Protocol of the Session on May 17, 2002

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, vor dem Hintergrund, dass es unklar geworden ist, wie es mit den zusätzlichen Förderstunden in der 5. und 6. Klasse aussieht, frage ich noch einmal ganz konkret nach, ob Sie bestätigen können, dass es sich - vom Status quo ausgehend, bezogen auf die Aussage im Kultusausschuss noch nicht einmal um eine ganze zusätzliche Förderstunde handelt, und ob Sie möglicherweise nach Rücksprache mit Herrn Othmer bestätigen können, dass es sich um nicht mehr - vielleicht aber auch um nicht weniger - handelt.

Frau Ministerin Jürgens-Pieper, bitte schön!

Frau Vockert, ich weiß, was Sie bezwecken. Sie wollen die Maßnahme, dass wir 50 % mehr Förderung in der Förderstufe machen, kleinreden. Sie ist aber nicht kleinzureden. Wir stellen Stellen zur Verfügung. Wir haben bereits Stellen etatisiert und werden diese in den nächsten Haushalten noch erhöhen. Dann wird es 50 % mehr Förderung in der Förderstufe geben. Da können Sie doch eigentlich nur jubeln.

(Klare [CDU]: Sie haben doch heute Morgen gesagt, dass es keine für 2002 gibt!)

Ich kann Ihnen bestätigen, dass es bereits Förderstunden gibt. Pro Klasse sind es immerhin vier Stunden. Das ist ja nicht wenig. So etwas haben andere Schulformen - auch jetzt im Augenblick gar nicht.

(Beifall bei der SPD)

Darauf legen wir dann mindestens noch eine weitere Stunde. Im Augenblick sind es bei 30 % 0,9 Stunden. Wenn wir auf 50 % gehen, wird es eine ganze Stunde mehr sein.

(Frau Körtner [CDU]: Das andere ist eine politische Zusage! - Zuruf von Frau Vockert [CDU] – Gegenruf von Plaue [SPD]: Gehören Sie dahinten zum Komödienstadl?)

- Das habe ich die ganze Zeit gesagt. Vier Stunden sind vorhanden, und eine Stunde kommt dazu. Es wird sogar mehr als eine Stunde sein.

(Zurufe von Frau Körtner [CDU])

- Frau Körtner, ich möchte das noch einmal klarstellen: Wir haben im Haushalt 2002/2003 - ich weiß nicht, ob Sie den Haushaltsplan nicht lesen 115 Lehrerstellen mehr zur Verfügung gestellt, damit mehr Förderung stattfindet. Ich möchte wissen, wo eigentlich Ihre Vorschläge zu diesem Thema sind.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU)

Sie verfrühstücken Ihre angegebenen Lehrerstellen, die Sie im Haushalt für fünf Monate finanziert haben, für alle Maßnahmen: für berufsbildende Schulen, für allgemein bildende Schulen, für mehr Förderung, für Ganztagsschulen. Alles, was Sie aufgelegt haben - ich habe es Ihnen schon einmal vorgerechnet -, kostet weit mehr als 5 000 Stellen. Das sollten Sie sich einmal vor Augen führen und hier auch begrüßen. Wir machen mehr Förderung in der Förderstufe. Ich weiß nicht, warum sich Bildungspolitiker darüber streiten.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, Frau Kollegin Litfin hat noch eine Frage. Bitte schön!

Frau Ministerin Dr. Trauernicht, ist es richtig, dass zur Finanzierung der Sprachfördermaßnahmen in den Kindertagesstätten kein zusätzliches Geld in Ihrem Etat zur Verfügung steht und jetzt versucht wird, auch aus anderen Mitteln Ihres Hauses - etwa aus der Wohlfahrtsrichtlinie, wodurch z. B. Drogenberatung und ähnliche sinnvolle Projekte unterstützt werden - Gelder zusammenzukratzen, um diese Sprachförderung zu finanzieren?

