Protocol of the Session on December 11, 2002

Der Wahrheitsgehalt der Äußerungen von Ministerpräsident Gabriel ist gleich null. Nachdem Müntefering im Juni dieses Jahres, noch vor der Wahl, erklärt hat, die Vermögensteuer komme auf keinen Fall wieder, hat Herr Gabriel fünf Tage nach der Wahl am 27. September erklärt, er wolle die Vermögensteuer wieder einführen. Es sollten jedoch nur 3,5 Milliarden Euro erhoben werden, also genau so viel wie 1996, als sie abgeschafft wurde; die Betriebe würden überhaupt nicht belastet. - Am 4. Dezember hat er dann eine Pressekonferenz gegeben. Damals betrug die erwartete Höhe der Vermögensteuer bereits 9 Milliarden Euro, also das Dreifache dessen, was 1996 erhoben worden ist. Sie wollen durch die Vermögensteuer 700 Millionen Euro für das Land Niedersachsen erheben. Fünf Tage nach der Wahl hat Gabriel außerdem gesagt, die Erbschaftsteuer müsse heraufgesetzt werden, weil er gedacht hat: Wer 24 Millionen Euro erbt, müsse keine 30 % Erbschaftsteuer zahlen. Das haben wir ihm nachgewiesen. Jetzt sagt er, er sei klüger geworden. Nun soll die Erbschaftsteuer gesenkt werden.

(Zuruf von Rolfes [CDU])

Er will eine Entlastung um 200 Millionen Euro bei der Erbschaftsteuer. Er kennt noch nicht einmal seinen eigenen Landeshaushalt, für den heute ein Nachtrag verabschiedet wird. Für das Jahr 2003 stehen darin Einnahmen in Höhe von 237 Millionen Euro an Erbschaftsteuer. Davon will er noch 200 Millionen Euro herunternehmen. Der Mann hat keine Ahnung, wovon er redet!

(Zustimmung bei der CDU - Klare [CDU]: Aber das deutlich!)

- Das deutlich. - Dann hat die Niedersachsen-Kampa eine Presseerklärung herausgegeben.

Schauen Sie einmal ins Internet. Da steht zur Vermögensteuer alles darin, was im Einigungsvertrag steht. Es steht beispielsweise darin, dass sie im Währungsgebiet der ehemaligen Mark der Deutschen Demokratischen Republik nicht erhoben wird. Das stand gestern noch bei Ihnen so im Internet. Frau Kollegin Merk, bei Ihnen steht noch im Internet, dass der Freibetrag bei „70 000 DM“ liegt. Wir sind heute bei Euro. Sie müssen endlich einmal umstellen und die richtigen Zahlen einstellen!

(Beifall bei der CDU - Harms [GRÜ- NE]: Für mich ist das immer noch ziemlich leicht umzurechnen!)

- Das sind dann 35 000 Euro als Freibetrag bei der Vermögensteuer, Frau Kollegin. Wenn man Ihren Wagen nimmt, dann müssten Sie auf ihn schon Vermögensteuer zahlen, weil er teurer ist, Frau Kollegin. Das müssen Sie einfach einmal sagen. Das ist eine Substanzsteuer. Ich werde Ihnen dazu gleich noch etwas sagen.

(Zuruf von der SPD: Oh wei, oh wei!)

Der Ministerpräsident hat sich dann zitieren lassen, dass er diesen Betrag in die Bildung stecken will. Er hat folgende Rechnung aufgemacht: 700 Millionen bekommt er, 350 Millionen gehen in die Bildung, 200 Millionen schenkt er den Erben und 150 Millionen bekommen die Kommunen. In die Bildung gehen also 350 Millionen. In der Presseerklärung der SPD-Fraktion steht, dass 470 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Was stimmt denn nun - das gesprochene Wort des Ministerpräsidenten oder das, was die Kampa schreibt? Inzwischen ist er bei der Erbschaftssteuer klüger geworden, wie er gestern bei der Vorstellung seines Buches gesagt hat. Aber eines hat er noch gesagt: Er will die Vermögensteuer jetzt wieder anders einsetzen. Er hat wörtlich gesagt: Die Vermögensteuer kann man auch zur Schuldenreduzierung nutzen; dann gehen die Zinslasten zurück und man hat mehr Mittel für die Bildung frei. - Was gilt denn jetzt? Das, was er am 27. September gesagt hat, das vom 4. Dezember oder vom 11. Dezember?

