Es geht schon heute und natürlich auch zukünftig um eine vernünftige Balance in der Aufgabenteilung zwischen Staat und Gesellschaft. Aber wenn wir dieses Engagement ausnutzen, weil immer weiter staatliche Leistungen abgebaut werden, dann werden wir der Idee nicht gerecht. Wir müssen das freiwillige Engagement als Ergänzung zur professionellen Leistung aufbauen. Das Konzept der sozialen Bürgergesellschaft kann man nicht als Lückenbüßerkonzept nutzen und schon gar nicht obrigkeitsstaatlich über Zwang verordnen.
Meine Damen und Herren, Ihr Antrag ist doch wahrlich nicht viel wert. Sie wissen genauso gut wie ich, dass in absehbarer Zeit der Wehrdienst und damit der Zivildienst fallen wird. Dann werden Sie wieder - das sagt der Antrag ganz deutlich - mit der Pflichtjahrdebatte kommen. Wir halten es für klüger, gerade weil wir wissen, dass Wehr- und Zivildienst kein Konzept für die Ewigkeit sind, bereits jetzt anzufangen, das Angebot an freiwilligem sozialem Engagement auszuweiten, mehr Plätze dafür zur Verfügung zu stellen. In diesem Bereich gibt es in Niedersachsen wirklich erhebliche Defizite. Frau Hemme, ich weiß nicht, woher Sie Ihre Zahlen haben. Ich zitiere vorsichtshalber schlicht und ergreifend die Landesregierung.
Die hat uns mitgeteilt, dass auf 140 Plätze im Bereich des Freiwilligen Ökologischen Jahres 400 Bewerberinnen und Bewerber kamen und dass es auf 25 Plätze im Freiwilligen Kulturellen Jahr 200 Bewerberinnen und Bewerber gegeben hat. Wenn immer wieder die Debatte darüber laut wird, dass das Engagement von Jugendlichen in dem Bereich eher abgenommen hat, dann kann ich Ihnen nur sagen: Wir haben am Beispiel der Flutkatastrophe erleben können, dass es eine Bereitschaft, ein Wunsch und ein Bedürfnis gibt, in dieser Gesellschaft Hilfe zu leisten und einzuspringen, wenn Not am Mann und an der Frau ist. Dafür müssen wir jedoch Organisationsstrukturen und Beteiligungsstrukturen zur Verfügung stellen. Wer da, wo nicht ausreichend Plätze zur Verfügung stehen und junge Leute abgewiesen werden, mit dem Pflichtjahr kommt, der hat nicht verstanden, worum es bei der Zukunftsgestaltung geht.
Ein abschließender Satz. Es wird ja immer gesagt: Das alles kostet Geld, das alles muss bezahlt werden. Ein kleiner Tipp: Versuchen Sie doch einmal, die exzessive Gutachtenvergabe an das Büro Berger ein bisschen zu reduzieren. Ein Gutachten kostet 600 000 DM. Das sind mehr als 100 Plätze im Bereich des Freiwilligen Ökologischen Jahres.
Ich könnte Ihnen noch einige Vorschläge machen. Aber es wird deutlich, dass es eine Frage der politischen Schwerpunktsetzung ist. Ich finde, Sie setzen nicht die richtigen Schwerpunkte. - Ich danke Ihnen.
es fällt mir schwer, jetzt ruhig zu bleiben, denn die Behauptung, solange es den Wehr- und Zivildienst gebe, wollten wir kein ehrenamtliches Engagement von jungen Leuten, ist falsch.
- Genau das haben Sie gesagt. Sie haben wahrscheinlich etwas anderes gemeint, aber genau das haben Sie gesagt.
(Frau Harms [GRÜNE]: Ich würde Ihnen empfehlen, das Protokoll nach- zulesen, Frau Hemme! Das ist ja furchtbar!)
- Genau das ist die Wirklichkeit, dass man nämlich bei Dingen erwischt wird, die man gesagt hat, die man aber eigentlich anders meinte.
(Frau Harms [GRÜNE]: Frau Pothmer hat gesagt, Sie stellen nicht genügend Freiwilligenplätze zur Verfügung!)
