Dieses Beispiel aus dem Transporthaus der JVA Hannover ist gewiss ein krasses Beispiel. Aber in vielen Anstalten ist seit einer ganzen Reihe von Jahren die Notbelegungsfähigkeit überschritten. Bei sinkender Kriminalität werden die Gefängnisse immer voller. Im Jahre 2001 hatten wir in Niedersachsen wieder so viele Gefangene wie Ende der 60er-Jahre, vor In-Kraft-Treten der großen Strafrechtsreform.
Die Antworten der Landesregierung sind hier bekannt. Sie bestehen neben mehreren kleineren Umund Erweiterungsbauten im Wesentlichen aus dem Bau von drei neuen Großgefängnissen in Oldenburg - es ist schon eine Weile fertig - sowie in Sehnde im Raum Hannover und in Göttingen, die in den Jahren 2004/2005 ihre Zellentüren öffnen sollen. Damit weiß sich die Landesregierung im bundesweiten Trend. Kein anderes westeuropäisches Land investiert derart massiv in den Ausbau
Diese Orientierung auf teure Neubauten verstellt nach unserer Überzeugung den Blick auf die auch schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges. Das ist ja nicht nur segensreich und heilvoll, sondern in vieler Hinsicht häufig auch teuer und sinnlos. Diese Orientierung auf Neubauten verstellt auch den Blick auf hausgemachte Ursachen. Dazu gibt es sehr interessante Untersuchungen, beispielsweise des KFN zum Ländervergleich zwischen Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Niedersachsen hat einen besonders hohen Anstieg der Gefangenenzahl, den höchsten unter den alten Bundesländern. Außerdem verstellt diese Orientierung den Blick auf denkbare Alternativen. Es geht ja nicht nur darum, Mörder, Gewalttäter und Sexualverbrecher sicher hinter Gitter zu bringen und dadurch die Allgemeinheit zu Recht vor ihnen zu schützen, sondern in den Gefängnissen sitzen auch viele Kleinkriminelle und auch andere, die gar nicht dorthin gehören.
Zu dem Thema Haftmeidung und Haftverkürzung haben wir mehrfach Initiativen als Alternative zum Neubau großer Gefängnisse hier in diesem Hause eingebracht. Sie sind auch verstärkt auf Interesse bei der SPD-Fraktion gestoßen. Mit der CDUFraktion braucht man sich gar nicht lange darüber zu unterhalten; sie ist so von der allein selig machenden Wirkung des Freiheitsentzuges überzeugt, dass sich das Diskutieren dort kaum lohnt. Aber passiert ist hierzu, ehrlich gesagt, in den letzten Jahren vergleichsweise wenig. Wegen der Kürze der mir zur Verfügung stehenden Redezeit möchte ich nur wenige Aspekte herausgreifen.
Die neue Haftanstalt in Göttingen wird 309 Haftplätze haben. Das ist ziemlich genau die Zahl von Plätzen, die wir jeden Tag für Menschen benötigen, die eine Geldstrafe nicht bezahlen und deswegen eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen müssen. Wir haben gute Erfahrungen mit einem Modellversuch zur frühzeitigen Vermeidung von Untersuchungshaft gemacht. In jedem dieser Beispielsfälle konnten mehrere Tage Untersuchungshaft erspart werden. Diese Modell rechnet sich und muss unbedingt auf andere Bereiche außerhalb von Hannover übertragen werden.
1993 wurden gute Erfahrungen mit Vollstreckungsunterbrechungen und der großzügigen Gewährung von Vollstreckungsaufschub bei der seinerzeitigen Überbelegung des Frauenvollzuges
gemacht. Zum Beispiel mussten von den 32 Frauen, denen damals - 1993 - Haftunterbrechung gewährt worden war, nur sieben Frauen ihre Haft fortsetzen; der Rest hat keine weiteren Straftaten in der Zeit begangen.
