Protocol of the Session on March 9, 2022

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Einzelhandel in MecklenburgVorpommern hat zweifellos eine hohe Bedeutung für die Versorgung der Bevölkerung und er hat zweifellos in der Corona-Pandemie sehr gelitten. Aber hier ist schon die erste Korrektur: Wir haben sehr viele Wirtschaftshilfen auch im Einzelhandel platzieren können. Und ich will noch mal deutlich darauf hinweisen, wie an anderer Stelle auch, die Landesregierung hat überall da, wo der Bund zu lange gebraucht hat, die Zeit überbrückt, vorfinanziert. Und im Grunde genommen kann sich kaum jemand im Lande, der Anspruch auf Förderung bei den Wirtschaftshilfen hatte, darüber beklagen, dass er diese Mittel nicht rechtzeitig bekommen hat, meine Damen und Herren.

Was hilft dem Einzelhandel, ist die richtige Frage. Das, was hier vorliegt mit dem Ladenöffnungsgesetzentwurf der FDP-Fraktion ist meines Erachtens die falsche Antwort. Sie wollen flächendeckend eine Sonntagsöffnung, und Sie wollen – das haben Sie ja auch gerade noch mal kurz beschrieben – die Bäderregelung MecklenburgVorpommern für alle in Mecklenburg-Vorpommern: überall vom 15. April bis zum 31. Oktober am Sonntag geöffnet von 12 bis 18 Uhr. Das klingt doch schön, aber was, meine Damen und Herren, steckt dahinter?

Zunächst einmal die Frage: Wie ist denn die Situation mit dem Ladenöffnungsgesetz in Mecklenburg-Vorpommern, weil ja dahinter immer der versteckte Vorwurf ist, man könne hier nicht so, wie man wolle? Zunächst mal, innerhalb der normalen Woche, von Montag bis Freitag, gibt es keine gesetzlich normierte Einschränkung von Ladenöffnungszeiten. Das ist Mecklenburg-Vorpommern. Am Samstag darüber hinaus kann man bis 22 Uhr öffnen. Finden Sie alles in Paragraf 3 Absatz 1 Ladenöffnungsgesetz, so, wie es existiert. Und das gilt auch für den Kaufalltag eines Ministers in Schwerin, jedenfalls habe ich mir gemerkt: Aldi 21 Uhr, Netto 22 Uhr, Rewe am Obotritenring 23 Uhr. Also da kann ich dann noch einkaufen, wenn die Landtagssitzung zu lange dauert, meine Damen und Herren. Das vielleicht als kleiner Verbraucherhinweis ohne Schleichwerbung.

Also die Möglichkeiten sind da und das Gleiche gilt natürlich auch für die Bäderregelung. Das ist mitnichten nicht nur in Zingst und in Boltenhagen, ja, in den touristischen Orten, aber es sind weitaus mehr, für die die Bäderregelung in Mecklenburg-Vorpommern gilt, und das ist auch gut so. Im Übrigen gibt es Paragraf 6 Ladenöffnungsgesetz, da gibt es die Möglichkeit mit vier weiteren Sonntagen. Und es gibt auch weiter die Möglichkeit, über Paragraf 3 auf Antrag die Samstage auch so von den Öffnungszeiten her zu gestalten, was auch in Anspruch genommen wird, insbesondere von den Einkaufszentren, bis 24 Uhr zu öffnen, das sogenannte Mitternachtsshopping.

Also wir haben in Mecklenburg-Vorpommern vielfältige Möglichkeiten, was die Ladenöffnung angeht.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Und ich will an einer Stelle noch mal was Besonderes sagen, bevor ich zu Ihnen, Herr Fernandes, gleich noch komme.

(Heiterkeit bei Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Ach, haben Sie das verstanden?)

Klar verstehe ich das.

Wir reden über Verfassungsrecht, wir reden über Regelausnahmeverhältnis, wir reden über den gesetzlichen Schutz des Feiertages, und das alles, was da geschieht, will wohl abgewogen werden. Artikel 140 Grundgesetz ist ja schon genannt worden, aber auch Artikel 9 der Landesverfassung Mecklenburg-Vorpommern.

(Beifall Henning Foerster, DIE LINKE)

Das müssen wir beachten. Es wird so getan, als wäre das alles so ganz einfach. Ich sage ja auch mal, in rechtlicher Hinsicht ist der Vorschlag der FDP hier nicht zielführend, aber ich will nicht nur rechtlich argumentieren. Das wäre in der Situation, glaube ich, nicht angebracht.

