Protocol of the Session on August 28, 2002

Ich bin, gelinde gesagt, überrascht, dass die SPDFraktion gerade dieses Thema heute zum Gegenstand der Aktuellen Stunde gemacht hat.

(Beifall bei den GRÜNEN - Schurreit [SPD]: Das ist eine Erfolgsstory!)

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Wenn es um Lärmschutz, wenn es um neue Werkstoffe, um Prozessoptimierung, um Immissionsminderung oder auch um Sicherheit geht, haben Sie unsere Unterstützung.

(Schurreit [SPD]: Das machen wir in Stade! Das machen wir in Braun- schweig!)

Wenn es aber um Marketing für Flughäfen und die Akquise von Fluglinien geht, bin ich doch sehr überrascht. In einem originären Zuständigkeitsbereich des Landes, nämlich bei der Bahn, haben wir bis heute - wir warten schon seit 1996 darauf noch kein ordentliches Marketingkonzept auf dem Tisch liegen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bis heute ist auch nicht erkennbar, wann man endlich einmal ein offensives Marketing für die Bahn betreibt. Nein, Sie gehen hin und wollen nun in einem Bereich, für den Sie gar nicht zuständig sind, Geld ausgeben, nämlich für die Akquise von Fluglinien und für ein Marketing.

(Schurreit [SPD]: Nein, wir wollen koordinierend und unterstützend wir- ken!)

Ich zitiere einmal aus Ihrer Presseerklärung. Sie sagen: Wir benötigen ein besseres Marketing und eine bessere Auslastung. - Deshalb wollen Sie die

Akquise neuer Fluggesellschaften begleiten. Meine Damen und Herren, das ist schon etwas merkwürdig.

(Schurreit [SPD]: Das mit der Klima- politik muss noch gelernt werden!)

Sie erwecken den Eindruck, dass Sie mit Ihren Plänen die selbst produzierten Investitionsruinen verdecken wollen. Sie alle kennen die Schlagzeile, die vor einigen Wochen in der HAZ zu lesen war: Flughafen vor dem Absturz - Prognose und Wirklichkeit beim Flughafen Hannover klaffen weit auseinander. - Aktuell liegt die Prognose bei nur 4,4 Millionen Fluggästen in diesem Jahr.

(Schurreit [SPD]: Dann muss doch etwas gemacht werden!)

Ist es denn eine originäre Landesaufgabe, jetzt dafür zu sorgen, in diesem Bereich Marketing zu betreiben? Darüber wundere ich mich doch schon sehr.

(Schurreit [SPD]: Nein, aber unter- stützend zu wirken!)

Bei dieser Debatte wird ganz deutlich, dass die Prognosen, die Sie vor einigen Jahren einmal in die Welt gesetzt haben, bei weitem nicht erreicht werden. Jetzt müssen Sie sich mit den Überkapazitäten beschäftigen. Statt den Investitionen noch gutes Geld hinterherzuschmeißen, sollten wir wirklich ernsthaft darüber nachdenken, wie wir die Überkapazitäten abbauen können.

(Beifall bei den GRÜNEN - Schurreit [SPD]: Hannover auslasten!)

Herr Kollege, ich habe mich im Übrigen auch gefragt: Ist das vielleicht ein spezielles Marketingprogramm für die TUI? Das mag aus Sicht der TUI sinnvoll sein. Ist das aber eine Landesaufgabe?

(Schurreit [SPD]: Natürlich müssen wir ein Interesse daran haben, dass der Flughafen andere Zahlen zeigt! Das ist doch klar!)

Auch dahinter würde ich drei Fragezeichen machen.

Der Ministerpräsident und die SPD-Fraktion sind mit diesem Ansatz meines Erachtens auf dem falschen Dampfer. Zukunft braucht Visionen und Ziele. Zukunft braucht Verantwortung und Orientierung.

(Schurreit [SPD]: Dann sagen Sie doch etwas zu Braunschweig!)

Diese vermitteln Sie mit diesem Konzept leider nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich möchte mit der Genehmigung des Präsidenten - -

Das geht auch ohne meine Genehmigung.

- - - einmal kurz aus der HAZ von heute zitieren. Ich beziehe mich auf Ausführungen des Ministerpräsidenten angesichts der Finanzmisere hier im Land. Es heißt dort:

„Ministerpräsident Gabriel fügte hinzu, die Regierung wollte auf jeden Fall den neuen Tiefwasserhafen bauen, die geplanten neuen Lehrerstellen schaffen, die Investitionsbank gründen und die Fachhochschulen ausbauen.“

Von TAKE OFF Niedersachsen ist dort keine Rede. Meine Frage an Sie, auf die ich heute gerne noch eine Antwort hätte, lautet: Ist das Projekt schon wieder beerdigt? Haben wir es hier mit einem typischen „Gabriel“ zu tun,

(Schurreit [SPD]: Das ist doch Un- sinn!)

oder hat dieses Projekt über den heutigen Tag hinaus Aktualität? - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Dinkla hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dem Beitrag von Herrn Wenzel ist das rot-grüne Konfliktpotenzial deutlich geworden. Wir debattieren jetzt über das Thema „TAKE OFF Niedersachsen Strategie zur Stärkung des Luftfahrtstandortes“. Job Floater, Service Center, Bridge System und jetzt TAKE OFF: Ich meine, wir brauchen keine

Inflation von Anglizismen, sondern wir brauchen aktives politisches Handeln. Darauf kommt es an. Worthülsen haben wir wahrlich genug im Lande.

