Protocol of the Session on November 21, 2002

(Beifall bei der CDU - Frau Körtner [CDU]: Das waren eigentlich vier Fragen!)

Das macht nichts; wir sind ja auch hier flexibel, was die Unterfragen angeht, weil sie immer den gleichen Komplex betreffen und weil sie immer die gleichen Unterstellungen beinhalten. Dass das Unterstellungen sind, wissen Sie auch, Frau Vockert.

Ich habe nicht gesagt, dass ich damit zufrieden bin, dass Kinder nur eine Betreuung bekommen. Solch ein Unsinn! Sie wissen auch ganz genau, dass es nur um eine einzige Betreuungsstunde in Klasse 1 und Klasse 2 geht und dass ansonsten diese Verlässliche Grundschule den Kindern in Niedersachsen so viel Unterricht wie noch nie gibt.

(Beifall bei der SPD - Widerspruch bei der CDU - Frau Ernst [CDU]: Das stimmt doch gar nicht!)

- So ist das! Für die Kinder gibt es keinen Unterrichtsausfall. Für sie gibt es mehr Stunden in der

Stundentafel. Die Schulen haben eine 103prozentige Unterrichtsversorgung.

Wissen Sie, was Eltern mir sagen? - „Hoffentlich wird das für die Kinder nicht zu anstrengend.“ Ich finde nicht, dass es zu anstrengend wird; ich finde es gut, dass die Kinder jetzt vollständig Unterricht haben. Die Früchte dieser verbesserten Ausstattung werden sich in einigen Jahren zeigen. Sie mögen den Kopf schütteln oder sonst etwas machen: Es sind 65,5 Millionen Euro für Vertretung und Betreuung eingeplant, und es sind 1 000 Lehrerstellen mehr. Deshalb haben wir auch eine Unterrichtsversorgung von 103 %. Daran lässt sich nicht rütteln, Frau Körtner, auch von Ihnen nicht. Ich würde mir gerne einmal Ihre Verlässlichen Grundschulen angucken, ob das dort wirklich so anders aussieht als im übrigen Niedersachsen.

(Frau Körtner [CDU]: Ich lade Sie einmal ein!)

Die Kinder haben so viel Unterricht, wie sie bisher selten gehabt haben, weil der Unterrichtsausfall bekämpft wird.

Ich sage Ihnen noch einmal: Wir werden genau dieses Konzept fortsetzen, die Verlässlichkeit in der fünften und sechsten Klasse wird kommen. Ich habe Ihnen auch gesagt: Diskutieren Sie mit uns die Vermögensteuer, dann können wir noch mehr für den Bildungshaushalt tun, so wie unser Ministerpräsident das vorgeschlagen hat!

(Beifall bei der SPD)

Damit sind die Dringlichen Anfragen beantwortet.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 25: Einsetzung einer Enquete-Kommission zur künftigen Arbeit des Niedersächsischen Landtages am Beginn des 21. Jahrhunderts - Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/1678 - Bericht der Enquete-Kommission zur künftigen Arbeit des Niedersächsischen Landtages am Beginn des 21. Jahrhunderts - Drs. 14/3730

Zu dem durch Beschluss des Landtages in der 53. Sitzung am 21. Juni 2000 übertragenen und durch Beschluss vom 14. März 2001 ergänzten Auftrag hat die Enquete-Kommission den Bericht in der Drucksache 3730 vorgelegt. Berichterstatter

ist Herr Schünemann. Anschließend treten wir in die Diskussion ein.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Drucksache 3730 legen Ihnen die Mitglieder der „Enquete-Kommission zur künftigen Arbeit des Niedersächsischen Landtages am Beginn des 21. Jahrhunderts“ ihren Bericht vor. Angesichts des sehr umfangreichen Prüfauftrags bitten wir, es uns nachzusehen, dass dies nicht - wie zunächst in dem Einsetzungsbeschluss vom 21. Juni 2000 vorgesehen war - bereits vor einem Jahr geschehen ist. Wir sind allerdings der Auffassung, dass es sich gelohnt hat, dass Sie uns mit Ihrem Beschluss vom 14. März 2001 diesen Zeitaufschub gewährt haben.

Die Enquete-Kommission hat sich in insgesamt 20 Sitzungen, von denen drei nichtöffentlich waren, mit den im Einsetzungsbeschluss aufgeworfenen Fragen beschäftigt und dazu zwei Anhörungen durchgeführt.

