Protocol of the Session on January 24, 2003

Die Antwort erteilt die Frau Kultusministerin.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Zustimmung auch aller CDU-geführten Länder und des einen CSU-geführten Landes hat sich die Kultusministerkonferenz auf ihrer 286. Plenarsitzung am 27. Mai 1999 in Leipzig für ein verändertes Modell der langfristigen Sommerferienregelung entschieden. Baden-Württemberg und Bayern beanspruchen beide für sich seit Jahren kompromisslos späte Sommerferienanfangszeiten.

Kein Land - auch kein CDU- oder CSU-geführtes Land - macht von der vorhandenen Möglichkeit Gebrauch, den Sommerferienbeginn bereits auf Mitte Juni zu legen. Abgesehen von einer kleinen Ausnahme legen alle Länder den Sommerferienbeginn frühestens auf die erste Juliwoche.

Die maßgeblichen Gründe für dieses Verhalten der Länder sind nachvollziehbar, denn für die Schulen ist die Neuregelung des Sommerferienbeginns aus pädagogischer Sicht ein Gewinn. Dies gilt insbesondere für die niedersächsischen Schulen, weil sie in Zukunft mit konstanteren Ferienanfangsterminen und zwei etwa gleich langen Schulhalbjahren planen können. Aus schulischer Sicht macht das Vorverlegen der Ferienzeiten auf Mitte Juni deshalb keinen Sinn, weil dadurch gerade im zweiten Schulhalbjahr ein extrem hoher Zeitdruck entstehen würde, der sich durch die geplanten zentralen Abschlussprüfungen am Ende des Sekundarbereichs I der allgemein bildenden Schulen und

durch das geplante Zentralabitur noch verschärfen würde.

Wie Sie genau wissen, ist für eine Änderung der KMK-Beschlussfassung zur Sommerferienregelung, die nur einvernehmlich erfolgen kann, nicht einmal die Unterstützung der CDU- und CSUgeführten Länder zu erhalten. Sie wissen ebenfalls, dass bei einer Gestaltung der Ferienzeiten nicht nur die berechtigten Anliegen der Tourismusbranche zu berücksichtigen sind, sondern auch die pädagogischen Belange.

Um die Diskussion über die Ferienzeitenregelungen zu versachlichen, wird die Landesregierung die von der Kultusministerkonferenz getroffene Entscheidung in Kürze mit allen Beteiligten noch einmal erörtern. Hierzu zählen neben der Tourismusbranche und den Verkehrsexperten auch die Schüler- und Elternvertretungen sowie die Lehrervertretungen. Bei den Erörterungen werden wir dann auch über eine eventuelle Entzerrung der Sommerferienregelungen in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen sprechen können. Erst nach Auswertung der Gespräche mit allen Beteiligten wird die Landesregierung entscheiden.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die gestellten Fragen wie folgt:

Zu 1: Nach der Beschlussfassung des SchleswigHolsteinischen Landtages wird die Landesregierung aufgefordert, „sich in der Kultusministerkonferenz für eine Entzerrung der ab dem Jahr 2003 geltenden bundesweiten Sommerferien einzusetzen“, indem die „Bandbreite der Sommerferien auf den Zeitraum von Ende Juni bis Mitte September ausgedehnt“ wird. Der Beschluss berücksichtigt nicht, dass die KMK die geforderte Bandbreite bereits beschlossen hat, die Länder aus den genannten Gründen hiervon aber keinen Gebrauch machen.

Zu 2: Nein.

Zu 3: Erst nach der Auswertung der Gespräche mit allen Beteiligten wird die Landesregierung entscheiden, wie sie bei der Ferienzeitenregelung weiter zu verfahren gedenkt.

(Möllring [CDU]: Welche Landesre- gierung denn?)

- Die Landesregierung.

(Möllring [CDU]: Sie sind ja optimis- tisch!)

