Protocol of the Session on December 12, 2002

zu begrenzen und Meckerer zu beschwichtigen. Die NWZ schreibt ziemlich süffisant, es habe Gespräche mit Richtern gegeben, die sich über die Situation beklagt haben. Sie haben versucht, in diesen Gesprächen den Schaden aus Ihrer Sicht zu begrenzen. Ich zitiere nicht aus dem Artikel, weil das ein ziemlich langwieriges Zitat würde.

Selbst mit Ihrer Antwort auf unsere Anfrage wird der Vorwurf der Richter durchaus bestätigt. Denn nach dieser Antwort auf unsere Anfrage ist die durchschnittliche Belastung in allen Bereichen erheblich angestiegen, wenn man von den Verwaltungsgerichten absieht. In den meisten Bereichen - überwiegend in der ersten Instanz - führt dies zu einem Anstieg der Verfahrensdauer. Das ist das, was die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land vor allem interessiert. Die Menschen wollen so schnell wie möglich zu ihrem Recht kommen. Die Fallzahlen bei den Gerichten in Familien-, Vollstreckungs-, Zwangsversteigerungs-, Sozial-, Arbeits- und Strafsachen ebenso wie die Zahl der Ermittlungsverfahren bei den Staatsanwaltschaften sind angestiegen. Die Personalentwicklung hat diesem Anstieg aber nicht folgen können. Davon sind die Richterstellen an den Landgerichten und Oberlandesgerichten, insbesondere aber die Rechtspfleger, der mittlere Dienst, der Schreibdienst, die Bewährungshelfer, die Gerichtsvollzieher und der Justizvollzug in erheblichem Umfang betroffen. Wir haben in diesen Bereichen erhebliche Stellenkürzungen zu verzeichnen, obwohl die Fallzahlen stark gestiegen sind. Vor allem in diesen Bereichen wird deutlich, dass die Grenze der Zumutbarkeit längst erreicht ist.

Sie werden gleich allerdings vermutlich darauf hinweisen, Herr Minister, dass sich Niedersachsen im Hinblick auf die Verfahrensdauer in den einzelnen Bereichen im Länderdurchschnitt bewegt. Niedersachsen steht also nicht schlechter da als der Durchschnitt aller Bundesländer. Wenn Sie sich gleich damit brüsten, die Verfahrenszeit in Niedersachsen entspreche im Vergleich zu den anderen Bundesländern dem Durchschnitt, dann gehört zur Wahrheit auch, dass dies nicht der Politik, also Ihnen, sondern vor allem den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der niedersächsischen Justiz zu verdanken ist.

(Beifall bei der CDU)

Sie versuchen nach wie vor, trotz schwierigster Rahmenbedingungen gute Arbeit zu leisten. Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen Mitarbeite

rinnen und Mitarbeitern der niedersächsischen Justiz ausdrücklich dafür bedanken, dass sie trotzdem so weitermachen.

(Beifall bei der CDU)

Im Übrigen sollten wir uns auch nicht an Durchschnittswerten orientieren. Niedersachsen darf nicht nur durchschnittlich sein. Niedersachsen hat es verdient, zu den Besten in Deutschland zu gehören, auch im Bereich der Justiz. Wenn man uns mit den süddeutschen Bundesländern vergleicht - ich nenne Bayern als Beispiel -, dann wird man schnell feststellen, dass die Verfahrenszeiten in Niedersachsen erheblich länger sind als in Bayern. Im strafprozessualen Bereich haben wir in Niedersachsen Verfahrenszeiten von 3,9 Monaten und in Bayern von 2,9 im Durchschnitt, also über einen Monat kürzere Verfahren. Das heißt, im Einzelfall sind diese Verfahrenszeiten in Niedersachsen sehr viel länger.

(Zuruf von der SPD: Oder kürzer!)