Eine wichtige Grundlage für die aus unserer Sicht erfolgreiche Arbeit der Kommission war die Entscheidung, auch ihren nicht dem Landtag angehörenden Mitgliedern durch Änderung des § 18 a der Vorläufigen Geschäftsordnung des Niedersächsischen Landtages das volle Stimmrecht einzuräumen. Durch diesen im März letzten Jahres gefassten Beschluss hat der Landtag dafür gesorgt, dass wir dem eigentlichen Auftrag einer EnqueteKommission, nämlich sich ergebnisoffen unter Einbeziehung externen Sachverstandes mit der Klärung komplexer Sachverhalte auseinander zu setzen, in angemessener Weise gerecht werden konnten. Dies ist insbesondere bei den Empfehlungen deutlich geworden, die nach zum Teil kontroversen Diskussionen mit wechselnden Mehrheiten zustande gekommen sind.

Da Ihnen der Bericht seit rund einem Monat vorliegt und einige der Empfehlungen bereits anlässlich seiner Übergabe an den Herrn Landtagspräsidenten öffentlich diskutiert und kommentiert worden sind, beschränke ich mich darauf, auf die Kommissionsvorschläge einzugehen, die den Verlauf der Beratungen besonders geprägt haben.

Die Enquete-Kommission hat den im Bericht mit „Aufgaben des Landtages in dem sich wandelnden Europa“ überschriebenen ersten Komplex, der die Frage des Selbstverständnisses eines Landesparla

ments in der Bundesrepublik Deutschland zum Gegenstand hat, als die zentrale Frage ihrer Arbeit betrachtet. Hier sind in den letzten Jahren von Kommissionen, Arbeitsgruppen und Fraktionen verschiedener Landesparlamente zahlreiche Reformvorschläge ausgearbeitet und unterbreitet worden. Beispielhaft nenne ich das am 23. Mai 2000 von den Präsidenten der deutschen Landesparlamente beschlossene Diskussionspapier. Wir sind vor diesem Hintergrund zu der Erkenntnis gelangt, dass es schon bisher nicht an inhaltlich geeigneten Vorschlägen dafür gemangelt hat, wie dem Bedeutungsverlust der Landtage begegnet werden kann. Erforderlich ist nach Überzeugung der Kommission vielmehr eine wirkungsvolle Strategie, diese Initiativen zu bündeln, um sie mit dem nötigen Nachdruck vortragen und in die auf Bundesebene vorangetriebene Diskussion einer Föderalismusreform einbringen zu können.

Neben verschiedenen Vorschlägen, die den Landtag der Verwirklichung des Anspruchs näher bringen sollen, nicht nur die legitime, sondern auch eine wirksame Vertretung des Volkes des Landes Niedersachsen zu sein, ist daher aus der EnqueteKommission der Gedanke hervorgegangen, einen „Konvent der Landesparlamente“ einzuberufen. Dieser Konvent soll eine Verbesserung der Position der Landesparlamente im Gefüge der deutschen Politik sowie der EU-Politik bewirken, zu der ein Landtag allein nicht in der Lage wäre. Zu unserer Freude und Genugtuung ist diese Anregung von der Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der Landesparlamente aufgegriffen und auch durch den Niedersächsischen Landtag mit einer gemeinsamen Entschließung aller Fraktionen unterstützt worden. Mit diesem für Ende März 2003 vorgesehenen Konvent, der zurzeit von einer Arbeitsgruppe der Landtagspräsidentinnen und -präsidenten vorbereitet wird, ist damit nach Auffassung der Enquete-Kommission auf der Seite der Landtage das derzeit Notwendige und Erreichbare zur Stärkung des Föderalismus als entscheidende Voraussetzung der Lebens- bzw. Überlebensfähigkeit des Länderparlamentarismus in Deutschland auf den Weg gebracht.

Breiten Raum nahm bei der Arbeit der EnqueteKommission auch die Erörterung von Vorschlägen dafür ein, wie die Arbeit des Landtages und seiner Ausschüsse effektiver und aktueller gestaltet werden kann. Zur Arbeit des Landtages gab es jeweils deutliche Mehrheiten für die Empfehlungen, den Sitzungsrhythmus des Landtages zu verkürzen, grundsätzlich auf Redezeitbeschränkungen zu ver

zichten sowie das Verfahren für Kleine und Dringliche Anfragen neu zu gestalten. Die Mitglieder der Enquete-Kommission sehen darin geeignete Mittel, die Lebendigkeit der Debatte zu erhöhen, die Attraktivität der Sitzungen für die Öffentlichkeit zu steigern und gleichwohl die Rechte der bzw. des einzelnen Abgeordneten zu wahren oder – beispielsweise mit der Liberalisierung der Regeln über das Rederecht - sogar zu stärken.

