Wir haben einen Jahresabschluss 2001 von 15,4 Milliarden Euro Steuereinnahmen. Wir haben in der Jahresmitte eine Presseerklärung des Finanzministeriums bekommen, dass im ersten Halbjahr bereits 950 Millionen Euro weniger eingekommen sind als im Vorjahr. Das sind dann nur noch 14,5 Milliarden Euro, wenn wir davon ausgehen, dass es nicht mehr wird. Das Finanzministerium geht zum Teil davon aus, dass sogar noch weniger Steuern eingehen, als man zur Jahreshälfte gedacht hat. Dann sind wir bei 14,5 Milliarden Euro Steuereinnahmen in diesem Jahr. Das liegt dann 1,2 Milliarden Euro - das sind 2,4 Milliarden DM; das ist praktisch der Betrag der Nettokreditaufnahme - unter dem Soll des Haushaltsplanes. Bereits in der Steuerschätzung vom Mai lagen wir um eine halbe Milliarde Euro unter dem Ansatz des Haushaltsplans.
Das alles vor dem Hintergrund, dass wir im letzten Jahr ein Defizit, einen Haushaltsfehlbetrag, von 615 Millionen Euro hingelegt haben. Das sind zusammen allein im Jahre 2002 fast 2 Milliarden Euro, die wir aus dem Haushalt finanzieren müssen, die hinten und vorne nicht dargestellt sind. Im Haushalt 2003, den Sie bisher unverändert gelassen haben, fehlen Ihnen ohne den Fehlbetrag aus dem Jahre 2002 bereits jetzt 1,7 Milliarden DM, die noch nicht finanziert sind.
(Möhrmann [SPD] übergibt dem Red- ner ein Schriftstück. - Plaue [SPD]: Da können Sie mal lesen, von wann das ist! Das stammt noch von vor der Bundestagswahl!)
- Ich habe doch gar nichts kritisiert. Ich werde es überprüfen. Herr Kollege Möhrmann hat sie, es kann genauso gut sein, dass ich sie nicht habe.
Für 2003 fehlen 1,7 Milliarden DM. Wir müssen davon ausgehen, dass es im nächsten Jahr eher schlechter wird, weil, wie der Ministerpräsident heute Morgen gesagt hat, das Bruttoinlandsprodukt in Niedersachsen schrumpfen wird. Er hat hier von 0,3 % gesprochen. Wenn das so weitergeht - die Politik scheint sich ja nicht zu ändern -, wird das mit Sicherheit schlechter werden.
Ich muss darauf hinweisen, dass die BEBSchulden noch nicht finanziert sind, dass die ExpoSchulden noch nicht finanziert sind, obwohl sie schon lange hätten finanziert werden müssen. Auch das sind Zahlen und Fakten. Man kann schlicht davon ausgehen, dass für das Jahr 2002 6 % bis 7 % des Haushalts und für das Jahr 2003 10 % des Haushalts nicht finanziert sind. Das heißt, jeder zehnte Euro, der im Haushaltsplan 2003 als Ausgabe steht, ist nicht finanziert.
Dagegen ist doch ausgesprochen hilflos, was das Kabinett vorlegt. Ich zeige Ihnen hier den Haushaltsführungserlass, mit dem in diesem Jahr und für das Jahr 2003 der Befreiungsschlag kommen
soll. Das ist eine lächerliche DIN A4-Seite. Da werden vielleicht - bei ganz, ganz konsequenter Anwendung - 90 Millionen bis 100 Millionen Euro erwirtschaftet. Sonst ist keine strukturelle Änderung in diesem Haushalt erkennbar, auch in dieser Finanzpolitik nicht.
Wir gehen mit den Grünen einig. Wenn der Ministerpräsident, wie beim letzten Mal geschehen, sagt, wir gehen auf die Opposition zu und sind bereit, mit der Opposition gemeinsam Vorschläge zu machen, dann ist es nur konsequent zu sagen, wir sind bereit dazu, dann lasst uns einen gemeinsamen Ausschuss bilden, wie es das schon einmal gegeben hat. Lasst uns gemeinsam Notmaßnahmen beschließen, um diesen Haushalt - -
(Wulff (Osnabrück) [CDU]: 1994 haben wir es vorgeschlagen! - 1994 haben wir es gefordert und vorgeschlagen. Ja, Herr Minister, es ist eben so. Der Herr Ministerpräsident hat gesagt: „Ich will ja auf euch zugehen. Ich will mit euch gemeinsam etwas machen.“ Wir sagen: „Jawohl, das wollen wir tun.“ Sie aber sagen, die CDU-Fraktion hat es ja nur vorgeschlagen. Sie müssen es auch annehmen. Sie haben es 1994 nicht angenommen. Sie haben unsere Haushaltsvorschläge 1996 nicht angenommen. Sie haben sie 1998 nicht angenommen. Sie haben sie im Jahr 2000 nicht angenommen. Jedes Mal haben wir dezidierte Vorschläge gemacht, wo Hunderte von Millionen DM und später Euro frei geschaufelt worden sind, um neue Politik zu machen und um die Nettokreditaufnahme zurückzuführen. Sie reden für das nächste Jahr von 50 Millionen DM weniger Nettokreditaufnahme und behaupten, Sie würden die Schulden vermindern. Das machen Sie seit fünf Jahren so. Sie machen es jedes Mal. Jedes Mal, wenn es so weit ist, stellen Sie fest, Sie können es wieder nicht; und dann verschieben Sie es auf das nächste Jahr. Wer jeden Tag die Arbeit auf den nächsten Tag verschiebt, erledigt sie nie. (Beifall bei der CDU)
Wer ständig sagt, wir werden im nächsten oder übernächsten Jahr beginnen, die Schulden zu reduzieren, versündigt sich an diesem Land, weil wir inzwischen mehr als jede zehnte Mark für Zinsen ausgeben. Allein in den 40 Minuten, die wir hier diskutieren, werden wir – statistisch betrachtet bereits wieder 160 000 Euro an Zinsen gezahlt
haben. Jede Minute zahlt dieses Land 4 000 Euro Zinsen. In den 10 Minuten, die ich jetzt gerade gesprochen habe, sind das 40 000 Euro.
