Protocol of the Session on November 20, 2002

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

entzieht Ihnen die Möglichkeit, mit der Sie versucht haben, für die Landtagswahl 2003 Punkte zu sammeln. Die SPD steht mit einem klaren Konzept über zwölf Jahre, über zwölf Monate und über die letzten Tage in der niedersächsischen Diskussion. Sie werden sich für zwölf Jahre Vermeiden, Blockieren, Verhindern, aber mehr Fordern rechtfertigen müssen. Sie werden beweisen müssen, dass Sie mit der CDU auf Bundesebene nicht Landesund Kommunalinteressen in Niedersachsen hintergehen.

Ich bitte Sie herzlich, zu überlegen, ob Sie in dieser schwierigen Situation nicht an die Seite der Landesregierung treten,

(Lachen bei der CDU)

wenn es darum geht, die Finanzen in diesem Lande, zumindest teilweise, besser zu gestalten. - Ich danke Ihnen.

(Starker, anhaltender Beifall bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Möllring.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als uns gestern der Entwurf der Regierungserklärung zugestellt worden ist, waren wir einigermaßen darüber überrascht, wie wenig Inhalt diese Regierungserklärung hat und wie hohl und flach sie ist.

(Beifall bei der CDU)

Dass das gesprochene Wort noch unter dem Niveau des schriftlichen Wortes bleiben würde, hatten wir allerdings nicht erwartet.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister, bei dem Blech, das Sie eben geredet haben, sollten Sie sich bei der nächsten EuroBLECH einen Stand besorgen, auf dem Sie das seitenweise verkaufen können.

Dieses war keine Regierungserklärung, das war ein schlichter Offenbarungseid der SPD-Politik,

(Zuruf von der CDU: So ist es!)

und zwar Hand in Hand mit dem Offenbarungseid von Rot-Grün auf Bundesebene. Ich bin dankbar, dass Sie hier die Bild zitiert haben. Das sind keine CDU-Politiker, das sind Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, die offen ihre Meinung zu dem, was bundespolitisch so läuft, sagen.

In diesem Jahr 1,6 Milliarden Euro zusätzliche Neuverschuldung, in 2003 1,35 Milliarden Euro Neuverschuldung - eine völlig neue Dimension des Schuldenmachens. Sie haben selber eben die Kreditfinanzierungsquote angesprochen. Sie liegt dieses Jahr bei 13,6 %, sie lag 1975 bei 13,3 %. Die Folge dieser Kreditfinanzierungsquote über 13 % ist jedes Mal, dass die Regierung wechselt. 1976

haben wir dann die Regierung übernommen. Da Sie es diesmal nicht geschafft haben, werden wir dann 2002 die Regierung übernehmen. Das zeichnet sich schon deutlich ab.

(Zuruf von der SPD: 2002 ist fast vorbei!)

- Am 2. Februar 2003. Gut, dass Sie aufgepasst haben.

(Zuruf von Plaue [SPD] - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Die Karre steckt derart tief im Dreck, dass es wirklich niemandem mehr zuzumuten ist, sich an Ihre Seite zu stellen, denn dann stünde man knietief im Sumpf. Sie müssen den Zustand hier schon richtig erklären.

Wenn ich Ihre Regierungserklärung in wesentlichen Kernaussagen zusammenfassen soll: Schuld haben immer die anderen, die Weltwirtschaft, denn die Bundesregierung kann diesmal keine Schuld haben. - Nein, Schuld haben Sie. Sie tragen hier seit zwölf Jahren die Verantwortung und werden ihr seit zwölf Jahren nicht gerecht. Sie haben in den letzten vier Jahren jeden Regierungsunsinn in Berlin mit Ihren sechs Stimmen im Bundesrat mitgetragen. Sie haben z. B. dem Körperschaftssteueränderungsgesetz auch mit dem Optionsmodell zugestimmt mit der Folge, dass Niedersachsen in diesem Jahr mehr Körperschaftssteuer an die Unternehmen auszahlt, als es einnimmt. Bundesweit sind insgesamt 23,6 Milliarden Euro an Körperschaftssteuern durch Ihre Politik weggebrochen. Natürlich wird noch Körperschaftssteuer gezahlt, allerdings nur von den kleinen und mittleren GmbHs, während die großen und internationalen Konzerne Erstattungen bekommen. Das heißt, Sie entziehen dem Mittelstand das Kapital und zahlen es an das Großkapital aus, und anschließend beklagen Sie die horrende Zahl an Insolvenzen.