Die Frage ist: Hilft der Vorschlag? Und damit kommen wir zu dem Thema Onlinehandel/Internethandel. Ich glaube, der Einzelhandel kann sich nicht dadurch schützen, dass wir jetzt diese Öffnungszeiten am Sonntag nehmen. Vor Corona war es ja schon so, dass es erhebliche Probleme gab, dass der Wettbewerb mit dem Onlinehandel angefangen hat, dass er größer geworden ist, dass die Konkurrenz da ist. Aber auch hier ein Beispiel aus dem Kaufalltag eines Ministers: Ich war neulich in einer Parfümeriekette und habe mich erkundigt nach einem Nassrasierer, und da wurde mir gesagt, sehr geehrter Herr Soundso, das führen wir leider nicht mehr hier im Laden, das machen wir nur noch online.

Ja, wenn man so als Einzelhändler anfängt, meine Damen und Herren, ich kann die Konkurrenzsituation verstehen, dann hat man aber schon aufgegeben. Und deswegen ist etwas anderes wichtig, was vorhin auch gesagt wurde: dass wir dafür sorgen müssen, dass wir lebendige Innenstädte haben, dafür sorgen müssen, dass es gemeinsame Konzepte gibt in den Innenstädten, dass man sich zusammentut, dass die Kunden wissen, nicht, dass der eine Laden um 18 Uhr schließt, der nächste um 19 Uhr, der übernächste um 20 Uhr, sondern dass man auch hier kalkulierbare Einkaufszeiten hat und das gemeinsam macht.

Wir haben entsprechende Kampagnen auf den Weg gebracht, wir haben auch in der Corona-Krise als Land Mecklenburg-Vorpommern die Kampagne „EinKauf mit Herz“ – wie gesagt online – für Produkte in MecklenburgVorpommern aus dem Einzelhandel, eine entsprechende Kampagne mit mehr als 500.000 Euro finanziert, und damit ganz klar der Hinweis an den Einzelhandel, bitte gemeinsam Aktionen planen, das spricht die Kunden an und das wird auch in der Situation helfen, um gegen den Onlinehandel zu bestehen, meine Damen und Herren.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Und im Übrigen, wir kommen zurück zur Sonntagsöffnung: Da ist es natürlich so, die Kaufkraft wird dadurch nicht erhöht, die verteilt sich nur. Die Umsätze im Einzelhandel, die werden weitgehend gleich bleiben. Da gibt es viele Studien drüber, das weiß man, wenn man entsprechende Öffnungszeiten in dem Bereich ändert. Also wirtschaftlich ist nicht allzu viel gewonnen. Und bei all dem, was wir hier besprechen, haben wir noch nicht über die Beschäftigten gesprochen. Was ist denn mit denen? Sollen die jetzt alle am Sonntag dann arbeiten? Die werden sich wunderbar freuen.

Das ist, glaube ich, nicht der richtige Ansatz. Und dann vor dem Hintergrund, dass auch der Einzelhandel beklagt, nicht genügend Fachkräfte zu bekommen, frage ich, wo sind denn hier die familienfreundlichen Arbeitszeiten, wenn wir den Sonntag öffnen, jedenfalls mehr als ein halbes Jahr. Also das passt noch nicht so richtig zusammen. Die Lösung wäre natürlich, dass die Geschäftsinhaber im Einzelhandel dann alleine am Sonntag bedienen, aber das grenzt dann schon ein wenig an Selbstausbeutung, muss jeder selber entscheiden. Aber das sozusagen staatlich zu legitimieren durch solche Beschlüsse, ist, glaube ich, der falsche Weg.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, wir haben eines der liberalsten Ladenöffnungsgesetze in Mecklenburg-Vorpommern in Deutschland. Und warum ist das so? Weil wir die Balance gefunden haben – und ich glaube, die sollte bestehen bleiben – zwischen den Kunden auf der einen Seite und den Beschäftigten auf der anderen Seite, und diese Balance zu erhalten, das ist unser politisches Ziel.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Wirtschaftsminister!

Ich darf an dieser Stelle auf der Besuchertribüne Schülerinnen und Schüler der Regionalen Schule Burg Stargard begrüßen.