Für diese schlechte Personalsituation und für längere Verfahrenszeiten in Niedersachsen ist die Politik und sind damit Sie, Herr Minister Pfeiffer, verantwortlich. So einfach ist das. Sie müssen sich den niedersächsischen Problemen stellen. Dieser Verantwortung können Sie sich nicht dadurch entziehen, indem Sie Versäumnisse des Bundesgesetzgebers beklagen und ein 20-Punkte-Programm vorlegen, das sich fast ausschließlich an die Adresse des Bundesgesetzgebers richtet. Dass Sie dies wenige Wochen vor den Landtagswahlen tun, macht Ihr Vorgehen übrigens nicht viel glaubwürdiger, sondern erweckt eher den Eindruck, dass es sich hierbei um eine bloße Wahlkampfaktion handelt. Sie hätten in den letzten Jahren in diesem Bereich immer handeln können. Sie tun es in diesem Umfang jedoch erst jetzt. Das finde ich sehr bedauerlich.

Bundesweite Schlagzeilen, wie etwa nach dem tragischen Mord in Lüneburg, darf es in Niedersachsen, meine ich, nicht mehr geben.

(Zustimmung bei der CDU)

Niedersachsen muss wieder einen guten Ruf in Deutschland bekommen. Aber das erreicht ein Justizminister - das sage ich an dieser Stelle noch einmal - nicht durch Vorträge, Talkshows etc. Gute Justizminister, meine Damen und Herren, sind häufig diejenigen, die nicht in den Medien erschei

nen; denn in den Medien wird nach der Devise verfahren: Only bad news are good news.

(Zustimmung bei der CDU)

Gerade über diese schlechten Nachrichten wird häufiger berichtet, so auch in Niedersachsen.

Als Landesminister müssen Sie sich zunächst fragen: Welche Mittel stehen mir als zuständigem Ressortminister, als Landesminister in Niedersachsen zur Verfügung, um die hiesigen Probleme zu lösen? - Dafür tragen Sie die Verantwortung, sonst niemand.

Der Justizbereich wird von weiteren Stellenstreichungen betroffen sein, obwohl dies heute schon nicht mehr verkraftet werden kann. Angesichts der dramatischen Haushaltslage müssen wir deshalb wieder stärker Schwerpunkte setzen und uns stärker auf die Kernaufgaben der Justiz konzentrieren.

Der Braunschweiger Richterbund hat kürzlich zu Recht festgestellt:

„Der Justiz sind Kernaufgaben des Staates übertragen, die existenziell für die Menschen sind und über die der Staat nicht nach Kassenlage verfügen darf.“

In der Tat müssen wir die Kernaufgaben definieren und unsere Ressourcen darauf konzentrieren. Das geht nur durch eine umfassende Aufgabenkritik bei uneingeschränkter Beteiligung der betroffenen Praktiker.

Wir brauchen mehr Leistungsprofile und Leistungsvergleiche. Beispielhaft hierfür könnte das Projekt „Standards in der Bewährungshilfe“ sein, wo man das so gemacht hat. Wir brauchen eine Untersuchung im Hinblick auf Doppel- und Dreifachstrukturen, die in der Justiz vorhanden sind und abgeschafft werden müssen. Wir müssen uns die Frage stellen, ob es z. B. Regelungsbedarf im Verhältnis Bewährungshilfe/Gerichtshilfe gibt oder ob es Regelungsbedarf im Verhältnis Schiedsämter/Konfliktschlichtung/Mediation gibt. Wo können Aufgaben durch private Anbieter preiswerter erledigt werden, soweit es sich nicht - das betone ich ausdrücklich - um hoheitliche Tätigkeiten handelt? Macht es Sinn, den Gerichtsvollzieherdienst neu zu regeln und aus dem unmittelbaren Bereich der öffentlichen Verwaltung herauszulösen? Wo können weitere Zuständigkeiten und Aufgaben gebündelt bzw. konzentriert werden, ohne

dass dies zu einem Verlust einer orts- und damit bürgernahen Versorgung der Justiz führt?

