Protocol of the Session on March 13, 2002

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wir haben jetzt das konjunkturelle Tief. Was nützt es uns, wenn Sie im August etwas vereinbaren, was im nächsten und übernächsten Jahr gelten wird? - Sie wissen, dass das KfW-Programm nicht immer so weiter läuft, zumal die UMTS-Milliarden endlich sind. Das heißt, wenn wir da nicht schnell sind und das hier entsprechend in den Baumarkt hineinbringen, dann machen die uns eine lange Nase, weil die Töpfe leer sind.

Insofern ist das überhaupt keine Doppelung, keine Neuerfindung des KfW-Programms, sondern die sinnvolle und intelligente Nutzung des KfWProgramms für Niedersachsen, indem die Ministerien für Wirtschaft und Umwelt hier ausnahmsweise mal zusammenarbeiten und erkennen, dass durch diese Synergie die Baukonjunktur - um sie geht es in diesem Antrag - angeregt werden kann; denn da bestehen die Hauptdefizite, da haben wir in Niedersachsen entgegen dem Bundestrend über 11 % CO2-Zuwachs. Dort müssen wir ansetzen, weil das gleichzeitig für den Klimaschutz und für den Arbeitsmarkt förderlich ist. Da handeln Sie beileibe nicht, auch wenn Sie jede Menge Windräder bauen und mittlerweile in der Bundesrepublik mehr Stahl in Windmühlen als in Schiffen verbaut wird. Das finden wir gut. Daran haben wir auch einen erklecklichen Anteil. Aber für die Bauwirtschaft hier sind Sie zuständig.

(Beifall bei den GRÜNEN - Biel [SPD]: Hermann, das ist aber nur Blech, das die da verarbeiten, kein richtiger Stahl!)

Das Wort hat noch einmal Herr Minister Jüttner. Herr Minister Jüttner möchte nun doch nicht mehr sprechen. Damit kann ich die Beratung zu diesem Tagesordnungspunkt abschließen.

(Unruhe)

- Meine Damen und Herren, wenn Sie Ihre Kontaktgespräche über die Tische hinweg einstellen würden, dann könnten wir zur Ausschussüberweisung kommen. - Dieser Antrag soll federführend im Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr und mitberatend in den Ausschüssen für Haushalt und Finanzen, Umweltfragen, Städtebau und Wohnungswesen behandelt werden. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 24: Erste Beratung: Neues Leitbild für die niedersächsische Steuerverwaltung - Projekt Finanzamt 2003 - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 14/3188

Der Antrag wird von der Kollegin Frau Leuschner eingebracht, der ich das Wort erteile.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit unserem Antrag unterstützen wir das vor über zwei Jahren durch den Niedersächsischen Finanzminister initiierte Projekt zur grundlegenden Reform der Steuerverwaltung in Niedersachsen. Dieses Reformprojekt soll, nachdem dem Lenkungsausschuss Anfang 2003 alle Ergebnisse vorliegen und er sie ausgewertet hat, in allen Finanzämtern eingeführt werden. Derzeit laufen in 24 Finanzämtern Niedersachsens zahlreiche Modellprojekte. Einige von diesen Projekten sind bereits abgeschlossen, andere befinden sich in der Auswertungsphase, aber schon jetzt sind erfolgreiche Teillösungen in den laufenden Betrieb übernommen worden. Durch dieses Vorgehen wird ermöglicht, dass genau getestet werden kann, ob in der Theorie entwickelte Modelle auch in der Praxis anwendbar sind. Das ist gut.

Lassen Sie mich kurz erläutern, was dieses Reformprojekt beinhaltet und wie die SPDLandtagsfraktion es unterstützen wird. Die grund

legenden wirtschaftlichen und technologischen Wandlungsprozesse stellen die Steuerverwaltung vor neue Herausforderungen. Die Rahmenbedingungen der Steuerverwaltung haben sich durch die Europäisierung und Globalisierung der Wirtschaftsbeziehungen und der Finanzströme sowie durch die digitale Revolution in der Informationsund Kommunikationstechnologie in den letzten Jahren nachhaltig verändert. Auf die hiermit verbundenen Herausforderungen, meine Damen und Herren, müssen wir als Politik und Verwaltung neue Antworten finden.