Es ist schon dreist, wenn Sie, Herr Aller, sich in dieser Art und Weise aus der Verantwortung stehlen wollen. Ähnlich hilflos und ratlos ist wohl nur noch Herr Eichel, der die Verantwortung für das finanzpolitische Scheitern von Rot-Grün bekanntlich zu 55 % auf die Ebene der Länder verlagert hat. Sie haben damit zugleich Ihre wahren Absichten und Ihre Strategien offengelegt, die Sie gemeinsam mit den Verantwortlichen in Berlin verfolgen. Sie schieben die Verantwortung hin und her und wieder zurück, mal nach Berlin, mal in die Bundesländer, vor allen Dingen natürlich in die

CDU- bzw. CSU-regierten Bundesländer, mal zur Weltwirtschaft, mal zur deutschen Wirtschaft, mal zu den Reichen und Wohlhabenden, je nachdem, wie der Ministerpräsident gerade drauf ist, ob er von Rotkäppchen-Sekt oder von Champagner träumt.

Sie hoffen, dass die Menschen am Ende so verwirrt sind, dass sie auf Ihre Appelle an Neidinstinkte und Klassenkampffantasien hören, so wie Herr Minister Aller es eben gesagt hat. Die Leute sind nicht so dumm. Wenn 48 Steuern entweder neu geschaffen oder erhöht werden, merken die Leute das und nehmen es nicht mehr hin. Dann gibt es eben solche Schlagzeilen wie heute in der Bild. Dazu brauchen Sie keine CDU-Opposition; das machen die Bürgerinnen und Bürger schon selber, weil sie diesen Mist nicht mehr mitmachen wollen.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben die Schulden des Landes in zwölf Jahren mehr als verdoppelt, Sie haben die Investitionsquote auf 9,4 % gesenkt, und Sie haben die Personalkostenquote auf 45 % erhöht. Herr Minister, Sie sprachen eben so schön von vorgezogenen Investitionen. Uns liegen Schreiben Ihres Staatshochbauamtes vor, in denen steht, dass wegen des Geldmangels eine durchgeführte Ausschreibung zurückgenommen werden muss, weil frühestens im Sommer nächsten Jahres überhaupt wieder Geld für Baumaßnahmen zur Verfügung steht. Den Leuten werden die paar Euro, die sie für die Ausschreibung bezahlt haben, erstattet, aber die Arbeit, die sie damit hatten, wird nicht bezahlt, und die Hoffnung, einen Auftrag vom Staat zu erhalten, haben Sie voll enttäuscht. Solche Briefe werden verschickt; wir werden sie Ihnen zeigen.

(Beifall bei der CDU)

Nichts ist mit vorgezogenen Investitionen. Die Wahrheit sieht völlig anders aus. Wenn das Land, was es nicht ist, eine Aktiengesellschaft oder GmbH wäre, Sie im Vorstand oder in der Geschäftsführung wären

(Busemann [CDU]: Dann wäre er wahrscheinlich in Haft!)