Dabei wird sie sich von dem Grundsatz leiten lassen, dass bei dieser Regelung nicht nur wirtschaftliche, sondern auch pädagogische Belange Berücksichtigung finden müssen. Sie wird ferner prüfen, inwieweit im Rahmen der Beschlussfassung der Kultusministerkonferenz der Gestaltungsspielraum des Landes dahin gehend genutzt werden kann, die Überschneidungen der Ferienzeiten der Länder Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen noch weiter zu verringern.

(Beifall bei der SPD)

Zusatzfragen werden nicht gestellt. - Wir kommen dann zur

Frage 4: Dienstbesprechung der Schulfrauenbeauftragten der Region Aurich während der Unterrichtszeit

Ist der Kollege Klare da? - Das ist nicht der Fall. Die Antwort wird damit zu Protokoll gegeben.

Wir kommen somit zur

Frage 5: Schulen boykottieren zentrale Mathematikarbeit

Sie wird vom Abgeordneten Busemann gestellt. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit Jahren kündigt die Landesregierung zentrale Vergleichsarbeiten an den allgemein bildenden Schulformen sowie jetzt auch landesweit einheitliche Abschlussprüfungen an. Bereits am 11. November 1998 erklärte die Niedersächsische Kultusministerin Jürgens-Pieper vor dem Landtag: „Ich habe deshalb vor, zur Sicherung vergleichbarer Standards bereits in den Schuljahrgängen 4, 6, 8 und 9 in Zentralfächern regelmäßig Vergleichsarbeiten in den Klassen eines Schuljahrgangs schreiben zu lassen.“ Dies ist bis heute, vier Jahre später, nicht umgesetzt worden. Lediglich im Fach Mathematik haben jetzt alle Achtklässler eine zentrale Arbeit geschrieben. Auch hier ist die Landesregie

rung, wohl angesichts der Widerstände aus der SPD-Regierungspartei gegen jegliche Form von landesweit einheitlichen Prüfungen und Überprüfungen, bereits zurückgerudert. Ist in der Presseerklärung des Niedersächsischen Kultusministeriums zum Schuljahresbeginn vom 31. Juli 2002 noch von einem „ersten landesweiten zentralen Vergleichstest“ die Rede, der „die Frage klären (soll), welche Leistungen die Schülerinnen und Schüler in der Mitte des achten Schuljahres in den verschiedenen niedersächsischen Bildungsgängen erbringen“ und der es ermöglicht, „das Erreichen von bestimmten Zielen über eine einzelne Schule hinaus zu verfolgen und über die Vergleichbarkeit für mehr Chancengleichheit für Schülerinnen und Schüler zu sorgen“, ist davon in der Presseerklärung vom 2. Dezember 2002 keine Rede mehr.

An einzelnen Schulen wurde die zentrale Mathematikarbeit sogar boykottiert. So haben einem Bericht der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 4. Dezember 2002 zufolge „an der Integrierten Gesamtschule Mühlenberg sieben von acht Klassen im achten Jahrgang nicht am Mathetest teilgenommen. An der IGS List boykottierten rund 50 Schüler und damit die Hälfte der Achtklässler die Arbeit. ‚Wir halten die zentrale Arbeit für falsch,‘ erklärte der stellvertretende Schulleiter. Die Gesamtkonferenz der Schule hatte vor den Herbstferien beim Kultusministerium gegen den Test protestiert.“

Dazu erklärte das Kultusministerium lapidar, dass Schülerinnen und Schüler, die den Test boykottiert haben, diesen lediglich nachschreiben müssen - mit neuen Fragen, die die Schulen ohne Mitwirkung des Ministeriums ausarbeiten! Gleichwohl würden die Ergebnisse in die Studie einfließen. Dazu der Vorsitzende des Philologenverbandes Niedersachsen: „Die Schulen, die Sorgen haben, dem Vergleich nicht standzuhalten, werden Wege suchen, der Wahrheit auszuweichen. Das läuft nach dem Motto: ‚Wir stellen die Aufgaben, die uns passen.‘“(Nordwest-Zeitung vom 5. Dezember 2002).

