Protocol of the Session on August 30, 2002

gar nicht zur Kenntnis genommen, dass die Kreditanstalt für Wiederaufbau längst ein solches Programm hat, mit dem Zinszuschüsse zu Krediten von 50 000 Euro bis 5 Millionen Euro pro Arbeitsplatz gegeben werden. Das heißt „Beschäftigung und Qualifizierung“. Das ist aber so gut wie nicht eingeschlagen, weil das Problem im Moment nicht ist, dass man nicht die Leute hätte, die man bräuchte. Vielmehr hat man nicht die Aufträge, nicht die Arbeit, um die Menschen beschäftigen zu können. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik!

(Beifall bei der CDU)

Zur Ich-AG sagen die Gewerkschaften:

„Das Ziel, Schwarzarbeit abzubauen, ist durchaus richtig. Allerdings sind die Ich-AG und die Familien-AG nicht geeignet, dieses Ziel auch tatsächlich zu realisieren.“

(Zuruf von der SPD: Warum nicht?)

Zur Reform der Bundesanstalt für Arbeit sagen die Gewerkschaften: Das lehnt die Gewerkschaft in der vorliegenden Form ab.

Jetzt schauen Sie einmal, was alles zu Ihrem großartigen Versprechen gesagt wird, dass man damit die Arbeitslosigkeit halbieren könnte. Das Prognos-Institut sagt, 100 000 bis 200 000 Arbeitsplätze ließen sich über die Hartz-Vorschläge schaffen. Roland Berger sagt, maximal 500 000. Aber - darauf hat Herr Golibrzuch schon hingewiesen - dessen optimistische Annahmen sind nie eingetreten. Aber man kann die Arbeitslosigkeit natürlich reduzieren, wenn man es so macht wie Sie. Sie sagen: Auch die 55- bis 58-Jährigen sollen jetzt nach § 428 in den Vorverrentungszustand versetzt werden, sie sind dann nicht mehr in der Statistik. - Dann kann ich natürlich 700 000 55bis 58-Jährige aus der Statistik herausnehmen. Dann kann ich aber auch sagen: Ich nehme die Leute noch ein paar Jahre vorher heraus, dann habe ich gar keine Arbeitslosigkeit mehr. - Das schafft doch keinen einzigen zusätzlichen Arbeitsplatz!

Wenn ich 800 000 Menschen in Zukunft bei den Arbeitsämtern als Zeitarbeitsfirmen anstelle, dann habe ich doch keinem Einzigen einen Arbeitsplatz verschafft.

(Frau Elsner-Solar [SPD]: Aber Sie!)

- Ich weiß, dass Ihnen das wehtut, aber Sie müssen es trotzdem ertragen, weil es die Wahrheit ist.

(Beifall bei der CDU)

Auf diese Art und Weise geht es nicht. Ein Einziges würden Sie erreichen: Wenn Sie die 55Jährigen bis 58-Jährigen aus der Statistik herausnehmen, ruinieren Sie endgültig die sozialen Sicherungssysteme Rente, Krankenkasse und Arbeitslosenversicherung.

(Zurufe von der SPD)

Sie haben das Problem, dass Sie Ihrem eigenen Wahlprogramm widersprechen. In Ihrem Wahlprogramm steht richtigerweise: Wir müssen den tatsächlichen Renteneintritt - heute bei 58,9 Jahren - an den gesetzlichen Renteneintritt 65 heranführen. Nur so lassen sich die Probleme lösen. - Das steht in Ihrem Regierungsprogramm der Sozialdemokratischen Partei Deutschland, und hier erklären Sie massenhaft die Leute mit 55 zum „alten Eisen“. Das ist auch unmenschlich, nicht nur unsozial.