In diesem Zusammenhang ist das Projekt Finanzamt 2003 als ein wichtiger Baustein im Programm der Landesregierung zur Staatsmodernisierung zu sehen. Ziel des Projekts ist es, für die Steuerverwaltung in Niedersachsen ein zukunftsfähiges Leitbild zu entwickeln. Hierbei sind wir auf einem guten Weg. Deshalb unterstützt die SPDLandtagsfraktion den vom Finanzministerium, der Oberfinanzdirektion und den 68 niedersächsischen Finanzämtern getragenen Reformprozess.

Dieser Prozess - das betone ich hier noch einmal besonders - setzt bewusst auf das Wissen und Können der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Steuerverwaltung und setzt zusätzlich externen Sachverstand gezielt mit ein. So sind die Erkenntnisse des Landesrechnungshofes, des Beauftragten für Staatsmodernisierung, der Gewerkschaften und anderer Gruppen in die Arbeit mit eingeflossen.

Meine Damen und Herren, wir fordern die Landesregierung auf, durch ein Projektcontrolling im Sinne einer Zielerreichungskontrolle die Evaluation der Projektarbeit zu ermöglichen und damit den Projektauftrag sicherzustellen sowie über die Projektergebnisse zu berichten.

Wir halten es für sinnvoll, dass innerhalb dieses Prozesses die Erfahrungen ausländischer Steuerverwaltungen insbesondere zur Verfahrens- und Verwaltungsvereinfachung oder Verstärkung von Online-Diensten benutzt werden. Hier gibt es beispielsweise in den Vereinigten Staaten sehr gute Erkenntnisse, aber auch in den europäischen Ländern.

Wir wollen die Mitwirkung an Modellen zur Entlastung der Verwaltung von arbeitsaufwendigen Verfahren und zur Entwicklung effizienter Alternativen bei Veranlagungsmethoden vorantreiben. Deswegen fordern wir die konsequente Weiterent

wicklung elektronischer Dienste wie ELSTER und der rechtssicheren elektronischen Signatur.

Die SPD-Landtagsfraktion begrüßt, dass mit dem Projekt Finanzamt 2003 Zukunftsfragen einer modernen Steuerverwaltung in Deutschland, zugleich aber auch die erforderlichen Maßnahmen zum Aufbau einer serviceorientierten und effizienten Verwaltung in Angriff genommen werden. Insbesondere sind an dieser Stelle aus meiner Sicht eine Vereinfachung des Steuerrechts, Anstrengungen im europäischen Rahmen, aber auch Grundsatzfragen der Steuerpolitik wie Steuergerechtigkeit, Transparenz und Akzeptanz sowie das BundLänder-Projekt FISCUS zu nennen.

Meine Damen und Herren, das Finanzamt der Zukunft muss sich über seine Schnittstellenfunktion neu definieren. Die große Chance der Steuerverwaltung liegt in der Entwicklung hin zu einem kundenfreundlichen, serviceorientierten Dienstleistungsunternehmen. Aber Effizienz und Leistungsfähigkeit sind auch notwendige Voraussetzungen, um die Gemeinschaft vor Steuerkriminalität zu schützen. Dies ist in Zukunft notwendiger denn je.

Deshalb begrüßen wir, dass die Landesregierung mit der kontinuierlichen technischen und personellen Stärkung der Steuerfahndung und Betriebsprüfung wichtige Voraussetzungen für die Bekämpfung von Steuerhinterziehung, Terrorismus und Kriminalität erfüllt. Zum Beispiel gab es da gezielte Erfolge bei den so genannten Bankenverfahren, die das eindrucksvoll belegen.

(Zuruf von der CDU: Besonders in Köln!)

Ihnen allen ist sicherlich deutlich, dass nicht zuletzt nach den Anschlägen am 11. September dies bewusst und deutlich vorangetrieben werden muss.

Wir gehen davon aus, meine Damen und Herren, dass sich das Konzept Finanzamt 2003 als ein vernetztes Gesamtkonzept darstellt, das über die gesamte Steuerverwaltung realisiert werden kann. Für uns sind vier Punkte besonders wichtig, erstens die Optimierung des Dienstleistungsangebots für Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen, zweitens die Erhöhung der Effektivität und Wirtschaftlichkeit der Aufgabenerfüllung, drittens die Verbesserung der schwierigen Arbeits- und Personallage in den Finanzämtern - das ist besonders wichtig, weil wir da lange Ausbildungszeiten haben -,

und viertens geht es um die Erhöhung der Mitarbeiterzufriedenheit und die Motivation.

