Protocol of the Session on May 16, 2002

Man könnte sich in aller Ruhe auf den Standpunkt stellen, dass es sich hierbei um das typische Gerede eines Oppositionsführers handelt.

(Busemann [CDU]: Das ist das typi- sche Regierungsgerede, wenn man sonst nichts vorzuweisen hat!)

Sie tun aber etwas, was man Ihnen so nicht durchgehen lassen kann. Sie hetzen die Regionen des Landes gegeneinander. Das darf zumindest niemand tun, der den Anspruch erhebt, eine Führungsposition in diesem Lande einzunehmen.

(Busemann [CDU]: Da kann man doch niemanden aufhetzen!)

Sie versuchen, die ländlichen Räume gegen die Verdichtungsräume auszuspielen. Herr Kollege Wulff, Verdichtungsraum ist nicht nur Ihr Popanz Hannover, den Sie immer aufbauen, sondern Verdichtungsräume sind auch Braunschweig, Göttingen, Osnabrück, Oldenburg und Lüneburg. Alle diese Räume hetzen Sie gegeneinander. Das darf nicht passieren, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Sie verschweigen, wie viel Mittel in den vergangenen Jahren verstärkt in den ländlichen Raum geflossen sind.

(Busemann [CDU]: Welche? Nennen Sie Zahlen!)

Ziel-2-Gebiet, Verkehrsinfrastruktur - Mittel dafür sind in den vergangenen Jahren verstärkt in den ländlichen Raum gelenkt worden.

Lassen Sie mich einmal das Thema Verkehrsinfrastruktur ansprechen. Herr Kollege Wulff, in der Bundesrepublik Deutschland hat es in den vergangenen 10 bis 15 Jahren eine Entwicklung gegeben, die man in etwa damit beschreiben kann, dass die Verkehrsinfrastruktur über den Bund für Süddeutschland finanziert wurde, während nach Norddeutschland nichts kam.

(Möllring [CDU]: Warum wohl? – Wulff (Osnabrück) [CDU]: Sie haben nichts angemeldet!)

Erst mit der Regierungsübernahme durch Gerhard Schröder in Berlin ist es gelungen, wieder mehr Mittel des Bundes für den Straßenbau nach Norddeutschland zu bekommen.

(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der CDU)

Zum ersten Mal ist es uns gelungen, Verkehrsadern wie die A 31, die A 26 oder die Ortsumgehung in Braunschweig zu finanzieren, nachdem Sie sich jahrzehntelang nicht bewegt hatten. Wir haben das geschafft!

(Beifall bei der SPD – Lachen bei der CDU)

Das Ergebnis dieser für den norddeutschen Raum erfolgreichen Politik ist, dass Sie Ihren Kandidaten Stoiber unterstützen, der dies wieder ändern will.

Die Verkehrsmittel wieder in den Süden, und den Atommüll in den Norden – das ist Ihre Politik für den ländlichen Raum!

(Lebhafter Beifall bei der SPD – Bu- semann [CDU]: Haben Sie schon den neuesten Stern gelesen?)

Herr Kollege Wulff, Sie beklagen, es gebe nicht genügend Postdienststellen im ländlichen Raum und auch die Angebote der Deutschen Bahn AG seien im ländlichen Raum nicht attraktiv genug. Haben Sie denn verdrängt, dass die Grundentscheidung zur Privatisierung dieser beiden Unternehmen von Ihrer Bundesregierung getroffen worden ist, ohne die notwendigen Gegenmaßnahmen einzuleiten?

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das gilt auch für die Krankenhauslandschaft. Sie ist ein Produkt der Gesundheitsstrukturreform von Seehofer. Wenn Sie heute so tun, als habe es das alles nicht gegeben, dann macht das nur deutlich, dass Ihr Gedächtnis offensichtlich noch schlechter ist als Ihre Vorschläge zur Finanzierung von Maßnahmen zur Stärkung des ländlichen Raumes. Da sind Sie sehr kleinlaut, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte Ihnen nur ganz wenige Projekte nennen, die in den letzten Jahren zur Stärkung des ländlichen Raums beigetragen haben: Dorferneuerungsprojekte in einer Größenordnung von 26 Millionen Euro in den vergangenen zehn Jahren,

(Möllring [CDU]: Das haben Sie zu- rückgefahren!)

„Niedersachsen am Zug“ mit 1,6 Milliarden Euro, 1,4 Milliarden Euro im Rahmen der Förderung der Ziel-2-Gebiete, 1,5 Milliarden Euro im Rahmen von PROLAND. Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies hat den ländlichen Raum entwickelt, und wir werden so weitermachen. Wir werden fortfahren mit Projekten, die, anders als Ihre Wolkenkuckucksheime, den Menschen helfen und die finanziert sind.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat nun der Kollege Golibrzuch.

(Hagenah [GRÜNE]: Endlich mal ei- ner aus dem ländlichen Raum! – Ge- genruf von der SPD: Ich dachte, der kommt aus Hannover!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube nicht, dass sich der Erfolg regionaler Strukturpolitik vor allem an der Verteilung von Verkehrsinvestitionsmitteln festmachen lässt. Die SPD-Fraktion selbst hat diesen Maßstab gewählt, als Sie angekündigt haben, nach der EXPO sei die Fläche an der Reihe.