Wir fahren fort in der Aussprache, und das Wort hat nunmehr für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Martin Schmidt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Landsleute! Im folgenden Gesetzentwurf geht es um eine Ausweitung der Ladenöffnungszeiten. Die Idee an sich ist völlig in Ordnung. Viele Wirtschaftswissenschaftler – und das sehe ich ein bisschen anders als der Herr Minister – sind sich da einig, dass eine Erweiterung der Ladenöffnungszeiten auf einen Sonntag auch, ja, eine geringe Steigerung bei den Erlösen erzielen könnte. Und mit Sicherheit gibt es eine Menge an Einzelhändlern und Branchenverbänden – oder wir haben es auch gehört, die Industrie- und Handelskammern –, die eine Erweiterung der Ladenöffnungszeit auf den Sonntag sicherlich befürworten, insbesondere jetzt nach der Corona-Ära beziehungsweise während der noch andauernden CoronaÄra, da wollen viele Händler ihre Verluste wieder reinholen.

Und die Idee aus Ihrem Gesetzentwurf ist an sich auch nicht neu. Bereits 2021 hatte der HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth diesen Vorschlag in die öffentliche Debatte gebracht, damit aber auch, wie zu erwarten, Gewerkschaften und Kirchen erzürnt, über die ich hier jetzt aber nicht viele Worte verlieren will. Viele Einzelhändler waren und sind immer noch schwer enttäuscht. Einen Nachweis, dass der Einzelhandel maßgeblich die Pandemie antreibt, den gibt es bis heute nicht. Von daher wäre es wirklich an der Zeit, den Einzelhandel wieder anzutreiben, nur der Weg Ihres Gesetzentwurfes ist der falsche. Die AfD-Fraktion hatte da 2021 den rechtlich sicheren und besseren Weg gewählt. Die Zahl der verkaufsoffenen Sonntage zu erhöhen, wäre sinnvoller. Dazu später mehr.

Der Reihe nach: Wir müssen bei der Ladenöffnung noch drei andere Blickwinkel betrachten. Wir haben den juristischen Faktor, das aus gutem Grund, wie Herr Minister schon ausgeführt hat, wir haben den familiärgesellschaftlichen Aspekt und wir haben jetzt eine, ja, schwere konjunkturelle Dimension, die mit dem Kriegsausbruch in der Ukraine noch mal wirklich alles verändert hat. Wie Sie es selbst in Ihrem Gesetzentwurf ja schon darlegen, handelt es sich beim arbeitsfreien Sonntag um eine grundgesetzlich geschützte Bestimmung. Eine Aus

nahme vom Grundgesetz zu erwirken, ist juristisch nicht so einfach. Jetzt können sich die Leute von der FDP natürlich hier hinstellen und eine derartige Änderung fordern, aber dann braucht man auch etwas überzeugendere juristische Argumente. Einfach zu behaupten, dass es angemessen wäre, das mag die FDP-Fraktion so sehen, aber ob das Ganze vor einem Verfassungsgericht standhält, das wage ich dann doch an dieser Stelle zu bezweifeln. Es ist aber auch nicht völlig unseriös.

Meine Fraktion hat deshalb vor einigen Monaten hier den besseren Vorschlag eingebracht, dass die Zahl der verkaufsoffenen Sonntage von vier auf acht erhöht wird, so, wie in Nordrhein-Westfalen oder Berlin das ja erfolgreich praktiziert wird. Das gilt dann auch nicht nur temporär ein halbes Jahr, sondern fortwährend. Das wäre juristisch sattelfest und zeitlich sinnvoller, und das wäre ein angemessener Ausgleich zum familiär-gesellschaftlichen Aspekt.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Ja, Thomas, dazu kommen wir später.

Mit einer solchen Liberalisierung können wir den Händlern ermöglichen, den Einbruch ihrer Geschäfte etwas schneller wieder einzuholen.

Darüber hinaus wollten wir – das dürfte auch allen Fraktionen hier bekannt sein – die Bäderverkaufsverordnung weiter liberalisieren, um eben im erlaubten Rahmen dort, wo es Sinn macht, dort, wo die Einzelhändler es wirklich größtenteils wollen, dort, wo auch wirklich ein gefühlt stärkerer Umsatz entsteht, den nötigen Schub zu geben. Also mehr verkaufsoffene Sonntage und mehr Sonntagsgeschäft in touristischen Hotspots, das würde wirklich helfen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Aber so mir nichts dir nichts jetzt im Landtag das Grundgesetz aushebeln, das wissen auch Sie, meine lieben Damen und Herren von der FDP, das ist nicht so einfach möglich, und für die Dauer von sechs Monaten bringt das wahrscheinlich ohnehin nicht viel.