Um die Ausschussarbeit effektiver zu gestalten, wird u. a. vorgeschlagen, die Anzahl der Ausschüsse in Annäherung an die Zuständigkeiten der Ministerien zu reduzieren, den Ausschüssen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten ein Selbstbefassungsrecht einzuräumen sowie die Sitzungen grundsätzlich öffentlich stattfinden zu lassen.

Ausführlich beraten wurde die Frage, ob künftig in Niedersachsen ein eigenständiger Petitionsausschuss eingerichtet werden soll. Während ein Teil der Kommission die Auffassung vertreten hat, das niedersächsische Verfahren habe sich bewährt und biete insbesondere den Vorteil, dass die Mitglieder der Fachausschüsse einen erheblichen Teil der für die Beratung anderer Gegenstände benötigten Fachkenntnisse aus der Eingabenberatung gewinnen würden, plädierte die Mehrheit der EnqueteKommission für die Einrichtung eines Petitionsausschusses.

(Zustimmung von Frau Vockert [CDU])

Dies wurde nach den Erkenntnissen aus der zu dieser Frage durchgeführten Anhörung insbesondere damit begründet, ein eigenständiger Petitionsausschuss gewährleiste eine größere Professionalität der Eingabenberatung und biete die Gewähr, dass dem Grundrecht aus Artikel 17 des Grundgesetzes der angemessene Stellenwert beigemessen werde. Frau Dr. Laubach hat sich als externe Sachverständige in einem Sondervotum darüber hinaus dafür eingesetzt, das Amt eines Bürgerbeauftragten zu schaffen, um Vertrauen aufzubauen und die Distanz zwischen Bürgerinnen und Bürgern und Volksvertretung zu verringern.

Im Hinblick auf die Zahl der dem Niedersächsischen Landtag angehörenden Abgeordneten hat sich die Kommission mit knapper Mehrheit dafür ausgesprochen, den Landtag nicht zu verkleinern. Die Kommissionsmitglieder der CDU-Fraktion hatten eine Verringerung der Abgeordnetenanzahl um 20 bei entsprechender Reduzierung der Wahl

kreise empfohlen. Sie können dem diesbezüglichen Sondervotum entnehmen, dass die Kommissionsmitglieder der CDU-Fraktion hierin einen nach der vorgeschlagenen Reduzierung der Ausschüsse folgerichtigen - wenn auch kleinen - Beitrag zur Konsolidierung des Landeshaushalts sehen. Die Kommissionsmehrheit hat sich dem nicht anschließen wollen und hat Maßnahmen abgelehnt, die dazu führen würden, die Distanz zwischen Bevölkerung und Politik zu vergrößern.

In den Beratungen des dritten Abschnitts des Einsetzungsbeschlusses hat sich die EnqueteKommission ausführlich mit den neuen Formen der Haushaltsgestaltung in Niedersachsen und - im Rahmen einer Anhörung - mit denen in Berlin, Hessen und Rheinland-Pfalz beschäftigt. Sie ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Konzeption der Landesregierung, wie sie sich zurzeit darstellt, keine unzulässige Einschränkung des Budgetrechts des Landtages erkennen lässt. Es wird Aufgabe dieses Landtages sein, den weiteren Reformprozess aktiv zu begleiten. Dabei ist dafür Sorge zu tragen, dass die maßgeblichen Vorgaben, Zielvereinbarungen und Kontrollmechanismen hinreichend entwickelt sind und dem Landtag frühzeitig und in der gebotenen Deutlichkeit bekannt gegeben werden.

(Vizepräsident Gansäuer über- nimmt den Vorsitz)

Die Enquete-Kommission rät dem Landtag aus verfassungsrechtlichen Gründen davon ab, über Zielvereinbarungen mit der Landesregierung selbst Eingriffe in den Verwaltungsvollzug vorzunehmen oder sich über die Ausbringung neuer Zustimmungsvorbehalte in den Gesetzesvollzug einzuschalten. Das Parlament sollte sich vielmehr bemühen, in Abstimmung mit der Landesregierung parallel zu dem Reformprozess ein den Bedürfnissen des Landtags gerecht werdendes ControllingKonzept zu entwickeln.

