Protocol of the Session on August 30, 2002

Unterbrechung: 13.14 Uhr.

Wiederbeginn: 14.31 Uhr.

Meine Damen und Herren, wir nehmen die unterbrochenen Beratungen wieder auf. Das ist für heute die letzte Runde. Ich hoffe, dass wir das einigermaßen zügig schaffen.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 42: Erste Beratung: Vorlage eines FachhochschulEntwicklungsprogramms - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/3604

Das Wort hat Frau Kollegin Trost.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Oppermann, unsere Fachhochschulen sind gut. Damit Sie, meine Damen und Herren von der SPD, diesen Satz auch wirklich verstehen und uns nicht wieder vorwerfen, die CDU würde wieder einmal nur alles schlecht reden, sage ich noch einmal klar und deutlich: Unsere Fachhochschulen sind gut! Sie sind ein Erfolgsmodell in unserer Hochschullandschaft. Fachhochschulen sind ein unverwechselbares und unverzichtbares Element eines differenzierten Hochschulwesens, in dem jede Hochschulart spezifische Aufgabenstellungen hat, wodurch unterschiedliche Profilbildungen gefördert werden – gleichwertig, aber andersartig, wie der Wissenschaftsrat sagt.

Die CDU-geführte Landesregierung hatte hierfür Ende der 80er-Jahre frühzeitig das notwendige Fundament gelegt. Das Fachhochschul-Entwicklungsprogramm von 1990 bis 1998 hat den Fachhochschulen eine Planungssicherheit gegeben, die heute leider nicht mehr vorhanden ist. Zwar hat sich nach dem Abschluss dieses Entwicklungsprogramms im Jahre 1998 noch vieles in der nieder

sächsischen Fachhochschullandschaft getan, jedoch nicht immer in der angemessenen Form. Die positiven Entwicklungen sind in erster Linie der Kreativität der Fachhochschulleitungen zuzuschreiben.

(Zustimmung bei der CDU)

Heute bestreitet zwar niemand mehr, dass Fachhochschulen für die wirtschaftliche Entwicklung einer Region von großer Bedeutung sind. Trotzdem wurden - ich werde hier nur ein Beispiel nennen - die eigenständigen Fachhochschulen in Oldenburg, Wilhelmshaven und Emden gegen den großen Protest aus der Region zu der Fachhochschule Nordwestniedersachsen zusammengefasst. Hierbei blieb die Tatsache, dass sich sowohl die Bevölkerung als auch die ansässigen Unternehmen der Region mit ihrer Fachhochschule identifizierten, unberücksichtigt. Dabei ist bis heute die Zukunft der Außenstellen dieser Fachhochschule nicht geklärt. Die Professoren, Mitarbeiter und Studierenden in Leer wissen bis heute noch nicht genau, wie die Zukunft ihres Studienganges aussehen wird. Dies wird auch von der Wirtschaft vor Ort - insbesondere von den Reedereien, aber auch von den betroffenen Kommunen - beklagt. Dies ist nur ein Beispiel, wie es in der Fachhochschullandschaft im Moment aussieht.

Alle Aktivitäten an den Fachhochschulen unseres Landes laufen nicht klar und übersichtlich ab. Mal hören wir von Herrn Minister Oppermann, dass wir zu viele Hochschulen haben. Dann wiederum haben wir Bedarf für Neugründungen. Mal werden gleiche Studiengänge an zu vielen Standorten angeboten. Dann wieder werden Studiengänge an Hochschulen genehmigt, obwohl damit in der näheren Region eine zusätzlich belastende Konkurrenzsituation eintritt. Mal sollen Lehramtsausbildungen teilweise an die Fachhochschulen verlegt werden, ein anderes Mal soll die Internationalität forciert werden. Und dabei wird nur unzulänglich zwischen Hochschulen bzw. Universitäten und den Fachhochschulen differenziert.

Herr Minister, Sie haben viele spontane Ideen gute wie schlechte. Jedoch haben sie kaum eine, die in konkrete, kalkulierbare Maßnahmen mündet, geschweige denn in eine langfristige Planung.

(Zuruf von der SPD: Hä?)