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie will sie landesweit einheitliche zentrale Vergleichsarbeiten und dann auch Abschlussprüfungen im Sinne von mehr „Transparenz, Vergleichbarkeit und Objektivierung“ (Landesregie- rung in der Landtagssitzung am 22. Novem- ber 2002) sicherstellen, wenn einzelne Schulen sowie Schülerinnen und Schüler diese gezielt boykottieren?

2. Warum ergreift sie gegen die boykottierenden Schulen keine dienstaufsichtsrechtlichen Maßnahmen und stellt auch sicher, dass boykottierte Klassenarbeiten wegen Leistungsverweigerung mit der Note „Ungenügend“ bewertet werden?

3. Welchen Wert haben zentrale Mathematikarbeiten im Hinblick auf das angebliche Ziel von „Transparenz, Vergleichbarkeit und Objektivierung“, wenn Schulen bei boykottierenden Schülerinnen und Schülern den Test mit selbstgestellten Fragen nachschreiben lassen können und diese Ergebnisse dennoch in die Gesamtbewertung einfließen?

Die Antwort erteilt die Kultusministerin Frau Jürgens-Pieper.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zentrale Vergleichsarbeiten und Vergleichstests gehören in das Maßnahmenpaket der Landesregierung zur Qualitätsentwicklung. Dieses zielt auf die Herstellung vergleichbarer Standards in den Klassen oder Lerngruppen eines Schuljahrgangs.

Nach der PISA-Studie haben die Länder gemeinsam beschlossen:

„Um die Einhaltung dieser Standards zu überprüfen, sollen in den Ländern landesweit Orientierungs- und Vergleichsarbeiten geschrieben werden. Ziel einer solchen Überprüfung muss es nach Ansicht der Kultusministerkonferenz sein, dass möglichst viele Schülerinnen und Schüler durch gezielte Förderung die gesetzten Ziele erreichen. Die Vergleiche sollen in der Primarstufe beginnen und auch in den weiterführenden Schulen ab Jahrgangsstufe 5 bzw. 7 durchgeführt werden.“

Niedersachsen hat auf der Basis dieser Beschlussfassung erstmalig im Mathematikunterricht des 8. Schuljahrgangs eine zentrale Arbeit auf der Grundlage der geltenden Rahmenrichtlinien schulformspezifisch schreiben lassen. Ziel der externen Überprüfung ist keine Rangfolge der Schulen nach ihren erreichten Leistungen, es geht vielmehr darum, schulbezogen und über die Schule hinaus Rechenschaft über die schulische Arbeit abzulegen

und die Ergebnisse für den Prozess der Qualitätsentwicklung nach innen zu nutzen. Das Ergebnis dieser Überprüfung gibt den Fachkonferenzen Anhaltspunkte für die Entwicklung schuleigener Lehrpläne auf der Basis landesweiter Vorgaben sowie für die Weiterentwicklung des Mathematikunterrichts an der jeweiligen Schule. Zugleich ist es möglich, das Erreichen von bestimmten Zielen über eine einzelne Schule hinaus zu verfolgen und über die Vergleichbarkeit für mehr Chancengleichheit für Schülerinnen und Schüler zu sorgen.

Insofern unterscheidet sich die Zielsetzung der zentralen niedersächsischen Vergleichsarbeiten von den ebenfalls geplanten Vergleichstests mit landeseinheitlichen standardisierten Aufgaben, die immer nur eine Stichprobe von Schülerinnen und Schülern umfassen und damit ausschließlich Daten zur Weiterentwicklung des Schulsystems liefern.

Die Schule ist künftig angehalten, das Erreichen von vorgegebenen Standards für die Schülerleistungen sowie das Erreichen der Qualitätsstandards für die Schule selbst kritisch zu hinterfragen und regelmäßig intern und extern zu evaluieren. Im Kontext dieser bildungspolitischen Entscheidungen und Maßnahmen in Richtung einer Selbständigen Schule ist die erste zentrale Mathematikarbeit in Niedersachsen zu sehen.

