Protocol of the Session on January 27, 2000

Die Beschlussfähigkeit kann ich jetzt noch nicht feststellen. Ich hoffe, ich denke im Laufe des Vormittags daran.

Wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 15, den Dringlichen Anfragen. Anschließend setzen wir die Beratung in der Reihenfolge der Tagesordnung fort.

Wie Sie wissen, ist der heutige Tag der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Wir wollen uns aus diesem Anlass nach der Behandlung von Tagesordnungspunkt 18, also gegen 12.15 Uhr, die Zeit für eine Stunde der Besinnung nehmen. Nach einigen einleitenden Worten, die der Herr Landtagspräsident hier im Plenarsaal an Sie richten möchte, bitte ich Sie, im Forum des Landesmuseums zusammenzukommen, wo derzeit eine Ausstellung mit Synagogenorgeln aufgebaut ist. Dort werden der Oberkantor der jüdischen Gemeinden von Jerusalem, New York und Sao Paulo, Herr Moshe Stern, und der Leiter des Europäischen Zentrums für jüdische Musik, Herr Andor Iszák, diese Stunde musikalisch gestalten.

Wie Ihnen bereits angekündigt wurde, wird in der Mittagspause im Vortragsraum 3 der preisgekrönte und sehr erfolgreiche Kurzfilm „go to Shanghai“ Dauer etwa 15 Minuten - gezeigt. Im Anschluss daran stehen die beiden Filmemacherinnen Daniela Abke und Dorothee Brüwer für ein Gespräch zur Verfügung. Der Beginn dieser Veranstaltung ist auf 13.30 Uhr verschoben worden.

Gleichfalls in der Mittagspause wird der in der 39. Sitzung am 16. Dezember 1999 als Mitglied und Präsident des Staatsgerichtshofs wiedergewählte Herr Prof. Dr. Manfred-Carl Schinkel von dem Herrn Ministerpräsidenten seine Ernennungsurkunde erhalten. Die Vereidigung von Herrn Prof. Dr. Schinkel ist für 15 Uhr vorgesehen. Ich bitte dazu um Ihre Anwesenheit.

Die heutige Sitzung soll gegen 18.50 Uhr enden.

Wie immer darf ich Sie an die rechtzeitige Rückgabe der Reden an den Stenografischen Dienst bis spätestens morgen Mittag, 12 Uhr - erinnern.

Es folgen die geschäftlichen Mitteilungen durch die Schriftführerin.

Von der Fraktion der CDU hat sich Herr Meier entschuldigt.

Wir kommen jetzt zu

Tagesordnungspunkt 15: Dringliche Anfragen

Zu diesem Tagesordnungspunkt liegen zwei Anfragen vor. Ich rufe zunächst die Dringliche Anfrage der Fraktion der CDU auf:

a) Neue Finanzierungslöcher verschärfen Haushaltskrise in Niedersachsen - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/1337

Herr Rolfes trägt die Anfrage vor.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die bereits verabschiedeten Entscheidungen der SPD-geführten Bundesregierung aus dem letzten Jahr zu steuerpolitischen und familienpolitischen Maßnahmen sowie zu Kürzungen im Bundeshaushalt belasten bereits jetzt den niedersächsischen Landeshaushalt erheblich bei den Einnahmen und bei der Finanzierung von wichtigen Maßnahmen für die Wirtschaftsstruktur, die Landwirtschaft und die Verkehrsinfrastruktur.

Die neue mittelfristige Finanzplanung des Landes weist für das Jahr 2001 eine Finanzierungslücke aus nicht gedeckten Ausgaben und neuen Krediten von rund 4.000 Millionen DM aus. Hinzu kommen globale Minderausgaben von 824 Millionen DM. Ebenfalls nicht finanziert sind bisher die Versprechungen des Niedersächsischen Ministerpräsidenten aus seiner Regierungserklärung vom Dezember 1999.

(Möhrmann [SPD]: Und die Forde- rungen der CDU-Fraktion!)

Dazu zählt vor allem die Einstellung von zusätzlichen 2.000 Lehrern.

