„Es kommt nicht nur darauf an, dass über die Verbrechen des so genannten Dritten Reiches gesprochen wird, sondern vor allem auch darauf, ob so darüber gesprochen wird, dass die jungen Menschen es verstehen und die richtigen Folgerungen daraus ziehen. Auch über die richtige Dosierung werden wir noch reden müssen. Wer mich kennt, der weiß, dass ich alles eher wünsche als ein Verschweigen. Aber auch Abstumpfung ist für die junge Generation eine Gefahr, die wir nicht gering schätzen dürfen.“
Meine Damen und Herren, diese Worte - so finde ich - haben eine besondere Aktualität bekommen. Wir sollten einmal ganz in Ruhe über diese Worte nachdenken und sie auf uns wirken lassen.
Dem Antrag „Antisemitismus ächten - Zusammenhalt in Deutschland stärken“ kann man in fast allen, ich möchte sogar sagen in allen Punkten uneingeschränkt zustimmen. Dieser Antrag sollte allerdings nicht in Zusammenhang mit den aufgeregten Debatten der letzten Tage gestellt werden. Die Gefahr ist viel zu groß, dass diese wichtigen
Forderungen und Feststellungen durch parteipolitische und wahltaktische Diskussionen entwertet werden. Das darf nicht passieren, meine Damen und Herren.
Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass Antisemitismus in Deutschland keine Chance hat und auch niemals wieder eine Chance bekommen darf. Deshalb gilt ein Satz ganz besonders: Wehret den Anfängen. Aufmerksam sein müssen wir bei allen Anzeichen von Aussonderung, von Diskriminierung anderer aufgrund ihrer Herkunft, ihres Glaubens oder aus welchem Grund auch immer.
Wenn bei uns immer noch jüdische Gräber geschändet werden, muss uns das mehr in Empörung und Gegenwehr versetzen, als alle anderen. Damit das völlig klar ist: Bei uns dürfen Antisemiten keinen Fußbreit Raum bekommen!
Wir sind froh und können auch stolz darauf sein, dass Menschen jüdischen Glaubens in Deutschland wieder eine Heimat haben und am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben teilnehmen. Es ist eine gute Entwicklung, dass Menschen jüdischen Glaubens aus anderen Ländern zu uns in die Bundesrepublik Deutschland kommen, um ihre und unsere gemeinsame Zukunft in diesem Land zu gestalten. Diese Entwicklung dürfen wir nicht gefährden, sondern müssen sie weiterhin fördern. Deshalb verdienen die jüdischen Gemeinden unsere volle Unterstützung. Dies war und ist Konsens unter allen demokratischen Parteien. Wir sollten uns hüten, diesen Konsens in irgendeiner Weise zu gefährden.
Meine Damen und Herren, zur Demokratie gehört der Streit. Doch wir sollten es unterlassen, im Streit zwischen Demokraten mit Unterstellungen zu arbeiten, die der Realität nicht entsprechen und unseren gemeinsamen demokratischen Anliegen widersprechen.
Meine Damen und Herren, da möchte ich mich auch ganz persönlich an Sie, Frau Harms, Frau Pothmer und auch an Frau Litfin wenden. Wie haben Sie sich eigentlich gefühlt, als Sie am Mon
tag nach dem FDP-Parteitag dieses Foto in der Zeitung gesehen haben: drei strahlende Gesichter und in der Hand ein Plakat „FDP 18 % Antisemitismus, 18 % Rechtspopulismus braucht das Land nicht“?
Meine Damen und Herren, glauben Sie wirklich, dass diese Aktion ihre Glaubwürdigkeit in dieser Frage erhöht? Glauben Sie wirklich, dass das die Ernsthaftigkeit des heutigen Antrages unterstreicht?
Alle Parteien haben einmal Probleme mit einzelnen Personen, auch die FDP, wie man in den letzten Wochen gesehen hat. Das ist gar keine Frage. Aber das ändert nichts daran, dass diese Partei große Verdienste um die Demokratie in Deutschland hat und nach wie vor zum Kernbestandteil des demokratischen Spektrums der Bundesrepublik Deutschland zählt.
Allen Versuchen, hier eine Ausgrenzung vorzunehmen, werden wir uns klar und eindeutig widersetzen. Wir sollten den Vorwurf des Antisemitismus nicht vorschnell erheben. Im Interesse von uns allen darf dieser Vorwurf nicht zur billigen Münze werden. Erinnern wir uns an Roman Herzog, den ich zu Beginn meiner Rede zitiert habe.
Mit Punkt 5 der Entschließung wollen Sie unterstellen, dass es demokratische Parteien gibt, die auf dem Rücken von Menschen jüdischen Glaubens Wahlkampf führen wollen. Ich erkläre eindeutig für meine Partei, ausdrücklich aber auch für die FDP, die hier nicht sprechen kann,
dass bereits der Gedanke daran für uns völlig abwegig ist, meine Damen und Herren. Das sollten Sie dann auch so zur Kenntnis nehmen.
Es war der CDU-Bundeskanzler Konrad Adenauer, der gemeinsam mit Ben Gurion die ersten Schritte zur Aussöhnung mit Israel gegangen ist. Das Existenzrecht Israels darf in keiner Weise zur Disposition gestellt werden. Wir können nicht neutral zu Israel stehen, sondern immer an seiner Seite. Deshalb haben wir auch kein Verständnis dafür, wenn Angriffe auf Israel - wie die Selbstmordattentate - gerechtfertigt werden. Wenn Jürgen Möllemann fragte, was würde man denn selbst tun, wenn Deutschland besetzt würde, und selbst antwortete „Ich würde mich auch wehren, und zwar mit Gewalt. Ich würde das nicht nur im eigenen Land tun, sondern auch im Land des Aggressors“, dann setzt er sich der Gefahr aus, dass diese Sätze so ausgelegt werden, als wolle man Verständnis für die Aktion palästinensischer Selbstmordattentäter in Israel zum Ausdruck bringen.