Die Übernahme von mehr Verantwortung für die Arbeit in der Schule bedeutet für unser Bildungssystem einen grundlegenden Wandel, der in seinen Konsequenzen und Wirkungen Veränderungsprozesse in der Schule anstößt. Die zentrale Mathematikarbeit im 8. Schuljahrgang ist ein erster Schritt auf diesem Weg für alle Beteiligten, auch für die Schulbehörden. Einzelnen in der Anfrage aufgeführten negativen Beispielen steht eine große Anzahl von Schulen gegenüber, die sich auf diesen Anspruch eingestellt haben. Die Rückmeldungen aus den Schulen und die Reaktionen von Eltern, Schülerinnen und Schülern, nachdem die Arbeit geschrieben wurde, sind insgesamt als positiv einzuschätzen.

Ich halte dieses für einen deutlichen Erfolg und gehe deshalb nicht davon aus, dass sich die angesprochenen Akzeptanzprobleme des ersten Durchlaufs wiederholen werden.

Zukünftig ist im Übrigen vorgesehen, den Schuljahrgang, das Fach und die thematischen Bereiche der Vergleichsarbeiten so frühzeitig anzukündigen,

dass dies bei der Unterrichtsplanung von Anfang an berücksichtigt werden kann.

Die nächste Vergleichsarbeit ist in Vorbereitung; sie soll im 4. Schuljahrgang des Primarbereichs im zweiten Halbjahr des Schuljahres 2003/04 geschrieben werden.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die einzelnen Fragen wie folgt:

Zu 1: Eine zentrale Vergleichsarbeit ist ein geeignetes Mittel, um „Transparenz, Vergleichbarkeit und Objektivierung“ zu erreichen. In diesem ersten Durchgang wurde zunächst nur eine Arbeit in einem Fach und einem Jahrgang auf der Grundlage von Rahmenrichtlinien geschrieben. Schulen, Bezirksregierungen und meine Fachreferate sollten Erfahrungen für zukünftige Vergleichsarbeiten sammeln.

Dass sich einzelne Schülerinnen und Schüler oder Klassen nicht beteiligt haben, steht dem Erreichen der angestrebten Ziele nicht entgegen, insbesondere da das Fehlen weniger Daten die Aussagefähigkeit des Gesamtergebnisses nicht gefährdet.

Zu 2: Dem Boykott der zentralen Arbeit durch einzelne Lehrkräfte, einzelne Schülerinnen und Schüler oder Klassen wird von den Schulbehörden in angemessener Weise begegnet. Die bereits ergriffenen Maßnahmen haben kurzfristig dazu geführt, dass überwiegend Einsicht und Verhaltenskorrektur erreicht worden sind. Bei nachgewiesenem Fehlverhalten von Lehrkräften müssen dienstrechtliche Schritte geprüft werden.

Dem Vorschlag, die Arbeiten der Schülerinnen und Schüler, die sich an der zentralen Vergleichsarbeit nicht beteiligt haben, generell mit „Ungenügend“ zu bewerten, werde ich nicht nachkommen. Ich halte die Entscheidung der Bezirksregierung für diese erste Vergleichsarbeit für angemessen, sich Aufgabenstellungen für eine erneute Arbeit mit vergleichbaren Anforderungen vorlegen und diese nachschreiben zu lassen. Dadurch erhalten auch die Schulen, die sich nicht im vollen Umfang an der zentralen Arbeit beteiligt haben, eine Möglichkeit zum internen Vergleich.

Zu 3: Die Ergebnisse der nachgeschriebenen Arbeiten dienen, wie unter 2. dargestellt, dem schulinternen Vergleich, die Daten gehen jedoch nicht in die landesweite Auswertung ein. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Es liegen keine Wortmeldungen für Nachfragen vor.