Protocol of the Session on January 26, 2000

Wir haben im Ältestenrat deutlich gemacht, dass wir nach wie vor verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Fragen 8 und 9 haben. Sie betreffen in einer Weise Zeiträume, die derzeit auch nach Auffassung der Christdemokraten so weit zurückliegen, dass niemand so lange Belege über Einnahmen aufbewahrt und vorlegen kann. Sie nehmen für sich selbst in Anspruch, Belege nur ab 1993/1994 vorlegen zu müssen. Bei Glogowski wollen Sie aber, dass er Belege ab 1990 beibringt.

Herr Kollege Groth, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, danke.

(Wulff [Osnabrück] [CDU]: Was ha- ben Sie denn bei den Spielbanken gemacht? Bei den Spielbanken sind Sie bis 1971 zurückgegangen!)

Auch ein Privatmann - Herr Wulff, auch das wissen Sie - muss sowohl nach BGB als auch im steuerlichen Bereich Belege nicht länger als fünf Jahre aufbewahren.

(Widerspruch bei der CDU - Coenen [CDU]: Zehn Jahre!)

Sie gehen hier in einen Zeitraum zurück, der es dem Zeugen im Untersuchungsausschuss ausgesprochen schwer machen wird.

Zusammengefasst machen auch Ihre Beiträge von heute deutlich: Das Haus der CDU brennt. Sie merken, dass die politische Statik bundesweit ins Wanken kommt. Sie wollen diesen Ausschuss offensichtlich auch mithilfe der Umfänglichkeit des Auftrages instrumentalisieren, um hier Sachverhalte, die überhaupt nicht mit dem Schlamassel zu vergleichen sind, den CDU-Spitzenleute auf Bundesebene zu vertreten haben, in der öffentlichen Wahrnehmung auf die gleiche Augenhöhe zu bringen.

Wir versprechen Ihnen, dass Ihnen das nicht gelingen wird.

(Beifall bei der SPD)

Denn nach wie vor gilt für den Sozialdemokraten Gerhard Glogowski, dass er das Parlament nicht belogen hat. Nach wie vor gilt für Gerhard Glogowski, dass er von Waffenhändlern kein Geld angenommen hat. Nach wie vor gilt, dass er sich bereit erklärt hat, an der Aufklärung mitzuwirken. Er wird sich nicht hinter dubiosen Ehrenworten verstecken. Nach wie vor gilt auch, dass er seinen Amtseid beachtet, auch nachdem er nicht mehr im Dienst ist.

Es ist wohl deutlich, dass Sie versuchen, Dinge gleichzumachen, die nicht gleich sind.

(Jahn [CDU]: Und das ist dann wohl das Untersuchungsergebnis!)

- Herr Jahn, man muss hier dann auch die Möglichkeit haben, zu unterscheiden, um Gerhard Glogowski abzusetzen von dem, was Sie ihm in Ihren öffentlichen Rechtfertigungen für den Schlamassel auf Bundesebene immer wieder durch geschickte Assoziationen versuchen mit um den

Hals zu hängen nach dem Motto: Seht doch da! Es sind nicht nur wir schlimmen Christdemokraten. Es gibt auch bei euch so welche. - Das ist unfair, ungleich und muss hier benannt werden.

(Beifall bei der SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zum Schluss die formalen Fragen ansprechen. Wir sind einig, dass wir im Untersuchungsausschuss zunächst einen Bericht der Landesregierung haben möchten. Anders als Sie meinen wir, dass die Landesregierung uns zumindest auch den Bericht von Herrn Herbst und seinem Kollegen zur Verfügung stellen sollte oder ihn in ihren Bericht integrieren müsste. Wir meinen, dass das für uns eine wichtige Arbeitsgrundlage wäre.

Wir glauben, dass es richtig ist, auch für diesen Untersuchungsausschuss wieder sieben Mitglieder und ein Grundmandat vorzusehen. Meine Damen und Herren, Sie müssten einmal die Protokolle lesen. Ich kann sie Ihnen zur Verfügung stellen. Sie haben eben alle applaudiert, als es darum ging, einen Neunerausschuss einzurichten. Als hier über das Celler Loch gesprochen wurde oder als hier über den Spielbankenausschuss gesprochen wurde, waren es Vertreter der CDU, die mit Vehemenz gesagt haben, dass Siebenerausschüsse die effektiven Ausschüsse seien und Neunerausschüsse die falsche Empfehlung seien.

(Wulff [Osnabrück] [CDU]: Jetzt sind Sie überzeugt worden! Das hat bei Ih- nen zehn Jahre gedauert! - Plaue [SPD] - zu Wulff [Osnabrück] [CDU] -: Immerhin! Aber ihr habt euch ja jetzt auch gedreht! Einer muss einmal stehen bleiben!)

Sie haben auch mitgetragen, dass die letzten Untersuchungsausschüsse in diesem Hause Siebenerausschüsse waren. Es ist ein Ammenmärchen, wenn hier behauptet wird, dass ein nicht stimmberechtigtes Mitglied im Ausschuss nicht redeberechtigt und nicht antragsberechtigt sei. Mit dem Rede- und Antragsrecht hat das Mitglied mit Grundmandat jede Möglichkeit, für Aufklärung zu sorgen.