Inzwischen hat der Niedersächsische Finanzminister erklärt, dass sich das vorhandene riesige Finanzloch durch weitere Berliner Vorhaben zur Unternehmenssteuerreform, zum Vorziehen der Einkommensteuerregelung und zur Mitfinanzierung der Zwangsarbeiterentschädigung weiter massiv vergrößern wird. Zusätzlich gibt es keine Vorsorge im Landeshaushalt für etwaige Defizite der EXPO und für die mögliche Rückzahlung aus dem Rechtsstreit um den Erdgasförderzins.

Den zusätzlich drohenden Milliardenbelastungen für das Land hat der Finanzminister bisher lediglich 13,5 Millionen DM eingesparter Telefonkosten entgegengesetzt.

(Heiterkeit bei der CDU)

Weitere dringend notwendige bereits jetzt einzuleitende Sparmaßnahmen hat der Finanzminister nicht beziffert. Auch lehnt er hierfür einen Nachtragshaushalt 2000 ab.

(Möhrmann [SPD]: Genau wie die CDU!)

- Nein, nein! - Wir fragen die Landesregierung:

1. In welcher Höhe entstehen nach heutigen Kenntnissen dem Land Einnahmeausfälle in der Gesamtsumme und im Detail aus den bereits jetzt umgesetzten Berliner Entscheidungen und den vorgesehenen Entscheidungen der SPD-geführten Bundesregierung für die Jahre 2001 bis 2003?

2. In welcher Höhe sind bereits jetzt nach der geltenden mittelfristigen Finanzplanung für die Jahre 2001 bis 2003 Ausgaben nicht durch ordentliche Einnahmen gedeckt, sondern als globale Minderausgaben, Neuverschuldung und Handlungsbedarf ausgewiesen?

3. Wie hoch sind die zusätzlichen Finanzierungskosten für die Jahre 2001 bis 2003 aus den Versprechen des Niedersächsischen Ministerpräsidenten - u. a. Einstellung von zusätzlichen 2.000 Lehrern - aus seiner Regierungserklärung vom Dezember 1999?

(Beifall bei der CDU)

Die Antworten für die Landesregierung gibt der Finanzminister Aller.

(Dr. Domröse [SPD]: Das wird ihm Freude machen!)

Herr Rolfes, die Frage ist so schlicht, wie sich die Haushaltspolitik der CDU immer darstellt. Sie mussten ja zum Teil selber lachen.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU)

Deshalb bin ich sehr dankbar dafür, dass Sie mir die Möglichkeit geben, etwas ausführlicher auf diese Dringliche Anfrage zu antworten. Ich möchte aber einige Bemerkungen vorwegschicken.

Die erste Bemerkung ist Folgende: Sie haben eine Reihe von Fragen gestellt, die das sorgfältige Studium der mittelfristigen Finanzplanung und auch der mündlichen Erläuterungen, die ich in der Vergangenheit dem Ausschuss gegeben habe, überflüssig gemacht hätten. Trotzdem ist es wichtig, dass dies immer wieder der Öffentlichkeit präsentiert wird, weil sonst die Gefahr besteht, dass die selektive Wahrnehmung, unter der Sie ja leiden, das öffentliche Meinungsbild prägt. Deshalb bitte ich um Verständnis dafür, dass ich die Gelegenheit nutze, darauf hinzuweisen, wie die Zusammenhänge zwischen bundespolitischer Steuerpolitik und Auswirkungen auf die Landespolitik sind.

(Zurufe von der CDU)

- Vielleicht beruhigt Sie das ja, wenn Sie das einmal lesen, Herr Klare.

Vorgestern stand Folgendes in der Zeitung: Finanzpolitik glänzt im 16-Länder-Test. - Das bezieht sich auf Niedersachsen. Heute gibt es auf der Wirtschaftsseite der „HAZ“ einen lesenswerten Artikel über den Wirtschaftsbericht und über die Aussagen von Bundesfinanzminister Eichel, u. a. auch dazu, was Sie eben gefragt haben. Auch das empfehle ich der Lektüre, weil es wichtig ist, dass wir im Lande begreifen, dass wir uns mit unserer Haushaltspolitik und mit unserer mittelfristigen Finanzplanung zwischen Bund und Kommunen platzieren müssen.