Die niedersächsischen Fachhochschulen benötigen für ihre Weiterentwicklung Planungssicherheit über einen längeren Zeitraum. Ziele, die nur lang

fristig erreicht werden können, müssen klar formuliert werden. Nur so kann die gute Zusammenarbeit zwischen Fachhochschule, den Studierenden, der regionalen Wirtschaft und den Kommunen intensiviert und ausgebaut werden. Dabei ist auch darauf zu achten, dass es zu einer regionalen Ausgewogenheit der einzelnen Angebote kommt. Gute Ansätze gibt es jetzt bereits z. B. im Bereich Goslar.

(Zustimmung von Frau Mundlos [CDU])

Aber auch aus dem Emsland kommen sehr viele positive Signale. Fachhochschulen sind regionale Wirtschaftsfaktoren. Fachhochschulen sind das notwendige Glied zwischen der wissenschaftlich ausgerichteten Universität und der Wirtschaft. Fachhochschulen sind und bleiben für die weitere Entwicklung unseres Landes unverzichtbar.

Meine Damen und Herren, auch bei den Studierenden steigt der Wunsch nach einer Fachhochschulausbildung weiter an. So lag - das ist jetzt eine etwas ältere Zahl - im Wintersemester 2000/2001 die Nachfrage nach Studienplätzen in den so genannten grundständigen Studiengängen bei insgesamt 11 200. Dieser Nachfrage standen aber nur 5 840 Studienplätze gegenüber. Es ist klar ersichtlich, dass das Angebot bei weitem nicht ausreicht. Um diesen jungen Menschen eine zukunftsorientierte, kalkulierbare Ausbildung zu ermöglichen, ihnen bei der immer weiter fortschreitenden Globalisierung einen bestmöglichen Start in das Berufsleben zu ermöglichen, müssen weitere Bachelor- und Masterstudiengänge an den Fachhochschulen angeboten werden und müssen mittelfristig 40 % der Studienplätze in Niedersachsen an den Fachhochschulen angesiedelt sein.

Herr Minister Oppermann, Sie haben bereits seit langem ein Fachhochschul-Entwicklungsprogramm in Aussicht gestellt und angekündigt, aber die Umsetzung verschoben. Im April 2002 wurde laut Presseberichten noch von einer Vorlage eines Fachhochschul-Entwicklungsprogrammes im Herbst dieses Jahres gesprochen. Einen Monat später, im Mai 2002, hieß es bereits: Ab 2004 wird es dieses Programm geben. Diese Verschiebetaktik dient unseren Fachhochschulen in keiner Weise. Sie dokumentiert lediglich Ihre Unfähigkeit oder auch Ihr Desinteresse, sich mit diesem wichtigen Thema weiter intensiv auseinander zu setzen.

Der CDU-Fraktion ist der zurzeit aktuelle Beginn im Jahr 2004 zu spät. Wir wissen ja nicht, wie weit Sie es noch schieben wollen. Seit 1998 hatten Sie Zeit, ein entsprechendes Programm auf den Weg zu bringen. Passiert ist außer Worthülsen jedoch nichts. Dabei bieten gerade die Fachhochschulen die Möglichkeit, die von vielen Seiten - auch von Ihnen, Herr Minister Oppermann - kritisch angemerkten Defizite in der Hochschulausbildung zu entschärfen. Ich werde einige nennen.

Zum einen ist die Abbrecherquote an den Fachhochschulen von 20 % wesentlich niedriger als diejenige an den Universitäten, nämlich 30 %. Der Abbruch erfolgt an den Fachhochschulen meistens in den ersten beiden Semestern, also nicht erst nach fünf, sechs, sieben oder acht Semestern. Zum anderen ist die Studienzeit um vieles kürzer als an den Universitäten. Die Ausbildung an der Fachhochschule ist, bezogen auf ihre Semesterwochen, kaum kürzer als diejenige an einer Universität, wenn Sie das einmal hochrechnen. Die Gesamtstudienzeit ist jedoch wesentlich kürzer als an den Universitäten. Somit haben die Studierenden oft wesentlich früher und jünger - es wird ja immer gesagt: wir müssen jüngere Absolventen haben die Möglichkeit, in den Arbeitsprozess einzutreten. Die letzte Shell-Studie belegt ja auch, dass die Jugend von heute durchaus leistungsbereit und zielorientiert ist.