Wir haben nach wie vor ärgerliche Abstimmungsprobleme zwischen Innen- und Justizressort, was die Unterbringung von Abschiebungsgefangenen angeht. Es muss einfach nicht sein, meine Damen und Herren, dass jemand zwei Jahre Strafhaft verbüßt und die Ausländerbehörde erst dann damit anfängt, die Voraussetzungen für die Abschiebung in das Heimatland herbeizuführen, und dass er dann noch sieben Monate Abschiebehaft in Hannover-Langenhagen verbüßen muss. Diese Fälle, in denen das Ende der Strafhaft abgewartet wird und erst dann die Aktivitäten zur Abschiebung so richtig in Gang kommen, sind zu zahlreich und belasten unnötigerweise notwendige Haftplatzkapazitäten in unseren Haftanstalten.
Das Wichtigste ist aber, dass möglichst bald die mehrfach angekündigte und leider verschobene große Sanktionsrechtsreform durch den Bundestag beschlossen wird. Wir brauchen dringend Alternativen zu dem starren System von Geld- und Freiheitsstrafe. Die Vorschläge liegen seit langem auf dem Tisch: gemeinnützige Arbeit für Kleinkriminelle, Erweiterung der Strafaussetzung zur Bewährung, Reform der Ersatzfreiheitsstrafe. Auch hier können wir es uns nicht leisten, bis 2004 oder 2005 zu warten, bis derartige Reformen greifen. Insofern erwarten wir von der Landesregierung, dass sie auch die aktuelle Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum Anlass nimmt, gegenüber dem Bund auf diese dringend notwendige Reform eindringlich zu pochen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist eine Binsenwahrheit, dass unsere moderne Industriegesellschaft nicht nur vielfältig und vielschichtig ist, sondern zum Teil auch bis in kleinste Verästelungen hinein vielfältig und vielschichtig organisiert ist. Dabei werden allerdings auch manche Bereiche ganz ausgelassen oder in den Hintergrund gedrängt, um urplötzlich, wenn
das öffentliche oder veröffentlichte Interesse es will, im Rampenlicht zu stehen. Dazu gehört beispielsweise das Bestrafungsverfahren. Viele interessieren sich nach meinem Eindruck wenig für den Strafvollzug, sondern mehr für spektakuläre Straftaten, Strafverfahren und Gerichtsverhandlungen. Die Gesellschaft geht einfach davon aus, dass er funktioniert. Sie kümmert sich aber wenig oder gar nicht darum, wie er funktioniert. Ich meine, das ist die falsche Sichtweise.
So, wie durchaus zu Recht gefordert wird, bei Auffälligkeiten im öffentlichen Bereich - Stichworte „Gewalt“ und „Sachbeschädigungen“ - hinzuschauen, statt wegzuschauen, ist dieses Verhalten auch bei der Verhängung und beim Vollzug von Strafen angebracht. Es ergeben sich in Teilbereichen daraus zwangsläufig Fragen nach Art und Umfang der Bestrafung. Dabei geht es nicht um Veränderungen für Schwerverbrecher oder Gewalttäter, Menschen also, vor denen die Gesellschaft ohne Wenn und Aber geschützt werden muss. Andere Bereiche aber, die die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in ihrem Entschließungsantrag anspricht, sind durchaus diskussionswürdig.
Ich habe Verständnis dafür, dass eine Oppositionspartei ihre Vorschläge und Ideen zunächst mit Vorhaltungen gegen die Regierung verbindet. Dabei wird dann natürlich schnell all das vergessen, was diese zusammen mit der sie tragenden Partei eingeleitet, durchgeführt oder auf den Weg gebracht hat. Christian Pfeiffer ist nun einmal, ob Ihnen das passt oder nicht, ein innovativer, kreativer und konsequenter Justizminister, der keine Denkverbote kennt.
