Wir treten wieder ein in die Aussprache, und ums Wort gebeten hat für die Fraktion der SPD Herr da Cunha.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Vielen Dank für die kurze Beratungspause und die intensiven Gespräche und den Austausch!
Die Fraktionen der GRÜNEN und der CDU waren eben bei uns und haben gefragt, wie wir denn das eben schon Gesagte, wie können wir eigentlich die verschiedenen Initiativen, die mit der Bürgerbeteiligung zusammenhängen, zusammenbringen und wann kommt das zusammen. Wir beantragen dementsprechend laut Geschäftsordnung nach Paragraf 80 Absatz 2 die Unterbrechung der Aussprache und die Vertagung, sodass die Aussprache des Tagesordnungspunktes fortgeführt wird, wenn das Bürger- und Gemeindenbeteiligungsgesetz in der novellierten Fassung von der Landesregierung in den Landtag eingebracht wird. Dann können wir die beiden Vorhaben, die ja ähnliche Ziele verfolgen oder denselben Fokus haben, wie können wir bei Wind und Solar eine stärkere Bürgerbeteiligung machen, zusammen beraten, gemeinsam in den Ausschüssen beraten und freuen uns dann auf einen konstruktiven gemeinsamen Austausch. – Vielen Dank!
(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und Constanze Oehlrich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Lieber Herr Kollege da Cunha, ich würde, auch in Anlehnung an die Worte unserer Parlamentspräsidentin am Mittwoch, das durchaus noch mal herausstreichen wollen, dass es uns hier geglückt ist, in dieser Sachfrage zu einem gemeinsamen Verfahrensweg zu kommen, was mich außerordentlich freut, weil ich glaube, das war letztlich auch die Intention der Worte unserer Parlamentspräsidentin. Und ich kann für unsere Fraktion zusagen, dass wir in dieser Sachfrage ein verlässlicher Partner sind. – Vielen Dank!
Herr da Cunha, mir liegt noch eine zweite Kurzintervention durch Herrn Damm vor. Möchten Sie die vielleicht erst einmal hören und dann auf beide gemeinsam antworten? (Zustimmung)
Herr da Cunha und auch an alle anderen, ich habe ja gesehen, es gab intensive Beratungen inzwischen. Meiner Meinung nach sollte das Parlament so funktionieren, und ich bin wirklich dankbar an alle, dass wir das so hinbekommen haben. Ich hoffe, das macht Schule, und denke, dass wir in Zukunft sozusagen dann gemeinsame Lösungen finden können. – Vielen lieben Dank!
Vielleicht um auch unsere Intention noch mal zu unterstreichen, wir haben hier einen Gesetzentwurf, der mit der Beteiligung ja einhergegangen ist, der sozusagen auf dem Weg ist. Und wir möchten natürlich nicht, dass sich alle, die sich auch vielleicht schon im Vorfeld, alle Träger oder auch alle Projektierer und die vielen anderen, die beteiligt sind, die alle schon dort möglicherweise wiedergefunden werden, dass die sich jetzt vielleicht überfordert fühlen, wenn jetzt schon ein zweiter Entwurf auf dem Weg ist.
Deswegen vielen Dank, dass wir gemeinsam den Weg gehen können! Und dann freuen wir uns auf die gemeinsame Beratung. – Danke schön!
Soeben ist beantragt worden, gemäß unserer Geschäftsordnung, um genau zu sein nach Paragraf 80 Absatz 2, den ursprünglichen Antrag der Fraktion der CDU – und ich gehe davon aus, dass das auch dann den neuen Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betrifft –, dass beide Anträge vertagt werden.
Ich lasse nun darüber abstimmen. Wer damit einverstanden ist oder dem zustimmt, dass beide Anträge, also der Ursprungsantrag der Fraktion der CDU und der neue Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, vertagt werden, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. – Die Gegenstimmen? – Die Stimmenthaltungen? – Danke schön! Damit sind beide Anträge bei Zustimmung durch die Fraktionen DIE LINKE, SPD, GRÜNE, CDU und FDP und Enthaltung durch die Fraktion der AfD sowie der fraktionslosen Abgeordneten vertagt.
Vielleicht ganz kurz zur Erklärung für unsere Zuhörer/innen auf der Tribüne: Das ist ein Novum gewesen in diesem Landtag, das Sie heute erlebt haben. Das ist, glaube ich, das erste Mal, dass wir einen Antrag und einen Änderungsantrag vertagt haben. Insofern haben Sie heute einer Historie beiwohnen dürfen.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 28: Aussprache auf Antrag der Fraktion DIE LINKE gemäß Paragraf 43 Nummer 2 der Geschäftsordnung des Landtages zum Thema „Tourismusland Mecklenburg-Vorpommern braucht Qualität, Investitionen und gute Arbeitsbedingungen“.