(Beifall bei der CDU)

Irgendwie habe ich das Gefühl, es leiden bald alle - ob nun Bundesregierung oder Landesregierung unter dem Hartz-Syndrom: Dreieinhalb Jahre lang nichts tun und dann ein halbes Jahr Aktionismus vor der Wahl. - Das kann es wahrlich nicht sein.

(Beifall bei der CDU - Schurreit [SPD]: Aber du verstehst doch, was gemeint ist!)

Meine Damen und Herren, ich habe den starken Verdacht, dass TAKE OFF Ankündigungspolitik mit virtuellem Geld ist. Über die Ziele kann man durchaus einer Meinung sein. Es wird aber von einem Zeithorizont bis 2007 gesprochen, in dem die SPD ohnehin keine politische Verantwortung in diesem Land mehr tragen wird. Es wird der Einsatz von 40 Millionen Euro angekündigt. Ich habe eine Kleine Anfrage zu diesem Thema gestartet, um wirklich einmal zu hinterfragen, wo das Geld denn herkommt. Frau Dr. Trauernicht kündigt den Einsatz von 1 Milliarde für das Familienprogramm an. Ich habe das Gefühl, dass das gesamte Geld werbemäßig drei- bis viermal verarbeitet wird. So ist die politische Situation vor der Landtagswahl hier in Niedersachsen.

(Beifall bei der CDU)

Niedersachsen hat eine positive Entwicklung im Luftfahrtbereich. Herr Kollege Schurreit, das steht außer Frage. Die Frage ist nur, ob die Landesregierung alle Möglichkeiten genutzt hat, hier Hilfestellung zu geben.

(Schurreit [SPD]: Ja, das hat sie!)

Es geht dabei um den Ausbau der industriellen Kompetenz, um die Sicherheit und um die Steigerung der Leistung der Flughäfen. Die Überkapazitäten, die Herr Kollege Wenzel sieht, sehe ich nicht. Ich habe z. B. aber große Zweifel, ob bei der Verlängerung der Landebahn in Braunschweig wirklich der politische Push vonseiten der Landesregierung gegeben wurde, um voranzukommen.

(Schurreit [SPD]: Natürlich!)

Es drängt sich auch die Frage auf: Wie steht es denn beispielsweise mit den Bemühungen, die Europäische Luftverkehrsbehörde EASA nach

Braunschweig zu holen? Ich hatte den Eindruck, der Einsatz der Landesregierung hatte in dieser Hinsicht seine Grenzen. Da DLR und Luftfahrtbundesamt den Sitz in Braunschweig haben, würde es sich doch anbieten, auch die andere europäische Behörde nach Braunschweig zu holen.

(Schurreit [SPD]: Und 46 andere Un- ternehmen!)

So wie es aussieht, wird sie aber nach Köln kommen. Also stellt sich auch hier die Frage: Wo bleibt der politische Einsatz, um zu einer Lösung für Braunschweig zu kommen?

Damit hier überhaupt kein Zweifel aufkommt: Ich rede die Ziele der Strategie nicht klein. Ich habe auch nichts dagegen, eine solche Strategie zu verfolgen, wenn es wirklich erreichbar wäre, bis 2007 zu einer Verdoppelung der Arbeitsplätze zu kommen. Ich glaube, dass in Niedersachsen als selbstbewusstem Standort der Luftverkehr ausgebaut werden kann und dass auch neue Aufgaben wahrgenommen werden können. Die entscheidende Frage wird aber sein: Ist das wirklich eine Strategie? Ich habe bei mir zu Hause einmal nachgeguckt, wie viele Strategiepapiere ich allein aus dem Wirtschaftsministerium im Laufe der letzten Perioden bekommen habe.

(Schurreit [SPD]: Du hast sie nicht gelesen, sondern sie nur abgeheftet!)

Es gibt solche Strategiepapiere für Medienstandorte und für die verschiedensten Bereiche. Wenn man sich einmal die Mühe macht, hinter die Kulissen zu schauen, kommt man zu der kühlen, harten und ernüchternden Erkenntnis, dass weithin nichts geschehen ist. Es gab nur Ankündigungen. Die entscheidende Frage lautet meines Erachtens daher: Ist dies wirklich eine durchgreifende Strategie, oder handelt es sich, wie so oft, nur um ein Werbeprogramm zur Wahl? - Herzlichen Dank.