und so etwas wie heute als Problemlösung vorlegen würden, würde es keine 15 Minuten dauern, bis alle Verfahren durchgeführt und Sie entlassen wären. In weniger als einer Viertelstunde wären Sie entlassen, und das zu Recht, weil Ihnen nämlich alles fehlt, was man zur Führung braucht,

nämlich Kompetenz und Kraft. An beidem mangelt es Ihnen. Weder Sie haben hier Kompetenz gezeigt, noch haben Sie die Kraft, irgendetwas umzusetzen. Sie können es nicht, Sie wollen es aber auch nicht können; das haben Sie das ganze Jahr gezeigt. Seit Anfang des Jahres war jeden Monat deutlich, dass die Steuern wegbrechen. In der MaiSteuerschätzung, von der Sie in Ihrem schriftlichen Redemanuskript noch gesagt haben, Sie hätten sie sogar dem Landtag mitgeteilt und damit alle Unbill von diesem Land Niedersachsen abgewendet, waren es schon über 600 Millionen Euro weniger. Sie haben nichts getan. Sie haben keinen Nachtragshaushalt vorgelegt, Sie haben keine Planung gemacht, Sie haben weiter den Karren gegen die Wand sausen lassen, immer ungebremst,

(Wulff [Osnabrück] [CDU]: Augen zu und durch!)

und in Ihre Mipla, die Sie eben hier gelobt haben, haben Sie dann auch noch geschrieben, die Wirtschaft würde sich zum Ende des Jahres so deutlich erholen, dass alles wieder gut würde. Nichts ist gut geworden. Jetzt haben wir den Kladderadatsch: 1,6 Milliarden Euro Steuern sind weggebrochen, und Sie setzen diese Summe 1 : 1 in neue Schulden um. Nicht einen einzigen Euro haben Sie versucht zu sparen.

(Beifall bei der CDU)

Ich will es Ihnen wörtlich vorlesen. Sie schreiben in Ihrer mittelfristigen Finanzplanung, die Ende August beschlossen worden ist, von Ihnen und dem Ministerpräsidenten unterschrieben:

„Die Indikatoren zeigen, dass im Verlauf des Jahres 2002 eine Belebung der wirtschaftlichen Aktivitäten eintreten kann.“

Das ist doch Hohn und Spott, wenn man bedenkt, dass 12,5 % der Steuern weggebrochen sind, dass wir eine Insolvenzzahl haben, wie es sie noch nie in Deutschland und in Niedersachsen in dieser Größenordnung gab, und dass auch die Arbeitslosenzahl beispiellos ist. Und Sie sagen: Es gibt Indikatoren, die zeigen, dass zum Ende des Jahres wieder mehr kommt. Das ist doch alles nach dem Motto unseres Ministerpräsidenten: Die Wahrheit vor der Wahl? - Das hätten Sie wohl gern gehabt.

(Beifall bei der CDU)

Weil Sie gerade von den reichen und guten Ländern geredet haben: Hätten Sie die Beispiele hier doch einmal wahrheitsgemäß vorgetragen. In Ihrer schriftlichen Regierungserklärung haben Sie ja immerhin noch zwei Beispiele gefunden, die schlechter sind als Niedersachsen: das PDSregierte Mecklenburg-Vorpommern und das bisher, seit kurzem nicht mehr, rot-rot-regierte Sachsen-Anhalt. Sie haben gesagt: Die machen das genauso wie wir. Sie haben auch Hessen erwähnt. Dankenswerterweise haben Sie uns - dafür bin ich Ihnen wirklich dankbar - Ihre Presseerklärung und den Nachtragshaushaltsplan von Hessen zugemailt. Da konnte man alles nachlesen. Wenn man sieht, dass Hessen mehrere Milliarden Euro in den Länderfinanzausgleich einzahlt und deshalb seine Nettokreditaufnahme erhöhen muss, während Sie aus dem Länderfinanzausgleich Geld kriegen und trotzdem die Nettokreditaufnahme weit mehr als Hessen hochrechnen, würde ich doch nicht Hessen als Beispiel nehmen, sondern dann wäre ich Hessen dankbar und wäre ruhig.

