Protocol of the Session on November 20, 2002

Meine Damen und Herren, es darf nicht sein, dass die Politik gerade in diesen schweren Zeiten nur auf Kürzungen kommt. Vielmehr ist es wichtig, dass wir dieses Land trotz der finanziellen Enge zukunftsfähig machen. Ich finde, der Finanzminister hat dafür einen Weg gezeigt.

(Althusmann [CDU]: Welchen Weg denn?)

Meine Damen und Herren, Sie müssen sich dann entscheiden, wenn wir zusätzlich noch etwas tun wollen in Kindergärten, in Schulen und in Hochschulen, ob Sie bereit sind, denjenigen in Deutschland, die die breiteren Schultern haben, etwas mehr aufzuerlegen, oder ob Sie sagen: Das wollen wir nicht. Wenn Sie das nicht wollen, dann geben Sie aber auch zu, dass Sie nichts mehr zusagen können, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Wie ist die Lage? - Der Lohnsteueranteil am Gesamtsteueraufkommen ist von 1980 bis 2001 von 17 auf 32 % gestiegen; er hat sich also nahezu verdoppelt. Innerhalb der 90er-Jahre hat sich der Anteil der Nettolohn- und Gehaltssummen am verfügbaren Volkseinkommen von 49,4 auf 42,7 % ermäßigt. Der Anteil der Nettogewinne, also der Erträge aus Kapitalvermögen, hat sich von 35,7 auf 40 % erhöht. Es ist daher nicht überraschend, dass nur 1 % der Gesamtbevölkerung mehr als 25 % des gesamten privaten Geldvermögens in Deutschland besitzt.

Meine Damen und Herren, wir geben zu: Wir setzen darauf, dass diese Menschen, die über diese großen Vermögen verfügen, bereit sein werden, dafür zu sorgen, dass Bildung, Ausbildung und Investitionen in die Köpfe unserer jungen Menschen durch die Wiedereinführung der privaten Vermögensteuer für Millionäre auch bezahlt werden kann.

(Beifall bei der SPD)

Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, ob man das den Leuten vor der Wahl sagt und ob man versucht, das umzusetzen. Ich meine, dass das ein Weg ist, mit dem wir das eine oder andere in diesem Land im Bereich der Ganztagsschule, im Bereich des Lernens im Kindergarten zusätzlich finanzieren können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf zusammenfassend feststellen: Der Kollege Möllring von der CDU-Fraktion hat kein Konzept, das mit dem Konzept dieser Landesregierung mithalten könnte.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ich darf zum Zweiten feststellen: Die CDU in diesem Land profiliert sich mit neuen Forderungen, die auf der Einnahmeseite, auf der Aus

gabenseite und hinsichtlich der angeblich von Ihnen vorzunehmenden Schuldenrückführung unrealistisch sind.

Ich darf drittens feststellen: Diese Landesregierung hat zu jeder Situation, die entstanden ist, ob durch Steuerschätzung oder durch andere Ereignisse, z. B. BEB-Rückzahlung, sofort den Landtag informiert und ihm klaren Wein darüber eingeschenkt, wie man mit dieser Lage umgehen will. Sie hat vor allen Dingen auch der Öffentlichkeit immer wieder gesagt, was geht und was nicht geht. Wir werden auf diesem Weg bleiben, und Sie werden feststellen, dass die Menschen im Moment zwar böse sind,

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Die Landesregierung ist böse!)

Sie werden aber auch feststellen, dass man Ihnen, wenn Sie so weitermachen, nichts mehr abnehmen wird. Deswegen wird es so sein, dass diese Seite am 2. Februar wieder die Mehrheit in diesem Land haben wird. Die bessere Kompetenz als Finanzminister hat Heiner Aller sowieso!

(Starker, anhaltender Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Golibrzuch, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Haushaltsentwurf ist ein reiner Schuldenhaushalt. Die Gründe dafür sind nicht nur in der Steuerentwicklung zu suchen. Natürlich, Niedersachsen ist keine Insel, Niedersachsen ist nicht frei von der weltwirtschaftlichen Entwicklung; aber ein Großteil der Verantwortung für die Haushaltskrater liegt bei dieser Landesregierung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie haben über viele Jahre hinweg notwendige Einsparungen verschleppt, verschoben und vertagt. Wenn Ministerpräsident Gabriel in der vergangenen Woche vor die Presse tritt und öffentlich erklärt, die letzte echte Verwaltungsreform in Niedersachsen liege 30 Jahre zurück, dann sagen wir: Ja, eben! 30 Jahre ist es her; neun Jahre lang haben Sie es versäumt, an irgendeiner Stelle tatsächlich notwendige Einsparungen vorzunehmen! Das holt Sie jetzt ein.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU - Zuruf von Plaue [SPD])

Sie waren immer besonders groß im Geldausgeben; Sie besonders, Herr Plaue, übrigens nur darin. Aber Sie haben an keiner Stelle wirklich gespart.

