Meine Damen, meine Herren, die Zahl der Maßregelvollzugspatienten hat sich in den letzten Jahr mehr als verdoppelt. Die Verweildauer ist um eineinhalb Jahre gestiegen. Sie rechnen damit - das ist die übereinstimmende Meinung -, dass dies bei unveränderter Spruchpraxis der Gerichte so weitergeht.
Leider, Frau Ministerin, geben Sie uns keine Hinweise auf Fehlbelegungen wegen der richterlichen Unabhängigkeit, obwohl es doch interessant wäre - darüber gibt es in der Literatur ausreichend Stoff -,
Es gibt aber Schätzungen, wie viele therapiefähige Patienten oder Strafgefangene im Gefängnis sitzen.
Für die kommenden steigenden Zahlen sind Sie schlichtweg nicht gerüstet! Sie kommen mit den notwendigen Baumaßnahmen an den Landeskrankenhäusern nicht nach. Wenn man von einigen Maßnahmen absieht, so ist doch an den übrigen psychiatrischen Kliniken sehr wenig geschehen.
Die großen Brocken schieben Sie doch vor sich her! Von 1999 bis 2002 haben Sie knapp 8 Millionen Euro verbaut. - In Ordnung. Aber dann geht es eigentlich erst richtig los: 2003 sollen es immerhin 7,5 Millionen Euro sein, aber das ist erst der Anfang, denn es sind knapp 60 Millionen Euro für Baumaßnahmen erforderlich.
Dazu muss ich Ihnen sagen, dass der dickste Brocken - da liegt die Unredlichkeit - in zukünftige, mittelfristige Finanzplanungen verschoben ist. Sie wissen, dass Sie im Grunde genommen alles auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben.
Sehr erstaunt hat uns allerdings, wie glatt Sie hier eine dritte zentrale Einrichtung ablehnen. Diese ist in Fachkreisen immer wieder diskutiert worden.
- Es könnte sein, Frau Elsner-Solar, dass eine dritte zentrale Einrichtung - darüber haben wir auch gesprochen - billiger wird als alle weiteren Sicherungsmaßnahmen und baulichen Änderungen. Auch das ist besprochen worden.
Uns hat erstaunt, wie glatt Sie diese dritte zentrale Einrichtung ablehnen. Diese ist in Fachkreisen bis vor kurzer Zeit immer wieder diskutiert worden. Es gibt die Meinung - auch das ist keine Einzelmeinung -, dass die dezentrale Unterbringung wirklich an die Grenzen ihrer Möglichkeiten gestoßen ist.
Frau Zachow, können Sie die Kollegin ElsnerSolar nicht mal fragen, ob sie hier auch reden möchte, damit sie nicht immer mit Zwischenrufen diesen wirklich wichtigen Vortrag stört?
Ich muss dazu sagen: Es geht nicht, dass Sie fragen, ob Frau Zachow jemanden fragen will. Das wollen wir hier nicht einführen.
Das werden wir hinkriegen. Ich werde bei Frau Elsner-Solar nicht ständig dazwischenrufen, sondern mich dann zu Zwischenfragen melden.
Meine Damen und Herren, die Zahlen belegen, dass wir an der Grenze angelangt sind. In Lüneburg haben wir im Moment eine Belegung mit forensischen Patienten von immerhin 30 %, in Wunstorf sind es sogar 37 %. Wir hören Klagen, dass immer dort, wo reguläre Plätze frei werden, sofort forensische Betten nachgeschoben werden. Dann wundert man sich hier, Frau Ministerin, dass die Frage gestellt wird „Verdrängt der Maßregelvollzug die Allgemeinpsychiatrie?“ und dass dabei immer mehr Akzeptanzprobleme entstehen. Ich will jetzt nur an die neuerliche Diskussion in Osnabrück erinnern. Wenn man Ihre Antwort im Übrigen genau liest, wollen Sie nur an zwei Standorten einen Neubau oder Anbau errichten. Alles andere sind Umbauten. Es heißt darin, dass es nach Ihren Planungen weiterhin Verschiebungen in mehr Forensik und weniger Regelpsychiatrie geben wird.
Widersprüche, wenn Sie auf der einen Seite sagen, dass die Sozialpsychiatrischen Dienste keine Kenntnisse und keine Erfahrungen haben, und auf der anderen Seite sagen, dass Sie die Sozialpsychiatrischen Dienste in dieser Nachbetreuung ausgesprochen positiv beurteilen. Das passt nicht.
Außerdem zeigt die Aussage, dass in der Regel Heimplätze gefunden werden, die Schwierigkeit, dass sie nicht immer gefunden werden. Seien wir ehrlich: Leistungsanbieter für forensische Hilfen stehen nicht in ausreichender Zahl und Qualität zur Verfügung. Auch die zusätzliche Zahlung von 10 Euro, wenn der Tageshöchstsatz auf 75 Euro begrenzt ist, hilft dann nicht viel.
Überhaupt ist die Antwort sehr dürftig, meine Damen und Herren, beispielsweise was die Rückfälle angeht. Hier gibt es keine Aussagen. Sie drücken sich. Das ist aber ein Punkt, der die Menschen bewegt: Was ist mit Rückfällen? - Hier muss nachgelegt werden. Hier müssten Sie uns sicherlich noch einiges sagen.