Erlauben Sie mir nun einige Anmerkungen zum Handeln der Regierung. Der Überbelegung der geschlossenen niedersächsischen Vollzugsanstalten wird keineswegs allein mit der Schaffung zusätzlicher Haftplätze begegnet. Ich nenne in diesem Zusammenhang insbesondere Maßnahmen wie die Abschiebung ausländischer Straftäter nach teilweiser Verbüßung ihrer Freiheitsstrafe und die Gnadenerweise anlässlich des Weihnachtsfestes sowie vollzugsorganisatorische Maßnahmen wie die vermehrte Einweisung bestimmter Verurteilter in den offenen Vollzug nach dem Vorbild NordrheinWestfalens.
Das in der JVA Hannover begonnene Projekt der Untersuchungshaftvermeidung wird nach einer etwa dreijährigen Erprobung wissenschaftlich evaluiert. Ein abschließender Bericht dazu liegt zwar noch nicht vor, es kann jedoch bereits festgestellt werden, dass es in einer nicht unbedeutenden Anzahl von Einzelfällen zu einer Beschleunigung des jeweiligen Strafverfahrens und damit einhergehend zu einer Verkürzung der Dauer der Untersuchungshaft um immerhin durchschnittlich 14 Tage je Gefangenen gekommen ist.
Zur Abschiebehaft nur so viel: Innen- und Justizministerium bemühen sich gemeinsam, die Dauer der Abschiebehaft weiter zu verkürzen.
Der Autor Martin Klingst hat in der Zeitung Die Zeit vom 11. April 2002 unter der Überschrift „Einsperren ist teuer und sinnlos“ bedenkenswerte Ausführungen gemacht, die vielleicht, Herr Kollege Schröder, Pate standen für Ihren Antrag.
Unser Einsatz geht in die Richtung: Wo und wie können intelligente Strafzumessungen Haftstrafen vermeiden, dadurch Familien entlasten statt belasten und trotzdem dazu beitragen, dass es nicht zu Rückfällen kommt? „Schwitzen statt Sitzen“ ist die griffige Formulierung für einen Teilbereich, nämlich für Täter, die mit einem geringfügigen Strafmaß belegt werden. Andere Formen, wie sie auch im Entwurf des Bundesjustizministeriums zum Teil enthalten sind, wären: Bei Ersttätern vermehrt Strafen zur Bewährung aussetzen; die Nichtzahlung von Geldstrafen mit der Verpflichtung zu gemeinnützigen Arbeiten ahnden; prüfen, ob nicht Fahrverbote auch außerhalb von Verkehrsdelikten geeignete Strafmaßnahmen sind; gemeinnützige Arbeiten anordnen, statt Geld- oder Freiheitsstrafen zu verhängen.
Solche Überlegungen sind Denkanstöße. Sie können und dürfen nicht zu schematischen Regelungen führen, weil die Richter Ermessensspielräume brauchen.
Alle von mir dargestellten Möglichkeiten sind Bestrafungen, die spürbar sind und spürbar bleiben sollen. Sie werden aber die Haftanstalten deutlich entlasten - mit wiederum positiven Folgen für Gefangene und vor allen Dingen auch für die Bediensteten. Sie passen aber auch zu anderen Initiativen unserer Fraktion - wie das Betreuungsrecht, das wir am Vormittag besprochen haben – mit dem Ziel, durch Verfahrensänderungen Kosten einzusparen, ohne Qualität zu minimieren. Deshalb
sollten wir bei Übereinstimmung in der Sache gemeinsam nach Lösungen suchen. Probleme und Kosten schaffen wir nicht durch parteiliche Streitigkeiten aus der Welt, sondern durch konkretes Handeln. Ich bin gespannt auf die Beratungen im Ausschuss.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist von der Thematisierung des Problems „Überbelegung der Haftanstalten - menschenunwürdige Unterbringung von Gefangenen“ her gerechtfertigt und in einigen Punkten durchaus unterstützenswert, bei näherer Prüfung in seiner Gesamtzielsetzung und in einigen Einzelpunkten jedoch problematisch und unseres Erachtens politisch verfehlt.
