Protocol of the Session on February 16, 2000

Zur Sache! Mehr Mut zur konsequenten Stärkung der Eigenverantwortung der niedersächsischen Hochschulen. - Im Juni 1998 schien der Fachminister noch den Mut zu mehr konsequentem Handeln in den Hochschulen zu haben. In Loccum sagte er noch:

„Dezentralisierung, Deregulierung und Delegation heißen die Hauptprinzipien des neuen Steuerungsmodells... Der neue Ordnungsrahmen Autonomie und Verantwortung bedeutet die Verlagerung der Autonomie und der Verantwortung direkt an die Hochschulen selber. Das wesentliche Instrument der Autonomie ist der Glo

balhaushalt. Die nächste Stufe... ist die leistungs- und aufgabenorientierte Ressourcensteuerung...“

(Dr. Domröse [SPD]: Jawohl, so ist es!)

Das waren seine Visionen von moderner Hochschule. Sie waren es, Herr Dr. Domröse. Damals noch wollte er die klassischen Steuerungselemente der obersten Staats- und Verwaltungsorgane wie die Personalhoheit, die Finanzhoheit, die Organisationsgewalt und die Weisungs- und Aufsichtsbefugnis modifizieren und zum Teil ganz ersetzen. Staatliche Steuerung und Kontrolle sollten im Wesentlichen durch Zielvereinbarungen erfolgen.

Heute, noch nicht einmal eineinhalb Jahre später, ist von diesen Vorsätzen wenig geblieben,

(Dr. Domröse [SPD]: Wie bitte?)

und das, obwohl der Modellversuch „Erprobung der globalen Steuerung von Hochschulhaushalten“ an der TU Clausthal, der Uni Oldenburg und der Fachhochschule Osnabrück innerhalb dieser Hochschulen von einer bemerkenswerten Motivation getragen wurde.

Lässt es Sie, Herr Minister Oppermann, eigentlich noch ruhig schlafen, dass Ihnen Ihr eigener Wissenschaftlicher Beirat in seinem Bericht zur Evaluation des Modellvorhabens ein mehr als mangelhaftes Zeugnis ausgestellt hat?

(Dr. Domröse [SPD]: Wie bitte?)

Ich zitiere - Herr Dr. Domröse, hören Sie gut zu; dann wissen Sie, worum es hier geht -:

(Dr. Domröse [SPD]: Ich weiß das auch so!)

„Etliche Bundesländer haben den gleichen Grad der Flexibilität an Haushalten erreicht, gleichzeitig aber an anderen Rahmenbedingungen wie der Mittelzuweisung, der Strukturierung von Willens- und Leitungsstrukturen Niedersachsen nunmehr ein- bzw. überholt.“

(Dr. Domröse [SPD]: Was ist daran mangelhaft? - Unruhe)

Der Beirat - von Ihrer Vorgängerin, Herr Minister, eingesetzt - ist in Sorge, dass die Wettbewerbs

vorteile, die Niedersachsen einmal hatte, mittlerweile eingeholt sind. - So zu lesen in „Uni-Info Oldenburg“ 1/2000.

(Dr. Domröse [SPD]: Ja und? Was ist daran mangelhaft?)

Herr Minister, es sieht so aus, als hätten Sie das wenige Gute Ihrer Vorgängerin auch noch fahrlässig aufs Spiel gesetzt.

Professor Müller-Böling vom Centrum für Hochschulentwicklung wird noch deutlicher und spricht von Anzeichen in der Landesregierung für einen neuen Zentralismus. Also nichts mehr mit „mehr Demokratie wagen“, meine Damen und Herren von der SPD!

Der Präsident der Uni Oldenburg spitzt weiter zu: „Wir haben einen Formel-1-Wagen mit einem Rasenmähermotor“, weil diese Landesregierung eben nicht die Autonomie gewährt, die sie versprochen hat.

Das Rechte erkennen und nicht tun, ist Mangel an Mut, meine Damen und Herren, und politisch bewertet unverantwortlich.

Dabei kann der Hemmschuh doch nur in Ihren eigenen Reihen zu finden sein, Herr Minister; denn die CDU hat die begonnenen Reformprozesse in Bezug auf die Einführung von Globalhaushalten stets mitgetragen und durchaus mögliche Kritik an Einzelpunkten zugunsten des Reformvorhabens zurückgestellt.

Es ist unverständlich und inakzeptabel, dass durch Ihre Untätigkeit und Fehlentscheidung der Reformschwung ins Leere zu laufen droht.

Lassen Sie mich die Kritikpunkte anhand der Ausführungen des Wissenschaftlichen Beirats auszugsweise konkretisieren:

Obwohl die am Modellversuch beteiligten Universitäten auch erfolgreich als Bauherren agierten, gesteht die Landesregierung ihnen keine generelle Zuständigkeit für Baumaßnahmen zu. - Drückt sich darin die Sorge aus, Einfluss zu verlieren?

Ein Trend zur Rezentralisierung von Entscheidungen wird insbesondere an drei Punkten sichtbar:

(Dr. Domröse [SPD]: Jetzt bin ich mal gespannt!)

Statt die Liegenschaften der Hochschulen auch in die Verantwortung der Hochschulen zu stellen - von der CDU ja unlängst noch einmal ganz deutlich gefordert -, strebt die Landesregierung ein zentrales Liegenschaftsmanagement an.