Meine Damen und Herren, es gibt eine Vielzahl von Fragen, denen wir uns endlich stellen müssen, um mit den Problemen, die auf uns zukommen, rechtzeitig fertig zu werden. Dafür ist die jeweilige Landesregierung zuständig. Die Antwort auf unsere Große Anfrage gibt unserem Eindruck nach keine Antworten. Sie erweckt nicht den Eindruck, dass zurzeit nach Antworten gesucht wird. Ich kann hier sagen: Nach der Landtagswahl wird sich eine CDU-geführte Landesregierung diesen Herausforderungen mit ganzer Kraft stellen, soweit uns die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes den Auftrag dazu erteilen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt hat Herr Minister Pfeiffer das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit in der Tat sehr kurzer Antwortfrist von nur drei Wochen hat mir die CDU-Fraktion im November ihre Große Anfrage vorgelegt, offenkundig in der Hoffnung, die Regierung kurz vor der Wahl an einem schwachen Punkt erwischen zu können. Da muss ich Sie in der Tat enttäuschen. Ich habe der CDU-Fraktion sogar zu danken; denn sie hat mir heute die Gelegenheit eröffnet, eines deutlich herauszustellen: Wir haben in Niedersachsen eine starke Justiz. Wir haben in Niedersachsen einen starken Strafvollzug.

(Beifall bei der SPD)

Trotz der schwierigen Haushaltslage ist die Funktionsfähigkeit beider Einrichtungen uneingeschränkt gewährleistet.

Herr Stratmann, Sie haben die Verfahrensdauer angesprochen. In der Tat ist sie nun einmal eine der Qualitätskennzahlen, mit denen man messen kann, wo eine Justiz steht. Im Bundesvergleich wird damit wirklich deutlich, dass wir gut dastehen. In nahezu allen Bereichen der ordentlichen Gerichtsbarkeit wie auch in der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist die durchschnittliche Verfahrensdauer kürzer als im Bundesdurchschnitt oder entspricht zumindest dem Bundesdurchschnitt. Es gibt nur zwei Bereiche, in denen es anders aussieht: die sozial- und die finanzgerichtlichen Verfahren.

Deswegen haben wir dort Personalverstärkungen vorgenommen. Wir werden beide Bereiche im Auge behalten und werden, wenn sich die Notwendigkeit zeigen sollte, weitere Personalverstärkungen vornehmen.

Diese insgesamt betrachtet wirklich guten Ergebnisse sind nur möglich geworden, weil die Justiz die vorhandenen Stellen voll ausgeschöpft hat. Ich will dies am Beispiel der ordentlichen Gerichtsbarkeit demonstrieren. Dort lag in den letzten beiden Jahren der tatsächliche Ausnutzungsgrad der etwa 9 000 Stellen zwischen 99,2 % und 99,5 %. Dabei haben wir flexibel auf unterschiedliche Fallzahlentwicklungen reagiert. Teilweise konnten wir das Personal reduzieren. In anderen Bereichen ist eine deutliche Schwerpunktbildung erfolgt. So ist die Zahl der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte von 412 im Jahre 1990 auf 496 im Jahre 2002 angewachsen. Dies entspricht einem Anstieg um ein Fünftel.

Wenn Sie, meine Damen und Herren von der CDU, in Ihrem Wahlprogramm davon sprechen, die Strafverfahren weiter beschleunigen zu wollen, so halte ich Ihnen entgegen: Das haben wir bereits umgesetzt. Die niedersächsischen Staatsanwaltschaften gehören sowohl 2001 als auch 2002 mit einer Verfahrensdauer von vier bis sechs Wochen zu den beiden schnellsten in der Bundesrepublik. Die Zahl der Erledigungen an den Strafgerichten liegt seit Jahren deutlich über der Zahl der Eingänge. Dies belegt deren hohe Effizienz.

