Protocol of the Session on November 20, 2002

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der SPD-Fraktion zur Änderung des Baurechts setzt der Landtag neue Akzente in der Bauordnung und schafft die Fehlbelegungsabgabe in weiten Bereichen des Landes ab.

Um mit Letztem zu beginnen: Anträge zur Abschaffung der Fehlbelegungsabgabe hatten wir in den abgelaufenen Jahren mehrere. Wir haben leider feststellen müssen, dass die völlige Abschaffung, über die wir uns in diesem Hause weitgehend einig waren, gegen Bundesrecht verstoßen würde. Wir haben also versucht, das daraus zu machen, was man daraus machen kann. Mit dem vorliegenden Gesetz werden die unerwünschten Nebenwirkungen der Fehlbelegungsabgabe, wie hoher Verwaltungsaufwand bei der Erhebung sowie die Verdrängung solventer Mieter aus Problemgebieten, weitgehend vermieden. Die Abgabe greift jetzt erst bei einer Überschreitung der Einkommensgrenzen um 30 % statt 10 % wie bisher. Dabei fällt die Fehlbelegungsabgabe in weiten Bereichen des Landes weg. Lediglich in der Region Hannover bleibt die Fehlbelegungsabgabe in einigen Gemeinden in Kraft, unter anderem in der Landeshauptstadt. Wir haben versucht, Modelle zu rechnen, wie man sie abschaffen könnte.

(Möllring [CDU]: Schon wieder eine Lex Schmalstieg!)

- Nein, das ist keine Lex Schmalstieg! Wir lassen uns in diesen Dingen relativ wenig beeinflussen.

(Lachen bei der CDU)

Kurz und gut: Es ging einfach nicht anders. Wir müssen es so machen, wie es im Gesetzentwurf steht. Ansonsten würden wir gegen Bundesrecht verstoßen. Das wollen wir nicht.

Die Schwerpunkte dieses Gesetzentwurfs sind jedoch in der Niedersächsischen Bauordnung zu finden. Der Kollege Wolf hat schon einige Dinge angesprochen. Ich kann das hier deswegen en passant einführen.

Wir führen die Barrierefreiheit in der Errichtung neuer Wohn- und Verwaltungsgebäude ein. Damit werden die Anforderungen des Behindertengleichstellungsgesetzes des Bundes für zwei wichtige Lebensbereiche erfüllt. So soll in Gebäuden mit mehr als vier Wohnungen die Wohnung eines Geschosses barrierefrei sein - dabei sage ich für diejenigen, die sich mit dem Thema nicht so intensiv befassen, dass barrierefrei nicht gleich rollstuhlgerecht ist -, und in jeder achten Wohnung eines Gebäudes müssen die Wohn- und Schlafräume, Toilette, Bad und Küche künftig rollstuhlgerecht gebaut werden. Damit passen wir uns langfristig den Forderungen einer älter werdenden Gesellschaft an. Aber wir kommen auch den Forderungen des Bundesgesetzgebers nach. Erfreulicherweise gab es über diese Maßnahmen, die sicherlich nicht ganz ohne Kostensteigerung durchzuführen sind, im Ausschuss keinen Disput.

Sehr intensiv haben wir uns mit der Weiterentwicklung der Baugenehmigungsfreiheit befasst, aber auch mit den Konsequenzen einer stark reduzierten Bauaufsicht im Lande. Der Landtag hatte 1995 die Landesregierung aufgefordert, die Erfahrungen mit dem damals eingeführten § 69 a auszuwerten und dies dem Landtag vorzulegen. Erwartungsgemäß sahen die Baubehörden die Entwicklung skeptisch, die Verbände von Baugewerbe und Immobilienwirtschaft hingegen positiv.

Zwei Auswirkungen sind jedenfalls deutlich geworden: Die Baugenehmigungszeiten haben sich drastisch verkürzt. Das Bauen ist billiger und auch kalkulierbarer geworden. Aber es gibt auch mehr Fälle von offensichtlichen Verstößen gegen geltendes Baurecht, und zwar von vermeidbaren Verstößen. Diese wollen wir natürlich gerne vermeiden.