(Beifall bei der CDU - Schünemann [CDU]: Chaos!)

Herr Gabriel hat gestern aber einen Satz formuliert, den ich für den ersten Satz mit 100-prozentigem Wahrgehalt halte: „Ich halte es nicht für das größte

Problem, abgewählt zu werden. Wer, wenn nicht ich, hat Grund, darüber nachzudenken?“

(Starker, anhaltender Beifall bei der CDU)

Das Wort hat der Kollege Plaue.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Falls noch irgend jemand nicht gewusst hat, warum der Kollege Möllring niemals Finanzminister werden darf: Mit dieser Rede hat er es kräftig unter Beweis gestellt.

(Beifall bei der SPD)

Herr Möllring, das waren fünf Minuten lang aneinander gereihte Argumente,

(Busemann [CDU]: Zitate!)

warum etwas nicht geht, und null Minuten darüber, was aus Ihrer Sicht gehen müsste. Kein Vorschlag. Das ist die Politik der CDU und dafür stehen Sie, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Ich meine, die Menschen haben noch vor den Wahlen einen Anspruch darauf, zu erfahren, wie sich die einzelnen Parteien positionieren.

(Beifall bei der SPD - Lachen bei der CDU)

Deshalb sagen wir vor der Wahl, was wir machen wollen. Sie aber sagen vor der Wahl nicht, was Sie machen wollen. Sie gehen unehrlich in die Wahlkämpfe hinein; wir mit Ehrlichkeit!

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU - Unruhe - Glocke des Präsi- denten)

Ich meine, es gehört auch dazu, Herr Kollege Golibrzuch, dass man anderen Leuten nicht Ungeheuerlichkeiten unterstellt, wie Sie das getan haben. Wenn Sie Herrn Müntefering unterstellen, er wolle den Privatbesitz abschaffen, dann ist das eine Entgleisung, die ich nur aufs Schärfste zurückweisen kann. Zu keinem Zeitpunkt hat Herr Müntefering das gesagt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Es geht um die Frage, wie wir unsere Landeshaushalte finanzieren wollen, und um die Frage, wie wir den für uns wichtigsten Bereich, nämlich die Bildung, auch in Zukunft mit so vielen Finanzmitteln ausstatten können, wie wir es für richtig halten - nach den Diskussionen der vergangenen Jahre allemal. Es geht um die Frage, ob wir es schaffen, mehr Ganztagsbetreuung flächendeckend anzubieten. Es geht um die Frage, ob wir im vorschulischen Bereich mehr Qualität bei den Kindertagesstätten und bei den Kindergärten organisieren können. Letztlich geht es darum, dass wir 100 % Unterrichtsversorgung in den nächsten Jahren garantieren können. Das geht nur, wenn wir mehr Geld bekommen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Keine Fraktion hier in diesem Hause hat uns bisher sagen können, an welcher Stelle sie streichen würde, um dieses Ziel erreichen zu können, meine Damen und Herren. Keine Fraktion hat vorgelegt, an welcher Stelle sie die Schnitte im Landeshaushalt setzen will.

Herr Kollege Plaue, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, Herr Präsident. - Das ist die Unehrlichkeit, mit der Sie, meine Damen und Herren, argumentieren. Sie glauben, es geht so weiter; aber es geht nicht so weiter.