Ich rechne es Ihnen an, dass Sie erkennen, dass wir etwas anderes wollen. Wir zeigen, dass wir ehrenamtliches Engagement von jungen Leuten unterstützen und dass wir das vermehrt wollen. Schauen Sie in das Protokoll, wenn es vorliegt. Ihre Rede hat mich erschreckt, aber ich habe mir gedacht: Du kennst Frau Pothmer schon ein wenig länger, sie hat etwas anderes gemeint. Das hoffe ich.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin für die hier vorgelegte Beschlussempfehlung sehr dankbar. Sie stellt noch einmal fest, und zwar auch außerhalb des Internationalen Jahres der Freiwilligenarbeit, wie wichtig bürgerschaftliches Engagement ist. Gerade wir Niedersachsen wissen, welche Bedeutung bürgerschaftliches Engagement hat und sind darauf sehr stolz.
Wir wissen, dass Ehrenamt, Selbsthilfe und bürgerschaftliches Engagement eine Atmosphäre der Solidarität, der Zugehörigkeit und des gegenseitigen Vertrauens schaffen. Das muss auf dem Vertrauen aufbauen, dass das Ehrenamt nicht zulasten professioneller Arbeit missbraucht wird. Wir haben im vergangenen Jahr mit der „Offensive bürgerschaftliches Engagement“ den Grundstein für eine nachhaltige Sicherstellung und Förderung von Engagement im Ehrenamt gelegt. Weil Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der Opposition, es immer sehr gerne sehr konkret haben wollen, was wir tun, will ich das hier auch kundtun.
Wir haben Sie im Juli 2002 über den Stand der Umsetzung unserer Offensive und die Perspektiven umfangreich informiert. Ich will dies noch einmal kurz aufrufen. Wir haben den Niedersachsenring, einen Landesbeirat, einberufen, in dem alle wichti
gen gesellschaftlichen Organisationen zusammen mit der Landesregierung an der Verbesserung der Rahmenbedingungen des Ehrenamtes arbeiten und bereits konkrete Projekte initiiert haben. Wir werden im Niedersachsenring auch die Beschlussempfehlung aufgreifen und die Empfehlungen der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages beraten. Wir haben das Koordinierungsbüro „Freiwilliges Engagement von Jung und Alt in Niedersachsen“ auf den Weg gebracht und unterstützen damit alle Aktivitäten der Koordinierung des Engagements von jungen und älteren Menschen. Wir haben das Multiplikatorenprogramm EFI, Erfahrungswissen für Initiativen, auf den Weg gebracht und bilden damit in den nächsten Jahren Seniortrainerinnen und -trainer aus.
Wir haben die Vernetzung von Freiwilligenagenturen, Seniorenbüros und intergenerativem Engagement in zwei modellhaften Projekten dieses Jahr in Hameln und Peine auf den Weg gebracht. Wir haben mit einer gemeinsamen Erklärung der Landesregierung und der kommunalen Spitzenverbände im August dieses Jahres dokumentiert, dass wir bei der Förderung des bürgerschaftlichen Engagements in Niedersachsen an einem Strang ziehen. Eine solche Kooperation wird bundesweit nur noch in Baden-Württemberg praktiziert.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir legen in der gemeinsamen Erklärung besonderen Wert auch auf neue Formen des bürgerschaftlichen Engagements, die wir mit ausgewählten gemeinsamen Projekten besonders fördern.
Als erstes Vorhaben streben wir ganz konkret ein breit angelegtes Netzwerkprojekt des Freiwilligenzentrums Hannover an. Weitere Vorhaben befinden sich in Vorbereitung. Unabhängig davon nutzen viele Freiwilligenagenturen, Bürgerstiftungen und andere Initiativen die seit diesem Jahr bestehende Möglichkeit, Anschubfinanzierungen zu bekommen.
Des Weiteren sind wir mit der Wirtschaft für das Projekt „Partner für die Gemeinschaft“ im Gespräch, damit auch Betriebe und Unternehmen noch mehr als bisher bürgerschaftliches Engagement fördern können.
Frauenpolitisch haben wir im Rahmen des Mentoring-Programms zur Förderung des kommunalpolitischen Engagement von Frauen das Projekt mit dem Landesfrauenrat unterstützt und geben noch Ende dieses Jahres den Startschuss für den Freiwilligenserver Niedersachsen, in dem insbesondere
Informationen, Beratungen und die Möglichkeit zum Meinungs- und Erfahrungsaustausch gegeben sein werden. Praxisbeispiele, Ehrungen und Auszeichnungen werden hier dokumentiert und sollen zum Nachahmen anregen; ein Wunsch, der insbesondere auch von den anderen Trägern und Mitgliedern im Landesbeirat an uns herangetragen worden ist.