Bereits diese wenigen Zahlen zeigen eines deutlich: Die niedersächsische Justiz erfüllt ihren gesetzlichen Auftrag auf sehr respektable Weise, obwohl sie eine große Arbeitslast bewältigen muss. So ist in der ordentlichen Gerichtsbarkeit die Zahl der anhängig gewordenen Verfahren seit 1990 um etwa 2,4 % angewachsen. Ich gebe zu: In der gleichen Zeit haben wir das Personal nicht verstärken können. Es ist völlig konstant geblieben. Von daher gibt es eine etwas größere Arbeitsbelastung. Aber das ist bundesweit so zu beobachten. In vielen anderen Bundesländern ist die Arbeitslast weit stärker angestiegen als bei uns.

Eines dürfen wir freilich mit Blick auf die Haushaltslage und die Zahlen der mittelfristigen Finanzplanung nicht außer Acht lassen: Wir müssen sicherstellen, dass die Justiz auch bei knappen Ressourcen ihre Arbeit weiterhin auf hohem Qualitätsniveau erfüllen kann. Herr Stratmann hat richtig gesagt: Was Not tut, ist uneingeschränkte

Aufgabenkritik unter Beteiligung der Praktiker. Aber genau das habe ich getan. Dann halten Sie mir wieder vor, dies sei der falsche Weg. Insoweit haben Sie sich selbst widersprochen. Meine 20 Punkte zur schlanken Justiz, meine 20 Vorschläge für kreatives Sparen sind genau das Ergebnis dieses Arbeitsschrittes. Ich bin nämlich auf die Praxis zugegangen, habe einen Ideenwettbewerb ausgerufen und gefragt: Was schlagt ihr selber vor, wie wir unsere Arbeit reduzieren können? - Daraus sind dann 50 differenzierte begründete Vorschläge entstanden. Die 20 aussichtsreichsten haben wir herausgefiltert. Ich habe sie danach in mehreren Diskussionsrunden mit erfahrenen Praktikern noch einmal ausführlich erörtert - nicht in Geheimgesprächen, wie ein Journalist gemutmaßt hat, sondern ganz offen. In Hameln war sogar die Presse dabei und hat mit großem Engagement über diese konstruktive Debatte berichtet. In Oldenburg war es nicht anders. In der Debatte in Oldenburg haben die Richterinnen und Richter aus allen Amtsgerichtsbezirken des Oberlandesgerichtsgebietes noch weitere Vorschläge eingebracht und mich engagiert darin bestärkt, diese 20 Vorschläge voranzubringen.

Ich bin optimistisch, dass wir damit Erfolg haben werden, und zwar aus zwei Gründen. Erstens hat es vor 14 Tagen, genau um diese Zeit, in Wolfsburg ein Treffen der Justizstaatssekretäre gegeben. Ich hatte zwei Stunden Gelegenheit, mit ihnen darüber zu sprechen, was sie von diesen 20 Vorschlägen halten. Das Interessante war, dass gerade auch die Staatssekretäre der CDU-geführten Länder zugestimmt haben. Sie haben darauf aufmerksam gemacht, dass sie diese Vorschläge zum Teil früher schon einmal selbst unterbreitet haben; aber damals war die Haushaltslage noch nicht so dramatisch wie jetzt in allen Ländern; jetzt sieht es problematischer aus.