Uns wurde bei den Ortsterminen von gemeindlicher Seite gesagt: Wenn die Gemeinden in der Bauaufsicht beteiligt würden, dann könnte man viele Verstöße rechtzeitig heilen oder gar nicht erst

entstehen lassen. Wir sind dem in dem vorliegenden Gesetzentwurf nachgekommen. So haben die Gemeinden jetzt die Möglichkeit, bei gewollten Änderungen des Bebauungsplanes Bauabsichten so weit zu untersagen, bis die Planung durchgeführt ist. Die Gemeinden erhalten die Baupläne vor Baubeginn, die Bauaufsichtsbehörden ebenfalls. An der Baustelle - das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit - steht künftig auch ein Bauschild wie bei genehmigten Bauten.

Die Baugenehmigungsfreiheit in § 69 a wird auf alle Wohngebäude geringer Höhe erweitert; es sind also nicht nur Wohngebäude mit einer oder mit zwei Wohnungen betroffen. Die Prüfeinschränkung, die bislang als Verordnung gilt, wird als § 75 a neu in das Gesetz aufgenommen. In diesen vereinfachten Baugenehmigungsverfahren werden Wohngebäude bis zur Hochhausgrenze, eingeschossige Gebäude bis 200 m2 Grundfläche und landwirtschaftliche Gebäude bis 1 000 m2 Grundfläche sowie Gebäude ohne Aufenthaltsräume bis zu drei Geschossen erfasst. Zur Prüfung kommen nur noch das städtebauliche Planungsrecht, die Abstandsregelungen, die Einstellplätze und der Brandschutz sowie die Standsicherheit bei Bedarf.

Damit beenden wir die Experimentierphase bei der Genehmigungsfreiheit. Die Erfahrungen werden ausgewertet und in die Bauordnung übernommen. Die Bauaufsicht wie auch die Bauherren werden durch die Genehmigungsfreiheit für Garagen, Carports und Gartenhäuser bis 40 m3 Rauminhalt im Innenbereich sowie bis 20 m3 im Außenbereich entlastet. Wohl gemerkt: Diese Gebäude müssen nach wie vor baurechtlich zulässig sein; die können nicht überall hingestellt werden.

Herr Kollege Wolf hat bereits auf die Anhörung und die Konsequenzen daraus hingewiesen. Wir haben das, was in der Anhörung von den Verbänden vorgebracht worden ist, sehr intensiv diskutiert, bewertet und den Gesetzentwurf daraufhin auch geändert. Der ursprüngliche Gesetzentwurf sah ja eine deutliche Deregulierung bei den Anforderungen für die Besetzung der Bauaufsichtsbehörden und die Möglichkeit, die Bauaufsicht auch auf Gemeinden ab 20 000 Einwohner zu verlagern, vor. Der Protest gegen diese Kombination war erheblich und ganz deutlich. Es ist ja in Deutschland so einfach, missverstanden zu werden. Es sollte selbstverständlich nach wie vor gelten, dass die Bauaufsichtsbehörden ausreichend mit Fachpersonal auszustatten sind, ohne weitere Vorschrift. Das ist im Prinzip das, was die kommunale

Seite schon jahrelang gefordert hat. Wir haben festgestellt: Nimmt man sie beim Wort, dann droht der Untergang der Baukultur.

Wir haben die Ergebnisse also ernst genommen und den Entwurf in zwei wesentlichen Passagen geändert. Herr Kollege Wolf hat bereits darauf hingewiesen, welche Möglichkeiten Gemeinden künftig haben. Die Gemeinden prüfen künftig, wenn sie die untere Bauaufsicht oder Teile der unteren Bauaufsicht wahrnehmen wollen, den Bauantrag nach § 75 a, entscheiden über Ausnahmen und Befreiungen von örtlichen Bauvorschriften und können Baustellen stilllegen, wenn erkennbar gegen öffentliches Baurecht verstoßen wird. Der lange Weg von der Kreisverwaltung zur Baustelle, der manchen Bauverstoß erst ermöglicht hat, kann damit entfallen.

Dies ist ein Systemwechsel, der auf eine Anregung des Landkreistages zurückgeht. Es wird zu beobachten bleiben, inwieweit Gemeinden davon künftig Gebrauch machen. Es ist eine Chance, Vorurteile und Bedenken gegen eine Aufgabenverlagerung nach unten auf ihre Stimmigkeit hin zu prüfen. Das ist eine wesentliche Konsequenz aus dem Bericht über die Auswirkungen des § 69 a.