Zudem sind mittelständische Unternehmen als Arbeitgeber an einer Einstellung von Fachhochschulabsolventen, einer praxisorientierten Fachfrau oder eines Fachmanns, häufig stärker interessiert als an einem Absolventen mit einer wissenschaftlichen Ausbildung, da Praxisbezug besteht und die Einarbeitungszeiten in der Regel wesentlich kürzer sind. Ein Unternehmen mit geringer Mitarbeiterzahl ist darauf angewiesen, die Leute möglichst schnell in den Arbeitsprozess zu integrieren.

Inzwischen hat sich auch unter den Studierenden und den zukünftigen Studierenden herumgesprochen, dass die Verdienstmöglichkeiten als FHAbsolvent zumindest in der freien Wirtschaft - in der Verwaltung ist das nicht der Fall - nicht unbedingt geringer sein müssen als bei Absolventen mit einem Universitätsabschluss; denn hier zählt jeweils nur die Leistung und nicht der Titel. Das beste Beispiel dafür ist zum Beispiel Herr Schrempp als Chef der DaimlerChrysler AG, der auch „nur“ einen Fachhochschulabschluss hat.

(Frau Mundlos [CDU]: Das sind gute Leute!)

Fachhochschulabsolventen entwickeln zumeist auch eine enge Bindung an die Region und stehen somit dem regionalen Arbeitsmarkt zur Verfügung. Sie werden direkt für die Unternehmen gemeinsam mit den Unternehmen für die zukünftige Arbeit ausgebildet und haben durch den guten Kontakt auch einen leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt und füllen nicht die Arbeitslosenstatistiken.

Dann kommt Herr Minister Oppermann mal wieder auf die Idee, zu reisen - das haben wir ja schon häufig erlebt -; denn wir wissen, Reisen bildet.

(Wulf (Oldenburg) [SPD]: Ja, reisen bildet!)

- Ja, richtig. - Dann wird jedes Mal sehr gespannt darauf gewartet, welches Modell er mitbringt. Wir kennen ja die Forderungen nach diesen Ausflügen: Die Internationalität und Kooperation mit China muss verstärkt werden, hieß es nach einer dieser Fernreisen. Das australische Hochschulmodell wird hoch gelobt und soll hier in Niedersachsen Fuß fassen. Die Stiftungslandschaft der USA soll den deutschen Hochschulen übergestülpt werden usw. usf. Meine Damen und Herren, der eine macht es mit dem Laptop in den Ferien und der andere durch Dienstreisen. Das Resultat ist jedoch immer das gleiche: Verunsicherung bei den Betroffenen, in welche Richtung mit welchen neuen Forderungen und Auflagen es diesmal gehen wird.

Diesem unübersichtlichen, unkoordinierten und von spontanen Ideen gekennzeichneten Treiben kann nur durch eine verlässliche, langfristige Planung Einhalt geboten werden, in der die Ziele präzise formuliert werden und die Wege dorthin auch klar definiert sind. Deshalb fordert die CDU die schnellstmögliche Entwicklung eines Fachhochschul-Entwicklungsprogrammes, damit die Zukunft unserer Bildungslandschaft zumindest in diesem Bereich einigermaßen kalkulierbar bleibt.

(Beifall bei der CDU)

In unserem Antrag haben wir klar gegliedert aufgeführt, was die CDU-Fraktion mindestens von diesem Entwicklungsprogramm erwartet. Diese Forderungen sind fundiert, werden seitens der Wirtschaft und auch von vielen Fachhochschulen mehrheitlich getragen und sollten auch Sie veranlassen, nun endlich in die Strümpfe zu kommen. Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Frau Kollegin Andretta.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Trost, angesichts des Trauerspiels, das die CDUFraktion sonst in der Hochschulpolitik bietet, freuen wir uns über Ihren Antrag. Nachdem der Ministerpräsident ein neues Fachhochschul-Entwicklungsprogramm für die Jahre 2003 bis 2008 in Aussicht gestellt hat und dieser Punkt im Regierungsprogramm der SPD stehen wird, haben es auch Sie, meine Damen und Herren von der CDUFraktion, gemerkt und springen nun beherzt auf den fahrenden Zug.