Ich verweise auf die Personalausgaben. Wenn der Finanzminister sich hier hinstellt und erklärt, man habe seit 1998 5 500 Stellen gespart, dann ist das zwar richtig; aber gleichzeitig verrät ein Blick in den Haushalt, dass Sie heute mehr Stellen vorzuweisen haben als 1998, weil Sie notwendige Mehrausgaben, notwendige Stellen im Bildungsbereich nicht durch Einsparungen an anderer Stelle gegenfinanziert haben. Das holt Sie ein.

Sie haben den Aufgabenabbau in den Bezirksregierungen versäumt, Sie haben die Fusion von Landesämtern versäumt, was wir Ihnen seit Jahren predigen. Jetzt kommt der Ministerpräsident auf die Idee, im Verbund mit anderen Ländern hier zu notwendigen Einsparungen zu kommen. Es hätte nicht erst des Berichts des Bundesrechnungshofes bedurft, um festzustellen, dass wir kein eigenständiges Landesamt für Statistik, dass wir im Übrigen auch keine eigenständigen Rechenzentren, dass wir kein eigenständiges Landesamt für Verfassungsschutz brauchen. Das ist seit Jahren bekannt. Sie haben an dieser Stelle die Einsparung versäumt.

Sie haben auch - ein altes Thema, seit zwölf Jahren hier im Landtag diskutiert - die Einsparung bei den so genannten polizeilichen Assistenzdiensten versäumt. Der Rechnungshof hat viele gute Argumente vorgetragen. Er hat einen Innovationspakt vorgeschlagen. Er hat vorgeschlagen, 500 neue Stellen bei der Polizei, die übrigens nach dem 11. September 2001 zwischen allen Fraktionen unstrittig waren, aus dem Apparat des Polizeiministeriums heraus zu finanzieren. Sie haben das in den Wind geschlagen, wie so viele gute Mahnungen des Landesrechnungshofes im Übrigen auch. Da ist es einfach unerträglich, wenn Sie sich, nachdem Sie den Haushalt derart in die Grütze geritten haben, hier hinstellen und von Haushaltskonsolidierung reden. Das kann Ihnen wirklich niemand abnehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Herr Aller, Sie reden von Offenheit, Transparenz und Ehrlichkeit bei der Vorlage von Haus

haltsdaten. Dazu sage ich: Ein Blick in den Haushalt verrät, dass Sie immer noch der Versuchung erliegen, sich schönzurechnen, auch im Vergleich mit anderen Bundesländern. Die Personalkostenquote, die Sie in diesen Haushalt hineinschreiben und von der Sie allen Ernstes behaupten, sie läge bei 39 %, liegt mittlerweile bei deutlich über 45, vielleicht sogar bei über 46 %. Sie geben das nicht zu. Sie verschleiern die Personalkosten, indem Sie Landesbetriebe ausgliedern, die Staatstheater, Hochschulen, das Informatikzentrum und andere Einrichtungen, und die Personalkosten sozusagen nur noch als Globalzuschuss in den Haushalt einstellen und damit verschleiern.

Sie stellen in den Haushalt fiktive Mieten und Pachten in einer Größenordnung von mehreren 100 Millionen Euro ein, wobei zwischen den Ressorts überhaupt kein Geld fließt, aber sozusagen durch eine bilanzverlängernde Maßnahme der Etat aufgebläht wird, mit der Konsequenz, dass man sich in der Kreditfinanzierungsquote, in der Personalkostenquote, in der Zinssteuerquote herunterrechnet und dann so tut, als wäre man auf dem - zugegebenermaßen auch schlechten - Niveau anderer Bundesländer, um zu verschleiern, dass Niedersachsen an dieser Stelle noch sehr viel schlechter dasteht.

Sie haben in diesem Haushalt für 2003 auch eine verdeckte Kreditaufnahme vorgenommen, eigentlich sogar mehrere, aber insbesondere die, bei der die Hannoversche Beteiligungsgesellschaft gezwungen werden soll, ihr Stammkapital abzusenken und 270 Millionen Euro in den Haushalt abzuführen. Das ist kein Bargeld, das Sie der HanBG dort entnehmen, sondern diese Gesellschaft wird gezwungen, das Geld, das Sie in den Haushalt einstellen, am Kapitalmarkt aufzunehmen. Das ist nichts anderes als eine verdeckte Kreditaufnahme, die man logischerweise der gesamten Kreditfinanzierung des Landeshaushalts hinzurechnen muss.

