Protocol of the Session on November 22, 2002

(Rolfes [CDU]: Die gibt es bei Ih- nen!)

Sie wollen das einfach nicht zur Kenntnis nehmen.

Ich will es noch einmal deutlich sagen, auch an die Adresse der SPD-Fraktion und an die Adresse der Landesregierung: Ich bedaure die Entscheidung der Bundesregierung, das Ehegattensplitting derzeit nicht zu reformieren, ausdrücklich.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Es muss natürlich geklärt werden, wie die Landesregierung jetzt mit dieser Entscheidung der Bundesregierung umgeht, nachdem wir den Entschließungsantrag im Parlament verabschiedet haben.

(Rolfes [CDU]: Darf ich eine Zwi- schenfrage stellen?)

- Bitte schön! - Entschuldigen Sie, Frau Präsidentin.

Bitte, Herr Rolfes!

Frau Abgeordnete, sind Sie denn nicht der Meinung, dass der Herr Finanzminister oder ein anderes Mitglied der Landesregierung erklären sollte, ob jetzt diese Frage und unser Antrag in der Weise für erledigt erklärt werden, dass man nicht tätig werden will, keine Initiative ergreifen will oder ob man in der Weise tätig werden will, wie es im letzten Jahr beschlossen worden ist? Das ist ja ein gewisser Widerspruch. Sind Sie nicht der Meinung, dass er oder Sie das jetzt erklären sollten?

Es ist leider nicht so, dass die Landesregierung immer auf das hört, was ich sage. Auch wenn ich von dieser Stelle aus diese Aufforderung an die Landesregierung stellen würde, bin ich mir nicht sicher, ob dem auch gefolgt werden würde.

Ich will Ihnen aber zumindest aus der Perspektive der Grünen Folgendes sagen: Wer glaubt, dass die Regelung des Ehegattensplittings von der Tagesordnung kommt, der irrt. Da irren auch Sie, Herr Rolfes. Es ist ein gesellschaftliches Ungleichgewicht:

(Möllring [CDU]: Also muss doch entschieden werden!)

diese steuerliche Förderung auf der einen Seite und die Armut von Kindern auf der anderen Seite. Das werden wir nicht vom Tisch bekommen. Eine gesellschaftliche Problemlage können Sie nicht einfach qua Definition durch Antragsbeschluss vom Tisch nehmen.

(Rolfes [CDU]: Sie können die Kin- derarmut nicht auf Ehegattensplitting reduzieren!)

Wir werden deswegen der Beschlussempfehlung, nämlich den Antrag für erledigt zu erklären, nicht zustimmen.

Jetzt sind aber auch noch - Sie haben sich dem ja leider doch nicht enthalten können, Herr Rolfes ein paar inhaltliche Bemerkungen zum Ehegattensplitting zu machen. Da haben Sie zum 37. Mal gefragt: Warum möge der Staat nicht die unterstützen, die sich für einen lebenslangen gegenseitigen Unterhalt verpflichtet haben? Was mit dem Lebenslang ist, das wissen wir inzwischen auch. Aber ich frage Sie: Warum privilegiert der Staat denn nicht die Ehen, die sich ja auch für diese Unterhaltspflicht entschieden haben, in denen sich beide Ehepartner Erwerbsarbeit und Familienarbeit teilen und aufgrund dieser Tatsache ein ungefähr gleiches Einkommen haben?

(Rolfes [CDU]: Tut er doch!)

Da gibt es keinerlei steuerliche Privilegierung.

(Rolfes [CDU]: Falsch! Das habe ich Herrn Bontjer schon einmal erklärt!)

Das Ehegattensplitting funktioniert da, wo ein Partner sehr viel verdient und der oder die andere sehr wenig verdient.

(Zuruf von der SPD: Oder gar nichts!)

- Oder gar nichts. - So funktioniert das Ehegattensplitting. Das Ehegattensplitting funktioniert auch nicht bei dem Ehepaar, bei dem beide Teilzeit arbeiten und gleichzeitig drei Kinder erziehen. Keinen Pfennig bekommen sie dann vom Staat.

(Rolfes [CDU]: Auch falsch!)

Insofern ist dieses Ehegattensplitting teuer, das Ehegattensplitting ist ungerecht, und dieses Ehegattensplitting wird in dieser Form auch nicht be

stehen bleiben. Ich kann Ihnen sagen: Die Fraktion der Grünen wird jedenfalls ihre Aktivitäten nicht einstellen, um dieses Problem, diese gesellschaftliche Ungleichheit aus dem Weg zu räumen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Mir liegen weitere Wortmeldungen nicht vor. Ich schließe die Beratung und lasse abstimmen.

(Rolfes [CDU]: Will die Landesregie- rung nichts dazu sagen? - Möllring [CDU]: Die kneift!)

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen in der Drucksache 3888 zustimmen und damit den Antrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 3778 für erledigt erklären möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Die Gegenstimmen! - Das Erste war die Mehrheit. Damit sind Sie der Ausschussempfehlung gefolgt.

Wir kommen nun zu

Tagesordnungspunkt 45: Besprechung: Teure Gutachteritis als Politikersatz? Große Anfrage der Fraktion der CDU - Drs. 14/3812 - Antwort der Landesregierung - Drs. 14/3927

Die schriftliche Antwort der Landesregierung liegt Ihnen vor. Wir kommen zur Besprechung.