Uns wurde auch noch klar und deutlich gemacht: Die Bußgeldbestimmungen, wie sie bisher in der NBauO waren, waren in keiner Weise ausreichend. Wir haben deswegen die Bußgeldbestimmungen drastisch angezogen. Die Bußgelder werden dort, wo bislang 5 000 Euro galten, auf 50 000 Euro und dort, wo bisher 50 000 Euro galten, auf 500 000 Euro erhöht. Wollen wir einmal sehen, ob die Behörden von dieser Bestimmung auch Gebrauch machen!

Nachgekommen sind wir den Anregungen der Architekten und Ingenieure hinsichtlich der Tragwerksplaner. Den Architekten ging es um Wettbewerbsgleichheit. Das haben wir eingesehen und daraufhin das Architektengesetz geändert. Den Ingenieuren ging es um die Qualitätssicherung und den Verbraucherschutz. Hier haben wir gesagt: Diejenigen, die sich als Tragwerksplaner beruflich selbständig machen, müssen nachweisen, dass sie Mitglied der Ingenieurkammer sind. - Die CDUFraktion hatte das eingebracht, und vonseiten der SPD-Fraktion haben wir diese Anregung, die uns auch schon einmal nahe gebracht worden war, aufgenommen.

Nicht aufgenommen haben wir hingegen die Anregung, verpflichtend so etwas wie einen Bauleiter einzuführen. Man kann nicht auf der einen Seite sagen, wir wollen deregulieren, und auf der anderen Seite für dieselben Bereiche neue Regelungen einführen, die die Sache verteuern.

Dem Dank, den der Kollege Wolf den Zuarbeitern des Gesetzentwurfes ausgesprochen hat, möchte ich mich für die SPD-Fraktion ausdrücklich anschließen. Das gilt für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Innenministeriums, der Landtagsverwaltung, des GBD und für die Verbände, die sich sehr ernsthaft eingebracht haben. Ebenso möchte ich den Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss herzlichen Dank sagen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Decker hat das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann mich dem Dank, den Herr Harden gerade ausgesprochen hat, nur anschließen. Ich darf mich aber auch bei der SPD-Fraktion und insbesondere bei Herrn Harden für die gute Zusammenarbeit bedanken.

Mit dem Gesetz zur Änderung der Niedersächsischen Bauordnung schaffen wir keine rote, keine grüne und keine schwarze Bauordnung. Die Bauordnung ist für die Praxis und für die Praktiker und nicht zur Durchsetzung ideologischer Vorstellungen gedacht, wie sie von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in vielen Punkten geäußert worden sind.

(Beifall bei der CDU)

Wohin das führt, sehen wir an vielen Beispielen in der Politik, die in Berlin gemacht wird. Ständiges Sperrfeuer aus Berlin macht auch die kleinsten Hoffnungen zunichte.

(Beifall bei der CDU)

Die Überlegung von Bündnis 90/Die Grünen zur Einführung einer Baulandsteuer von 50 Euro pro Quadratmeter zeigt nicht auf eine Lenkungsfunktion, sondern ausschließlich aufs Abkassieren.

(Beifall bei der CDU)

Die Bürger sollen noch mehr bevormundet werden. Junge Familien mit Kindern spielen dabei anscheinend keine Rolle. Mit Familienpolitik hat das nichts mehr zu tun. Mit Vorschlägen dieser Art bringt man in einem Flächenland wie Niedersachsen auch noch die letzten Investitionen zum Stillstand.

(Beifall bei der CDU)

Politik, Herr Hagenah, besteht nicht nur aus Gesetzen, sondern auch aus Psychologie. Das, was Sie auf Bundesebene angezettelt haben und anzetteln, ist ein Bestandteil dessen. Sie werden feststellen, dass die Leute schon aufhören, zu investieren, wenn Sie nur solche Gedanken loslassen und die Bevölkerung damit im Grunde verunsichern. Solche Vorschläge sind der Tod der Bauwirtschaft, sie sind der Tod des Traums junger Familien vom eigenen Heim - er wird damit zum Albtraum -, und sie sind auch der Tod der Eigenvorsorge, die wir im Rahmen unserer Alterversorgung eigentlich dringend bräuchten.