Bitte schön, Frau Ministerin!

Sehr geehrte Frau Abgeordnete, man muss zwischen Modellprojekten im Rahmen von Toto-Lotto-Mitteln und anderen Mitteln, die im Rahmen des geltenden Haushaltes jetzt schon möglich sind und die nicht zulasten anderer Projekte finanziert wer

den können, und weitergehenden Konzepten unterscheiden. Darüber und über ein umfassendes Sprachförderkonzept, das in der Tat zusätzliche Mittel erforderlich machen würde, hatte ich im letzten Plenum ausführlich berichtet. Dieses Konzept ist noch nicht vorgelegt worden.

Meine Damen und Herren, mir liegen zu dieser Frage keine weiteren Wortmeldungen vor.

Ich rufe auf

Frage 2: Täter-Opfer-Ausgleich in Niedersachsen bislang keine Erfolgsgeschichte

Ich habe gehört, dass Frau Kollegin Trost diese Frage im Parlament stellen wird. Bitte schön, Frau Trost!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 14. März 2002 hat Justizminister Prof. Dr. Pfeiffer die Umsetzung des Täter-Opfer-Ausgleichs in Niedersachsen als einen „Erfolg der Rechtspolitik“ dargestellt und ausgeführt, dass die Zahl der von den Schlichtungsstellen abgewickelten Täter-Opfer-Ausgleichsaufträge „in erheblichem Maße angestiegen“ sei. Entgegen dieser Aussage des Ministers ist in der Praxis festzustellen, dass sich die Durchführung des Täter-OpferAusgleichs teilweise als problematisch darstellt. So wird nach Angaben der Staatsanwaltschaft Osnabrück der Täter-Opfer-Ausgleich nicht wie erhofft angenommen (vgl. dpa-Meldung vom 19. März 2002). So ist es im Jahr 2001 in weniger als 50 % der Fälle zu einer außergerichtlichen Einigung zwischen Tätern und Opfern gekommen. Zudem falle der Arbeitsaufwand für die Staatsanwälte unter Umständen höher als bei herkömmlichen Anklageverfahren aus.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie beurteilt sie die kritische Bewertung des Täter-Opfer-Ausgleichs durch die Staatsanwaltschaft Osnabrück?

2. Wie wird die Praxis des Täter-Opfer-Ausgleichs von den anderen Staatsanwaltschaften in Niedersachsen beurteilt?

3. Welche Maßnahmen wird die Landesregierung ergreifen, um eine höhere Akzeptanz des TäterOpfer-Ausgleichs und eine Erhöhung der Zahl der außergerichtlichen Einigungen in Niedersachsen zu erreichen?

Danke schön. - Herr Minister Pfeiffer antwortet.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Anfrage nimmt Bezug auf meine Ausführungen im Plenum des Landtags vom 14. März dieses Jahres. Ich habe damals in der Tat die Umsetzung des Täter-Opfer-Ausgleichs als „Erfolg der Rechtspolitik“ bezeichnet – und ich meine, das zu Recht: Die Zahlen der von den Schlichtungsstellen abgewickelten Aufträge sind „in erheblichem Maße angestiegen“ – so meine damalige Formulierung. Und ich wiederhole es: Nach 753 Fällen im Jahr 1998 waren es 948 Fälle im Jahr 1999, 1 750 Fälle im Jahr 2000 und 2 276 Fälle im Jahr 2001.

(Beifall bei der SPD)

Damit hat sich die Zahl der zugewiesenen Fälle, die zu bearbeiten waren, etwa verdreifacht. Das ist, so meine ich, ein rechtspolitischer Erfolg, auf den wir stolz sein können.