Bei Großen Anfragen - das wissen Sie - legt unsere Geschäftsordnung die Reihenfolge der Redebeiträge fest. Zunächst redet ein Vertreter/eine Vertreterin der Fragesteller und Fragestellerinnen. Also hat zunächst der Kollege Möllring das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem bekannt geworden ist, dass allein ein Unternehmen über 21 Gutachten für 6,2 Millionen Euro in den letzten acht Jahren von der Landesregierung erhalten hat, sind wir einmal den Fragen nachgegangen, wie viele Gutachten insgesamt erstellt worden sind und mit welchem Ergebnis und mit welchem Erfolg. Die Landesregierung hat hierzu jetzt geantwortet, dass es 368

Gutachten sind, für die in den letzten Jahren über 28 Millionen Euro, d. h. über 50 Millionen DM, ausgegeben worden sind. Wahrlich Geld, das man sinnvoller, besser und effizienter woanders hätte einstellen können!

In der Antwort hat die Landesregierung darauf verwiesen, dass die meisten Daten vertraulich sind. Das heißt, von unseren insgesamt 16 gestellten Fragen sind nur zwei offen beantwortet worden; die Antworten auf 14 Fragen sind als Verschlusssache für vertraulich erklärt worden, obwohl zum Teil - ich habe es mir eben angeschaut; es ist eine ziemliche Zumutung, sich das unter der Überschrift der Vertraulichkeit ansehen zu müssen erbärmliche Ergebnisse dabei herausgekommen sind. Ich werde gleich noch darauf eingehen.

Ich nenne hier ein paar Beispiele von Gutachten; alle 368 kann man natürlich nicht aufzählen.

Auffallend ist, dass hier immer wieder die Hammerbacher GmbH aus Osnabrück auftaucht. Mal macht sie Beratung in Gentechnologie, mal aber auch nur Beratung im Landkreis Osnabrück und Ähnliches. Wir haben hier ein Gutachten zur Zulässigkeit des Volksbegehrens zum Kindertagesstättengesetz. Es ist eine klare Aufgabe der Verwaltung, darüber zu entscheiden, aber nichts, was man nach draußen gibt.

Folgendes Gutachten hat sich relativ schnell erledigt. Es wurde am 19. Oktober 1999 zu dem Innovationsfonds in Auftrag gegeben. Bereits acht Wochen später kam es zur Aufklärung und Bewertung der Vorwürfe gegen MP Glogowski, sodass das Gutachten für 199 537 Euro nicht mehr zum Tragen kam. Herr Glogowski wollte damit sozusagen sein Stimmungstief auffangen und im Dezember groß aufschlagen. Da war er dann schon zurückgetreten.

Interessant ist, dass dieses Gutachten mal wieder an Roland Berger gegangen ist und genau 62,01 Euro unter der Grenze der Zulässigkeit der freihändigen Vergabe lag. Hätte der Mann eine Minute oder zwei Minuten länger gearbeitet, hätte dieses Gutachten öffentlich ausgeschrieben werden müssen. Weil er aber entsprechend schnell fertig geworden ist und sich diese eine Minute gespart hat, konnten diese 62,01 Euro eingespart und das Gutachten freihändig vergeben werden.

(Rolfes [CDU]: Das wussten die bei der Vergabe schon vorher!)

Das ist häufiger so gemacht worden. Es ist auch interessant, was dazu in den vertraulichen Akten steht, was man nicht sagen darf, aber was die Öffentlichkeit ruhig wissen sollte. Vielleicht können Sie es ja einmal sagen.

Interessant ist, dass es ein Gutachten über Beratung in wirtschaftspolitischen Fragen, insbesondere zur Energiepolitik, gegeben hat, das sage und schreibe 4,60 Euro ausschließlich Mehrwertsteuer gekostet hat; 16 % Mehrwertsteuer kommen noch hinzu.

Dann gab es z. B. ein Gutachten von der Firma Hammerbacher GmbH zur Erstellung eines Grobkonzeptes für Politdiskurse in zwei Landkreisen. Dann geht es weiter: Landkreis Soltau/Fallingbostel, Landkreis Cloppenburg, Osnabrück, Zukunftsaufgaben für Staat und Gesellschaft, Beratung und Moderationsleistung usw. Da werden tausende, hunderttausende Euro an eine einzige GmbH für Zukunftsfragen der Politik gegeben. Das sind klassische Fragen, die die Politik selber beantworten muss und nicht nach draußen geben darf.

(Beifall bei der CDU)

Vielleicht kann ja Herr Möhrmann etwas dazu sagen, was das für den Landkreis Soltau/Fallingbostel gebracht hat.

(Möhrmann [SPD]: Fragen Sie doch mal Herrn Oestmann!)

- Ich kann auch Herrn Oestmann dazu fragen. Er wird mir wohl die gleiche Antwort geben.

Hier und da erhält das Ganze ein leichtes Geschmäckle. Die Ehefrau des früheren Regierungssprechers sowohl hier in Hannover als auch später in Berlin hat den MP in kulturellen Fragen sowie hinsichtlich der Vorbereitung und Organisation eines hochkarätigen Gesprächskreises beraten. Da frage ich mich doch: Ist der Ministerpräsident im Land so unbekannt, dass er sich nicht selber Gäste einladen kann? Muss er jemanden bitten, ihm die Gäste einzuladen? Weil der Ministerpräsident zehnmal 100 Leute sprechen wollte, wurden fast 20 000 Euro dafür ausgegeben, dass ihm das einer organisiert. Soll er doch vor Ort gehen, dann kann er mit viel mehr Leuten reden!

Das riecht doch nach Wahlkampf. Es geht nicht darum, Niedersachsen nach vorn zu bringen oder Politik zu gestalten, sondern es geht einfach dar

um, Gutachten in Auftrag zu geben und sie teuer zu bezahlen, und zwar zu teuer.