In den vergangenen Wochen, meine Damen und Herren, waren aus der Opposition seltsame Signale zu vernehmen, verwirrende und widersprüchliche Signale übrigens, was nichts Neues ist. Ich möchte allerdings kurz darauf eingehen, da sich die vorliegende Dringliche Anfrage daran nahtlos anschließt.

Die Vorlage der mittelfristigen Finanzplanung am 20. Dezember des vergangenen Jahres verschaffte der CDU zunächst die Erkenntnis, dass die von der Regierung Glogowski am 16. November 1999 in den Eckwerten beschlossene Mipla die Schwerpunkte des einen Monat später gewählten Ministerpräsidenten Gabriel nicht berücksichtigte. Immerhin wurde bei dieser Gelegenheit festgestellt, dass die Finanzplanung auch mittelfristig auf die Aufnahme von erheblichen Nettokrediten angewiesen ist und bei der Aufstellung der kommenden Haushalte daneben ein beachtlicher Handlungsbedarf zu bewältigen sein wird.

In der „NWZ“ vom 28. Dezember 1999 steht dazu: 4 Milliarden bei den Ausgaben ungedeckt. - Der Leser könnte auf den Gedanken kommen, der niedersächsische Haushalt gehe schweren Zeiten entgegen. Allein die Erkenntnis, die die CDU gehabt hat, nachdem sie die mittelfristige Finanzplanung gelesen und die dort öffentlich ausgewiesenen Handlungsbedarfe noch einmal der Presse mitgeteilt hatte, ist eine haushaltspolitische Leistung. Kein Zweifel.

Eine gute Woche später - ich habe gerade das vorläufige Ergebnis der Steuereinnahmen für 1999 bekannt gegeben - sieht die Opposition im Lichte neuer Erkenntnis großzügigen Raum für die Senkung der Nettokreditaufnahme und die sofortige Einstellung neuer Lehrer. Das Gerücht schwarzer Kassen macht die Runde, aus denen demnächst - selbstverständlich unter Umgehung aller verfassungsrechtlichen und haushaltsrechtlichen Bestimmungen - das Kabinett Wahlgeschenke finanzieren wolle.

(Möllring [CDU]: Das haben Sie aber jetzt gesagt!)

Die gerade beschworenen Finanzprobleme des Landes scheinen wenigstens für die Oppositionsparteien im Niedersächsischen Landtag überwunden zu sein, zumindest so lange, bis die Zeitungsausgaben vom 7. Januar 2000 im Altpapier verschwunden sind. Da hatten sich die CDU und die Grünen in „NP“, „HAZ“, DWZ“ und „NOZ“ geäußert, und dies alles, obwohl der Minister

präsident selbst am 3. Januar 2000 in der „HAZ“ öffentlich eingeräumt hat, dass die Aufstellung des Haushaltes 2001 die wichtigste landespolitische Aufgabe des Jahres sei und eine große Herausforderung für das gesamte Parlament darstelle. Ich als Finanzminister kann dies nur unterstreichen. Die Bedingungen sind eher schwieriger geworden, als seinerzeit erkennbar war. Ich begrüße deshalb ausdrücklich, dass die Opposition, namentlich die CDU, mit ihrer Anfrage offensichtlich ihre Bereitschaft zum Ausdruck gebracht hat - dies muss man unterstellen -, sich wieder ernsthafter mit der Sachlage auseinander zu setzen.

Die Rücklage ist - das wissen Sie selbst - nicht zur Finanzierung irgendwelcher Wohltaten im Rahmen des Haushaltes 2001 gebildet worden. Das Gerede von schwarzen Kassen ist blanker Unsinn. Ich bin gespannt, wie Sie jetzt weiter argumentieren werden - jetzt, wo die Mitfinanzierung der Steuerreform des Bundes sicherzustellen ist. Ich nehme das einmal so, wie es ist: Die CDU hat ja inzwischen ein noch weiter gehendes Entlastungsprogramm beschlossen. Auch da stellt sich die Frage, wie man denn im Lichte der neuen Erkenntnisse die Rücklage bewertet.