Nun zur Personalausstattung. Da sind Sie ganz bescheiden und mit 88 oder 89 % zufrieden. Es gibt unbesetzte Stellen im Pflegebereich. Wenig unbesetzte Stellen gibt es zurzeit im medizinischen Bereich, also bei den Ärzten. Aber Sie wissen genau: Das Pflegepersonal ist sehr schwer zu rekrutieren, und Psychiater sind auf dem Markt mittlerweile Mangelware. Wir prophezeien Ihnen: In naher Zukunft werden Sie riesige Probleme kriegen. Deshalb unsere Bitte: Nehmen Sie das nicht allzu locker!
Seit Jahren hat die Landesregierung die Probleme der Forensik nicht im Griff. Im Gegenteil: Sie haben sich hier weiter verschärft. Bei steigenden Zahlen ist das Desaster vorprogrammiert.
Frau Ministerin, handeln Sie! Werden Sie dem Auftrag des Maßregelvollzugsgesetzes gerecht! Diese kranken Straftäter brauchen Hilfe. Nur so werden auf Dauer Therapieerfolge erzielt werden können.
Die Durchmischung mit Patienten der Allgemeinpsychiatrie muss endlich gestoppt werden. Prüfen Sie auch noch einmal die Einrichtung eines dritten zentralen Hauses gerade für die schweren forensischen Fälle!
Zum Schluss noch eine Frage. Wenn Sie, wie angekündigt, die Landeskrankenhäuser verkaufen wollen, wie wollen Sie dann weiterhin Ihrer gesetzlichen Aufgabe zum Maßregelvollzug nachkommen? - Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Richtig ist, dass die Zahl forensischer Patientinnen und Patienten steigt. Falsch ist, dass der niedersächsische Maßregelvollzug vor dem Kollaps steht. Diese Bewertung, meine Damen und Herren von der CDU, dient ausschließlich der Verunsicherung der Bevölkerung. Sie benutzen ein sensibles, hoch komplexes, schwieriges Thema, um Schlagzeilen zu produzieren. Das ist nicht nur in hohem Maße unredlich, sondern das wird vor allem auch der tatsächlichen Situation nicht gerecht.
Was sind die Fakten? - In den zurückliegenden zehn Jahren hat sich in Niedersachsen die Anzahl der im Maßregelvollzug untergebrachten Personen mehr als verdoppelt. Diese Entwicklung - das wissen Sie - ist keine niedersächsische Besonderheit, sondern bundesweit gleich. Ursache ist auch nicht, dass psychisch Kranke mehr Verbrechen begehen würden. Ursache ist in erster Linie eine Kombination von zwei Trends der letzten Jahre: Erstens werden mehr kranke Straftäter von den Gerichten in den Maßregelvollzug geschickt. Zweitens ist gleichzeitig die durchschnittliche Verweildauer in den Einrichtungen gestiegen. Beides sind Effekte von Gesetzen, die Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der CDU, ganz wesentlich durch die seinerzeitige CDU-FDP-geführte Bundesregierung auf den Weg gebracht haben.
strafrecht. Wir alle müssen dann aber auch mit den Folgen umgehen. Die Folgen sind mehr und länger unterzubringende Straftäter in unseren Einrichtungen. Deswegen ist dies eine Herausforderung, die alle Länder zu bewältigen haben.
Hinzu kommt, dass wir eine strukturelle Veränderung in der Zusammensetzung der forensischen Patientinnen und Patienten zu verzeichnen haben. Der Anteil verurteilter psychisch kranker Straftäter mit Sexualdelinquenz ist von 30 % Ende 1996 auf 40 % angestiegen.
Aus dieser Entwicklung leitet sich in der Tat Handlungsbedarf ab. Dem ist die Landesregierung frühzeitig nachgekommen. Ich will dies auch belegen: Es wurden Strategien entwickelt, die den im Niedersächsischen Maßregelvollzugsgesetz festgeschriebenen Behandlungszielen gleichermaßen dienen. Dort steht: Zum einen geht es um die Besserung der Täter. Zum anderen geht es um den Schutz nach innen und außen. Zu diesen Strategien gehört neben dem Niedersächsischen Maßregelvollzugsgesetz, das in der Tat bereits 1982 in Niedersachsen auf den Weg gebracht und verabschiedet worden ist - im Unterschied zu manchen anderen Ländern, die nicht mal ein Gesetz haben; das ist ein wirklicher Meilenstein -, in der Folge aber auch die Umsetzung fachpolitischer Erkenntnisse in Erlassen, wie z. B. zu Sicherheitspartnerschaften im Maßregelvollzug, die Aktualisierung der Meldepflicht über besondere Vorkommnisse. Des Weiteren wurde per Erlass sichergestellt, dass keine Sexualstraftäter in den offenen Maßregelvollzug außerhalb eines Krankenhausgeländes verlegt werden dürfen.
Das sind Erlasse, die es nicht überall in anderen Ländern gibt. Sie sichern Strukturqualität, wenn politisch Rahmenbedingungen in dieser Weise gesetzt werden, und haben auch ihre Effekte mit Blick auf die Patientinnen und Patienten und den Schutz der Bevölkerung. Ich komme später noch darauf zu sprechen.
Wir haben also in Niedersachsen in der Tat den so genannten regionalisierten Maßregelvollzug. Davon war auch in dem Gespräch mit Frau Merk die Rede.
Wir haben den regionalisierten Maßregelvollzug anstelle der Unterbringung in großen zentralen Einrichtungen eingeführt. Das war aufgrund der Gesamtentwicklung nicht nur richtig, sondern zwingend erforderlich.