dass dieses Land derart in die Verschuldung gegangen ist, dass Sie jedes Mal den Arm dafür gehoben haben, dass Sie nicht bereit sind, auch mal an die Kinder und Enkelkinder zu denken! In Sonntagsreden redet der Ministerpräsident so.
Aber wenn er Politik macht, dann geht er in die Verschuldung. 40 Milliarden Euro Schulden, das sind zwei Landeshaushalte. Wenn wir zwei Jahre lang überhaupt nichts tun würden, keinen Cent ausgeben würden, dann wären wir gerade von den Schulden runter. Wie soll das weitergehen?
Deshalb bieten wir Ihnen an, mit einem Nothaushalt und mit einem Notgesetz gemeinsam mit allen Fraktionen durch diese schwere Zeit zu gehen. Ich bin sehr gespannt, ob Sie das Angebot, das gemeinsam mit der Opposition zu tun, ernst gemeint haben oder ob es wieder nur eine Sonntagsrede vor der Wahl war. - Vielen Dank.
Herr Kollege Golibrzuch, Sie bringen jetzt die beiden Anträge zu den Tagesordnungspunkten 16 und 17 ein.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wer immer bei der SPD-Fraktion vom sonntäglichen Wahlergebnis vielleicht noch berauscht ist, der wird sicherlich durch einen Blick in den Landeshaushalt schlagartig nüchtern.
Herr Möllring weist darauf hin, dass das Land in jeder Stunde rund 208 000 Euro neue Schulden aufnimmt. Man muss feststellen, dass seit der Landtagsdebatte, die wir am 29. August bis ungefähr 17.30 Uhr hier geführt haben, bis zum heutigen Tage, wo wir diese Debatte aufgreifen und fortsetzen, rund 130 Millionen Euro an offener und verdeckter Kreditaufnahme im Land neu hinzuge
kommen sind. Eindrucksvoller kann man sich wohl das Ausmaß der Verschuldung des Landes Niedersachsen nicht klar machen.
Diese Schulden sind noch nach Plan. Dabei sind überhaupt nicht - davon ist bereits gesprochen worden - die erheblichen Unterdeckungen berücksichtigt worden, die im laufenden Jahr für das Land Niedersachsen angefallen sind. Wir haben im ersten Halbjahr 2002 gegenüber dem Vorjahr eine Unterdeckung des Etats, eine rückläufige Steuereinnahme von rund 800 Millionen Euro. Gemessen an den Soll-Veranschlagungen des Haushaltsplans 2002 liegen wir rund 1 Milliarde Euro unter Plan. Das ist ein so gigantisches Haushaltsloch, dass kein wie auch immer geartetes Wirtschaftswachstum im zweiten Halbjahr des laufenden Jahres in der Lage wäre, diesen gewaltigen Rückstand aufzuholen.
Das heißt, wir müssen jetzt eingreifen, wir müssen jetzt steuern. Wir dürfen - das ist unsere feste Überzeugung - dies nicht dem Finanzminister überlassen. Es ist Sache des Parlaments, hier durch einen Nachtragshaushalt die entsprechenden Kürzungen vorzunehmen.
Wir haben Mehrkosten im Bereich der Verlässlichen Grundschule - das wissen Sie -, weil der Abschluss im Bereich der Tarifgemeinschaft der Länder in der Spitze und nach mehreren Jahren Mehrkosten von rund 27 Millionen Euro bedeuten wird, die im Haushaltsplan bisher nicht abgedeckt sind. Wir werden Mehrausgaben bei den Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst haben. Der Haushalt kalkuliert hier mit 1,5 %. Wir alle wissen, dass das keine realistische Annahme ist. In der freien Wirtschaft liegen ja inzwischen die ersten Tarifabschlüsse vor, die deutlich höher sind. Sie werden anteilig natürlich auch den niedersächsischen Landeshaushalt treffen. Das sind pro Prozentpunkt rund 54 Millionen Euro. Das ist ebenfalls im Haushaltsplan nicht abgedeckt.