Selbstverständlich ist es so, dass die Haushaltslöcher, die der Etat aufweist, damit immer noch nicht finanziert sind. Meine Prognose ist: Es wird weiteren Einsparungsbedarf geben. Die Kreditaufnahme, die Sie zusätzlich über den so genannten Finanzierungsnachtrag tätigen, wird nicht ausreichen, um den laufenden Doppelhaushalt 2002/2003 zu finanzieren, sondern Sie werden in der Größenordnung von mehreren hundert Millionen Euro weitere Einsparungen vornehmen müssen. Einer der wesentlichen Gründe dafür liegt in Niedersachsen.

Wir haben es in diesem Haushalt mit einer Reihe von Sonderlasten zu tun. Wir haben es mit dem negativen Sondervermögen einer Weltausstellung zu tun. Wir haben es mit der Milliardenbelastung durch die BEB zu tun, die Sie in 2003 tilgen wollen; ein aussichtsloser Prozess, der bis in die letzte Instanz durchgeschleppt wurde. Wir haben es mit der Finanzierung - über das Projekt selbst wollen wir nicht reden - eines Emssperrwerkes, mit der Finanzierung eines vorzeitigen Lückenschlusses der A 31

(Busemann [CDU]: Gut angelegtes Geld!)

und demnächst mit der Finanzierung eines Tiefwasserhafens zu tun. Wir müssen das alles in der Sache überhaupt nicht diskutieren; an vielen Punkten liegen wir da nicht weit auseinander. Aber billiger werden die Projekte dadurch nicht. Andere Bundesländer haben derartige Sonderlasten nicht zu verkraften.

Sie haben die Stirn, bei der Vorlage dieses Nachtrags von Offenheit zu reden. Ich habe noch das Mantra von der fehlenden Notwendigkeit eines Nachtragshaushaltes für 2002, das Sie vor sich hergebetet haben, im Ohr. Monatelang mussten wir uns das hier anhören und ertragen. Ich habe noch Ihre Ankündigung im Ohr, die Bildungsoffensive der Landesregierung sei abgesichert; das sei alles Panikmache der Opposition. Ich habe auch noch Ihren vielleicht größten Schwindel vor Augen, nämlich die Einstellung von angeblich zusätzlichen 700 Lehrerinnen und Lehrern zum 1. November 2002. Bereits heute wissen wir, dass nichts anderes geplant war als die vorübergehende Verbesserung der Unterrichtsversorgungsstatistik in Wahlkampfzeiten. Wir haben das alles noch vor Augen und im Ohr. Mit Offenheit - so viel kann ich Ihnen jedenfalls sagen - hat das überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Die Bildungsoffensive, von der Sie hier immer wieder reden, ist nach wie vor nicht finanziert. Der Hinweis des Ministerpräsidenten auf die Vermögensteuer macht ja deutlich, dass es sich hierbei bisher um ein virtuelles Projekt handelt.

(Oestmann [CDU]: Das kann man wohl sagen!)

Um hier aber kein Missverständnis aufkommen zu lassen, sage ich: Wir sind auch dafür, dass diejenigen, die Vermögen besitzen, dass diejenigen,

(Plaue [SPD]: www.golibrzuch.de!)

die entsprechend als Leistungsträger definiert werden, einen deutlich größeren Anteil an der Finanzierung des Gemeinwesens und an der Finanzierung der öffentlichen Haushalte tragen müssen.

(Plaue [SPD]: Aber?)

Wir möchten dann aber gern vom Ministerpräsidenten ein Modell haben, wie das denn verfassungskonform zu gestalten sein soll. Sie müssen doch genauso gut wissen wie wir, dass das Bundesverfassungsgericht 1997 nicht ohne Grund die alte Regelung zur Vermögensteuer außer Kraft gesetzt hat.

Der Grund ist schnell erklärt: Damals war es so, dass man es für die Wirtschaft aus wirtschaftspolitischen Gründen nicht mehr wollte, eine solche Substanzsteuer zu erheben.

(Zuruf von Plaue [SPD])

Es waren dann die privaten Haushalte, die am Schluss zahlen mussten. Das Verfassungsgericht hat gesagt: Eine solche unterschiedliche Form der Besteuerung von Wirtschaft und von privaten Haushalten ist unzulässig.

Dann möchten wir gern wissen, damit wir das auch unterstützen können: Wie soll denn ein solches verfassungskonformes Modell der Vermögensteuer künftig aussehen?

(Plaue [SPD]: So wenig Kreativität, Herr Golibrzuch?)

Wir möchten gern wissen, ob die Wirtschaft hier einbezogen werden soll oder ob sich das sozusagen ausschließlich an die privaten Haushalte richtet. Wenn Letzteres der Fall sein sollte, dann wäre es eine Steuer nur für den Wahlkampf. Ansonsten sind wir gern bereit, diesen Weg auch gemeinsam mit der Landesregierung zu gehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie haben bisher nichts gespart, und Sie haben bisher auch für die Zukunft Einsparungen nur angekündigt. Sie haben Einsparungen angekündigt, aber Sie beschließen währenddessen munter immer weiter zusätzliche und neue Ausgaben. Sie be