Aussprache auf Antrag der Fraktion DIE LINKE gemäß § 43 Nummer 2 der Geschäftsordnung des Landtages zum Thema Tourismusland Mecklenburg-Vorpommern braucht Qualität, Investitionen und gute Arbeitsbedingungen
Gemäß Paragraf 84 Absatz 1 unserer Geschäftsordnung ist eine Aussprachezeit von bis zu 71 Minuten vorgesehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Sommersaison läuft an, und insofern ist es, denke ich, angezeigt, sich hier auch einmal über einige Entwicklungen im Bereich des Tourismus auszutauschen. Die Branche ist bekanntlich Treiber einer im Bundesvergleich guten wirtschaftlichen Entwicklung, und das, obwohl eine IHK-Umfrage Ende 2023 eher gedämpfte Erwartungen gezeigt hatte. Vor allem Energie-, Lebensmittel- und Rohstoffpreise sowie fehlende Arbeits- und Fachkräfte wurden seinerzeit als Begründung angeführt. Darauf werde ich später noch zurückkommen.
Schaut man auf aktuelle Entwicklungen, dann steht die Urlaubsreise bei den Deutschen immer noch an zweiter Stelle nach den Lebensmitteln, und die Zufriedenheit der Gäste ist in Ostdeutschland das zweite Jahr hintereinander leicht gestiegen. Die Preisentwicklung hat sich auf hohem Niveau stabilisiert. Unser Land konnte die guten Zahlen mit 32,2 Millionen Übernachtungen bestätigen. Der Blick nach vorn zeigt jedoch ein ambivalentes Bild, denn einerseits sinkt das Konsumklima und andererseits nähert sich die Inflationsrate wieder einem normalen Niveau an. Die Reallohnentwicklung zeigt in den letzten Monaten wieder eine Tendenz nach oben. Und erfreulich ist sicher auch, dass die Tourismusbetriebe in Ostdeutschland bereit sind zu investieren. Das ist notwendig, denn ein Investitionsstau geht zulasten der Gästezufriedenheit und damit auch der Wettbewerbsfähigkeit.
Und das gilt auch für den Kinder- und Jugendtourismus – ein Thema, das meiner Fraktion traditionell besonders am Herzen liegt. Kinder und Jugendliche sind die Zielgruppe der Zukunft, sie bieten auch in den nächsten Jahrzehnten ein hohes Marktpotenzial. Kinder- und Jugendreisen sind darüber hinaus eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung und eine Ergänzung schulischer Aktivitäten an einem anderen Ort. Die finanzielle Unterstützung dieses sozialen und gesellschaftlichen Engagements ist daher absolut sinnvoll.
Leider haben wir zwischen 2019 und 2024 weitere 19 Einrichtungen in diesem Segment verloren. Aktuell gibt es
jetzt noch ganze 81. Und während der frühere CDUWirtschaftsminister Harry Glawe das Einrichtungssterben achselzuckend als unvermeidliche Marktbereinigung bezeichnete,
haben wir uns für ein 2-Millionen-Sonderprogramm starkgemacht, das insbesondere den gemeinnützigen Einrichtungen unter die Arme greift.
Dieses auf ganz konkrete Investitionen zur Verbesserung der Qualität im Bestand ausgerichtete Programm ist nahezu bis auf den letzten Cent ausgeschöpft worden. Und das zeigt doch, wie dringend der Handlungsbedarf war und weiterhin ist.
Damit Sie mal eine Vorstellung haben, worüber wir hier reden, möchte ich einige Beispiele nennen: „Ulis Kinderland“ am Schweriner See modernisierte die Außentüren seiner Ferienbungalows. Das Sozial- und Jugendzentrum Hinterste Mühle in Neubrandenburg sanierte das Dach und erneuerte die Dämmung. Das Haus St. Otto in Zinnowitz sanierte die Sanitäranlagen und baute neue Akustikdecken ein. Das Schullandheim in Raben Steinfeld erneuerte die Heizungsanlage und das Dach und das Schullandheim Alt Jabel sanierte die Außenanlagen und stellte Barrierefreiheit her.
Es geht hier also nicht um Luxus, sondern darum, die Substanz der Einrichtungen zu stärken. Und das ist ein Beitrag dazu, dass auch in Zukunft Kinder und Jugendliche aus unserem Bundesland und anderen Bundesländern preiswerte, pädagogisch wertvolle Übernachtungs- und Freizeitangebote bei uns vorfinden. Um dies sicherzustellen, benötigen vor allem die gemeinnützigen Einrichtungen Unterstützung. Diese können offenbar nicht aus GRW-Mitteln gefördert werden, daher braucht es andere Ansätze als bei den gewerblichen Häusern, denn bei aller Abenteuerlust, Stockbetten und kalte Gemeinschaftsduschen auf dem Gang sind im 21. Jahrhundert nicht mehr zeitgemäß.