Denn diese Selbstmordattentäter handeln nicht in Notwehr. Sie sind bestenfalls verführte Mörder, die viele Unbeteiligte mit in den Tod nehmen.
Meine Damen und Herren, genauso unakzeptabel ist der klischeehafte Vorwurf, das Verhalten einer einzelnen jüdischen Persönlichkeit für das Entstehen von Antisemitismus verantwortlich zu machen. Diese Entgleisung ist schlichtweg nicht hinnehmbar.
Meine Damen und Herren, gerade weil wir uns der besonderen Bedeutung unserer Beziehungen zu Israel bewusst sind, gehört zu einem freundschaftlichen Verhältnis auch das Recht auf Kritik; das ist hier von allen bisher so gesagt worden. Wer allerdings wie Herr Karsli glaubt, in völliger Verkennung der historischen Zusammenhänge Vergleiche mit Nazimethoden anzustellen, der ist entweder dumm oder ein Provokateur, der sich aus dem Konsens der demokratischen Parteien selbst ausgrenzt.
Normalität ist erst dann im Verhältnis zu den Juden in Deutschland vorhanden, wenn man sich auch über einen deutschen Juden aufregen darf. Auch ein Michel Friedman darf kritisiert werden. Man muss ihn auch nicht mögen; so hat es Präsident Wernstedt auch gesagt. Aber er darf sich verhalten, wie er das für richtig hält und wie er das will, ohne deshalb für Antisemitismus verantwortlich gemacht zu werden. Wer hier glaubt, Klischees bedienen zu dürfen, handelt in hohem Maße verantwortungslos.
Es gehört zum Grundkonsens dieser Demokratie, der Verletzung von Menschenwürde und allem Totalitärem entgegenzutreten. Deshalb ist es auch nicht erträglich, wenn in deutschen Parlamenten, zumal als Mitglieder von Fraktionen demokratischer Parteien, Personen sitzen, die sich klar und eindeutig zu kriminellen Diktatoren wie Saddam Hussein bekennen. Jemand wie ein Jamal Karsli hat in einem demokratischen Parlament nach meiner Überzeugung nichts zu suchen, meine Damen und Herren.
Hier müssen sich auch diejenigen kritische Fragen stellen lassen, die dafür Mitverantwortung tragen, dass diese Person Mitglied eines Landtages werden konnte.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abschluss sagen: Ich unterstütze den Präses der EKD, Manfred Kock, der gefordert hat, jetzt müsse Schluss sein mit der Debatte, weil es niemandem mehr diene, das Thema weiter hin- und herzuwenden. Der Streit ist letztlich zwischen zwei Personen entstanden, die hinlänglich bekannt dafür sind, dass sie Lust am Poltern entwickeln. Wir sollten dem nicht durch ein Fortführen dieser Debatte Vorschub leisten. - Vielen herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Durch Verschweigen, durch Nicht-Debattieren, durch Nicht-Darüber-Sprechen ist es noch nie gelungen, den Rechtsradikalismus, den Antisemitismus zurückzudrängen. „Endlich“ war der Ruf, der auch an niedersächsischen Stammtische ertönte, als diese Debatte losging. „Endlich!“ - als wäre man befreit, als hätte man ein Freiheitsrecht zurückgewonnen. Es war eine Situation, in der meine Kinder zu mir gekommen sind, die jugendlich sind und mich gefragt haben: „Sag mal, was ist denn jetzt eigentlich los?“
Wir haben bei uns im Ort, in meiner Wohngemeinde, ein Außenlager des ehemaligen KZ Neuengamme. Das ist mittendrin im Ort gewesen wie in vielen anderen Orten. Dort ist das Programm „Vernichtung durch Arbeit“ gelaufen. Wir führen dort ab und zu israelische und auch andere ausländische Besucher hin und zeigen ihnen, wie sich das bei uns entwickelt hat. Darüber diskutieren wir bei uns in der Gemeinde. Wir haben in breiter Übereinstimmung entsprechend auch daran erinnert, indem wir das dort ausgerüstet haben. Das ist bei uns präsent, und es erinnert uns.
Ich habe in Diskussionen mit jüdischen Gemeinden in Hannover auch die Frage gestellt bekommen: Wie weit sind wir denn von der Normalität noch weg? Die jüdischen Einrichtungen, die wir z. B. in Niedersachsen haben, stehen teilweise unter einem bestimmten Sicherheitsstatus. Wir sind z. B. für die jüdischen Kinder, die aus Russland zu uns gekommen sind, noch sehr, sehr weit weg von Normalität. Das Leben, das meine Kinder führen können, können diese Kinder nicht in gleicher Weise führen, weil da plötzlich Sicherheitsfragen auftauchen, weil sich ihr Leben nicht gleich normal entwickeln kann.
Bei einer solchen Ausgangsbasis frage ich mich: Kann ein demokratischer Politiker, der für sich in Anspruch nimmt, liberale Politik machen zu wollen, eine solche Form wählen? Ist das eine Entgleisung? Oder ist es nicht eher so, dass hier ein System Möllemann angewandt worden ist, das ganz eindeutig von Haider abgeguckt worden ist, weil das Erfolgsrezept funktioniert? Weil man auf diese Art und Weise bestimmte Schichten an Wählern mobilisieren kann, wird es so gemacht.
Ich möchte der CDU-Fraktion in einem Punkt entschieden widersprechen. Wenn man Persönlichkeiten wie Frau Hamm-Brücher, Gerhart Baum