Es ist unstrittig: Der Justizvollzug ist zunehmend besonderen Belastungen ausgesetzt, und die andauernde Überbelegung der Justizvollzugsanstalten auf einem sehr hohen Niveau ist für alle daran Beteiligten - die Gefangenen, die Bediensteten und die verantwortliche Politik - ein großes Problem. Der Justizvollzug hat die gesetzliche Aufgabe, die gefangenen Menschen würdig unterzubringen hierzu hat Kollege Schröder ja auch auf das Urteil abgestellt -, er dient aber auch dem Schutz der Bevölkerung, meine Damen und Herren.
Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich in den letzten Jahren deutlich verändert: das in der Gesellschaft wachsende Bedürfnis nach innerer Sicherheit, die Öffnung der Grenzen in Europa, das Suchtverhalten, der Drogenkonsum, die Gewaltbereitschaft, aber auch die veränderte mediale Aufmerksamkeit und ihre Wirkung auf die öffentliche Meinungsbildung und nicht zuletzt die dauerhaft und angespannte Lage der öffentlichen Haushalte. Ziel muss es daher sein, die verfügbaren Ressourcen zu bündeln und mit den vorhandenen Mitteln angemessen und flexibel umzugehen.
Der beste Weg ist die Haftvermeidung, und dazu sind verstärkt Maßnahmen zur Kriminalprävention und zu der erforderlichen Kriminalitätsbekämpfung notwendig. Bündnis 90/Die Grünen haben sich in ihrem Antrag in vielen Punkten ganz offensichtlich die Vorschläge der Bundesjustizministe
rin zur Reform der strafrechtlichen Sanktionen zu Eigen gemacht. Wer aber eine Reform des Sanktionsrechts in Form einer Schwächung der Freiheitsstrafe und einer Ausweitung der Strafaussetzung zur Bewährung fordert, könnte auch Kriminalitätsanreize schaffen, weil Tätern keine glaubwürdigen Bestrafungen mehr drohen. In der Schlussfolgerung, meine Damen und Herren, könnten weniger nachhaltige und wirkungsvolle Strafmaßnahmen auch weniger strafrechtlichen Schutz für die Bevölkerung bedeuten.
Der Staat hat das Gewaltmonopol. Das heißt, ihm allein obliegt die Bestrafung der Täter. Der Staat hat aber auch den Schutz der Bevölkerung zu gewährleisten. Weicht er seine eigenen Sanktionsmöglichkeiten auf und kapituliert er vor der Knappheit der Ressourcen - im Klartext: weil kein Geld da ist, bleiben angemessene Strafzumessungen aus -, wird er zum zahnlosen Tiger, und das wird zu einem hohen Maß an Verunsicherung in der Bevölkerung und zu einer Gefährdung des Rechtsfriedens führen können. Machen Sie ein solches Vorhaben, Herr Kollege Schröder, mal dem rechtstreuen Bürger in all seinen Facetten klar. Da werden Sie auf sehr wenig Verständnis treffen. Es ist, meine ich, auch ein Schlag ins Gesicht der Opfer, gerade im Hinblick auf den von Rot-Grün doch immer hochgehaltenen Opferschutz.
Ich meine, ganz besonders problematisch ist dabei die grundsätzliche Forderung nach einer Ausdehnung der Strafaussetzung zur Bewährung. Sie, Herr Kollege Schröder, beziehen sich in Ihrem Antrag immer auf den Bereich der kleinen und mittleren Kriminalität. Aber kann denn wirklich mit einem solchen Signal verhindert werden, dass nicht auch Schwerverbrecher darauf hoffen können, durch vorzeitige Bewährung frühzeitig aus der Haft zu kommen? Auch wenn Sie das gar nicht wollen, das Signal und die Ausrichtung, so meine ich, sind falsch.