Im Übrigen ist im Zeitraum 2019 bis 2024 ein Rückgang von 100.000 Übernachtungen in diesem Segment zu verzeichnen. 2019 waren es noch 828.421. Zuletzt wies die Statistik noch 725.127 aus. Parallel ist übrigens die Auslastung bei den verbliebenen Einrichtungen nur marginal gestiegen. Wir verlieren also Kapazitäten und vor allem Gäste. Und auch deshalb drängt meine Fraktion darauf, dass die Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag zur Analyse der aktuellen Situation, zur Feststellung des konkreten Förderbedarfs und zu einer gegebenenfalls notwendigen Priorisierung jetzt zeitnah angegangen werden.
Denn ja, mit Blick auf den Tourismus gibt es aktuell sehr viele wichtige strategische Vorhaben. Dazu zählen die Destinationsentwicklung, das Tourismusgesetz oder auch die Frage, ob unser Land eine Tourismusakademie braucht und wie diese ausgestaltet werden soll. Da sage ich mal, alles richtig und wichtig und, soweit mir bekannt, 2023 auch Thema bei mehr als 60 Gesprächen und Fachkonferenzen unter Beteiligung des TMV. Wenn der Prozess
abgeschlossen ist, werden wir diese Dinge hier auch ausführlich miteinander diskutieren. Vergessen wir darüber aber bitte nicht, dass die Kinder und Jugendlichen von heute im besten Fall die Stammgäste von morgen sind!
Meine Fraktion hat in den letzten Jahren auch einen weiteren, oft vernachlässigten Aspekt des Tourismus in den Blick genommen. Wir sind ein dünn besiedeltes Flächenland. Jeder Tourist, der bei uns naturnah Urlaub macht und dafür auch im Binnenland unterwegs ist, freut sich folglich, wenn er in unseren Dörfern noch auf einen Dorfkrug oder einen Landgasthof stößt. Insofern gehören diese Gastronomiebetriebe ebenfalls zur touristischen Infrastruktur. Sie haben darüber hinaus aber noch eine weitere Funktion: Sie sind Begegnungsstätte und Orte der Kommunikation. Und genau deshalb haben wir vor fast genau zwei Jahren hier beschlossen, auch da zu helfen, offenbar erfolgreich, denn die abgerufenen Mittel flossen unter anderem in Kaffeeautomaten, Markisen, Alarmanlagen, Softeismaschinen, Zapfanlagen, Tresen sowie Küchen- und Caféausstattungen. Das ist gut so und das sollte auch so fortgesetzt werden.
Meine Damen und Herren, zu Beginn meiner Rede erwähnte ich die IHK-Umfrage aus 2023. Dort wurde, wie gesagt, einmal mehr der Arbeits- und Fachkräftemangel beklagt. Auf zwei im Titel der Aussprache genannte Aspekte, „Qualität“ und „Investitionen“, bin ich eingegangen, kommen wir nun zu den Arbeitsbedingungen und den Löhnen.
Der DEHOGA MV hat den Entgelttarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe zum 31.03.2024 ohne Begründung gekündigt, und die erste Verhandlungsrunde Anfang der Woche endete leider ohne Vorlage eines verhandlungsfähigen Angebotes. Das verwundert, denn in anderen DEHOGA-Tarifgebieten sind die Entgelte zuletzt deutlich gestiegen. Und wenn man sich jetzt das Angebot anschaut, dann stellt man fest, dass Ungelernte lediglich mit Mindestlöhnen und selbst Facharbeiter mit einem Stundenlohn von lediglich 13,27 Euro abgespeist werden sollen. Und der Präsident des DEHOGA MV, jener, der die Fachkräftestrategie der Landesregierung mehrfach kritisiert hat, agiert jetzt so, dass da, wo er die Zügel selbst in der Hand hält, offensichtlich wenig bis gar nichts vorwärtsgeht.
Ich sage ganz ehrlich, Wertschätzung für die vielen Beschäftigten in mehr als 5.500 Unternehmen der Branche sieht nun wirklich anders aus. Ein solches Angebot ist wohl kaum Motivation für junge Leute, eine Ausbildung in diesem Bereich anzustreben. Es ist wohl am ehesten ein Eigentor, denn Schlagzeilen wie die, dass man in der Uckermark inzwischen 500 Euro mehr verdiene als in einem 5-Sterne-Hotel an der Ostsee, werden ihre Wirkung nicht verfehlen.