(Frau Harms [GRÜNE]: Warum soll er nicht abstimmen? Es ist also gar keine Behinderung bei den Mög- lichkeiten, in dem Ausschuss für Aufklärung zu sorgen, gegeben. Das wissen Sie natürlich auch, aber Sie wollen ein Ammenmärchen öffentlich pflegen. Von dem Kollegen der PDS wurde kritisiert, die Geschäftsordnung sei hier von der Mehrheit zur Benachteiligung anderer eingesetzt worden. Mit Ausnahme der Frage hinsichtlich eines Siebener- oder eines Neunerausschusses ist dies die Ge- schäftsordnung, die die jeweiligen Untersuchungs- ausschüsse in den letzten Jahren hatten und die in diesem Parlament in Einzelfällen auch mit großer Mehrheit oder sogar einstimmig verabschiedet wurden. Hierbei ist keine einseitige Handschrift qua Mehrheit enthalten. Insofern ist diese Äuße- rung falsch. Wir wären Ihnen dankbar, meine Damen und Herren von der CDU, aber auch von den Grünen, wenn Sie im Untersuchungsausschuss den Grund- satz, den Herr Wulff vorhin von anderen eingefor- dert hat, nämlich dass man im Umgang mit dem politischen Gegner die Unschuldsvermutung gelten lässt, bis denn das Gegenteil bewiesen oder ein Eingeständnis erfolgt ist, bitte auch gegenüber sich selbst fordern würden. Bisher, lieber Herr Möll- ring, können wir davon nur ganz wenig erkennen: Sie kennen die Ergebnisse schon. Sie bewerten schon. Sie haben die Ergebnisse, nach Ihren öf- fentlichen Äußerungen zu urteilen, schon längst fertig. - Das ist eine vordemokratische Verhal- tensweise. Kommen Sie also zu den Forderungen und Grundsätzen Ihres eigenen Vorsitzenden auch dann zurück, wenn es um den politischen Gegner geht. (Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Herr Kollege Möllring, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Groth, zu Ihnen würde mir auch manches einfallen, was ist jetzt herunterschlucke. Aber eines will ich sagen: Es ist das erste Mal, dass eine antragstellende Fraktion nicht mit Stimmrecht im Untersuchungsausschuss sitzt. Das haben Sie ganz offensichtlich nur deshalb abgelehnt - Sie haben hier bisher keine einzige Begründung dafür genannt -, weil Sie nicht mehr genug Leute haben, um die Ausschüsse überhaupt fach

kundig zu besetzen, was man ja schon an der Sprecherrolle sieht.

(Beifall bei der CDU – Plaue [SPD] lacht)

Ich will Sie Folgendes fragen: Wie ist denn der Untersuchungsbericht von Herrn Herbst, der jetzt wider Erwarten noch nicht vorliegt, zustande gekommen? Herr Staatssekretär Schneider hat am 2. Dezember an Herrn Herbst geschrieben: Sehr geehrter Herr Herbst, kurz nachdem wir beide - also Herbst und Schneider - den Beauftragungsbrief unterzeichnet hatten, rief Ministerpräsident Glogowski aus dem Urlaub bei mir an und verwies auf eine nicht ganz zutreffende Formulierung. – Das heißt, dass Herr Glogowski an dem Untersuchungsauftrag mitgewirkt hat, der seine Verfehlungen aufdecken soll.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Das kann doch nicht wahr sein!)

Das ist doch ein In-Sich-Geschäft. Was soll denn noch mit diesem Bericht herauskommen?

(Beifall bei der CDU)

Herr Groth, wir reden hier nicht von Vorverurteilung. Wir werden im Untersuchungsausschuss auch klären müssen, wann Herr Wehrmeyer angefangen hat, Sachen über Herrn Glogowski zusammenzutragen, die man ihm anhängen kann, ob es also vor den ersten Zeitungsveröffentlichungen war oder ob es nachher war. Es gibt sehr viele Hinweise dafür, dass bereits vorher entsprechende Dossiers darüber erstellt worden sind. Das werden wir aufklären müssen. Das kann natürlich nur der Untersuchungsausschuss machen, und wir hoffen dabei auf Ihre Mithilfe.

Zum Aufsichtsratsmandat bei der NORD/LB: Die Sause zum Oktoberfest nach München war ja nicht Herrn Glogowskis erste Verfehlung im Aufsichtsrat. Davor - nun hören Sie einmal genau zu - gab es den Plan für ein Heizkraftwerk, das von den Stadtwerken Braunschweig gebaut werden sollte. Im Zusammenhang mit solchen Heizkraftwerken sind immer furchtbar viele Gutachten erforderlich. Siehe da: Den einen Gutachter fand man. Er saß im Aufsichtsrat und hieß Gerhard Glogowski. Weil der Gutachter Gerhard Glogowski kein Geschäftskonto hatte, hat man ihm das Honorar in bar ausgezahlt.

