Protocol of the Session on January 23, 2003

Meine Damen und Herren, in Bad Münder gab es eine Kette von Versäumnissen, Fehleinschätzungen und voreiligen Entwarnungen. Das Erden der Bahn dauerte zu lange. Das Fax mit den Angaben zum Gefahrstoff wurde verschlampt. Koordinierung und Zuständigkeiten zwischen BGS, Feuerwehr, Gesundheits- und Gefahrenabwehrbehörden waren unklar. Falsch war die Annahme, mit der Explosion sei alles verbrannt. Falsch war die Annahme schneller Verdünnung. Wir wissen jetzt, dass die Rauchwolke über Stunden bestimmte Gebiete der Stadt nicht verlassen hat. Diese Aufzählung könnte ich fortsetzen. Aber wie sagte unser Kollege Dr. Schultze bei der ersten Beratung? Die zuständigen Kräfte hatten die gesamte Entwicklung jederzeit im Griff. - Nein, Herr Dr. Schultze, Feuerwehr, Polizei und die Mitarbeiter von Stadt und Kreis haben ihr Bestmögliches gegeben, und dafür bin ich ihnen dankbar.

(Dr. Schultze [SPD]: Habe ich etwas anderes gesagt?)

Aber sie hatten die Entwicklung nicht im Griff. Sie waren auf Chemieunfälle, auf Umwelt- und Gesundheitsrisiken dieser Größenordnung nicht vorbereitet. Da ist die Verantwortung des Landes gefordert.

Für Bad Münder ist die Sache noch lange nicht ausgestanden. Die Hamel ist auf 20 km biologisch tot. Das Grundwasser ist im Bereich der Unfallstelle immer noch hoch belastet. Hunderte von Polizisten, Feuerwehrleuten und Anwohnern waren dem Gift ausgesetzt. Es gibt weiterhin auffällige Leberwerte. Rund 1 000 Menschen sind in dem Biomonitoring-Programm, von dem wir noch nicht wissen, wer es auf Dauer bezahlt. Sie hoffen auf Blutuntersuchungen, die erst noch entwickelt und erprobt werden müssen. Die Angst vor Spätschäden, wie Krebs oder Missbildungen, ist sehr groß. Noch Ende November hat der Ministerpräsident angekündigt, er werde die Untersuchung persönlich in Bad Münder vorstellen. Davon ist heute keine Rede mehr.

Immerhin wurde unsere Forderung nach einer Task Force für Großschadensfälle aufgegriffen. Die Beschlussempfehlung ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, dem weitere folgen müssen. Der Antragstext bleibt in diesem Punkt sehr allgemein und unverbindlich. Es fehlen die Konkretisierungen zu Aufgaben und Zielen einer Störfall-TaskForce auf Landesebene, zur Ausstattung mit Personal und Geräten und zur Kooperation mit anderen Einrichtungen und Institutionen. Es fehlen die konkreten Schritte zur Realisierung. Es fehlt auch der Zeit- und Finanzrahmen.

Aber der allgemeinen Zielsetzung werden wir heute zustimmen, Herr Bartling. Nach der Wahl wollen wir mit einem Sofortprogramm zur Schaffung eines vorläufigen Kompetenzzentrums dafür sorgen, dass diese Initiative nicht wie andere im bürokratischen Apparat des Innenministeriums versandet. Gerade die jüngsten Vorfälle wie jetzt in Seelze haben gezeigt, dass auch während der Zeit des Aufbaus einer solchen Störfall-Task-Force - ein Jahr bis anderthalb Jahre - jederzeit ein kompetentes und schnelles Handeln im Zusammenhang mit solchen Schadensereignissen möglich sein muss.

Unfälle wird es auch in Zukunft geben. Aber ein derartiger Fall von behördlichem Versagen wie in Bad Münder darf sich nicht wiederholen. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Herr Kollege Adam, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nicht erst das Elbe-Hochwasser oder das Zugunglück bei Bad Münder, sondern bereits das Zugunglück von Eschede und besonders eindrucksvoll die Ereignisse vom 11. September 2001 haben die Bedeutung eines funktionierenden und leistungsfähigen Katastrophen- und Zivilschutzes deutlich werden lassen. Die nach dem 11. September veränderte Bedrohungslage gibt jedoch keinen Anlass, an der Leistungsfähigkeit des niedersächsischen Katastrophenschutzes zu zweifeln. Insoweit ist der Innenministerkonferenz zuzustimmen, die erst kürzlich festgestellt hat, dass Bund und Länder über ein funktionierendes System zur Bewältigung auch von Großschadensereignissen verfügen.

(Coenen [CDU]: Daran muss man aber glauben!)

Die bestehenden Kapazitäten in den Bereichen Brandschutz, Rettungsdienst, Katastrophenschutz, Technisches Hilfswerk, die Regelungen der Länder im Bereich Katastrophenschutz und Gefahrenabwehr sowie die Regelungen zur Hilfeleistung der Bundeswehr und des Bundesgrenzschutzes gewährleisten ein funktionierendes System zur Bewältigung auch von Großschadensereignissen.