Ja, der zweite von mir benannte Aspekt, der familiäre Aspekt. Und da müssen wir uns auch mal wirklich an die Nase fassen, ob wir das den Menschen zumuten wollen, auch jeden Sonntag zu arbeiten. Das mag der eine energiegeladene Selbstständige ohne Kinder gerne machen, aber für Arbeitnehmer mit Kindern ist es schwer vermittelbar, wenn auch sonntags genötigt wird zu arbeiten. Und auch, wenn so viele Menschen sonntags in Tankstellen, im Krankenhaus und im Restaurant schuften, was ja oft als Argument herangeführt wird, ist es doch immer noch für die Mehrheit der Menschen der Ruhepol der Woche. Am Wochenende haben nun mal die Kinder keine Schule, einige wollen zur Kirche gehen, Familien machen den Sonntagsausflug zur Oma. Also da sollten wir schon ein bisschen auch diesen Aspekt nicht außer Acht lassen.

Ja, der dritte Aspekt, die konjunkturelle Dimension, überschattet nun auch wirklich alles. Die Leute sind derzeit wirklich besorgt. Wir haben einen Krieg in Europa. Durch die heftige, in meinen Augen auch, ja, wirklich selbstschädigende Sanktionsspirale, die gerade durch die Ampelregierung im Bund losgetreten wurde, schießen

die Preise gerade durch die Decke. Jeden Tag gucken die Leute auf die Zapfsäulen und fragen sich, wie soll das noch weitergehen. Und in Kombination mit diesen wirklich äußerst extremen Klimaabgaben und der Geldschwemme der Zentralbank haben wir wirklich eine abnorme Inflation gerade. Wir hatten auch in der Vorkriegszeit, wie ich es mal nenne, hier Pleiten und Pannen bei den Werften, bei Nordex, vielen weiteren Unternehmen.

Auf den Punkt gebracht: Die Leute sind gerade froh, wenn sie Arbeit haben, die Tankrechnung zahlen können und genug zurücklegen für die Heizkostenabrechnung, die noch kommt. Die Normalbürger haben finanzielle Nöte, und das Einzige, was sie sich gerade sparen, das sind wahrscheinlich Sonntagsausflüge zum Shoppen. Der Effekt einer temporären Sonntagsöffnung wird sich wohl kaum noch auswirken, wenn aufgrund der konjunkturellen Lage im realen Warenkorb bei den Waren des täglichen Bedarfs das gesamte Gehalt landet. Da bleibt aktuell wenig im löchrigen Portemonnaie übrig für Spaß am Sonntag.

Ja, mein Fazit: Der Gesetzentwurf ist verfassungsrechtlich bedenklich. Familiär-gesellschaftliche Aspekte werden in meinen Augen ausgeblendet. Unsere Wirtschaft crasht gerade, da geht der intervenierende Effekt einer sechsmonatigen Sonntagsöffnung wahrscheinlich selbst für den penibelsten Volkswirt gegen null. Wir stimmen gerne zu, den Gesetzentwurf im Ausschuss zu beraten, aber so, wie er sonst ausformuliert ist, ist das in Gänze nicht zustimmungswürdig für die AfD-Fraktion. – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!

Es hat nunmehr das Wort für die CDU-Fraktion Herr Wolfgang Waldmüller.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich denke mal, jeder hier im Saal kann sich selbst an die Nase fassen, hat schon mal eingekauft, hat ein Handy in der Tasche, kennt den Onlinehandel, und das hat wahrscheinlich jeder von euch oder von Ihnen schon mal gemacht, ist bequem. Und wenn man heute in der Mittagspause möglicherweise schnell in den Laden wollte, müsste man sich spätestens in der Puschkinstraße entscheiden, in welchen Laden man geht, um dann schnell einkaufen zu können. In der Zwischenzeit hätten wir hier im Plenarsaal wahrscheinlich im Onlinehandel fünf Angebote durchgescrollt, Größe, Farbe, alles hätten wir dann gucken können,

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Lieferzeiten.)

und dann hätten wir eine riesengroße Auswahl, und wenn wir wollen, wird das sogar noch ins Schloss geliefert. Für den Onlinehandel gelten keine Ladenöffnungszeiten, ist klar, und das wird sich noch weiter forcieren, weil, wenn wir im Land dann so weit sind, dass wir an jeder Milchkanne dann 5G haben – ich übertreibe das mal bewusst –, ist auch überall Onlinehandel möglich.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Und das führt dann eben dazu, 365 Tage im Jahr, sogar am Heiligen Abend, ist das möglich.

(allgemeine Unruhe)