Protocol of the Session on August 30, 2002

Selbständigenquote einen Anstieg von 10,2 auf 10,6 %. In Ihrer Regierungszeit, also in den letzten vier Jahren, ist die Selbstständigenquote auf 9,9 % zurückgefallen, gerade wegen dieses so chaotischen Gesetzes. Sie haben die 325-Euro-Jobs so kompliziert gemacht, dass Sie in diesem Bereich massenhaft Schwarzarbeit gefördert haben.

(Beifall bei der CDU)

Die Veränderung ist einer der Sargnägel Ihrer Politik; deswegen werden Sie wieder abgewählt.

Auch die steuerliche Ungleichbehandlung der Kapital- und Personengesellschaften! Welches Signal haben Sie denn dort überhaupt gegeben? Dass Ihnen eine anonyme Aktiengesellschaft lieber ist als ein Handwerker, ein Freiberufler, ein Mittelständler!

(Beifall bei der CDU)

Dort sind aber 70 % der Beschäftigungsverhältnisse und 80 % der Ausbildungsplätze.

(Möhrmann [SPD]: 95 % haben eine geringere Besteuerung als die GmbH, Herr Wulff, das wissen Sie auch ge- nau!)

Ich kann nur sagen, Herr Möhrmann: Was wäre in diesem Lande, was wäre in diesem Landtag los, wenn eine CDU-geführte Bundesregierung eine solche Körperschaftsteuerreform über unser Land gebracht hätte?

(Zuruf von Plaue [SPD])

Sie ist handwerklich schlecht - wobei man den Handwerkern Unrecht tut, wenn man da von „handwerklich schlecht“ redet -, verpfuscht und chaotisch. Aus der Einnahmenposition von 20 Milliarden Euro Körperschaftsteuer im Jahre 2000 ist eine Ausgabenposition von 1 Milliarde Euro geworden. Das heißt, in Deutschland zahlen nur noch die kleinen Leute und die Mittelständler Steuern, und die Großen gehen leer aus. Das ist das Empörende.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben durch Steuererhöhungen

(Frau Elsner-Solar [SPD]: Das wird nicht wahrer durch Wiederholungen, Herr Wulff!)

wie die Ökosteuer, die Versicherungssteuer, die Tabaksteuer, durch Verkomplizierung und Überbürokratisierung die Probleme herbeigeführt.

Jetzt sage ich noch etwas. Weil das Thema Arbeitslosigkeit das zentrale Thema unseres Landes ist, gab es das „Bündnis für Arbeit“ und dort eine Benchmarking-Gruppe. Diese Herren, Professor Streek und Professor Heintze, haben im Jahr 1999 Vorschläge gemacht, die den Hartz-Vorschlägen sehr nahe kommen, die zum Teil darüber hinausgehen: Deregulierung des Arbeitsmarktes, Ausweitung der Zeitarbeit, Verschärfung der Zumutbarkeitskriterien, Abschaffung der komplizierten 630-Mark-Neuregelung, Senkung der Sozialabgaben bei unteren Einkommen, Anreize für mehr Selbständigkeit, private Arbeitsverhältnisse in Haushalten - das waren Ergebnisse dieser Kommission im Jahr 1999. Herr Schröder hat sich damals geweigert, das Gutachten überhaupt entgegenzunehmen. Damit es an die Öffentlichkeit kam, haben diese Professoren ein Buch herausgegeben, weil Sie es verschweigen wollten, weil es Ihrer Politik zuwiderläuft. Das ist die Wahrheit zu diesen Vorschlägen.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben insgesamt 52 Kommissionen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit eingesetzt. Diese 52 Kommissionen haben Ergebnisse vorgelegt, und jetzt erklären Sie: Das, was Hartz gesagt hat, soll 1 : 1 Regierungspolitik werden, soll unverwässert übernommen werden. Seit vier Monaten wird das ständig verwässert, und Sie lassen sich bieten, dass das, was da am Ende als Formelkompromiss herauskommt, unverwässert übernommen wird. Das ist doch eine empörende Behandlung des Parlaments.