(Frau Pawelski [CDU]: Koffer!)

Als er dann vergessen hatte, das zur Steuer anzumelden, aber die Stadtwerke es ordnungsgemäß als Betriebsausgabe verbucht hatten, ist das in die Steuerfahndung gekommen, und dann sind die Steuern und das Bußgeld nachbezahlt worden. Dies sind doch Tatsachen, die Sie nicht wegräumen können. Darauf bauen die anderen Sachen innerhalb der Stadtwerke natürlich auf. Da hätte man hellhörig werden sollen. Wir hätten erwartet, dass sich jemand hier hinstellt und sagt: Mit Ende meiner Ministerpräsidentenzeit ist auch das Ende meiner politischen Tätigkeit erreicht. Ich habe jetzt genug auf dem Kerbholz, und ich belaste die Republik nicht weiter.

(Beifall bei der CDU – Plaue [SPD]: Das sollten Sie einmal Herrn Schäuble sagen, bevor Sie hier solch einen Schwachsinn erzählen! Flegel- haft ist das! Pharisäerhaft nenne ich so etwas! – Adam [SPD]: Frechheit!)

Herr Kollege Golibrzuch!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei allem, was Herr Groth hier gesagt hat - Herr Groth hat ja auf Rechnungsbelege und auf Aufbewahrungsfristen abgehoben -, muss ich Ihnen sagen: Als CDU Deutschland würde ich mir Ihre Rechtsauffassung sofort zu Eigen machen, weil das natürlich bedeutet, dass man nur noch einen sehr begrenzten Aufklärungszeitraum hat.

Eines ist mir aber wichtig als Differenz zu dem, was Herr Groth gesagt hat, zu betonen: Auch wir halten einen Bericht der Landesregierung zu den Vorwürfen für notwendig. Daran besteht überhaupt kein Zweifel. Aber wir wollen mit der Arbeit des Untersuchungsausschusses nicht darauf warten, bis der Bericht von Herrn Herbst vorgelegt wird, der bestimmte Teile des Untersuchungsauftrages ja überhaupt nicht erfasst - Stichwort „Edelsause“ -, sondern wir wollen möglichst zügig – d. h. meinetwegen schon übernächste Woche - mit der Arbeit, mit dem Studium von Akten und auch mit der Zeugenvernehmung beginnen. Wir wollen nicht bis Ostern oder bis wann auch immer darauf warten, dass die Landesregierung dem Ausschuss einen Bericht vorgelegt hat. Es geht nicht, dass Sie die Arbeitsaufnahme des Ausschusses mit Ihrer Mehrheit im Ausschuss davon abhängig machen.

Das ist eine Verzögerung, die zumindest wir nicht akzeptieren werden. Ich fordere Sie auf, im Sinne dessen, was Sie immer verlangt haben, nämlich einer zügigen Aufklärung sogar im Sinne der Betroffenen, diesen Ausschuss mit uns gemeinsam möglichst rasch seine Arbeit beginnen zu lassen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Kollege Glogowski.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Möllring, Sie haben hier vorhin die Unwahrheit hinsichtlich dessen gesagt, was Sie über Vorgänge bei den Stadtwerken Braunschweig gesagt haben. Ich möchte Sie auffordern, das entweder zu belegen oder sich hier zu entschuldigen. Sie müssen sich für diese Angelegenheit entschuldigen. Man sollte nicht im Vorfeld eines Untersuchungsausschusses mit solchen Behauptungen und Unterstellungen beginnen, um damit einen anderen Menschen niederzumachen. Man sollte das nicht so gestalten. Von daher wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie hier Ordnung schaffen würden.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Beratung. Wir kommen zu den notwendigen Abstimmungen. Ich schlage vor, dass wir zunächst über die im Ältestenrat strittigen Punkte II. Nr. 5, III. Nr. 1 und V. sowie dann über die Beschlussempfehlung im Übrigen abstimmen.

Dementsprechend rufe ich jetzt Ziffer II. Nr. 5 auf. Wer dieser Ziffer zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. – Ich bitte um die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Hat die SPD mit Nein gestimmt?

(Plaue [SPD]: Ja!)

- Damit ist diese Ziffer abgelehnt.

(Groth [SPD]: Beschlossen! – Plaue [SPD]: Wir haben ihr zugestimmt!)

- Meine Damen und Herren, Ziffer II. Nr. 5 ist so beschlossen.

Jetzt rufe ich die Ziffer III. Nr. 1 auf. Wer dieser zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. – Ich bitte um die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Das ist ebenfalls so beschlossen.

Ich rufe jetzt die Ziffer V. auf. Wer der Ziffer V. zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. – Ich bitte um die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Auch dies ist so beschlossen.

Ich rufe jetzt die Beschlussempfehlung in der Drucksache 1329 im Übrigen auf. Wer dieser Beschlussempfehlung zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. – Ich bitte um die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? - Bei einer Neinstimme ist der Untersuchungsauftrag damit beschlossen. Vielen Dank, meine Damen und Herren.