(Beifall bei der CDU)

Als ich die Abschaffung der Landesarbeitsämter gefordert habe, haben Sie gesagt, die seien zwingend notwendig. Die SPD-Landesregierung hat gesagt, die müssten bleiben. Jetzt sagt die HartzKommission, die Landesarbeitsämter könnten weg, und jetzt sagen Sie, dass wir das unverwässert 1 : 1 übernehmen müssten und dass das wunderbar sei. Sie lassen sich doch politisch kastrieren, wenn Sie mit einem solchen Ergebnis so umgehen.

(Beifall bei der CDU)

Was hat sich eigentlich in Nürnberg geändert, außer dass der Vorgänger 120 000 Euro und Herr Gerster 250 000 Euro verdient? - Eine einzige Änderung gibt es. Die soll in Zukunft nicht mehr „Bundesanstalt für Arbeit“, sondern „Dienstleistungsagentur für den Arbeitsmarkt“ heißen. - Das ist ein Vorschlag, den ich vor zwei Jahren unterbreitet habe. Ich habe aber keinen Pfennig dafür verlangt. Herr Gerster kriegt eine halbe Million DM dafür, dass er solch einen innovativen Vorschlag macht. Das ist doch ein Witz!

(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Sie sind ein Populist!)

Wenn Sie es ernst gemeint hätten - wir haben auf das Zentrum für Arbeit und Einkommen in Holland hingewiesen, wir haben auf die Erfahrungen aus Wisconsin hingewiesen -, hätten Sie am 4. Juli

dem Offensivgesetz der Hessischen Landesregierung zugestimmt. Sie haben es aber nicht getan.

(Frau Elsner-Solar [SPD]: Sie wissen genau, dass das nicht zu übertragen ist!)

- Verehrte Kollegin, jeder einzelne Vorschlag der Hartz-Kommission ist das Dokument des Versagens Ihrer Politik.

(Beifall bei der CDU)

Ich nenne einmal Beispiele. Die Hartz-Kommission sagt, die Zumutbarkeitsregelungen für Arbeitslose müssten verschärft werden.

(Vizepräsidentin Litfin übernimmt den Vorsitz)

Sie dagegen haben die Meldepflichten für viele Gruppen nahezu abgeschafft. Die Hartz-Kommission sagt, Zeitarbeit müsse erleichtert werden. Sie haben Zeitarbeit in Deutschland erschwert. Die Hartz-Kommission sagt: Selbständigkeit erleichtern. Sie haben sie mit dem Scheinselbständigkeitsgesetz diffamiert. Die Hartz-Kommission sagt, private Beschäftigungsverhältnisse in Haushalten fördern. Sie haben gesagt, das sei ein Dienstmädchenprivileg.

(Beifall bei der CDU)

Die Hartz-Kommission sagt, 630-Mark-Jobs wieder einführen - leider inzwischen nur noch begrenzt für haushaltsnahe Dienstleistungen. Solch ein Schwachsinn! Was ist denn eine haushaltsnahe Dienstleistung? – Ist die Zustellung der Zeitung, wozu Schröder erst gesagt hat, dass er bei den Verlegern nichts ändern wolle und dann alles geändert hat, eine haushaltsnahe Dienstleistung? Nach meiner Meinung ja, nach Meinung anderer nicht, sodass es da wieder Prozesse und Bürokratie geben wird. Wahrscheinlich errichten Sie eine Zertifizierungsbehörde wie bei der Riester-Rente, wo in Zukunft 1 100 Leute zu zertifizieren haben werden, was die Riester-Rente ist und was die Riester-Rente nicht ist. Sie planen, eine 1 100 Beschäftigte starke Behörde aufzubauen. Es ist doch Irrsinn, wie Sie den Staat bürokratisieren und vor die Hunde gehen lassen!

(Beifall bei der CDU)

Der Chefredakteur der größten Zeitung unseres Landes, der Chefredakteur der HAZ, hat kommentiert, es sei wie im Märchen „Des Kaisers neue

Kleider“. Niemand rufe wie der kleine Junge lauthals aus: Aber er hat ja gar nichts an.