In diesem Zusammenhang empfiehlt die EnqueteKommission, die Einrichtung von Stiftungen (des privaten wie auch des öffentlichen Rechts) auf Einzelfälle zu beschränken. Unabhängig von der Rechtsform als Stiftung des privaten oder des öffentlichen Rechts hat die Einrichtung einer Stiftung durch das Land zur Folge, dass Einfluss- und Entscheidungsmöglichkeiten des Landes und damit verbunden Kontrollmöglichkeiten des Parlaments - auch in finanzieller Hinsicht - auf Dauer verloren gehen.

Meine Damen und Herren, damit möchte ich den Bericht schließen. Ich danke allen Beteiligten, insbesondere den Sachverständigen Frau Goes, Frau Dr. Laubach, Herrn Dr. Meyer, Herrn Dr. Schneider, Herrn Waike und Herrn Prof. Dr. Thaysen, sehr herzlich für ihre Mitarbeit und möchte in diesen Dank auch den Gesetzgebungsund Beratungsdienst einschließen, der den Bericht zusammengefasst hat. Ich meine, dass wir insgesamt sehr mit dem zufrieden sein können, was in den zwei Jahren erarbeitet worden ist. - Herzlichen Dank.

(Beifall im ganzen Hause)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Das Wort hat jetzt der Kollege Althusmann.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Plenarsaal doppelt so voll wäre, wenn wir zur sofortigen Abstimmung über die Empfehlungen der Enquete-Kommission kämen.

(Zustimmung von Schünemann [CDU])

Die Ergebnisse dieser Enquete-Kommission - das möchte ich schon mit Blick auf meine Schlussworte sagen - können nur dann wirkliche Ergebnisse und für dieses Haus bindend sein, wenn wir sie ernst nehmen. Ich meine, das, was wir erarbeitet haben, ist durchaus dazu angetan, ernst genommen zu werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Niedersächsische Landtag kann gemäß § 18 a der Geschäftsordnung dieses Hauses zur Klärung umfangreicher Sachverhalte, die für Entscheidungen des Landtages wesentlich sind, Enquete-Kommissionen einsetzen. Im Juni 2000 haben wir das hier einstimmig mit einem sehr ehrgeizigen Ziel getan: Die künftige Arbeit des Niedersächsischen Landtages am Beginn des 21. Jahrhunderts sollte zusammen mit externen Wissenschaftlern und Praktikern neu definiert werden. Wir haben uns ohne Zweifel ein wahrlich hehres Ziel gesetzt. Ich meine, dass in den Beratungen der Enquete-Kommission sehr deutlich geworden ist, dass uns das praktische Ringen um den richtigen Weg bereits nach sehr kurzer Zeit auf den harten Boden der Realität zurückbrachte.

Insbesondere die Fragestellung 3 hat uns in der Erörterung der Kommission einige Probleme bereitet; das möchte ich gar nicht verschweigen: Wie kann man z. B. die Auswirkungen von Kamingesprächen in irgendeiner Form vermindern und die Kontrollrechte des Landtages steigern? - Bei dieser Fragestellung hätten wir uns vorweg noch mehr Gedanken machen können. Dennoch, gäbe es im praktischen Alltag und beim Ablauf dieses Parlaments keine Defizite, gäbe es eben nicht den schleichenden Entscheidungsverlust der Länder, gäbe es nicht den Bedeutungsverlust der Länder oder des in Artikel 79 in Verbindung mit Artikel 20 des Grundgesetzes festgeschriebenen föderativen Bundesstaates, dann hätten wir uns mit Sicherheit nicht über zwei Jahre hinweg in über 20 Sitzungen mit dem Leitbild zur Stärkung der Arbeit des niedersächsischen Landesparlamentes befasst.

Meine Damen und Herren, die künftige Arbeit dieses Haus wird entscheidend davon abhängen, ob es uns 157 Abgeordneten - mal mehr und mal weniger - gelingen kann, Kompetenzen für Niedersachsen und für die Länder zurückzugewinnen. Es ist Fakt, dass zwischen Bundesebene und der Ebene der Europäischen Union die föderative Grundordnung - das stärkende Kernelement unserer staatlichen Ordnung - inzwischen zu zerbröckeln droht und geschwächt wird, und zwar durch die nahezu vollständige Inanspruchnahme der konkurrierenden Gesetzgebung durch den Bund, durch die Rahmengesetzgebung des Bundes und durch die vielfältigen Formen der Mischfinanzierung öffentlicher Aufgaben zwischen Bund und Ländern. Dadurch haben die Länder - auch das Land Niedersachsen - in einem erheblichen Ausmaß an Gestaltungs- und Handlungsspielraum eingebüßt. Dies widerspricht - das machen wir uns viel zu wenig deutlich - nicht nur dem Geist unserer Verfassung, sondern dies widerspricht unzweifelhaft auch der historischen Entwicklung des Föderalismus in Deutschland.