Apropos Anerkennung: Für unseren Jugendlichen möchte ich hier ausdrücklich - ich meine, im Interesse aller - eine Lanze brechen. Es heißt ja häufig, sie hätten wenig Interesse an Gemeinsinn und Engagement und würden sich eher der Freizeitgesellschaft hingeben. Was wir gerade auch in den letzten Wochen erlebt haben, war ein ausdrückliches und vielfaches Bekenntnis junger Menschen zum sozialen Engagement.
Gerade angesichts der Flutkatastrophe haben sie mit Sponsorenläufen, mit vielen Solidaritätsaktionen bewiesen, dass Solidarität und Engagement für die Gemeinschaft auch für junge Menschen kein Fremdwort ist.
Wir sehen es als unsere Aufgabe an, das bürgerschaftliche Engagement von Kindern und jungen Menschen im Rahmen der Kinder- und Jugendpolitik zu unterstützen und haben hier einen besonderen Schwerpunkt aufgebaut, den wir jedes Jahr im Rahmen der Jugendarbeit und Jugendverbandsarbeit mit großem Erfolg fördern.
Wir haben des Weiteren Impulsprogramme mit dem Niedersächsischen Kinder- und Jugendplan und damit weitere Möglichkeiten der Förderung jugendlichen Engagements in Niedersachsen geschaffen.
Meine Damen und Herren, für viele Jugendliche ist das Freiwillige Soziale oder das Ökologische oder Kulturelle Jahr eine wichtige Einrichtung zur weiteren biographischen Orientierung.
Frau Ministerin Trauernicht, darf ich Sie kurz unterbrechen? - Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Harms?
Frau Ministerin, da Sie das Engagement der Jugendlichen so loben - was auch richtig ist -, hätte ich gerne gewusst, ob Sie eigentlich mit dem Angebot an Plätzen für das Freiwillige Soziale und Ökologische Jahr zufrieden sind. Soweit ich weiß, ist der Bedarf in Niedersachsen sehr viel größer als das Angebot, das Sie machen!
Darauf wäre ich noch gekommen, Frau Abgeordnete Harms. In der Tat bin ich der Ansicht, dass wir für dieses Engagement weitere Möglichkeiten für die Ausweitung dieser Angebote brauchen. Das hätte ich noch ausgeführt.
(Zustimmung von den GRÜNEN - Frau Harms [GRÜNE]: Das ist doch das Zentrale! - Weitere Zurufe von den GRÜNEN)
Der Bundestag hat mit Beschluss der Gesetzesnovelle für die Freiwilligendienste im Sommer die Handlungsspielräume für die freiwilligen Jahre stark ausgeweitet und auch die Möglichkeit eines sozialen Jahres statt des Zivildienstes geschaffen. Dafür muss es natürlich dann auch Plätze geben.
Niedersachsen wird sich im Sinne dieser Bundesinitiative engagieren. Wir haben mit den Verbänden der Wohlfahrtspflege verabredet, gemeinsame Öffentlichkeitskampagnen für das freiwillige Jahr durchzuführen und für das Freiwillige Soziale Jahr verstärkt zu werben, denn man muss bei den Wartelisten nach Ökologischem, Kulturellem und Sozialem Jahr unterscheiden und mit den ausgeweiteten Handlungsfeldern und der Zivildienstoption dann auch eine überzeugende Antwort auf die Fragen derjenigen geben, die in der Vergangenheit ein soziales Pflichtjahr gefordert haben. Bevor man ein Pflichtjahr einrichtet, ist es unsere Pflicht, genügend Freiwilligenplätze zur Verfügung zu stellen.
Der Ministerpräsident hat in diesem Hause bei der ersten Beratung klar dargestellt, dass er bei Beibehaltung der Wehrpflicht auch weiterhin keine Notwendigkeit für ein soziales Pflichtjahr sieht. Dies kann ich insbesondere unter frauenpolitischen Gesichtspunkten nur unterstützen. Meine frauenpolitische Position ist klar: So oder so brauchen wir jedenfalls für Frauen kein soziales Pflichtjahr. Wenn es eine Debatte geben sollte, die an uns Frauen herangetragen wird, ob es ein soziales Pflichtjahr für Männer geben soll, dann werden wir gerne noch einmal in uns gehen.
Wir wissen aus Untersuchungen, dass sich unsere Jugendlichen überproportional bürgerschaftlich und sozial engagieren. Meine Damen und Herren, Engagement soll auch Spaß machen. Spaß und Engagement im Ehrenamt entstehen wohl weniger aus einer Pflicht heraus, sondern eher aus der Sichtweise, sich und anderen etwas Gutes zu tun. Deshalb soll und muss es auch weiterhin freiwillig bleiben. - Ich danke Ihnen.