- Ich versuche es. - Dieser Gedanke ist, wie gesagt, unerträglich. Denn er bedeutet, dass die Justiz durch Verfahrensverzögerungen und Mängel im Verfahren dazu beigetragen hat, dass ein Mensch ums Leben gekommen ist. Das sind Verfahrensverzögerungen, die das Oberlandesgericht Celle in seinem Beschluss, meine ich, eindeutig festgehalten hat. Es hat nämlich festgestellt, dass das Verfahren um etwa vier bis sechs Wochen vermeidbar verzögert wurde, weil die Anklage schon vorher hätte bearbeitet werden können und weil mehr
Jede Entscheidung nach § 121 Strafprozessordnung, die U-Haft nach einem halben Jahr aufzuheben, ist eine Ohrfeige für den Justizminister. Denn Sie wissen, meine Damen und Herren, dass die U-Haft in vielen Fällen länger als sechs Monate dauert. Sie wird aufgehoben, wenn es vermeidbare Verfahrensverzögerungen gab. Das ist jedoch nur in wenigen, krassen Ausnahmefällen der Fall. Sie wissen auch, meine Damen und Herren, dass Herr des Ermittlungsverfahrens die Staatsanwaltschaft ist, und Herr über die Staatsanwälte ist der Justizminister. Er trägt die organisatorische und politische Verantwortung für diese Verfahrensverzögerungen. Herr Dr. Pfeiffer, Sie tragen Mitverantwortung dafür, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz und in die Fähigkeit der Justiz zum Schutz der Opfer gelitten hat.
Ich halte nichts davon, vorschnell Rücktritte zu fordern. Das ist in diesem Hause ein abgegriffenes Ritual. Ich meine aber, dass dieses Ereignis tiefgreifende Konsequenzen haben muss.
Wir brauchen in der Justiz ein Frühwarnsystem, für das Sie verantwortlich sind, Herr Pfeiffer, welches es ermöglicht, zielgenau nachzufassen, wenn ein Fall in den Bereich dieser Sechsmonatsfrist gerät. Wir brauchen Instrumente - die eigentlich da sein müssten - wie Berichts- oder Aktenvorlagepflichten beispielsweise an den Generalstaatsanwalt. Ich verstehe bis heute nicht, warum das nicht funktioniert hat. Wir brauchen eine Aufklärung, ob es in diesem Verfahren disziplinarisch zu ahndende Versäumnisse gegeben hat.
Außerdem brauchen wir - ich meine, das ist das Wichtigste - eindeutige Prioritäten in der Justiz. Wir können nicht, wie es die CDU-Fraktion verlangt, noch mehr Richter und Staatsanwälte einstellen. Wir müssen die Ressourcen zielgerichtet einsetzen. Zielgerichtet heißt für mich, dass der Schutz von Leben, Gesundheit und sexueller Selbstbestimmung absoluten Vorrang haben muss, dass es eben nicht geht, derartige Personalressourcen für die Verfolgung von Gelegenheitskiffern, von Ladendieben und der vielen Bagatelldelikte zu binden, sondern dass wir in den Bereichen und Dezernaten für Kapitalverbrechen personelle Verstärkung brauchen. Herr Minister, wenn eine Frau Anfang des Jahres gegen ihren Vergewaltiger An
obwohl das OLG sagt, dass es kein besonders schwieriger und besonders umfangreicher Fall war. Noch nicht mal im Oktober hat ein Hauptverhandlungstermin stattgefunden. Solche Verfahren müssen zügig und mit klarer Priorität abgewickelt werden.
Sie werden natürlich immer wieder betonen: Wir sind ja schon spitze, in Niedersachsen läuft es schnell. Die tägliche Beobachtung ist eine andere. Es gibt immer wieder diese krassen Ausreißer, bei denen man sich fragt: Warum war das eigentlich denkbar und möglich? Gerade in diesen Fällen leidet das Vertrauen der Bevölkerung, dass diese elementaren Rechtsgüter von Ihnen sachgerecht wahrgenommen werden.
Ich glaube nicht, dass es viel hilft, symbolisch an der Spitze einen Kopf zu wechseln. Wir brauchen Veränderungen in der Justiz. Das, was Sie vorhaben, Herr Pfeiffer, führt nach meiner Einschätzung in die falsche Richtung. Es nützt nichts, den Ball in Richtung Berlin zu spielen. Sie müssen im eigenen Laden arbeiten und aufräumen. Da erwarte ich von Ihnen Ergebnisse. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Justizminister, die zentrale Aufgabe in Ihrem Amt ist es, die Menschen vor Straftaten zu schützen. Das ist Ihre Pflichtaufgabe. Bei dieser Aufgabe darf man sich keine Fehler erlauben. Meine Damen und Herren, alles andere ist Kür. Seit zwei Jahren kümmern Sie sich sehr intensiv um die Kür, aber leider Gottes vernachlässigen Sie dabei die Pflicht.
Sie werden heute in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung mit dem Satz zitiert: Wenn man mir ein Versäumnis nachweisen kann, dann werde ich zurücktreten.
Herr Justizminister, Sie müssen sich schon fragen lassen, warum Sie immer erst dann reagieren, wenn schreckliche Dinge passiert sind.
Warum unternehmen Sie jetzt eine Bundesratsinitiative, um Fristen zu verlängern? Wir haben seit Jahren darauf aufmerksam gemacht, dass die Sechsmonatsfrist immer wieder überschritten wird. Wenn Sie uns nicht glauben, warum glauben Sie dann nicht den Fachleuten, z. B. dem Richterbund, von dem erst kürzlich ein Aufschrei durch die Zeitung ging - ich zitiere -: Folge der Überlastung: Beängstigend viele Straftäter laufen frei herum. Warum reagieren Sie nicht vorher? Ihre Aufgabe ist vor allem, die Menschen vor Straftaten zu schützen, also auch präventiv zu wirken.