Auch kann sich niemand in unserem Land darauf verlassen, dass sich der Ministerpräsident mit seinen vollmundigen Ankündigungen durchsetzen wird, dass die Eigenheimzulage so bleibt, wie sie ist. Man kann nicht davon ausgehen, dass es dazu kommen wird. Gerade in Anbetracht der Steuererhöhungsorgien, die wir in den letzten Tagen gehört haben, wird es mit Sicherheit nicht zu dem Wunschergebnis kommen, das wir haben wollen.

Meine Damen und Herren, die Änderung der Niedersächsischen Bauordnung bringt mit Sicherheit keine neuen Aufträge. Sie erfolgt in einer Zeit, in der die Bauwirtschaft kaum noch Aufträge hat. Damit kommt die Bauordnung praktisch nicht zur Anwendung. Dazu haben auch die massiven Kürzungen in der Wohnungsbauförderung bis zur Streichung der Vorkostenpauschale beigetragen.

Daran sieht man, dass der Verlust von mehreren hunderttausend Arbeitsplätzen in der Bauwirtschaft nicht nur eine Frage der Weltkonjunktur ist, sondern dass er durch falsche Politik im eigenen Land verursacht worden ist.

(Vizepräsidentin Goede übernimmt den Vorsitz)

Die Änderung der Niedersächsischen Bauordnung ist nicht der große Wurf, der zu einer Anpassung an die Musterbauordnung führt, sondern ein Zwischenschritt, der in vielen Bereichen die speziellen

Belange eines Flächenlandes berücksichtigt, EU-Recht umsetzt, weitere Möglichkeiten des vereinfachten Genehmigungsverfahrens schafft und Barrierefreiheit und rollstuhlgerechten Wohnraum verlangt. Ob es in dem festgelegten Umfang für barrierefreies und rollstuhlgerechtes Bauen Nachfrage gibt, bleibt abzuwarten.

Die Möglichkeit der Übertragung der Bauaufsicht auf die Gemeinden für bestimmte bauliche Anlagen ist ein richtiger Schritt, Aufgaben auf die untere Ebene zu übertragen. Damit erreichen wir Bürgernähe und Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung.

Für ein Flächenland wie Niedersachsen ist besonders die Regelung, dass Nebengebäude im Innenbereich bis zu 40 m³ und im Außenbereich bis zu 20 m³ genehmigungsfrei sind, von besonderer Bedeutung. Hier haben wir endlich einmal die Wünsche der Menschen aufgenommen, die ein Bedürfnis haben, solche Einrichtungen zu schaffen. Ich meine, wir sind auch dafür gewählt, solche Probleme von Menschen aufzunehmen, die zwar klein sind, die in der Vergangenheit aber zu ständigem Ärger mit den Behörden geführt haben.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Änderung der Niedersächsischen Bauordnung bringt natürlich nicht die große Vereinfachung. Dazu ist eine Bauordnung auch nicht besonders geeignet. Vielmehr muss bei den zahlreichen Erlassen, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften angefangen werden, zusätzlich aufgebaute Bürokratie abzubauen.

(Beifall bei der CDU)

Hier ist die Landesregierung gefordert. Das ist auch schon mehrfach von uns angemahnt worden; denn nur so kommen wir zu einer effektiven und schlanken Verwaltung.

Ich hoffe auch nicht, dass die Änderung der Bauordnung jetzt wiederum dazu führt, dass neue Verwaltungsausführungs- und –durchführungsverordnungen ins Werk gesetzt werden. Wir sollten jedenfalls sehr darauf achten, dass diese Bauordnung dazu nicht gebraucht oder missbraucht wird.

Die Abschaffung der Fehlbelegungsabgabe - von der SPD-Fraktion in einem Antrag gefordert - wird heute für erledigt erklärt. Mit dem Artikelgesetz wird das Gröbste beseitigt, was zu beseitigen ist. Durch die Anhebung der Einkommensgrenzen

wird die Anzahl der Zahler erheblich verkleinert. Wir können feststellen, dass die SPD-Fraktion nach und nach einsieht, dass die Fehlbelegungsabgabe ein Fehler war.

(Plaue [SPD]: Sie haben sie doch ge- fordert!)

Die Folgen aus dieser unsäglichen Abgabe kennen wir gut genug. Die Abschaffung haben wir oft genug gefordert.