Die Personalverwaltung soll teilweise zum Landesamt für Bezüge und Versorgung rückverlagert werden, und die Datenverarbeitung soll von den Hochschulen auf das Informatikzentrum Niedersachsen übertragen werden.

Ich darf hier noch auf eine weitere, fast diktatorische Maßnahme hinweisen, die innerhalb der Hochschulen für viel Unmut sorgt. Für die Verwaltungsdatenverarbeitung gibt es ministerielle Vorgaben, u. a. die Vorgabe, mit Baan-Software zu arbeiten,

(Dr. Domröse [SPD]: Das Ding ist alt!)

ohne Anhörung, Beratung oder Berücksichtigung möglicher und bewährter, einfacher und kostengünstiger Alternativen, ohne auf die berechtigten Einwände der Hochschulen einzugehen. Hier soll ein System installiert werden, das die Hochschulen selber so kritisch bewerten, dass sie von Beeinträchtigungen in der Arbeitsfähigkeit und von Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit sprechen. - Warum reagieren Sie nicht angemessener auf derartige Bedenken, Herr Minister? Ist ein so eigenständiges Bewerten und Denken in den Hochschulen bei der SPD unerwünscht?

Die Haushalte der Universitäten müssten ziel- und ergebnisorientiert bewertet und fortgeschrieben werden, was diese Landesregierung aber nicht macht. Damit entfällt ein wesentliches Merkmal für einen zukunftsfähigen Globalhaushalt. - Wollen Sie nun einen zukunftsfähigen funktionsfähigen Globalhaushalt, oder wollen Sie ihn lieber doch nicht?

Aus der Reihe der unzureichend entwickelten hochschulinternen Voraussetzungen möchte ich nur nennen, dass nach wie vor ein Controlling fehlt.

(Vizepräsident Jahn übernimmt den Vorsitz)

Auf der Basis dieser bedrückenden Analyse fordert der Wissenschaftliche Beirat - wohlgemerkt: Ihr Beirat, Herr Minister - u. a. die Einführung einer umfassenden Finanzautonomie, die Bauherrenei

genschaft, die Zentralität von Aufgaben allenfalls über eine freiwillige Kooperation der Hochschulen, eine ziel- und ergebnisorientierte Hochschulfinanzierung, die Entwicklung hochschuladäquater Jahresabschlussberichte, weitgehende Dienstherreneigenschaft, die Öffnung für weitere Organisationsautonomie, interne Managementreformen und die Teilhabe der Hochschulen an erwirtschafteten Effizienzgewinnen. Es ist Ihr Beirat, der Sie so zum Handeln auffordert und Ihnen ein Armutszeugnis für das ausstellt, was geschehen ist.

(Lachen bei der SPD)

Die CDU bietet Ihnen Unterstützung für aktives Handeln an,

(Dr. Domröse [SPD]: Da bin ich mal gespannt!)

wie wir ja kürzlich mit mehreren Anträgen auch deutlich gemacht hat.

Erfolgreiche Hochschulreformpolitik muss sich an den Leitzielen „Eigenverantwortung“, „Leistung“, „Wettbewerb“ und „Internationalität“ ausrichten. Dafür müssen die Hochschulen vom staatlichen Gängelband gelöst werden. Der Staat muss auf eine Detailsteuerung verzichten. Die Finanzierung muss leistungsabhängig erfolgen. Wir wollen, dass die Hochschulen ihre Liegenschaften in eigener Regie wirtschaftlich nutzen und zusätzliche Einnahmen zur Hälfte nach eigenen Vorstellungen reinvestieren können.

Zu guter Letzt möchte ich ganz klar sagen, dass sich Hochschulen zu Dienstleistungszentren für die Studierenden entwickeln sollten - auch das gehört zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit -, damit ein niedersächsischer Wissenschaftsminister nicht - wie hier im Januar geschehen - beklagen muss, dass die niedersächsischen Hochschulen weltweit ganz und gar nicht zu den führenden gehören.

Wenn Sie, Herr Minister Oppermann, inzwischen Angst vor der eigenen Courage haben - Courage schienen Sie ja im Juni 1998 noch zu haben -,

(Unruhe)

was wohl die Diskrepanz zwischen der angekündigten Politik und dem tatsächlichen Handeln erklärt, dann verspreche ich Ihnen Rat und Zuspruch von der CDU,

(Zustimmung bei der CDU und La- chen bei der SPD)

wenn Sie sich jetzt umgehend auf den Weg zu Reformen machen und dabei unsere Anträge als Grundlage Ihres Handelns nehmen. Geben Sie den Hochschulen die Luft zum Atmen, die sie im internationalen Wettbewerb brauchen! Lassen Sie zu, dass sich die Hochschulen weiterentwickeln können, statt sie zu bevormunden! Geben Sie Gas, und nehmen Sie den Fuß von der Bremse!

Wir fordern mehr Mut für Hochschulreformen, für Eigenverantwortung, weil - so Christian Morgenstern -:

„Die Zaghaftigkeit - wo Gutes gewollt wird - ist zu nichts nütze. Umgekehrt, sie ist nur eine Quelle immer weiterer Schwäche und damit immer weiterer Misserfolge.“