Ich will gar nicht verhehlen, dass ich Ihre jetzige Initiative für falsch halte. Herr Schröder hat das auch dargestellt. Warum haben Sie aber die Staatsanwaltschaften nicht rechtzeitig organisatorisch so ausgestattet, dass es nicht zu solchen Fristüberschreitungen und zu vermeidbaren Verfahrensverzögerungen kommt?
Frau Merk war gestern bei mir und hat sich darüber beschwert, dass ich sie als Ihre Vorgängerin mit in die Verantwortung genommen habe. Sie hat gesagt: Als ich im Amt war, habe ich ein Frühwarnsystem installiert. - Heute Morgen mussten wir leider Gottes hören, dass es unter Ihrer Leitung dieses Frühwarnsystem nicht mehr gibt, zumindest kein Frühwarnsystem, das diese Fristüberschreitung tatsächlich verhindert.
Bevor es zu einer solchen Fristüberschreitung kommt, muss die Spitze des Hauses informiert werden, damit man einschreiten kann. In diesem Zusammenhang müssen wir Ihnen den Vorwurf machen, dass Sie Ihr Haus und die Staatsanwaltschaft organisatorisch nicht so im Griff gehabt
Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, dass Sie jetzt versuchen, sich damit herauszureden, dass der Täter im Prinzip selbst dafür verantwortlich sei, weil er nicht rechtzeitig zu einem Gutachter gegangen sei.
Wollen Sie der Öffentlichkeit wirklich weismachen, dass ein alkoholabhängiger Straftäter, der bereits wegen Mordes verurteilt worden ist, tatsächlich selbst in der Verantwortung sein soll, zu einem Gutachter zu gehen? Das wollen Sie den Menschen doch wohl wirklich nicht weismachen. Damit können Sie wirklich kein Vertrauen in unserem Lande erwerben.
Ich darf nur noch einmal kurz daran erinnern, dass wir Ihnen, was die nachträgliche Sicherungsverwahrung angeht, oft Vorhaltungen gemacht haben. Warum haben Sie nicht längst im Lande die Initiative ergriffen und dies rechtzeitig in ein Gesetz gekleidet, damit nichts passieren kann und wir eine solche Möglichkeit auch in Niedersachsen haben? Auch das muss man Ihnen vorwerfen. Sie würden es wahrscheinlich erst dann machen, wenn wieder etwas Schreckliches passiert ist. Unserer Meinung nach muss man präventiv im Voraus etwas tun, Herr Justizminister.
Ich habe mich schon gewundert, als wir in der Presse den schrecklichen Fall in Moringen verfolgen mussten. Sie haben hier, glaube ich, vor einem Jahr gesagt, grundsätzlich gebe es bei Sexualverbrechern bzw. Schwerverbrechern zwei Gutachten, bevor sie Freigang erhalten, davon ein externes Gutachten. Wir mussten hier aber feststellen, dass das im Maßregelvollzug überhaupt nicht angeordnet worden ist. Jetzt, nachdem etwas passiert ist, haben Sie sich zusammen mit der Sozialministerin vor die Presse gestellt und erklärt, dass Sie ein externes Gutachten in Auftrag geben würden. Herr Justizminister, vorher müssen Sie so etwas tun!
Ich könnte die Liste der Versäumnisse noch verlängern. Aber ich habe leider nicht so viel Redezeit. Allerdings möchte ich zum Schluss noch Folgendes sagen, weil es mich besonders ärgert: Am Freitag sind Sie vor die Presse getreten. Sie haben - rhetorisch durchaus verklausuliert, aber doch sehr deutlich - Richterschelte betrieben. Ich verlange von einem Justizminister, dass er sich in einer solchen Situation vor seine Beamten stellt und nicht, Herr Justizminister, weil man sich selbst einen schlanken Fuß machen will, Richterschelte betreibt.
(Zustimmung bei der CDU - Plaue [SPD]: Jetzt wird es aber komisch! Es kann doch wohl nicht wahr sein, was Sie da erzählen! Jetzt reicht es aber langsam! - Unruhe - Glocke der Prä- sidentin)
- Herr Plaue, Sie sollten an dieser Stelle einmal zuhören, weil es um etwas geht, was die Menschen tatsächlich besonders bewegt.
Es gab einen Bundesinnenminister, der sich nichts vorzuwerfen hatte, aber zurückgetreten ist, weil er seine Beamten schützen wollte.
Meine Damen und Herren, ich meine, in dieser Situation muss man auch einmal sagen: Es kann nicht sein, dass man sich dafür rühmt, in seiner Amtszeit 290 Vorträge gehalten zu haben, also nur die Kür im Auge gehabt hat, aber der Pflicht, die Menschen vor Straftaten zu schützen, nicht in dem Umfang nachgekommen ist, wie es normalerweise notwendig gewesen wäre. Aus meiner Sicht gibt es an dieser Stelle nur eine einzige Möglichkeit, nämlich dass Sie von Ihrem Amt zurücktreten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben seit September in Niedersachsen drei Tötungsdelikte zu beklagen, die uns alle, glaube ich, schockiert haben. Es handelt sich um Tötungsdelikte, begangen durch gefährliche Straftäter.
- Ich meine, wir sollten dieses Thema in aller Ruhe und Sachlichkeit erörtern. Wenn man daran denkt, dass Menschen gestorben sind, bedarf es keiner derartigen Atmosphäre.