Wir wollen auch darüber reden, wie BadenWürttemberg es macht. Die sagen: Jawohl, wir kommen in diesem Jahr auch nicht hin und werden dieses Jahr mit einem Fehlbetrag abschließen, aber wir werden es so machen, wie es in der Bundesund in der Landeshaushaltsordnung vorgeschrieben ist. Wenn wir in einem Jahr einen Fehlbetrag haben, werden wir im nächsten und übernächsten Jahr entsprechend einsparen, so wie es Schwaben eben machen, und nicht den Karren voll gegen die Wand fahren lassen.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben auch die reichen Bayern zitiert. Die reichen Bayern haben mitgeteilt, dass sie ihre Rücklage auflösen und damit das Defizit decken. Ich will ja nicht sagen, die machen es aus der Portokasse, aber die haben Vorsorge getroffen, nehmen es aus der Rücklage und brauchen keine höhere Nettoneuverschuldung. Das müssen Sie doch mal hinnehmen. Ich könnte Ihnen weitere Beispiele hier Punkt für Punkt vortragen, einschließlich Nordrhein-Westfalen, damit Sie auch ein SPDregiertes Land haben. Auch Nordrhein-Westfalen kommt mit der verfassungsrechtlichen Obergrenze der Nettokreditaufnahme aus. Sie brauchen also nicht nur die CDU/CSU-regierten Länder zu nehmen, Sie können auch SPD-regierte Länder nehmen. Aber Sie schaffen es nicht.

Ich bin der Meinung - das können Sie hier auch nicht wegdiskutieren -, mit Ihren Nachtragshaushaltsplänen verletzen Sie die Verfassung. Die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, welche ja erwartungsgemäß von Eichel ausgerufen worden ist, berechtigt gerade eben nicht dazu, zusätzliche Schulden aufzunehmen, um Fehlbeträge aus Vorjahren auszugleichen. Das schließt die Verfassung ausdrücklich aus, egal ob es nun eine Störung des Gleichgewichts gibt oder nicht. Auch der Präsident des Landesrechnungshofes hat in der letzten Woche darauf hingewiesen. Es ist also nicht nur meine Meinung, sondern auch die des Rechnungshofes. Aber was schert Sie der Rechnungshof, was schert Sie die Verfassung!

Sie lassen das Gleiche im nächsten Jahr - Sie haben es eben vorgetragen - bei BEB außer Acht. Erst haben Sie den Rechtsstreit ohne Wenn und Aber geführt, und als dann plötzlich 1,26 Milliarden Euro zu zahlen waren, haben Sie angekündigt, Sie wollten den Betrag zunächst stückeln. Nun haben Sie durch die angebliche Störung des wirtschaftlichen Gleichgewichts plötzlich die „Chance“, mehr Schulden zu machen, und nehmen dafür die Schulden gleich mit zu. Das geht nicht, das kann so nicht sein, denn das ist keine Abwehr der Störung des wirtschaftlichen Gleichgewichts, sondern das ist schlicht und einfach eine Abdeckung von Altschulden. Wenn Sie Überziehungskredite plötzlich durch andere Kredite ersetzen, sind das Schulden ohne Ende. Damit werden Sie die Störung des wirtschaftlichen Gleichgewichts nicht verhindern können.

(Wegner [SPD]: Jetzt mal ein paar konkrete Vorschläge, Herr Möllring!)

Das ist ja wohl klar. Um das festzustellen, braucht man noch nicht einmal Finanzexperte oder Wirtschaftsexperte zu sein. Wenn ein Finanzierungsnachtrag am 15. Dezember beschlossen wird, dann existiert er noch 14 Tage bis zum Jahresende,

(Wegner [SPD]: Nur heiße Luft!)

und Sie werden keinen wirtschaftlichen Aufschwung mehr erreichen können.

Mit dem Nachtrag machen Sie also in Wahrheit nichts anderes als den Versuch, sich mit einem Schlag über neue Kredite vor dem Sparen zu drücken, denn Sie müssten bei Ausweisung eines Fehlbetrages diesen Betrag innerhalb der beiden nächsten Folgejahre ausgleichen, wie es BadenWürttemberg macht. Das wollen Sie nicht. Sie