahr ist, dass die Wählerinnen und Wähler ein ausgesprochen großes Interesse an
Transparenz haben. Sie wollen nämlich tatsächlich wissen, von wem wir außer vom Volk selbst noch bezahlt werden und wem wir neben dem Volk, das uns bezahlt, noch dienen. Das ist ja ein Gedanke, den Herr von Arnim schon sehr lange propagiert. Herr von Arnim ist ein Anhänger bedingungsloser Transparenz.
Das zweite zentrale Problem, das wir mit unseren Vorschlägen aufgreifen, betrifft die vielen möglichen Interessenverflechtungen, den Filz und die Günstlingswirtschaft - ein Problem, das wir ja auch hier in Niedersachsen kennen gelernt haben. Eine Lehre, die wir aus den Braunschweiger Verhältnissen in der Staatskanzlei unter Glogowski ziehen, lautet: Ihre kommunalen Klüngel sollten Minister mit dem Amtsantritt hinter sich lassen. Wir halten Ministerämter und kommunale Mandate für unvereinbar.
Eine weitere Lehre, die wir gezogen haben, lautet: Die Verfassung muss eingehalten werden. Regierungsmitglieder sollten nur in Ausnahmefällen Aufsichtsratsposten bekleiden. - Unser Vorschlag ist, höchstens zwei Aufsichtsratsposten für einen Minister zuzulassen. Herr Gabriel, Ihr von Ihrem Kabinett noch ordentlich aufgeweichter Vorschlag macht doch wieder alles möglich. Abgesehen von der zukünftigen Regelung wäre es für uns heute bereits sehr spannend, zu wissen, wann Wirtschaftsminister Fischer vier seiner sechs oder drei seiner sechs oder wie viele auch immer seiner Aufsichtsratsposten tatsächlich abgeben wird.
Ich nehme an, dass Ihre zehn Gebote nicht erst für das nächste, sondern auch schon für das derzeit amtierende Kabinett Gültigkeit bekommen sollten.