(Frau Körtner [CDU]: Das haben wir ja gesehen!)

Ich warne davor, meine Damen und Herren, unser Land unsicher zu reden. Das ist es nicht!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die Terroranschläge vom 11. September 2001 in den USA und auch die Hochwasserkatastrophe im August 2002 haben jedoch gezeigt, dass zunehmend Ereignisse in die Planungen einzubeziehen sind, die aufgrund ihrer Dimensionen eine Fortentwicklung der bestehenden Systeme erfordern. Ich glaube, dass unsere Meinungen diesbezüglich auch gar nicht auseinander gehen.

Hinzu kommt aber auch, meine Damen und Herren, dass ein im Irak geführter Krieg mit ziemlicher Sicherheit ein erneutes Erstarken des internationalen Terrorismus nach sich ziehen wird. Wir müssen daher auf drei höchst unterschiedliche Ereigniskategorien vorbereitet sein: auf Großschadenslagen wie in Bad Münder, auf Katastrophen

fälle wie beim Elbe-Hochwasser und leider nicht zuletzt auch auf terroristische Anschläge.

Lassen Sie mich zunächst auf Bad Münder eingehen: Wir haben die Ereignisse von Bad Münder im Innenausschuss ausführlich, auch mit einer sehr eindrucksvollen Anhörung, aufgearbeitet. Dabei hat es sich gezeigt, dass der Chemieunfall auf eine Verkettung äußerst unglücklicher Umstände zurückzuführen war.

(Frau Körtner [CDU]: Das ist immer so!)

Nach den Aussagen aller Beteiligten hat sich allerdings auch gezeigt, dass der Versuch, der auch heute hier wieder gemacht wurde, der Landesregierung eine Verantwortung für den Unfall in die Schuhe zu schieben, durch nichts, aber auch gar nichts gerechtfertigt ist. Meine Damen und Herren, ich halte es für völlig unangemessen, dass auch heute noch versucht wird, derartige Gelegenheiten auszunutzen, um auf dem Rücken der Betroffenen Stimmung zu machen und Stimmung zu schüren.

Wir haben an dieser Stelle vor gar nicht allzu langer Zeit bereits ausführlich über Bad Münder diskutiert. Ich begrüße es für meine Fraktion daher ausdrücklich, dass die Landesregierung bereits jetzt die angekündigten Konsequenzen auch aus den Ereignissen von Bad Münder gezogen hat.

(Beifall bei der SPD)

Das Kabinett hat in der vergangenen Woche beschlossen, zur Verbesserung der Arbeit des Bevölkerungsschutzes ein Kompetenzzentrum für Großschadenslagen im Innenministerium einzurichten. Der Minister ist darauf eingegangen. Dieses Kompetenzzentrum wird sich schwerpunktmäßig mit Präventionsmaßnahmen, mit Übungen und mit Beratungstätigkeiten hinsichtlich potenzieller Gefahrenslagen beschäftigen. Die Mitarbeiter des Landes, die für die Bekämpfung derartiger Schadenslagen hilfreich sein können, strukturieren, fassen zusammen und beraten. Das Kompetenzzentrum wird künftig bei Großschadenslagen wie etwa in Bad Münder an der Schnittstelle von Politik, Verwaltung und Einsatzgeschehen für die notwendige Koordination und Vernetzung sorgen.

Meine Damen und Herren, ich meine, damit hat die Landesregierung wahrlich die notwendigen Konsequenzen aus Bad Münder gezogen.

(Coenen [CDU]: Das ist zu wenig!)

Lassen Sie mich aber noch einmal sagen: In Bad Münder hat es einen sehr schweren Unfall, aber keine Katastrophe gegeben!

(Beifall bei der SPD - Coenen [CDU]: Sehr schwammig!)

Meine Damen und Herren, auch bei der Nachbetrachtung des Katastrophenschutzes im Zusammenhang mit dem Elbe-Hochwasser im letzten Jahr hat sich gezeigt, dass es über die operativ tätige Ebene hinaus einen weiter gehenden Koordinations-, Entscheidungs- und nicht zuletzt auch Schadensabwicklungsbedarf gibt. Deshalb wird das Kompetenzzentrum für Großschadenslagen auch bei derartigen Schadenslagen zu einer weiteren Verbesserung des Katastrophenmanagements führen.

Es wäre meines Erachtens ein Fehler, die hervorragende Leistungsfähigkeit des niedersächsischen Katastrophenschutzes, die sich im Zusammenhang mit dem Elbe-Hochwasser gezeigt hat, zu vernachlässigen. Es wäre auch ein Fehler, nicht darauf hinzuweisen, dass der Katastrophenschutz ohne die Einbindung und Hilfe der zahlreichen ehrenamtlichen Einsatzkräfte nicht auf dem gegenwärtigen hohen Niveau funktionieren würde. Deshalb nutze ich die Gelegenheit, insbesondere allen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern im Lande für ihr unermüdliches Engagement bei der Bewältigung des Elbe-Hochwassers zu danken.