(Zustimmung von Busemann [CDU])

Vor diesem Hintergrund macht es Sinn, sich anzuschauen, wie sich die Verkehrsinvestitionsmittel im Lande verteilen. Im Jahr 2001, in dem in Ihrem Antrag in Bezug genommenen Haushaltsjahr, in dem ersten Jahr nach der EXPO, haben wir aus dem großen Regionalisierungstopf des Landeshaushaltes 511 Millionen DM verausgabt – Investitionen im SPNV-Bereich. 37 % dieser Mittel gingen in den Großraum Hannover. Sie sind dort gut investiert. Aber das Problem ist, dass Sie vor der Weltausstellung den Menschen in Niedersachsen etwas anderes versprochen haben. Sie haben ihnen versprochen, nach der EXPO sei die Fläche an der Reihe.

(Zustimmung bei der CDU)

Sie halten dieses Versprechen nicht ein.

(Plaue [SPD]: Falsch!)

Das Schlimme ist, dass Sie dieses Versprechen mehrere Jahre lang nicht einhalten werden, weil nämlich ein Großteil dieser Verkehrsinvestitionen über die Niedersächsische Finanzierungsgesellschaft auf Pump finanziert worden ist und Sie deshalb über mehrere Jahre hinweg diese Beträge werden abtragen müssen.

Wenn Sie rufen, Herr Plaue, das sei falsch, dann will ich Ihnen gerne etwas zu Ihrem Antrag sagen.

(Möllring [CDU]: Den zieht er doch zurück!)

In Ihrem Antrag schreiben Sie, von 125 Millionen Euro für ÖPNV-Investitionen im Jahre 2001 wür

den mehr als zwei Drittel in der niedersächsischen Fläche eingesetzt. Sie blenden damit den größten Topf für Verkehrsinvestitionen aus, nämlich die Regionalisierungsmittel, und konzentrieren sich ausschließlich auf den verbleibenden Rest der Mittel nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz. Wenn Sie das so machen und sagen, das seien mehr als zwei Drittel der vom Land Niedersachsen getätigten Verkehrsinvestitionen, wenn Sie so die zwei Drittel berechnen, dann ist mir auch vor meinem nächsten Parteitag nicht bange, weil das mit Sicherheit deutlich weniger ist, als dem Land Niedersachsen zur Verfügung steht.

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜ- NEN und bei der CDU)

Die Verkehrsinvestitionen sind im Übrigen nicht das Wichtigste. Es ist richtig, dass der Lückenschluss der A 31, dass der Bau des Tiefwasserhafens auch Beiträge zur Lösung von regionalen Entwicklungsproblemen leisten können. Trotzdem brauchen wir im ländlichen Raum vor allem Investitionen in Köpfe und nicht zuallererst in Beton. Das eigentliche Problem des ländlichen Raums in Niedersachsen ist die geringe Erwerbstätigenquote von Beschäftigten mit Hochschulabschluss. Sie werden feststellen, dass Niedersachsen im gesamtdeutschen Vergleich hier Schlusslicht ist. Bei näherer Betrachtung werden Sie auch feststellen, dass der ländliche Raum, z. B. Ostfriesland, mit einem Anteil von 8 % an Erwerbstätigen mit Hochschulabschluss bundesweit absolutes Schlusslicht ist. Deshalb müssen wir darüber reden, dass in Niedersachsen die Unterrichtsversorgung im ländlichen Raum auf Dauer nicht niedriger sein darf als in den Ballungszentren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Wir müssen darüber reden, wie wir insbesondere den Fachlehrermangel im ländlichen Raum – es gibt nur noch sehr wenige Kolleginnen und Kollegen, die sich dorthin bewerben – beseitigen können.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Wir müssen darüber reden, wie wir die Mittel für den Forschungsbereich – ich nenne in diesem Zusammenhang nur das VW Vorab – anders vertei

len. Wir haben in den letzten zehn Jahren feststellen müssen, dass 75 % der Mittel aus dem VW Vorab an fünf Hochschulen in Süd- und Südostniedersachsen gingen. Im nordwestlichen Niedersachsen, im gesamten Regierungsbezirk WeserEms, studieren rund 25 % aller in Niedersachsen eingeschriebenen Studenten. Die dortigen Universitäten und Fachhochschulen erhalten aber mal gerade 8 % dieser Forschungsmittel. Das kann doch nicht richtig sein! Auch dort gibt es förderungswürdige Sonderforschungsbereiche. Wir können diesen Raum bei der Vergabe von Forschungsmitteln nicht auf Dauer vernachlässigen. Das können wir uns in Niedersachsen nicht leisten.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Wenn wir in Köpfe investieren wollen, dann müssen wir auch in Hochschulen und Fachhochschulen investieren. Aber da haben wir ein Problem der Unterfinanzierung; übrigens nicht nur in WeserEms - das hat Ihnen doch Ihr Parteifreund Horst Milde mit seinen Spitzen aus Nordwest aufgeschrieben; es ist doch nicht falsch, was in dieser Veröffentlichung steht -, sondern auch in Lüneburg. Wir haben in Nordwest- und in Nordostniedersachsen eine krasse, eine eklatante Benachteiligung bei der Vergabe von Forschungs-, Hochschul- und Fachhochschulmitteln.

(Plaue [SPD]: Das ist alles ländlicher Raum?)

- Das sind auch Verdichtungsräume, und deswegen, Herr Plaue, geht es natürlich nicht nur um den ländlichen Raum, sondern auch um Landesteile.

(Plaue [SPD]: Sie reden über Ver- dichtungsräume und streuen den Leuten Sand in die Augen!)

Diese Benachteiligung von Landesteilen macht sich natürlich auch fest an Hochschulen in Lüneburg, und sie macht sich auch fest an Hochschulen in Oldenburg.