Uns ist klar, dass diese Reform nur mit der Unterstützung und Motivation und dem Einbringen des Fachwissens der mehr als 14 400 Beschäftigten in der Steuerverwaltung gelingen kann. Wir sind der Meinung, dass mit dem Reformprojekt Finanzamt 2003 neue Wege beschritten werden.

Ich freue mich auf die Beratung im Fachausschuss und hoffe, dass die Fraktionen der CDU und von Bündnis 90/Die Grünen dieses Projekt mit vorantreiben. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Ich eröffne jetzt die Beratung, in der der Kollege Wiesensee das Wort hat.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im vorliegenden Entschließungsantrag der SPD wird der Landtag aufgefordert, zu begrüßen, zu unterstützen, davon auszugehen, und zum Schluss, Frau Leuschner, wird dann eine milde Forderung

(Frau Leuschner [SPD]: Nee, nee, nee!)

nach Projektcontrolling und Bericht erhoben. Ich muss Ihnen ehrlich sagen, zu solchen Wischiwaschi-Jubelanträgen sollte sich das Parlament doch zu schade sein.

(Beifall bei der CDU - Möhrmann [SPD]: Das kennen wir von Ihnen gar nicht!)

Wenn dieser Antrag so beschlossen würde, würde das das Land aber auch keinen Millimeter voranbringen. Davon bin ich überzeugt.

(Beifall bei der CDU)

Beim ersten Lesen des Antrages entsteht der Eindruck: Ist ja toll, was die Regierung alles auf den Weg gebracht hat

(Frau Leuschner [SPD]: Ja, stimmt doch!)

- so haben Sie es ja beschrieben - und noch bringen will. Aber nach dem zweiten Blick drängen sich doch einige kritische Fragen auf. In Absatz 3 soll der Landtag Ziele betonen, was „betonen“ in diesem Zusammenhang auch immer bedeuten soll. So werden unter Nr. 3 die Verbesserung der schwierigen Arbeits- und Personallage in den Finanzämtern und unter Nr. 4 die Erhöhung der Mitarbeiterzufriedenheit und Motivation als Ziel formuliert. Soll das bedeuten, Frau Leuschner, dass konkret die Einsparauflagen für die Finanzämter aufgehoben werden sollen?

(Frau Leuschner [SPD]: Ich habe das eben erläutert, Herr Wiesensee!)

Nach einer Vorlage im Haushaltsausschuss sollen doch im Kapitel 04 06, bei den Finanzämtern, insgesamt 408 Stellen in den Jahren 2000 bis 2004 gestrichen werden. Soll die Motivation der Mitarbeiter gesteigert werden, indem die Wochenstundenzahl für die 8 500 Beamten wieder gleichgeschaltet wird mit den Arbeitszeiten der Angestellten? Zurzeit ist es doch so, dass der Beamte an seinem Schreibtisch noch sitzt, während der Angestellte schon seinen verdienten Feierabend genießen kann. Das sind doch Dinge, die nicht laufen. Oder sollen die Verschlechterungen bei den Beihilferegelungen, die erst kürzlich über das Haushaltsbegleitgesetz mit Mehrheit beschlossen wurden, aufgehoben werden?

Nach meinem Eindruck aus Gesprächen mit Finanzbeamten ist die Verbitterung über die ständigen Verschlechterungen ihrer Rahmenbedingungen groß. Das gilt u. a. auch für die Absenkung der Altersversorgung, die, wie wir wissen, durch Bundesgesetze veranlasst worden ist.

In Absatz 4 wird begrüßt, dass viele Maßnahmen zu einer effizienteren Verwaltung in Angriff genommen worden seien. Insbesondere werden hier Vereinfachungen des Steuerrechts sowie das BundLänder-Projekt FISCUS genannt. Bei der Feststellung, die bisherigen Vereinfachungen des Steuerrechts machten die Steuerverwaltung effizienter, bin ich doch ein bisschen ins Grübeln gekommen. Welche Vereinfachungen können damit wohl gemeint sein? Die Regelungen für die so genannten 630-DM-Jobs? Die Regelung für die Bauabzugssteuer, die wir seit kurzem erleben und die in Fachkreisen sehr umstritten ist? Das Steuerentlastungsgesetz, das Steuerbereinigungsgesetz, beide aus dem Jahre 1999, mit vielen grundlegenden und komplizierten Änderungen, z. B. Halbeinkünfte

verfahren, Verlustabzugsbeschränkung, Überentnahmeregelung usw. usf.? Das Gesetz zur Regelung der Bemessungsgrundlage, das extra geschaffen werden musste, um die Kirchensteuerausfälle einigermaßen abzumildern? Das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz vom 15. August 2001, das mit der Begründung, rechtssystematisch die Weiterentwicklung der Unternehmensbesteuerung voranzubringen – die richtige Bezeichnung wäre an sich „Reparaturgesetz“ gewesen – eingebracht wurde? Diese Beispiele nenne ich, um nur einige zu nennen.