(Beifall bei der SPD)

Ich sehe mit großem Erstaunen, wie Sie immer dann reagieren, wenn es um Steuern geht, die Menschen mit großen Vermögen in unserem Land zahlen müssen. Darum geht es. Herr Kollege Möllring, Sie kümmern sich überhaupt nicht darum, dass es bei der Argumentationslage, wie Sie sie vortragen, am Ende nur noch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sein werden, die durch ihre Lohnsteuer diesen Staat bezahlen. Das kann so nicht sein, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU)

Es kann doch wohl nicht angehen, dass Sie alleine aus der Tatsache heraus, dass bestimmte Steuern in

der Tat einen höheren Ermittlungsaufwand bedeuten, ableiten, dass diese Steuern nicht mehr erhoben werden können. Wenn Sie das wollen, dann sagen wir den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auch, dass die CDU in Zukunft auf alle jene Steuern verzichten will, bei denen es schwierig wird, und nur den Arbeitnehmern in die Tasche greifen will. Das machen wir nicht mit, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD - Busemann [CDU]: Der Arbeitnehmer hat längst gemerkt, wer ihm in den letzten Jahren in die Tasche greift!)

- Herr Kollege Zwischenrufer, im Übrigen ist eindeutig und klar zu erkennen, wo die Unterschiede liegen. Wir wollen, dass diejenigen, die breite Schultern haben, bereit sind, ein Stück mehr zur Leistung von staatlicher Subvention und zur Ableistung staatlicher Dienstleistungen beizutragen. Das ist unser Konzept.

(Vizepräsident Gansäuer übernimmt den Vorsitz)

Nun sage ich Ihnen: Wenn sich Herr Plattner von SAP auf der einen Seite darüber beklagt, dass er, wenn die Vermögensteuer eingeführt wird, 30 Millionen in diesen Topf einzuzahlen hätte, auf der anderen Seite aber klaglos hinnimmt, dass er in einem Jahr eben einmal 250 Millionen Euro durch Spekulationen am Aktienmarkt verliert, dann, meine Damen und Herren, macht dieser deutlich, dass er die Prioritäten anders setzt, als wir sie setzen. Wir sind der Meinung, dass für unsere Zukunft die Bildung verantwortlich ist, und wir sind der Meinung, dass diese Bildung mit Geld ausgestattet werden muss. Wir sagen vor der Wahl, wo das Geld herkommen soll, und nicht nach der Wahl, wie Sie das machen.

(Starker Beifall bei der SPD)

Herr Minister, bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon verwunderlich, wie die Erklärung der FDP, sich nun an den Busen der CDU werfen zu wollen, auch hier im Landtag das Klima verändert: Plötzlich drängt die Grünen-Fraktion bei der Vermögensteuer im Ziel an die Seite der SPD. Sie

streitet noch über den Weg. Die CDU verhandelt schon Sachen mit der FDP, die es hier gar nicht gibt. Das ist schon aufregend.

(Zuruf von Hagenah [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, die gesamte Debatte hat doch nur deshalb einen Sinn, weil der Slogan, den der Ministerpräsident ausgegeben hat - 1 % für 100 % Unterrichtsversorgung -, verfängt.

(Möllring [CDU]: Das hat er doch gestern zurückgegezogen!)

Die Bürgerinnen und Bürger haben verstanden, dass der, der in Niedersachsen eine hundertprozentige Unterrichtsversorgung will, auch sagt, wie er sie bezahlt. Dafür ist die Vermögensteuer das Mittel, das wir in die Diskussion gebracht haben. Dazu müssen Sie sich erklären. „1 % für 100 %” ist der Slogan, der Sie auf die Palme bringt, weil alle Ihre Finanzierungen von Bildungsmassnahmen bis jetzt mit ungedeckten Schecks in der Landschaft stehen. Sie ärgert, dass wir 100 % Unterrichtsversorgung auch über die Vermögensteuer finanzieren wollen, Sie ärgert, dass wir 1 000 Ganztagsschulen im Lande einrichten wollen, und Sie ärgert, dass wir 1 000 Assistenzkräfte auch aus dem Komplex der Vermögensteuer finanzieren wollen.

(Zustimmung bei der SPD - Busemann [CDU]: Wo ist die Finanzierung? - Wulff (Osnabrück) [CDU]: Was haben Sie die letzten 13 Jahre gemacht?)

Dagen haben Sie keine echte und solide Währung. Deshalb das Theater hier vor Ort.