Ich sage es noch einmal: Die Rücklage ist Ausdruck einer vorausschauenden, seriösen Finanzpolitik, ohne die eine konsequente Konsolidierung des Haushaltes nun einmal nicht zu bewerkstelligen ist. Ich habe immer vor blindem Aktionismus gewarnt und habe auch nichts davon gehalten. Die Forderung, statt der Erhöhung der Rücklage die Nettokreditaufnahme zu senken und einen Teil zur „Milderung der Unterrichtskatastrophe“ zu verwenden,

(Möllring [CDU]: Sehr richtig!)

also die Mittel gleich wieder auszugeben – das ist die Wortwahl des Kollegen Möllring in der „NOZ“ vom 7. Januar -, haben Sie inzwischen offensichtlich wieder verworfen.

Im Zusammenhang mit den ausgeglichenen Haushaltsabschlüssen der vergangenen Jahre und dem dadurch möglich gewordenen Aufbau der Rücklage hat die Landesregierung bei jeder Gelegenheit sehr deutlich und in verschiedenen Darstellungen immer wieder auf die sich konkret und in der politischen Diskussion abzeichnenden Risiken hingewiesen, sei es die verfassungsrechtlich gebotene Besserstellung der Familien mit Kindern oder die quer durch alle Parteien geführte Diskussion über

erhebliche Steuernettoentlastungen. Niemand, der die politische Diskussion in Deutschland aufmerksam verfolgt, kann heute überrascht tun. Dass beispielsweise eine steuerliche Nettoentlastung im zweistelligen Milliardenbereich ganz erhebliche Auswirkungen auch auf die Landeshaushalte - nicht nur auf den niedersächsischen - und auf die Kommunen haben würde, war jedem klar. Allen öffentlichen Haushalten, deren Gesamtverschuldung Ende vergangenen Jahres laut „dpa“ übrigens auf 2,3 Billionen DM gestiegen ist, wird die Bewältigung dieser Einnahmeausfälle schwer fallen. Dies gilt vor allem in Bezug auf den jetzt aufzustellenden Haushalt 2001, für den sich nach dem vorliegenden Referentenentwurf zur Steuerreform erhebliche zusätzliche Belastungen abzeichnen, ohne dass zeitgleich Wachstumseffekte einnahmewirksam werden dürften. - Zwei Begriffe noch einmal betont: der Referentenentwurf der Bundesregierung und die Zeitungleichheit zwischen dem Wirksamwerden der Steuerentlastungen und den Wachstumseffekten, die sich dann hoffentlich auch in Steuermehreinnahmen auswirken werden. Hierbei handelt es sich vor allem um die bislang erst für 2002 vorgesehene Senkung der Einkommensteuertarife im Vergleich zu den bisherigen Konzepten und den erhöhten Entlastungen gegenüber ursprünglichen Planungen im Zusammenhang mit der Unternehmenssteuerreform.

Fest steht, dass für das jetzt angestrebte Entlastungsvolumen die in der Mipla hierfür auf der Grundlage der damals bekannten und geplanten Eckdaten vorsorglich getroffenen Maßnahmen in Höhe von 450 Millionen DM für 2001, in Höhe von 400 Millionen DM für 2002 und in Höhe von 330 Millionen DM für 2003 nicht ausreichen. Welche Beträge hier zusätzlich bewältigt werden müssen, ist aufgrund des erreichten Verfahrensstandes bislang nur schwer zu beziffern. Die jetzt diskutierten Ausfallschätzungen liegen in vielen Details weit auseinander. Die verschiedenen Rechnungen von Bund und Ländern werden derzeit - übrigens auf meine Initiative hin - sorgfältig abgeglichen, damit wir verlässliche Planungsgrundlagen erhalten. Eines steht allerdings fest: Spielraum für noch weiter gehende Steuernettoentlastungen, wie sie von der Steuerkommission der CDU/CSU in der vergangenen Woche vorgeschlagen wurden, gibt es ganz sicher nicht. Denn ein weiterer Schub für die Verschuldung der Haushalte muss in jedem Falle vermieden werden, insbesondere in Niedersachsen.