Wir haben daneben ein Gutachten von Roland Berger. Mehrere Gutachten sind teilweise überplanmäßig beantragt worden, also auch im Haushaltsplan nicht abgedeckt. Bei diesen Gutachten haben wir bereits feststellen können, sie kosten das Land mehr, als sie an Einsparvorschlägen bringen.
Wir wollen einen solchen Nachtragsetat nicht nach der Landtagswahl 2003, sondern wir wollen ihn selbstverständlich vor der Landtagswahl 2003. Ich will Ihnen mehrere Gründe nennen. Ein wesentlicher Grund ist, dass die so genannte neue Bildungsoffensive - 700 neue Lehrerinnen und Lehrer - nur für drei Monate finanziert ist. Sie werden die Mittel für November, Dezember und dann Januar 2003 erwirtschaften. Sie decken dies, untechnisch gesprochen, aus dem Ansparbetrag ab, der für die Altersteilzeit gebildet worden ist. Uns ist im Ausschuss auf Nachfrage erklärt worden, dass darüber hinaus kein Finanzierungsgerüst vorliegt. Das muss durch einen Nachtragshaushalt dargestellt werden.
Wir möchten gerne wissen, woher das Geld für die 700 neuen Lehrerinnen und Lehrer kommen soll. Wir möchten gerne wissen, woher das Geld für die versprochene Investitionsoffensive in der Luftfahrtindustrie an den Standorten Stade und Braunschweig nach Ihrer Einschätzung überhaupt genommen werden soll. Wir möchten gerne wissen, wo das Geld für die Landesgartenschauen herkommen soll, die Sie zurzeit an sechs oder acht Standorten in Niedersachsen für die nächsten Jahre versprechen.
Wir glauben, dass dieses Geld nicht vorhanden ist, und lassen uns auch überhaupt nicht auf Diskussionen ein, dass man, um das kalkulieren zu müssen, die November-Steuerschätzung abwarten müsse.
Wir haben das in der Vergangenheit anders gemacht - bzw. die Regierungsfraktion und die SPDgeführte Landesregierung haben es in der Vergangenheit anders gemacht. Als wir 2001 einen Einjahreshaushalt beraten haben, hatten wir ein ähnliches Problem mit dem Verabschiedungstermin. Wir haben das damals so gelöst - auf Wunsch der SPD-Fraktion -, dass in die laufenden Haushaltsplanberatungen eine so genannte Ergänzungsvorlage geliefert wurde, die die Ergebnisse der November-Steuerschätzung hat einfließen lassen. Nichts anderes schlagen wir Ihnen auch diesmal vor. Wir möchten von Ihnen gerne den Entwurf eines Nachtragshaushalts, wir möchten gerne konkrete Ansagen von Ihnen, wo Sie die notwendigen Einsparungen vorzunehmen gedenken, und über eine Ergänzungsvorlage wollen wir die Ergebnisse der November-Steuerschätzung in die Haushaltsberatungen des Landtags einfließen lassen.
Wir wollen darüber hinaus einen Sanierungsausschuss für den Haushalt, weil wir der festen Überzeugung sind, dass, was immer das Parlament beschließen wird, wir in Niedersachsen langfristige Konsolidierungsmaßnahmen brauchen, weil wir - egal, wer nach der Landtagswahl im Februar hier regieren wird - mit diesem Haushaltsloch nicht nur kurz- und mittelfristig, sondern auch langfristig zu kämpfen haben. Und wenn man sich langfristig damit auseinander setzen muss, dann ist es, glaube ich, klug, wenn die Fraktionen im Haus insgesamt übereinkommen, welche einschneidenden Veränderungen sie für das Land vorschlagen.
Das Instrument, das wir Ihnen dafür anbieten, ist eben dieser Sanierungsausschuss. Das ist ein 15-er Ausschuss nach dem Vorbild des Haushaltsausschusses. Wir wollen durch konzentrierte Arbeit über das nächste Vierteljahr auf Basis vorliegender Analysen der Arbeitsgruppe „Aufgabenkritik“ und der Arbeitsgruppe „Personalkostenreduzierung“ und in der Diskussion mit dem Landesrechnungshof darüber Einvernehmen erzielen, wo das Land in den nächsten Jahren auf Aufgaben verzichten muss, wo das Land notwendige Einsparungen vornehmen kann und wo man vielleicht auch durch ein teilweises Private Public Partnership, wie Ihnen das vorschwebt, zu Einsparungen kommen kann.
Ich glaube, es macht Sinn, das vor der Wahl zu diskutieren. Es war, so hoffe ich doch, ein ernstgemeintes Angebot, das der Ministerpräsident im letzten Plenarsitzungsabschnitt unterbreitet hat. Wenn Sie also diesem Antrag wiederum nicht zustimmen sollten, dann kann ich Ihnen alternativ nur noch vorschlagen, dass Sie uns nach der Landtagswahl das Finanzministerium kampflos überlassen.