Aber Sie weisen auch darauf hin, dass es in Osnabrück kritische Äußerungen gegeben hat, und Sie weisen auf die niedrigere Quote von etwa 50 % der Fälle hin, die erfolgreich abgeschlossen werden können. Das findet eine sehr einfache Erklärung. Von 100 Fällen, die einer Ausgleichsstelle, die einem Gerichtshelfer auf den Tisch kommen, scheitert ein gutes Drittel – etwa 35 % - schon daran, dass bei jedem fünften Fall das Opfer, wenn der Täter erwachsen ist, zögert und doch nicht mitmacht. Bei den Tätern sind es etwa 15 %, die sich gar nicht melden oder sich bei Nachfrage weigern. Die Einstellung der Opfer können wir nicht kritisieren. Das ist ihr gutes Recht. Niemand drängt sie mitzumachen. Bei den Tätern müssen wir das so akzeptieren. Dann kommen noch etwa 5 bis 10 % von Fällen hinzu, in denen die zuweisende Staatsanwaltschaft gehofft hat, dass der Täter bei seiner Geständnisbereitschaft bleiben werde, sich dann aber herausstellt, dass er es doch nicht gewesen sein will. Ein solcher Fall kommt dann für den Täter-Opfer-Ausgleich nicht mehr in Betracht. Einige Fälle sind von vornherein für den Täter

Opfer-Ausgleich ungeeignet, weil es kein individuell geschädigtes Opfer gibt.

Bundesweit haben wir die Situation, dass 40 bis 50 % der zugewiesenen Fälle nicht ernsthaft im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs bearbeitet werden können. Von denen, die dann übrig bleiben, können im Durchschnitt 90 % erfolgreich abgeschlossen werden.

Wenn wir nur die erfolgreichen Fälle betrachten, so stellen wir in Niedersachsen eine Verdreifachung, nämlich von etwa 350 Fällen vor drei Jahren auf 1 150 Fälle, fest. Hier hält sich also der Trend, den ich vorhin schon genannt habe.

Sie weisen zu Recht darauf hin, dass bei der Pressekonferenz gesagt worden sei, der Staatsanwalt habe sich kritisch geäußert. Das hat er in der Tat, aber er hat damit nichts anderes zum Ausdruck gebracht als ich am 14. März. Wir können uns nicht zufrieden zurücklehnen. Wie ich damals schon ausgeführt habe, ist das Potenzial für den Täter-Opfer-Ausgleich erheblich größer. Es wird teilweise deswegen nicht ausgeschöpft, weil die Staatsanwaltschaften mit diesen Fällen im Vergleich zur Unterzeichnung eines vorbereiteten, vorgefertigten Strafbefehls etwas mehr Arbeit haben. Da müssen wir Überzeugungsarbeit leisten, damit die Staatsanwälte begreifen, dass es sich trotzdem lohnt, weil wir nämlich Zivilverfahren vermeiden. Insgesamt sparen wir Verfahrensaufwand, auch wenn das zunächst etwas mehr Arbeit ist. Vor allem aber: Bei einem Strafbefehl fließt das Geld an die Staatskasse, ein Täter-OpferAusgleich ist zugunsten des Opfers. Diese Überzeugungsarbeit ist noch nicht 100-prozentig gelungen. Es gibt immer wieder Staatsanwaltschaften, die wegen der Mehrarbeit zögern, Fälle vorzuschlagen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die drei Fragen von Frau Trost und Frau Körtner wie folgt:

Zu 1: Herr Kruppa hat für die Staatsanwaltschaft Osnabrück nichts anderes zum Ausdruck gebracht, als ich soeben ausgeführt habe. Natürlich ist es richtig, dass wir die Erfolgsquote verbessern und die Zahlen steigern könnten. Aber gerade in seinem Bezirk, in Osnabrück, ist die Erfolgsbilanz weit besser als im Landesdurchschnitt. Im Jahre 1999 waren es 41 Fälle, im Jahre 2000 waren 191 Fälle und im Jahre 2001 291 Fälle, also das Siebenfache des Standes von vor zwei Jahren. Darüber hinaus gab es in Lingen im Jahre 2001 83

weitere Fälle. Gerade in Osnabrück haben sich die Zahlen besonders positiv entwickelt.