Fest steht, dass in den letzten Jahren das Steuerrecht nicht einfacher, sondern komplizierter, umfangreicher und die Gesetzgebung hektischer geworden sind. Bei dieser Sachlage von Vereinfachungen zu sprechen, ist mehr als abenteuerlich. Das Bund-Länder-Projekt FISCUS als Allheilmittel anzusehen, ist meines Erachtens sehr problematisch. Das Finanzministerium hat uns im Haushaltsausschuss am 18. Oktober 2000 mitgeteilt, dass für FISCUS im Jahre 2001 – damals haben wir den Haushalt 2001 beraten – 10 Millionen DM zusätzlich bereitgestellt würden und eine GmbH gegründet werden solle. Der Ausschuss sollte zu gegebener Zeit eine entsprechende Vorlage bekommen. Die FISCUS GmbH ist zwar im März 2001 gegründet worden, auf eine Vorlage wartet der Ausschuss aber noch heute. Ich habe noch keine gesehen.

Für uns drängen sich zu dem FISCUS-Projekt einige Fragen auf. Wie hoch ist die Beteiligung des Landes an der GmbH? Wie viel Geld ist insgesamt bisher in dieses Projekt geflossen? Sind für das Gesamtprojekt bundesweit 340 Millionen DM ausgegeben worden, ohne bisher ein lauffähiges Programm einsatzfähig zu haben? Der Landesrechnungshof Nordrhein-Westfalen hat in seinem Bericht vom 7. Februar 2001 den Projektstand im Frühjahr 2000 als unzureichend und negativ beurteilt. Der Landesrechnungshof NordrheinWestfalen stellt fest: Die Annahme, bis zum Jahre 2002 seien erste einsatzfähige echte FISCUSProdukte fertig, ist unrealistisch. Er zweifelt auch stark die Wirtschaftlichkeit des Projektes an. Wir müssen Obacht geben, dass wir uns nicht an einem Millionengrab in dreistelligem Umfang beteiligen.

Das Projekt Finanzamt 2003 steht und fällt mit einer guten EDV und mit funktionierenden Programmen. Unser Hauptaugenmerk müssen wir daher bei der Behandlung dieses Antrages auf diesen Bereich richten. Wir schlagen daher abwei

chend von der Empfehlung des Ältestenrates vor, den Ausschuss für Haushalt und Finanzen mit der Federführung zu beauftragen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Hagenah hat das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zumindest in den Anträgen hier im Landtag ist für die SPD die Welt noch in Ordnung. Da will der Finanzminister mit dem Projekt Finanzamt 2003 aus schlecht ausgestatteten Finanzämtern kundenorientierte Dienstleistungszentren machen. Dagegen ist im Grundsatz nichts einzuwenden. Auch wir würden das gern machen. Effiziente Verwaltungseinheiten, die kundenorientiert arbeiten, sind immer gut und in der Finanzverwaltung mehr als überfällig. Teamarbeit, mobile Arbeitsplätze, ansprechende funktionale Räume – das alles ist schön und kann die Motivation und auch die Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten sicherlich steigern. Aber von der Realität der Arbeitsbedingungen in den Finanzämtern ist das leider meilenweit entfernt, Frau Leuschner. In kaum einem anderen Bereich gibt es einen so drastischen Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit wie bei Ihrem Projekt Finanzamt 2003. Eigentlich müsste man, wie sich die Realität in den Finanzämtern heute darstellt, das Projekt Finanzamt 2030 nennen. Uns haben Finanzbeamte aus dem ganzen Land bei einer Anhörung in unserer Fraktion berichtet – schauerlich berichtet -, was dort los ist. In vielen Finanzämtern gibt es noch nicht einmal vernünftig funktionierende Telefonanlagen. Da nützt der gute Wille der Finanzbeamten rein gar nichts. Wenn die Steuerzahler die Finanzbeamten noch nicht einmal telefonisch erreichen können, weil es keine Durchwahlnummern gibt und die Telefonzentrale hoffnungslos überlastet ist, ist kundenorientiertes Arbeiten schlichtweg unmöglich, geradezu Vision.