Ebenso abzulehnen ist die vorgeschlagene Ausweitung der gemeinnützigen Arbeit. In ihrem bisherigen Anwendungsbereich hat die gemeinnützige Arbeit durchaus ihre Berechtigung. Sie kann aber keine Allzweckwaffe zur Reaktion auf Kriminalität sein. Eine Ausweitung der gemeinnützigen Arbeit würde das vom Gesetzgeber in § 47 des Strafgesetzbuches vorgesehene Instrument der kurzen Freiheitsstrafe zu einem stumpfen Schwert werden lassen. Danach kann das Gericht bei besonderen Umständen in der Tat oder der Persönlichkeit des
Täters, z. B. bei besonders kriminellen Neigungen oder zur Verteidigung der Rechtsordnung, wenn der Täter mit ungewöhnlicher Brutalität oder Gleichgültigkeit gehandelt hat und generalpräventiv ein Zeichen gesetzt werden muss, eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängen. Die im Einzelfall aus den genannten Gründen unerlässlich kurze Freiheitsstrafe wäre ihrer Wirkung völlig beraubt, wenn dem Täter die Möglichkeit eröffnet würde, statt einer Freiheitsstrafe gemeinnützige Arbeit zu leisten. Das ist auch rechtssystematisch überhaupt nicht nachvollziehbar. Der gesetzgeberische Wille würde hier ad absurdum geführt.
Wir sind durchaus dafür, das Fahrverbot als eigenständige zusätzliche, also additive Sanktionsform einzuführen. Zur Vermeidung und Verkürzung von Abschiebehaft unterstützen wir auch den Vorschlag, die Zusammenarbeit zwischen Innen- und Justizministerium zu intensivieren.
Angesichts der in der letzten Zeit gestiegenen Häftlingszahlen sind die von der Landesregierung geplanten Neubauten grundsätzlich zu begrüßen. Diese sind im Interesse der Gefangenen und der Justizvollzugsbediensteten. In Anbetracht des damit verbundenen hohen Kostenaufwandes sind natürlich Maßnahmen zur Kostenentlastung angezeigt. Eine Kostenentlastung könnte beispielsweise durch die Rückführung ausländischer Straftäter in ihre Heimatländer zur Strafverbüßung erreicht werden. Wir hatten ja hierzu am 6. November 2001 eine parlamentarische Initiative eingebracht. Nach Berechnungen des Landes Bayern kostet jeder Strafgefangene den Steuerzahler pro Jahr rund 45 000 DM. Von daher sollte die Möglichkeit der Strafverbüßung im Heimatland – wo möglich; ich sage ausdrücklich: wo möglich - verstärkt betrieben werden.
In Bayern ist auch das Konzept eines so genannten Gefängnisses light entwickelt worden. Das bedeutet weniger Sicherheitstechnik, weniger Personal und damit weniger Kosten. In solchen Anstalten werden nach bayerischen Vorschlägen nur „geeignete“ Kleinkriminelle aufgenommen, nämlich solche, die ihre Geldstrafe nicht bezahlen können und deswegen eine Freiheitsstrafe verbüßen müssen. Nicht geeignet sind beispielsweise Gefangene, die wegen Gewalt- und Sexualdelikten vorbestraft sind oder bei denen eine Suchtgefährdung vorliegt. Die Sicherheits- und Behandlungskonzeption soll der kurzen Verweildauer und der geringen Entweichungsgefahr dieser Gefangenen so weit wie möglich angepasst werden. Kostenintensive Sicher
heitseinrichtungen, z. B. Beobachtungstürme und Umwehrungsmauern, entfallen ebenso wie auf längere Dauer angelegte Aus- und Fortbildungsmaßnahmen. Die Landesregierung sollte eine Umsetzung dieses Konzeptes in Niedersachsen prüfen, da hiermit erhebliche Kosteneinsparungen verbunden sind.
In Nordrhein-Westfalen hat der Justizminister Dieckmann angedacht, Gefangene, die an bestimmten Einzelmaßnahmen, z. B. einem AntiAggressionstraining, erfolgreich teilnehmen, für einen überschaubaren Zeitraum in eine Anstalt zusammenzuziehen, wo solche Angebote gemacht werden, also so genannte Anstaltsverbünde zu schaffen, was natürlich auch zu Kosteneinsparungen führen könnte.
Dem Problem der Überbelegung der Haftanstalten sollte nicht durch Haftvermeidung und Haftverkürzung begegnet werden. Hier beabsichtigen Sie etwas, was unter Umständen unter dem Diktat der knappen Finanzen in der Konsequenz genau in die falsche Richtung geht und zu einer nicht unerheblichen Rechtsunsicherheit führen könnte. Wir meinen, dass durch intelligenten und flexiblen Einsatz der verfügbaren Mittel, durch Bündelung von Ressourcen und durch Offenheit gegenüber neuen Konzepten diesen Problemen begegnet werden könnte.
Ich freue mich, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie immer auf eine angemessene Beratung im dafür zuständigen Rechtsausschuss. - Danke schön.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es trifft zu, dass in unseren Gefängnissen starke Überbelegung herrscht. Um diesen Sachverhalt darzulegen, reicht es allerdings nicht aus, auf die Haftquote in Schleswig-Holstein zu verweisen. Dort hat es zwischen 1990 und 2000 eine Steigerung der Haftzahlen von 52 auf 56 pro 100 000 Bürger gegeben. Bei uns hat es eine Steigerung - in der Tat deutlicher - von 67 auf 83 pro 100 000 Bürger gegeben. Wenn man aber die anderen Bundesländer mit einbezieht, stellt man fest, dass wir keineswegs Spitze sind, sondern im Gegenteil: Der
Durchschnittwert liegt deutlich über unserem Wert. Bundesweit hat es in den 90er-Jahren im Durchschnitt einen Anstieg der Haftzahlen von 80 auf 99 pro 100 000 Bürger gegeben, also ein Anstieg in einem weitaus stärkerem Maße als bei uns. Das bundesweite Niveau liegt damit um ein Fünftel über unserem. Aber es bleibt dabei: Wir haben allen Anlass, darüber nachzudenken, was gegen die problematische Überbelegung zu tun ist.
Auf die Neubauten ist bereits hingewiesen worden. Sie sind wirklich notwendig und unverzichtbar. Wenn Sie, Herr Abgeordneter Schröder, den Eindruck vermitteln, das hätten wir vermeiden können, dann sage ich: Das stimmt nicht! Gerade die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, die Sie hier dargestellt haben, zeigt doch, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden, weil wir schnell Abhilfe durch Oldenburg bekommen haben und weitere Abhilfe durch Rosdorf und Sehnde erhalten werden. Ich bin sehr dankbar, dass meine Vorgänger, Heidi Merk und Wolf Weber, Vorsorge getroffen haben.
Als einziges Bundesland lassen wir gründlich untersuchen, warum es zu diesem Anstieg der Gefangenenzahlen gekommen ist. Die Kriminalitätsentwicklung - das hat Herr Abgeordneter Schröder ganz richtig bemerkt - hat das nicht unbedingt erwarten lassen. Die Zahl der Angeklagten hat zwischen 1990 und 1998 in Niedersachsen nur um 15,9 % zugenommen, die Zahl der Haftjahre, die verhängt wurden, dagegen um 42,8 %. Es muss also geklärt werden, woran das liegt. Ich bin Herrn Weber sehr dankbar, dass er dem KFN auf unsere Anregung hin damals den Auftrag erteilt hat, diese Sache zu untersuchen. Die Forschungsergebnisse werden im nächsten Jahr vorliegen und dann von der Wissenschaft an die Praxis zurückgemeldet werden. Wir halten uns dort heraus, schon aus Respekt vor der richterlichen Unabhängigkeit. Unsere Sache ist es, die Entscheidungen, die die Gerichte getroffen haben, zu vollziehen und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass das geschehen kann.
Herr Abgeordneter Schlüterbusch hat bereits darauf hingewiesen: Die Ideen, die von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vorgetragen wurden, werden von uns zum größten Teil schon längst umgesetzt.
In Bezug auf das schon von Herrn Schröder erwähnte U-Haft-Projekt will ich darauf aufmerksam machen, dass wir das einzige Bundesland sind, das