Wir reagieren auf die teilweise festzustellende Zurückhaltung der Staatsanwaltschaften mit Schulungsveranstaltungen, in denen wir versuchen, das bewusst zu machen, was ich vorhin ausgeführt habe, dass das insgesamt also eine Entlastung der Gerichte mit sich bringt, vor allem wenn es sich um mittelschwere Fälle handelt, in denen es normalerweise eine Anklage geben könnte. Den Mehraufwand müssen wir hinnehmen. Die Resonanz bei der Staatsanwaltschaft Osnabrück zeigt das. Sie bewertet den Täter-Opfer-Ausgleich insgesamt positiv.

Zu 2: Wir hatten Ihre Fragen allen Staatsanwaltschaften in Niedersachsen vorgelegt. Ich könnte Ihnen elf Antworten vortragen. Das möchte ich Ihnen aber ersparen, weil sich die Antworten ähneln. Die Staatsanwaltschaften sagen durchweg: Bei uns gibt es hohe bzw. wachsende Akzeptanz für den Täter-Opfer-Ausgleich. In einer einzigen Antwort, nämlich aus Lüneburg, wird etwas skeptischer formuliert. Darin heißt es, es habe Anlaufschwierigkeiten gegeben, aber die Akzeptanz nehme zu. Des Weiteren wird darauf hingewiesen, dass Mehrarbeit die Akzeptanz beeinträchtigen könnte. Der Fortbildungsbedarf wird bestätigt. Ansonsten aber sind die Meinungen geradezu extrem positiv formuliert, dass mit dem Täter-OpferAusgleich der richtige Weg beschritten werde und dass wir auf diesem Kurs weitermachen sollten.

Ich könnte Ihnen die Zahlen im Einzelnen vortragen.

(Jahn [CDU]: Nein!)

Ich habe sie für den Fall, dass Sie anschließend noch Fragen hätten, für alle Staatsanwaltschaften dabei. Hier sage ich nur: Der Trend ist überall in etwa derselbe, dass sich die Zahlen zumindest verdoppelt, teilweise aber auch, wie ich vorgetragen habe, verfünffacht und sogar versiebenfacht haben.

Wir haben auch in den benachbarten Bundesländern nachgefragt. Dort zeigt sich dieselbe Entwicklung. Auch dort gibt es eine Steigerung der Zahlen, auch dort liegt die Erfolgsquote zwischen 50 und 60 %; teilweise niedriger.

Zu 3: Was können wir tun, damit sich die Akzeptanz weiter erhöht? Was haben wir im Einzelnen getan?

Erstens. Wir haben für die nächsten beiden Jahre jeweils 358 000 Euro für die Förderung der freien Träger zur Verfügung gestellt. Wir haben sechs neue Gerichtshelferinnen und Gerichtshelfer im Jahre 2002 eingestellt, damit der Täter-Opfer-Ausgleich noch häufiger zum Einsatz kommt.

Zweitens. Wir bilden landesweit weitere Gerichtshelferinnen und Gerichtshelfer für die Aufgabe des Schlichters aus.

Drittens. Wir bieten den Staatsanwaltschaften TOA-Coaching-Veranstaltungen an, bei denen interdisziplinär Staatsanwaltschaft, Polizei und Gerichtshilfe miteinander auf den Kurs kommen, den ich vorhin beschrieben habe.

Viertens. Wir wollen gemeinsam mit dem Verein WAAGE e. V. in Hannover erproben – damit sind wir das erste Bundesland -, ob der Täter-OpferAusgleich in steigendem Maß auf Ehrenamtliche übertragen werden kann. Der Grund liegt auf der Hand. Pro Fall kostet uns ein Täter-Opfer-Ausgleich gegenwärtig 300 Euro. Das ist viel Geld. Mit Ehrenamtlichen ginge das kostengünstiger.