Der Zwang zum Sparen begründet eine gemeinsame Interessenlage. Wir sind alle darauf angewiesen, den Bund als Partner für ein Justizmodernisierungsgesetz zu gewinnen. Genau hierin liegt der zweite Grund für meinen Optimismus, dass nämlich die Bundesjustizministerin, Frau Zypries, sowohl bei der JuMiKo als auch in der Öffentlichkeit deutlich gesagt hat, dass sie den niedersächsischen Vorstoß sehr begrüßt und ihn voranbringen möchte. Ihr Staatssekretär hat dazu eingeladen, schon in der nächsten Woche auf der Basis meiner Initiative gemeinsam mit uns und den Kollegen aus Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz die Marschroute für ein Justizmodernisierungsgesetz festzule

gen. Hierbei geht es in keiner Weise um Wahlkampfgetöse, sondern darum - die Zustimmung der CDU-geführten Länder zeigt dies ja -, aus der gemeinsamen Interessenlage aller Bundesländer ein Gesetzesvorhaben voranzubringen, das wir zügig realisieren können. Es ist nötig, dass wir dieses Gesetz bis zum 1. Januar 2004 haben; denn zu diesem Zeitpunkt - das wissen Sie - sieht die Mipla in der Tat Kürzungen auch im Justizbereich vor.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Einzelheiten dieser Vorschläge sind in der schriftlichen Antwort auf die Große Anfrage enthalten. Auf einen Punkt will ich allerdings doch eingehen, weil ihn auch die CDU-Fraktion gefordert hat, und zwar nicht als ein Nebenschauplatz, sondern Herr Stratmann selber hat ihn gerade noch einmal hervorgehoben: die Notwendigkeit, die außergerichtliche Streitschlichtung und die Mediation voranzubringen. Das ist kein Orchideengebiet, in dem ich mich tummele. Nein, das ist bitter nötig, weil das ein Weg ist, um die Zahl der Verfahren, die zur Justiz kommen, deutlich reduzieren zu können. Das Ausland hat es uns vorgemacht. Deswegen habe ich hier in Niedersachsen den größten Modellversuch begonnen, den es gegenwärtig in Europa zu diesem Thema gibt. Deswegen habe ich Drittmittel dafür eingeworben, damit in Niedersachsen etwa 170 Rechtsanwälte und Hochschullehrer in vier Kursen durch Topausbilder aus den USA - von der Harvard Law School und anderen Topausbildungszentren - in der Kunst der Mediation vorangebracht werden. Niedersachsen hat sich damit in Europa an die Spitze der Bewegung gesetzt. Wir sind auf gutem Weg, die Streitkultur weiterzuentwickeln und eine wachsende Zahl von Verfahren schnell und kostengünstig im Wege der Mediation zu beenden.

Hinzu kommt natürlich auch noch die Gesetzgebung im Bereich des § 15 a EGZPO. Wir bereiten gerade den Gesetzentwurf dazu vor. Er wird noch im Dezember dem Verband der Schiedsleute zugehen und wird zur neuen Legislaturperiode auch dem Landtag zugeleitet werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, das Justizministerium fördert daneben ganz gezielt die Leistungskraft der Gerichte und Staatsanwaltschaften durch zahlreiche organisatorische Maßnahmen, wie etwa Benchmarking, Kosten-Leistungs-Rechnung und Controlling. Dadurch können Gerichtsverfahren einfacher, effizienter und schneller gestaltet werden. Ihre Zielvorstellungen von einer modernen Justiz, meine Damen und Herren von der CDU

Opposition, haben wir auch in diesem Punkt bereits umgesetzt.

Das gilt erst recht für einen weiteren Punkt, der Ihnen wichtig ist: eJustice, also die Einführung digitaler Techniken. Nicht ohne Stolz kann ich darauf verweisen, dass wir auf dem Gebiet der ITTechnik im Ländervergleich eine führende Rolle einnehmen. Dazu nur ein Beispiel: Niedersachsen hat in Kooperation mit der Deutschen Telekom das bundesweit bisher ehrgeizigste Pilotprojekt zur Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs in Angriff genommen: die Erprobung familienrechtlicher Verfahren im Echtbetrieb. Alle anderen Justizverwaltungen beobachten nun mit Interesse, was wir hier an Pionierarbeit leisten.