(Zustimmung bei der SPD)

Seien Sie versichert: Das Fachhochschul-Entwicklungsprogramm ist in Arbeit und wird noch vor der Landtagswahl bekannt gegeben werden.

Dennoch freuen wir uns über Ihre Unterstützung. Ich darf Sie daran erinnern: Noch im Juni haben Sie unserem neuen Hochschulgesetz Ihre Zustimmung verweigert, einem Hochschulgesetz, welches als das fortschrittlichste in ganz Deutschland gilt.

(Beifall bei der SPD)

- Diese Auszeichnung ist Applaus wert. Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls der Stifterverband für die deutsche Wirtschaft. Diese große Auszeichnung für unsere Hochschulreform zeigt: Niedersachsen liegt vorne.

Vorne liegen wir auch mit unseren Fachhochschulen. Sie haben ja selbst darauf hingewiesen. Um hier einer Mythenbildung entgegenzuwirken: Der Fachhochschulausbau ist nicht, wie Sie behaupten, unter der Albrecht-Regierung begonnen worden. Die Erfolgsgeschichte begann 1991 mit der Umsetzung des ersten Fachhochschul-Entwicklungsprogramms.

(Dr. Domröse [SPD]: So ist es!)

Von 1991 bis 1998 sind an den acht staatlichen Fachhochschulen 6 650 zusätzliche Studienplätze geschaffen worden. Standorte wurden ausgebaut. Seitdem sind durch den Reformeifer der Fachhochschulen, denen ich hier im Namen der SPDFraktion ausdrücklich danken will,

(Zustimmung bei der SPD)

und durch das Fachhochschulstrukturkonzept, das Sie hier verschwiegen haben, weitere Studienplätze geschaffen worden. Knapp 10 000 zusätzliche Studienplätze in zehn Jahren SPD-Regierung können sich sehen lassen, meine Damen und Herren. So werden wir weitermachen.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben darauf hingewiesen: Wir haben in Niedersachsen mittlerweile eine Fachhochschulquote von 26 %. Also 26 % der Studierenden sind in Niedersachsen an den Fachhochschulen eingeschrieben. Im Bundesdurchschnitt sind es 24 %. Wir liegen klar darüber.

In Ihrer Begründung verweisen Sie auf Bayern. Es stimmt, Bayern hat in den Fachhochschulausbau investiert. Das war auch bitter nötig, damit auch dort das Niveau erreicht wird, das wir schon lange in Niedersachsen erreicht haben.

(Zustimmung bei der SPD - Frau Za- chow [CDU]: Mir kommen die Trä- nen!)

Auch wir streben eine Quote von 35 bis 40 % an, die der Wissenschaftsrat nennt. Deshalb werden wir hier auch weiter investieren.

Meine Damen und Herren, wir wissen: Immer mehr junge Menschen wollen heute eine mehr praxisbezogene Hochschulausbildung. Deshalb wird die Nachfrage nach Studienplätzen an Fachhochschulen in Zukunft weiter wachsen. Aber die Fachhochschulen müssen nicht nur für die wachsende Nachfrage gewappnet sein - also nicht immer nur mehr von dem Gleichen -, sondern sie müssen sich auch den neuen Qualifikationsanforderungen des Beschäftigungssystems stellen. Wir brauchen also auch Strukturreformen. Hier hat die Landesregierung gemeinsam mit unseren Fachhochschulen Vorbildliches geleistet. Ich nenne nur einige Stichworte: Die Aufnahmekapazität der ITStudiengänge wurde auch dadurch ausgeweitet, dass an Fachhochschulen ausgebaut worden ist, sodass wir gemeinsam mit den Universitäten die Zahl von knapp 1 000 auf fast 2 000 Studienplätze in den letzten fünf Jahren landesweit verdoppeln konnten.