(Beifall bei der CDU)

Das ist das Diktat der Unzuständigen - jenseits des zuständigen Bundesarbeitsministers Riester, jenseits des zuständigen Bundeswirtschaftsministers Müller, jenseits der SPD- und der GrünenRegierungsfraktionen, die dafür gewählt sind, Verantwortung zu übernehmen, jenseits der Fachleute und der Ministerien. Die 15 sollen es machen, und Herr Mühe sagt: Da waren alle gesellschaftlich relevanten Gruppen dabei. Dazu habe ich zwei Fragen:

Erstens. Warum waren die Grünen dann nicht dabei? - Die sind wahrscheinlich gesellschaftlich nicht mehr relevant.

Zweitens. Wenn das mit 15 Leuten geht, warum haben wir den Bundestag überhaupt noch? - Das ist doch die Frage, die sich stellt.

(Beifall bei der CDU - Dr. Domröse [SPD]: Die Frage ist, wie Sie die 4,5 Millionen Arbeitslosen rechtferti- gen wollen, die Sie hinterlassen ha- ben!)

Ihnen kam es auf den Inhalt überhaupt nicht an. Sie hatten bereits die Hochglanzeinladungen zur Übergabe des Hartz-Gutachtens versandt, als es noch gar keine Ergebnisse gab. Sie haben das bereits in Ihrem SPD-Präsidium begrüßt, als Sie noch gar nicht wussten, was darin steht. Das ist die Wahrheit bezüglich des Umgangs mit dieser Kommission.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben hier alles abgelehnt. Als wir die Zusammenlegung von Arbeits- und Sozialämtern beantragt haben, als wir das Vorbild Wisconsin genannt haben, die Erfolge in Dänemark und Holland genannt haben, die Vorschläge zur Zeitarbeit gemacht haben, zu Kombilohn-Modellen, haben Sie Antrag für Antrag in diesem Hause abgelehnt, weil Sie die Vorschläge nicht wollten, weil Sie die falsche Bahn eingeschlagen hatten. Dann kann man hier nicht drei Wochen vor der Wahl eine hundertprozentige Kehrtwende machen.

Kollege Domröse, ich habe hier die Anträge aufgelistet: „Objektive Möglichkeiten der Landesregierung zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit“, 3. Februar 1997;

(Zuruf von der SPD: Sie brauchen keine Anträge aufzulisten, Sie müssen nur noch einmal wiederholen, dass Sie 4,5 Millionen Arbeitslose hinterlassen haben! Sie haben überhaupt kein Recht, über uns zu urteilen! Das ist der Punkt!)

„Dringende Maßnahmen zur Rettung von Arbeitsplätzen in der Bauwirtschaft“, 29. September 1997; „Beschäftigungspolitisches Aktionsprogramm“, 4. November 1997; „Initiative für mehr Beschäftigung“, 13. Januar 1998; „Arbeit für Sozialhilfeempfänger“, 7. Juli 1998; „Zehn Punkte zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit“, 30. August. Ich könnte noch zehn Anträge nennen. Sie haben Sie alle abgelehnt, haben sich zum Teil mit einigen gar nicht befasst.

Der Gipfel des Ganzen, Herr Domröse, ist, dass wir Sie im Jahr 2000 aufgefordert haben, eine Bundesratsinitiative zur Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe einzubringen, und Sie haben das als „Sozialabbau“ diffamiert und haben auch dies abgelehnt. Heute begrüßen Sie genau das.

(Beifall bei der CDU)

Man darf Fehler machen, aber man muss aus Fehlern auch irgendwann einmal klug werden und die Arroganz der Macht der Mehrheit ablegen.

Nach den „Chaos-Tagen“ haben Sie zugeben müssen, dass wir den Unterbindungsgewahrsam hätten regeln müssen. Nach dem 11. September haben Sie zugeben müssen, dass wir die Rasterfahndung hätten regeln müssen. Nach der Flut haben Sie am Mittwoch eingeräumt, dass wir den Deichbau hätten fördern müssen.