Lassen Sie mich noch ein paar Punkte zur Strafjustiz in Niedersachsen ergänzen. Sie ist gut ausgestattet, sie ist innovativ und wirksam. Als Beleg dazu einige Beispiele: Da möchte die CDU-Fraktion die Vermögensabschöpfung krimineller Gewinne ermöglichen. - Bei uns kann sie lernen, wie man das macht. Die Landesregierung setzt dafür 100 speziell geschulte Bedienstete bei Staatsanwaltschaften, bei der Polizei sowie bei den Finanzämtern ein. Von Juli 1998 bis September 2002 konnten so 57,3 Millionen Euro sowie erhebliche Sachwerte, wie Immobilien und Kraftfahrzeuge, beschlagnahmt werden. Die abgeschöpften Vermögenswerte haben die Kosten des Projekts von Anfang an um ein Vielfaches überstiegen. Die Opfer haben in hohem Maße davon profitiert.

Auch bei den DNA-Analysen sind wir vorn. Bis zum 30. September 2002 konnte die bundesweite DNA-Analyse-Datei in 8 076 Fällen zur Aufklärung erheblicher Straftaten beitragen. Jeder achte Treffer kam von Speicherungen, die von Niedersachsen aus vorgenommen worden sind. Damit stehen wir an der Spitze der Bundesländer.

Im Hinblick auf mehrfach auffällig gewordene Jugendliche haben wir zur besseren Rückfallprophylaxe mit großer Zustimmung aus der Praxis eine spezialisierte Jugendbewährungshilfe eingerichtet. Es wird eine weitere Spezialisierung der Bewährungshilfe für die Betreuung von Sexualstraftätern geben. Damit wird der Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Rückfalltätern in diesem Bereich weiter verbessert. 25 Bewährungshelfer werden in einer bundesweit einmaligen Weise in einem Zeitraum von 18 Monaten in mehrtägigen Ausbildungsmodulen von forensisch erfahrenen Psychologen umfassend aus- und fortgebildet.

(Zustimmung von Groth [SPD])

Sehr geehrte Damen und Herren von der CDUFraktion, Sie haben in Ihrer Großen Anfrage den Täter/Opfer-Ausgleich sehr ausführlich angesprochen. Ich gebe gerne zu, dass das Potenzial dieser Maßnahme selbst in Niedersachsen - obwohl wir bundesweit Spitzenzahlen haben - noch nicht ausgeschöpft ist. Das liegt schlicht und einfach daran, dass die Maßnahme im Einzelfall gegenwärtig zu teuer ist. Wir haben uns vorgenommen, dass wir einer wachsenden Zahl von Opfern Wiedergutmachungsleistungen vermitteln wollen, und zwar mit geringeren Kosten. Wie soll das gehen? - Dafür haben wir einen Modellversuch eingerichtet, in dem wir ehrenamtliche Kräfte dazu ausbilden, als Vermittler tätig zu werden. Auch hier sind wir mit unserem Pilotprogramm Vorreiter im gesamten Bundesgebiet.

Es fällt auf, dass die CDU-Fraktion zum Strafvollzug wissen will, wie viele Entweichungen es aus dem offenen Vollzug gegeben hat. Die Zahl der Ausbrüche aus dem geschlossenen Vollzug interessiert sie nicht. Offenkundig sieht sie in Niedersachsen in diesem Bereich, der doch eigentlich die Achillesferse jedes Justizministers ist, kein nennenswertes Problem. Das freut mich. Aber noch mehr freut es mich natürlich, dass Sie damit sogar Recht haben. Die Ausbruchsquote konnte nämlich in den letzten zehn Jahren um 90 % gesenkt werden. Im letzten Jahr sind bei drei Vorfällen vier Gefangene aus dem geschlossenen Vollzug ausgebrochen. In diesem Jahr war es bislang kein einziger. Ich hoffe, dass es dabei bleibt.

(Beifall bei der SPD)