(Beifall im ganzen Hause)

Meine Damen und Herren, mehr und mehr in den Mittelpunkt des Interesses rücken aufgrund der veränderten Bedrohungslagen leider auch Szenarien, die die Schnittstelle zwischen dem Katastrophenschutz des Landes und dem Zivilschutz, für den eine Bundeszuständigkeit besteht, berühren. Ich denke hierbei an die Gefahren, die vom internationalen Terrorismus ausgehen. Zwar gibt es nach wie vor keine Hinweise auf eine konkrete Anschlagsgefahr, aber trotz allem befürchte ich, dass ein Irak-Krieg zu einem weiteren Erstarken des Terrorismus und zu einer Zuspitzung führen wird.

Die Terrorismusgefahr führt uns vor Augen, dass die Zuständigkeitsverteilung zwischen dem Zivilschutz als Bevölkerungsschutz im Verteidigungsfall - also eine Aufgabe des Bundes - und der zivilen Gefahrenabwehr - eine Aufgabe des Landes der Bedrohungsrealität nicht mehr gerecht wird. Deshalb begrüße ich ausdrücklich den Vorschlag

des Bundesinnenministers, ein eigenständiges Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe zu schaffen.

Meine Damen und Herren, der Katastrophenschutz in Niedersachsen ist in guten Händen und auch auf einem guten Wege. Wir sind der Meinung, dass seine Leistungsfähigkeit gegeben ist. Aus diesem Grunde bitten wir Sie, meine Damen und Herren, unserem Änderungsantrag zuzustimmen.

Der Änderungsantrag, den Sie, Herr Coenen, eingebracht haben, enttarnt Sie. Leider muss ich das sagen. Sie haben wortwörtlich Ihren Antrag vom 29. November abgeschrieben und diesem Plenum wieder vorgelegt. Das ist zu wenig, wenn man nicht auf das eingeht, was sich zwischen dem 29. November und dem heutigen Tag ereignet hat.

(Coenen [CDU]: Aber der Antrag ist gut!)

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. - Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Beratung. Wir kommen jetzt zu den notwendigen Abstimmungen.

Wir stimmen zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 4100 ab und danach, falls er abgelehnt wird, über die Beschlussempfehlung des Ausschusses. Wer also dem Änderungsantrag der Fraktion der CDU zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Stimmenthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.

Wer demzufolge der Beschlussempfehlung des Ausschusses für innere Verwaltung in der Drucksache 4071 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Stimmenthaltungen? - Das Erste war die Mehrheit; der Beschlussempfehlung des Ausschusses wurde gefolgt.

Meine Damen und Herren, ich rufe dann auf

Tagesordnungspunkt 27: Einzige (abschließende) Beratung: IT-Kompetenzzentrum der Landesverwaltung: Verbraucherschutz und Rechtssicherheit stärken, Chancen für eGovernment nutzen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/3326 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Verkehr - Drs. 14/4072

Dieser Antrag wurde am 25. April vergangenen Jahres an den Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr zur Beratung und Berichterstattung überwiesen. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Mir liegt bisher nur die Wortmeldung von Frau Goede vor. Somit hat sie das Wort. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Landrat! Meine Damen und Herren! Ich will es ganz kurz machen. Ich rede zu Punkt 27 unserer Tagesordnung, zum Antrag der Grünen „IT-Kompetenzzentrum der Landesverwaltung: Verbraucherschutz und Rechtssicherheit stärken, Chancen für eGovernment nutzen“.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die flächendeckende Einführung, Fortentwicklung und auch Vernetzung der Informationstechnologie in allen Bereichen der niedersächsischen Landesverwaltung sind weit fortgeschritten. Die gesamte Landesverwaltung ist mit einem einheitlichen EMail-System ausgestattet, das auch uns im Landtag zu Verfügung steht und innerhalb kürzester Zeit die Bürokommunikation auf einen neue Basis gestellt hat. Insgesamt sind über 50 000 Landesbedienstete an das Netzwerk angeschlossen und somit untereinander jederzeit problemlos erreichbar.

Auch in anderen Bereichen hat die Informationstechnologie Einzug gehalten. Das alte Grundbuchamt mit seinen teils 100 Jahre alten verstaubten Akten hat ausgedient. Notare, Banken und andere Berechtigte können nun jederzeit in elektronischer Form über die Daten verfügen.

Auch das hier in diesem Saal häufig kritisierte Haushaltswirtschaftssystem P 53 ist in Wirklichkeit, meine Damen und Herren, ein Meilenstein im Einsatz von moderner und effizienter EDVTechnik in der Landesverwaltung. Es konnten vier Regierungsbezirkshauptkassen samt entsprechender Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingespart werden. Mehr als 16 000 Teilnehmerinnen und

Teilnehmer haben nun die Möglichkeit, die anfallenden Buchungssätze direkt in das System einzustellen. Niedersachsen hat mit diesem System eine Vorreiterrolle unter den Bundesländern und spart durch die schnelle und umfassende Einführung dieser Software langfristig Verwaltungskosten in Millionenhöhe.