Viele haben offenbar vergessen, dass nach 1945 in Deutschland zunächst die Länder entstanden sind. Erst im Anschluss daran ist die Bundesrepublik Deutschland entstanden. Demnach ist auch erklärlich, dass dort der Ursprung für den Artikel 30 Grundgesetz liegt. Danach ist die Ausübung staatlicher Befugnisse und die Erfüllung staatlicher Aufgaben Sache der Länder, soweit das Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zulässt. Gestützt durch Artikel 70 Abs. 1 spricht die Zuständigkeitsvermutung unseres Grundgesetzes – unse

rer Verfassung - zunächst einmal für die Länder und nicht für den Bund. Die Realität ist heute allerdings eine andere.

Schon 1853 hat übrigens der Verfassungshistoriker Georg Waitz diesen Zustand sehr treffend beschrieben, in dem wir uns heute auch in Niedersachsen befinden. Er hat gesagt:

„Der Einzelstaat dagegen, welcher regieren und administrieren soll nach Gesetzen, die ein anderer gibt, verkommt in kleinlichem Detail und versinkt in einem Zustand, wo er gar nicht mehr Staat heißen kann.“

Wenn also die niedersächsische EnqueteKommission „Parlamentsreform“ ein über die drei Einzelaufträge hinausgehendes übergeordnetes Ziel hatte, dann war es doch wohl dieses: Das niedersächsische Parlament muss die Achtung und Wertschätzung der Bürger unseres Landes wieder zurückgewinnen, aber auch die Achtung und Wertschätzung vor sich selbst. Es geht bei dieser Einsetzung um unser Selbstverständnis. Als Landesparlament - auch das, meine ich, sollten wir uns immer wieder bewusst machen - sind wir es nun einmal, die am Bürger näher dran sind. Wir können es zumindest sein, wenn wir es nur wollen. Die Länderparlamente könnten Kompetenz zurückholen, wenn sie es nur wollten, würden sie nur das umsetzen, was seit September 1991 auf den Tischen der Landtage liegt, einstimmig abgestimmt. Gleich welcher Couleur haben die Landtagspräsidenten das 1991 klar formuliert.

Kernpunkt - das ist auch Kernpunkt unseres Untersuchungsauftrages - ist die Sicherung des Subsidiaritätsprinzips. Gemeint sind nicht nur mehr Gesetzgebungskompetenzen auch für das Land Niedersachsen im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung, sondern gemeint sind auch eine Stärkung der Finanzautonomie durch ein Mehr an Steuergesetzgebungskompetenzen, eine zwingend notwendige Befreiung von den Zwangsfesseln der Mischfinanzierung zwischen Bund und Ländern, um nur wenige Beispiele zu nennen. Insofern wäre es ein kleiner, vielleicht auch ganz kleiner Schritt, aber es wäre ein Schritt, wenn es auf Initiative unserer Enquete-Kommission im Frühjahr des nächsten Jahres tatsächlich gelingen sollte, im Rahmen des Konvents der Landesparlamentarier auch die Frage der Einrichtung einer Kompetenzkammer zu prüfen, um das Subsidiaritätsprinzip zu überwachen und es auch tatsächlich zu sichern.

Wenn wir also die Entwicklung hin zu einem Entschließungsantrags- und Anfrageparlament aufhalten und umkehren wollen, dann müssen wir nicht nur die Erkenntnisse dieser einen EnqueteKommission in Niedersachsen, sondern auch die Ergebnisse von mindestens 40 weiteren Kommissionen, die sich mit dieser Thematik beschäftigt haben, umsetzen. Rückblickend auf die beiden vergangenen Jahre bedauere ich, dass sich die eine Seite dieses Hauses dem ersten Teil des Untersuchungsauftrages eigentlich nur bedingt stellen wollte. Ich hatte fast den Eindruck, man hätte vielleicht mit der Aufstellung der Saalmikrofone die Arbeit einstellen wollen.