(Dr. Domröse [SPD]: Lesen Sie mal Ihre Reden von vor 1998, wie Sie Kohl gestützt haben!)

Nach den Ereignissen des finanziellen Ruins unseres Landes haben Sie zugegeben, dass die Verwaltungsreform hätte sein müssen und wir den Aufgabenabbau und die Privatisierung hätten betreiben müssen. Sie kommen Jahre zu spät, und das kostet uns Nerven, und dem Land schadet man damit hinlänglich. Sie würden uns allen viel ersparen, wenn Sie nicht so unendlich selbstgerecht wären.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Wulff, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Pothmer?

Ich kann das aus Zeitgründen leider nicht machen, aber es folgen ja noch weitere Redner der Sozialdemokratie und der Regierung.

(Frau Pothmer [GRÜNE]: Ich wollte eigentlich nur wissen, zu welchem Tagesordnungspunkt Sie hier reden!)

Ich möchte gern sagen, dass Sie hier jahrelang unsere Vorschläge, die im Emsland, im Landkreis Osnabrück erfolgreich erprobt worden sind, abgelehnt haben.

(Zuruf von der CDU: So ist es!)

Zum Kombilohn-Modell haben wir - durchfinanziert - einen Antrag zum Haushalt in Höhe von 21 Millionen Euro gestellt. Er ist abgelehnt worden. Jetzt heucheln Sie hier Geschlossenheit, jetzt sagen Sie: Jetzt stehen alle dahinter.

Was sagt denn der Deutsche Gewerkschaftsbund zur Veränderung des Kündigungsschutzes für über 50-Jährige? Ich zitiere:

„Die vorgeschlagene Aufhebung des Kündigungsschutzes für über 50-Jährige in der Hartz-Kommission wird die Einstellungschancen Älterer nicht erhöhen. Diese Einschränkung ist nicht akzeptabel. Sie würde zu einer vollständigen Aufweichung des Kündigungsschutzes führen.“

Zum Jobfloater:

„Eine Verknüpfung mit der Neueinstellung von Arbeitslosen erscheint aber bereits deswegen nicht sachgerecht, weil Unterfinanzierung des jeweiligen Unternehmens und die Anzahl seiner Arbeitsplätze oftmals in keinem Zusammenhang stehen.“

Das ist doch Wortgeklingel, was Sie dort betreiben.

Anfang Januar haben Sie hier im Landtag gesagt: Jetzt haben wir den Schlüssel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit mit dem Job-AQTIV-Gesetz. Interessanterweise mit „q“ geschrieben! Wie viele Arbeitslose sind denn bis heute nach dem JobAQTIV-Gesetz vermittelt worden? - 2 146 Menschen in ganz Deutschland sind bisher nach diesem Job-AQTIV-Gesetz vermittelt worden, davon 224 in Niedersachsen. Die Statistik liegt mir hier vor, Frau Pothmer, ich kann sie Ihnen zeigen. Das ist doch erbärmlich!

Nach dem berühmten Job-Rotationsmodell sind bis heute 141 Menschen - nicht 141 000, sondern 141 Menschen - in den ersten Arbeitsmarkt überführt worden. Das ist doch eine vernichtende Bilanz!

(Beifall bei der CDU - Zuruf von Frau Elsner-Solar [SPD])

Jetzt sage ich Ihnen mal etwas zu Ihrem JobfloaterModell. Den Jobfloater gibt es schon. Sie haben

gar nicht zur Kenntnis genommen, dass die Kreditanstalt für Wiederaufbau längst ein solches Programm hat, mit dem Zinszuschüsse zu Krediten von 50 000 Euro bis 5 Millionen Euro pro Arbeitsplatz gegeben werden. Das heißt „Beschäftigung und Qualifizierung“. Das ist aber so gut wie nicht eingeschlagen, weil das Problem im Moment nicht ist, dass man nicht die Leute hätte, die man bräuchte. Vielmehr hat man nicht die Aufträge, nicht die Arbeit, um die Menschen beschäftigen zu können. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik!