Protocol of the Session on March 13, 2002

„Hat ein Mitarbeiter eine Arbeit auf Anordnung, gegen die er Bedenken erhoben hatte, ausgeführt, so steht es ihm frei, seine abweichende, dem Vorgesetzten vorgetragene Auffassung in einem Aktenvermerk festzuhalten.“

Lieber Herr Hepke, wenn Sie das mit „modern“, „dienstleistungsorientiert“ oder wie auch immer meinen, dann kann ich dazu nur die Meinung des Vorsitzenden des Bezirkspersonalrates dieser Bezirksregierung anführen. Dieser sagt, die Gespräche mit den Vorgesetzten würden in Niedersachsen durch diese Anordnung, die offenbar in allen Bezirksregierungen nach wie vor aufrechterhalten wird, im Keime erstickt. Das ist die Realität in den Verwaltungen in Niedersachsen. Sie sind weder modern noch sonst etwas.

(Zustimmung von Frau Pawelski [CDU])

Zweitens. Sie behaupten, in Niedersachsen seien 150 Behörden abgebaut worden. Trotz dieser wundersamen Reduzierung stellen wir heute fest: Es gibt immer noch rund 800 Behörden in Niedersachsen, 492 davon allein auf der Ebene der Mittelinstanz, lieber Kollege Hepke. Der Innenminister dieses Landes, Herr Bartling, hat am 5. Februar des letzten Jahres erklärt, es seien sogar 180 Behörden abgeschafft worden. Aber er war im Gegensatz zu Ihrem Antrag zumindest so ehrlich einzugestehen, dass rund 60 Behörden inzwischen Außenstellen des Landes Niedersachsen sind und neu eingerichtet wurden und dass sich inzwischen mehr als 50 Behörden in Niedersachsen Landesbetriebe nennen und deshalb als Behörde weggefallen sind. Sie haben in Niedersachsen nichts anderes gemacht, als Behördenschilder ausgetauscht. Die Behörden haben Sie nicht abgeschafft, lieber Kollege Hepke.

Drittens. Sie behaupten, Sie hätten Vorschriften und Erlasse um 50 % reduziert.

(Frau Leuschner [SPD] und Möhr- mann [SPD]: Das stimmt!)

Ich darf Ihnen sagen, dass im Jahre 2001 in Niedersachsen insgesamt 133 Gesetze verabschiedet und 384 neue Vorschriften und Richtlinien erlassen wurden. Ich habe das einmal im entsprechenden Register nachgezählt und weiß eben auch, dass die Vorschriften und Erlasse im Umweltministeriums lediglich komprimiert wurden. Ein Beispiel ist die Freizeitlärmrichtlinie. Ich darf Ihnen mitteilen, dass diese Freizeitlärmrichtlinie im Februar 2001 geändert und hierdurch ein Bezugserlass aus dem Jahre 1996 aufgehoben wurde. Ich darf daraus zitieren. Interessanterweise sind nach dieser atemberaubenden Richtlinie z. B. Kinderspielplätze keine, aber Hundedressurplätze Freizeitanlagen. Das ist schon eine weitreichende Erkenntnis, die man gewonnen hat! - Dass der Erlass zwar geändert, aber nicht abgeschafft wurde, dass nach dem Februar 2001 dasselbe darin steht, was 1996 auch schon darin stand, auch das ist Realität, lieber Kollege Hepke.

Aber wir freuen uns sehr, denn der Landesregierung ist es inzwischen immerhin gelungen, den Erlass zur Führung des Staatsbanners auf DienstKfz aus dem Jahre 1958 abzuschaffen. Wenn Sie das mit der Reduzierung der Vorschriften um 50 % meinen, dann herzlichen Glückwunsch.

Nun noch ein Beispiel aus Hannover. Sie haben es vielleicht gehört. So geht es eben, wenn man keine niedersächsische Gaststättenverordnung verabschiedet, sondern das Bundesrecht in Niedersachsen gelten lässt. Es ist allen Ernstes so, dass die Mitarbeiter des Ordnungsamtes der Stadt Hannover am 3. Juli des letzten Jahres eine atemberaubende Erkenntnis gewonnen haben. Denn in einer Bäckerei in Hannover saßen Menschen. Die haben dort Brötchen gegessen. Inzwischen weiß ich sehr genau, was der Unterschied zwischen Sitzen und Stehen ist. Sitzen ist nämlich eine „wesentliche Entlastung der Beine zugunsten des Gesäßes“. Und es gibt in Niedersachsen einen wesentlichen Unterschied zwischen „Sitzhilfen“ und „Stehhilfen“. Meine Damen und Herren, so lange sich Mitarbeiter einer Verwaltung in diesem Lande über Tage, über Wochen mit dem Unterschied zwischen Sitzund Stehhilfen beschäftigen, kann man eigentlich gar nicht oft genug sagen: Sie haben viel zu viel Zeit, es gibt viel zu viel Personalkapazitäten in diesen Ordnungsämtern.

(Beifall bei der CDU - Frau Pawelski [CDU]: Jawohl! Kontrollieren!)

Viertens. Sie behaupten, die Ausstattung mit modernen IuK-Techniken sei in Niedersachsen inzwischen weit vorangeschritten. Ich darf Ihnen Folgendes entgegenhalten: Von den ca. 200 000 Mitarbeitern der Landesverwaltung verfügen inzwischen ganze 10 % über einen Internet-Anschluss. Das ist schon ein atemberaubender Fortschritt: Lieber Kollege Hepke, das Finanzamt Wilhelmstraße in Braunschweig verfügt seit etwa zweieinhalb Monaten über einen Internet-Anschluss, aber bis heute können noch keine E-Mails nach draußen versandt werden. Was das mit Kundenorientierung und dem, was Sie in Ihrem Antrag formuliert haben, zu tun hat, verstehe, wer will.

Fünftens. Lieber Kollege Hepke, Sie behaupten, die Beschäftigten der Landesverwaltung würden ausreichend weitergebildet und qualifiziert. Das Finanzministerium hat ausweislich des Berichts des Landesrechnungshofs vom 3. Januar 2002 gesagt, dass die Mitarbeiter der Vollstreckungsstellen tatsächlich noch auf einer nicht zum Einsatz gekommenen Version des Vollstreckungsmoduls ausgebildet wurden. Meine Damen und Herren, in Niedersachsen wird auf Modulen ausgebildet, die in diesen Bereichen gar nicht zum Einsatz kommen. Das ist schlichtweg ein Skandal. Hier entsteht ein Schaden für das Land Niedersachsen, den Sie mit noch so gut gemeinten Anträgen nicht wieder werden wettmachen können.

(Beifall bei der CDU)

Sie behaupten, Sie hätten bei elektronischen Verfahren einen hohen Standard erreicht. Das IZN, lieber Herr Kollege Hepke, hat mit Zustimmung des Niedersächsischen Finanzministeriums ein Softwareverteilungsprogramm für insgesamt mehr als 4,5 Millionen DM erworben, das nicht genutzt wird. Entgegen der Behauptung des Niedersächsischen Finanzministers von vor einer oder zwei Wochen ist der gesamte Bereich des Mahn- und Vollstreckungswesens erst wieder im April dieses Jahres einsatzfähig. Der Finanzminister behauptete im Ausschuss genau das Gegenteil. Er sagte, das Ganze sei schon längst wieder im Gang.

(Hagenah [GRÜNE]: Das sagt er schon seit einem halben Jahr!)

Das stimmt nachweislich nicht, wenn Sie sich einmal mit den entsprechenden Mitarbeitern unterhalten wollen. Meine Damen und Herren, Sie

wollen auf einem Standard aufbauen, den Sie uns hier zwar schön dargestellt haben, dessen Fundament aber noch nicht im Ansatz erkennbar ist.

Nahezu zum Schluss darf ich auf das Projekt P 53 hinweisen. Das Projekt P 53 - integriertes Haushaltswirtschaftssystem - hat ein Gesamtvolumen von rund 250 Millionen Euro. Dieses Projekt wurde nicht nur keiner Kostenschätzung unterzogen, sondern es war auch noch 40 Millionen Euro teurer. Außerdem haben Sie noch 200 000 Euro für ein völlig nutzloses Gutachten ausgegeben. Das gesamte Projekt - immerhin eine Summe von 250 Millionen Euro - wurde nicht einmal einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung unterzogen, wie sie § 26 der Landeshaushaltsordnung vorschreibt. Das ist ein Skandal!

Meine Damen und Herren, ich zitiere einmal Folgendes, um Ihrem Antrag ein wenig auf die Sprünge zu helfen:

„In jeder Fachzeitschrift, die sich mit Verwaltungsreform beschäftigt, wird ein neues Modell, ein neues Reformmodell vorgestellt. Ein englischer Begriff jagt den anderen. Kaum weiß man, was ein Produkt ist, wird statt einer Orientierung am so genannten Output nun eine Orientierung am Outcome verlangt. Die Kosten- und Leistungsrechnung ist noch nicht eingeführt, schon soll man über funktionierendes Controlling verfügen. In den Landeshaushaltsordnungen sind schon Leistungshaushalte erwähnt. Parlamentarier sprechen von Budgetierung. Verwaltungen verzweifeln, weil sie unmöglich alles gleichzeitig machen können, wenn sie alles richtig machen wollen. Erforderlich ist es also, sich zunächst einmal Klarheit über ihre Ziele zu verschaffen.“

Ich glaube, die mangelnde Klarheit über die Ziele ist das Kernproblem dieser Landesregierung und insbesondere der Verwaltungsreform in Niedersachsen. Wenn es künftig so sein soll, dass die Daten und nicht die Bürger laufen sollen, dann müssen Sie sich darüber klar werden, welches Dienstleistungsportfolio in Niedersachsen überhaupt angeboten werden soll, welche Dienstleistungen überhaupt existieren, welche Dienstleistungen überhaupt internetfähig sind, welche Dienstleistungen von den Bürgern überhaupt über das

Internet nachgefragt werden. Und dann sollten Sie überlegen, ob Sie tatsächlich solche glorreichen Anträge in den Landtag einbringen wollen. Viele Luftblasen, aber nicht mehr, lieber Kollege Hepke.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Hagenah, bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit diesem Antrag ist nun auch die Verwaltungsreform in Niedersachsen im Wahlkampf angekommen. Beschlüsse dieser Güte kommen zunächst harmlos daher, weil sie scheinbar nur weithin Wünschenswertes und Bekanntes zusammenfassen. Bei genauerer Betrachtung erweist sich das Werk aber nicht als harmlose weiße Salbe, sondern als schwer verdauliche Quacksalberei.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der SPD-Antrag macht den Versuch, Missstände und Versäumnisse in der niedersächsischen Verwaltungsreform zu überdecken und zu vertuschen. Herr Hepke hat in seinem Redebeitrag offener gesprochen: Er sagte, alles soll so bleiben, wie es ist. - Was für ein Reformeifer, Herr Hepke! Genau das ist nämlich das, was derzeit passiert: Status quo - Reform findet nicht statt. Wie soll sie auch? Es ist ja kein Geld da.

In den Punkten 1, 2 und 7 des Antrags greift die SPD drei Jahre alte gemeinsame Beschlüsse aus dem Ausschuss für Verwaltungsreform wieder auf und verkauft sie als notwendige neue Maßnahmen.

(Frau Leuschner [SPD]: Das ist ein kontinuierlicher Prozess!)

Da muss man doch fragen: Hat die Regierung in den vergangenen Jahren nicht mit der Umsetzung begonnen, wenn derselbe Landtag das jetzt erneut beschließen muss? Wenn wir jetzt eine neue Wahlperiode oder eine neue Regierung hätten, dann könnte ich das ja noch verstehen.

(Zuruf von den GRÜNEN)

- Der Minister hat gewechselt, das gebe ich zu. Vielleicht muss der den Beschluss noch einmal hören.

(Frau Leuschner [SPD]: Der kennt den! Das ist ein kontinuierlicher Pro- zess, Herr Hagenah!)

Aber dann können wir ihm auch sagen, die Punkte 1, 2 und 7 sind in dieser Legislaturperiode, nämlich 1998, beschlossen worden.

In den Punkten 3 bis 6 ist das Erinnerungsvermögen der SPD noch kürzer. Da wird schlicht der Inhalt eines gemeinsamen Beschlusses dieses Hauses, der noch nicht einmal sechs Monate alt ist das war ursprünglich ein CDU-Antrag, Herr Althusmann -, wieder aufgegriffen. - Wollen wir jetzt nicht nur bei den Redebeiträgen, wie es häufig geschieht, sondern auch bei den Beschlüssen so verfahren, dass sie erst dann aufhören, wenn alle Fraktionen sie irgendwann einmal aufgegriffen haben und das noch einmal beschlossen worden ist? Eigentlich müsste doch ein Beschluss dieses Hauses reichen, um der Landesregierung zu signalisieren, dass sie im Bereich IT und im Bereich EGovernment entsprechend handeln soll.

Am gefährlichsten aber ist der letzte Punkt Ihres Forderungskatalogs, Herr Hepke.

(Hepke [SPD]: Gefährlich?)

- Gefährlich für die Verwaltungsreform. In Punkt 8 wünschen Sie sich nämlich das Gegenteil von dem, was Sie mit den Haushaltsbeschlüssen vollzogen haben. Sie haben doch tatsächlich die Stirn, nach Ihren drastischen Kürzungen der Personalentwicklungsmittel von einer Qualifizierungsoffensive zu sprechen, die jetzt beginnen soll.

(Frau Leuschner [SPD]: Wir haben aufgestockt!)

- Ohne Moos nichts los, Frau Leuschner.

(Frau Leuschner [SPD]: 200 000 Eu- ro!)

- 200 000 Euro liegt immer noch weit unter dem, was bis 2001 für Personalentwicklung im Haushalt veranschlagt war. Das wissen Sie ganz genau. Und dieser Haushaltstitel war von den fortbildungsbegierigen Beschäftigten des Landes Niedersachsen schon dreifach überzeichnet. Wenn man den Ansatz bei diesem Titel jetzt noch offensiv kürzt, was meinen Sie, was dann an Offensive übrig bleibt? Das ist keine Qualifizierungsoffensive, es ist ein Qualifizierungsstillstand, den Sie hier in Niedersachsen praktizieren.

Nein, dieser Antrag ist nicht harmlos, sondern eine dreiste Umkehr der realen Verhältnisse. Um die Floskel von Herrn Plaue einmal richtig anzuwenden: Das werden Ihnen die Beschäftigten und die Bürger nicht durchgehen lassen, meine Damen und Herren von der SPD. Einen solchen Antrag, der die Verhältnisse umkehrt, mag man hier gerne beschließen, und das werden Sie mit Ihrer Mehrheit wahrscheinlich auch schaffen. Aber glauben wird Ihnen das niemand.

Für die SPD ist die Verwaltungsreform nur noch ein Lippenbekenntnis. Es gibt praktisch keine Versprechen mehr, die Sie nicht schon gebrochen haben. Egal, ob wir die Leistungszulagen, die angeblich festen Budgets oder gar die Mitbestimmungsrechte betrachten: alles Lippenbekenntnisse. Ihre Schwerpunkte liegen nur noch bei der technischen Rationalisierung - 250 Millionen Euro für P 53 sprechen eine deutliche Sprache - und beim möglichst schnellen Personalabbau über alles, nach der Rasenmähermethode und nicht mehr nach Absprache. Dabei bleiben die hehren Ziele, nämlich mehr Service und weniger Bürokratie, zwangsläufig auf der Strecke. Ihr Konzept ist unglaubwürdig und gescheitert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Herr Kollege Hepke, Sie haben sich noch einmal zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Reden meiner beiden Vorredner bedürfen einer gewissen Erwiderung.

Zunächst zu Herrn Althusmann: Ich frage mich, was Sie mit Ihrer Rede eigentlich sagen wollten.

(Beifall bei der SPD - Groth [SPD]: Sehr gute Frage!)

An irgendwelchen mehr oder weniger geringfügigen Dingen herumzumäkeln, ist ja Ihr Spezialgebiet. Da fällt Ihnen wahrscheinlich jeden Tag etwas ein, und wenn Sie viel Zeit haben und irgendwelche Zeitungen lesen, dann kommen Sie sicherlich auch dahin.

(Althusmann [CDU]: Ich hoffe, Sie lesen auch Zeitung!)