„Kaiser Schröders neue Kleider bestehen aus purer Luft. Die Bundesregierung möchte den Eindruck erwecken, sie täte etwas. In Wirklichkeit tut sie nichts. Vor der Wahl weicht sie jedem Konflikt aus.“

(Plaue [SPD]: Auch dort irrt Herr Mauersberg!)

Das erinnert uns an den schönen Satz von Joschka Fischer über Gerhard Schröder aus dem Jahre 1997. Ich zitiere abermals:

„Wenn die Mehrheit in Deutschland es morgen erfordern würde, daß er sich zu Kaiser Wilhelm stilisiert, würde er sich einen wunderbaren Zwirbelbart zulegen. Und wenn es notwendig wäre, als bayerischer König Ludwig II. ins Kanzleramt zu kommen, würde er im Starnberger See schwimmen und einen Schwan küssen.“

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU - Heiterkeit bei den GRÜNEN - Plaue [SPD]: Und über Sie redet niemand! Sie sind zu glatt!)

Diese Politik der Beliebigkeit widert die Leute an, Herr Plaue, weil sie erkennen: Die haben versprochen, angekündigt und zugesichert und nichts gemacht. Die haben nicht einmal den Satz umgesetzt: Wenn wir es nicht schaffen, haben wir es nicht verdient, wiedergewählt zu werden. Sie werden auch nicht wiedergewählt.

Nicht einmal das hat Veranlassung gegeben, ein bisschen bescheidener aufzutreten. Jetzt, drei Wochen vorher, wird der Anschein erweckt, man habe den Schlüssel zur Lösung der Probleme. Nein, Sie zehren die Kommunen aus, Sie erhöhen die Steuern, Sie betonieren den Arbeitsmarkt, Sie senken die Investitionsquote und gehen nicht auf unsere Vorschläge ein.

Das, was wir in diesem Land wirklich brauchen, ist - das waren vor Jahren noch Ankündigungen der Sozialdemokratie - ein Politikwechsel,

(Dr. Domröse [SPD]: Und dafür ste- hen Sie!)

der darauf setzt, dass Leute etwas unternehmen, dass sie Risiko übernehmen, dass sie Zuversicht haben, dass sie investieren, dass sie bereit sind, als Mittelständler selbst anzufassen, dass sie sich vor allem wieder um ihre Beschäftigten kümmern können und dass sie mit einer flexiblen Arbeitsverwaltung und Arbeitsvermittlung zusammenarbeiten. Aber wer über Jahre gesagt hat, die staatlichen Arbeitsämter seien wunderbar, daran müsse nichts geändert werden, und private Jobvermittlung sei des Teufels, der ist natürlich denkbar unglaubwürdig, wenn er jetzt mit einem Mal sagt, dass man auf diesem Wege weiterkäme. So wie die Gewerkschaften Ihnen hier schon wieder in den Kaffee spucken, ist das, was an den HartzKonzepten vernünftig ist, mit Ihnen überhaupt nicht machbar. Wenn Sie in die Richtung gehen wollten, hätten Sie dem Offensivgesetz Hessens zustimmen können. Sie wollen hier Show machen. Das aber haben die Leute wirklich über!

(Starker, lang anhaltender Beifall bei der CDU)

Für die Regierungsfraktion spricht der Kollege Schwarz.

(Frau Elsner-Solar [SPD]: Jetzt kriegt er Prügel!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im März hat uns die CDU-Fraktion einen 26-PunkteAntrag vorgelegt, der von ihren Parteitagsbeschlüssen komplett abgeschrieben war.

(Frau Elsner-Solar [SPD]: Die können ja nichts anderes!)

Sie haben es noch nicht einmal für sinnvoll erachtet, die Beratungen hier abzuwarten. Sie bringen stattdessen heute zwei Anträge mit 34 Punkten ein, die eine komplette Abschrift Ihres CDUWahlprogrammes darstellen.

(Möllring [CDU]: Das macht doch nichts!)

Ich will Ihnen deutlich machen: Keinen einzigen dieser Punkte haben Sie in 16 Jahren auch nur ansatzweise umgesetzt, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD)