Protocol of the Session on August 27, 2020

(Heiterkeit und Zuruf von Stephan J. Reuken, AfD)

Deshalb ist es eben enorm wichtig, dass wir diese Ängste nehmen und wirklich nicht die Ängste schüren. Und das geht nur über Transparenz und das geht auch nur über öffentliche Diskussion.

Und wenn es um Transparenz geht, springe ich noch mal zurück auf die Landtagssitzung, Sondersitzung am 18. Juni 2020. Damals hatte die Landesregierung das zwingende Bedürfnis, eine „Werftenvertrauensfrage“ zu stellen, wie es der NDR nannte. Das heißt übersetzt, die Landesregierung wollte sich ihren Kurs zur Freigabe der Mittel aus der Locked Box bestätigen lassen, um das Signal zu senden, dass wir alle gemeinsam hinter den Beschäftigten und hinter den Standorten stehen. Und genau darum geht es hier und heute ebenfalls.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Denn Transparenz über die aktuelle Situation der Werften muss eben auch in so einer Situation gegeben sein,

wenn es nicht nur um Jubelmeldungen geht. Keiner von uns möchte sich hier hinstellen, um öffentlich bekanntzugeben, dass die Werften erneut in schwierigem Fahrwasser sind. Es ist aber unsere Pflicht und es ist die Pflicht der Landesregierung und des Landtages, eben nicht nur Jubelmeldungen öffentlich zu diskutieren, sondern auch gemeinsam Perspektiven zu eröffnen und gemeinsam Wege zu beschreiten. Wir stehen hinter den Beschäftigten! Wir stehen hinter den Standorten! Und diese Industriestandorte in Mecklenburg-Vorpommern dürfen niemals verloren gehen!

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das Parlament und die Öffentlichkeit haben ein Recht zu wissen, wie es um die Werften aktuell steht, welche Strategie die Landesregierung aufgrund der aktuellen Situation verfolgt. Und auch besonders die Beschäftigten auf den Werftstandorten und in den Zulieferunternehmen haben das Recht zu wissen, wie es um ihre Jobs steht und mit welcher Unterstützung sie zu rechnen haben.

Die Verunsicherung ist groß. Liest man den einen Tag in der internationalen Presse von Fortschritten in Bezug auf die Finanzlage Genting Hong Kongs, steht im NDR zwei Tage danach etwas über die Veräußerung von Anteilen der Werft. Ein paar Stunden später das Dementi der Geschäftsführung, weitere zwei Stunden später kann sich unser Wirtschaftsminister eine stille Beteiligung des Landes vorstellen. Deshalb ist es auch so wichtig, dass wir heute darüber reden. Wir müssen diese Zeit jetzt nutzen, um alle Möglichkeiten zu prüfen und zu überprüfen, weder ohne unberechtigte Hoffnungen zu verbreiten noch unbegründete Ängste zu schüren. Zugegebenermaßen ist das ein Spagat. Dieser Spagat muss aber gelingen, um tragfähige und verlässliche Perspektiven zu finden, wie sich die maritime Industrie, die Schlüsselindustrie dieses Landes hier weiter entwickeln kann.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir brauchen Wismar, Rostock und Stralsund als industrielle Standorte, die zukunftssicher aufgestellt werden müssen. Diese Aufgabe ist nicht durch das Land allein zu lösen, hier ist auch eindeutig der Bund in der Pflicht. Die MV WERFTEN müssen unter den Schutzschirm des Bundes, denn was für Niedersachsen TUI ist, was für Deutschland die Lufthansa ist, das sind für uns, für Mecklenburg-Vorpommern die Werften.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Wir brauchen tragfähige Konzepte für unsere Standorte und keine Strohfeuer. Wir brauchen aber auch den Mut, sich diesen enormen Aufgaben zu stellen, und kein Wegducken. Und gerade deshalb ist es so wichtig, dass wir heute die Zukunft der Werften thematisieren. Das sind wir den Beschäftigten und ihren Familien schuldig. Wir tragen eine große Verantwortung, und niemand von uns kann und will sich ein Mecklenburg-Vorpommern ohne die großen Werften vorstellen. Deshalb muss alles, wirklich alles geprüft und überprüft werden, was zum Erhalt guter und zukunftsfester Industriearbeitsplätze beiträgt.

Und leider gehört es dazu, dass wir uns trotz aller Bemühungen immer wieder Gedanken darüber machen müssen, wie die Industriearbeitsplätze gesichert werden können, wenn der Bund sich aus der Verantwortung stiehlt, denn es kann auf gar keinen Fall so sein, dass

beständig Gewinne privatisiert werden, aber Verluste vergesellschaftet. Ich weiß genau, dass diese Debatte alles andere als angenehm ist, aber sie ist notwendig, um auch über einen Plan B zu reden, und zwar nicht erst, wenn ein Plan A, was wir alle nicht wollen, was keiner von uns hofft, nicht funktioniert. Aber es wäre blauäugig und verantwortungslos den Tausenden Beschäftigten und ihren Familien gegenüber.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Und deshalb brauchen wir, sehr geehrte Damen und Herren, Entwicklungstendenzen, die zur dauerhaften Lösung beitragen. Seit 30 Jahren rettet MecklenburgVorpommern Werften, und das wird gemacht, weil wir eben diese Schlüsselindustrie für unser Land brauchen. Und ich nehme die Ministerpräsidentin beim Wort, wenn sie gestern sagte, verantwortungsvolle Politik bedeutet, dass wir uns die Fakten ansehen und dass dann gesagt wird, was Sache ist. Dazu ist diese Debatte heute da. Und in einer Debatte, in der gesagt wird, was Sache ist, ist es auch richtig, über Perspektiven zu reden. Das schafft abermals Transparenz und auch Vertrauen in die Politik, denn es zeigt, dass der Wille da ist, dass unser Wille gemeinsam da ist, die maritime Industrie im Land zu behalten und ihr eine Chance zu geben.

Und, sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, bitte machen Sie die Werften zur Chefsache! Das haben die Werften, das hat unser Standort und das haben die Beschäftigten verdient. Und sagen Sie uns, in der Septemberlandtagssitzung in einer Regierungserklärung, was Sache ist! – Herzlichen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Vielen Dank, Frau Fraktionsvorsitzende!

Das Wort zur Begründung des Antrages der Fraktionen der SPD und CDU hat für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Schulte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Da ich ja nun zweimal den Hinweis bekommen habe, dass man in der Einbringung sich nicht auch mit den Anträgen der jeweiligen anderen Fraktionen auseinandersetzen soll, will ich das an dieser Stelle nicht tun, auch wenn es mir natürlich schon in den Fingern juckt, aber das kann ich ja gleich noch im Rahmen der Aussprache.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich habe den Eindruck, wenn ich mir unseren Antrag angucke, den der Regierungsfraktionen, wenn ich mir den Antrag der Fraktion DIE LINKE angucke, dass es zumindest, was die Frage angeht, dass es eine Unterstützung für die Bemühungen der Landesregierung sowohl auf Bundesebene und auch darüber hinaus zur Sicherung der Werftstandorte und zur Sicherung der Beschäftigten gibt, dass es einen deutlichen breiten Konsens auch über die Regierungsfraktionen hinaus gibt, und ich glaube, es ist gut, dass es in beiden Anträgen steht. Und ich sage es an dieser Stelle, ich darf das ja an dieser Stelle sagen, weil es auch im Antrag der Regierungsfraktionen drinsteht.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das ist auch, glaube ich, wichtig als Signal für die Beschäftigten, nicht

nur an den drei Werftstandorten, sondern auch für die Beschäftigten in dem Bereich der Zuliefererindustrie. Weil wir diskutieren hier immer über die drei Werftstandorte in Wismar, in Rostock und in Stralsund, und häufig wird dabei vergessen, dass ein Großteil der Beschäftigten der maritimen Industrie in diesem Land nicht eben an diesen drei Standorten beschäftigt sind, so wichtig sie auch sind, sondern dass ein Großteil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den vielen Unternehmen in unserem Land beschäftigt sind, die auch als Zuliefererbetriebe für gerade diese drei Werftstandorte immer wieder tätig sind. Und auch um deren Perspektive geht es letztendlich, wenn wir um die Frage „MV WERFTEN und deren Zukunft“ diskutieren. Und es geht im Endeffekt – und das sage ich an dieser Stelle auch, weil da immer ein falscher Zungenschlag reinkommt –, es geht nicht um Wismar, Rostock, Stralsund, es geht um Mecklenburg-Vorpommern und dessen industrielle Weiterentwicklung in den kommenden Jahren. Und das sollte bitte, liebe Kolleginnen und Kollegen, keiner hier im Raum vergessen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Daniel Peters, CDU)

Und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Frau Kollegin Oldenburg ist eben darauf eingegangen, aber ich will es auch noch mal sagen, weil es nun explizit auch die Ziffer 1 des Antrags der Regierungsfraktionen ist: Wir haben hier in diesem Haus über die Freigabe der Mittel aus der Locked Box in Höhe von 175 Millionen entschieden – wir sind nicht diejenigen gewesen, die es alleine entscheiden konnten, aber wir sind als Mitbürge diejenigen gewesen, die auch ihr Einvernehmen geben mussten dazu –, und ich finde es heute in dieser Situation gut, dass wir hier im Landtag dieses Signal gegeben haben, dass wir unsere Landesregierung dabei unterstützt haben, diesen Weg zu gehen, und dass wir auch unserem Finanzausschuss an dieser Stelle ein klares Signal gegeben haben, dass wir das so wollen, dass wir die Werftstandorte mit diesen Mitteln weiter stützen wollen, damit die Zeit bis Ende September tatsächlich genutzt werden kann, um in dieser schwierigen Situation, in dieser schwierigen Lage für das Unternehmen – es geht nicht um Genting Hong Kong, es geht um die MV WERFTEN –, für dieses Unternehmen und dessen Beschäftigte tatsächlich eine Perspektive zu eröffnen.

Und, sehr geehrte,

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

sehr geehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen, das sage ich an dieser Stelle auch ganz deutlich, an dieser Vorstellung hat sich für meine Fraktion, hat sich für die Regierungsfraktionen auch heute nichts geändert, und deswegen noch mal hier die klare Aussage: Wir wollen als Regierungsfraktionen, dass die noch verbleibenden Mittel in der Locked Box freigegeben werden, damit die Zeit bis Ende September genutzt werden kann, um tatsächlich für die Werftstandorte eine Perspektive zu finden, weil alles andere würde bedeuten, dass man jetzt schon sagt, schließt die Tore, lasst die Gitter runter. Und das wollen wir nicht, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Und, sehr geehrte Kolleginnen und sehr geehrte Kollegen, sehr geehrte Frau Oldenburg, Sie hatten es eben

schon mal angesprochen, ich wäre aber auch so drauf gekommen, Sie haben das geschildert, das Hin und Her immer der Debatte in der letzten Zeit in der Medienlandschaft, will ich es einmal nennen. Und vonseiten von Herrn Dr. Jess ist angesprochen worden, ja, dass es so lange gedauert hätte, bis die Regierungskoalition sich dann doch getraut hat, einen Dringlichkeitsantrag selber vorzulegen, um sich nicht vor der Debatte zu drücken. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wer mich kennt, weiß, dass ich mich nicht vor einer Debatte hier drücke, egal, welches Thema es ist. Manchmal freue ich mich sogar darauf.

Aber, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es geht nicht um mich, es geht auch nicht um Sie. Es geht um die Frage, wie wir mit den Beschäftigten in einem Unternehmen dieses Landes umgehen und wie wir mit dem Unternehmen umgehen. Und aus der Erfahrung des Werftenfinanzierungsgesetzes, nein, andersherum gesagt, aus der Erfahrung der P+S Werften hat sich dieser Landtag entschieden, mit dem Werftenfinanzierungsgesetz dem Finanzausschuss und damit ja letztendlich einem Ausschuss dieses Hauses ein starkes Instrument an die Hand zu geben bei der Frage, wie gehen wir mit öffentlichen Mitteln im Zusammenhang mit den Werften und Bürgschaftsstellungen um.

Und die Konsequenz daraus ist, dass in diesem Haus auch Einigkeit darüber bestand, dass dort vollumfänglich und vollständig transparent über alle Angelegenheiten informiert werden kann und informiert werden muss, damit der Finanzausschuss eine entsprechende Entscheidung treffen kann. Das haben wir auch, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, gerade vor dem Hintergrund getan, dass es bestimmte Dinge gibt, die nicht geeignet sind, um auf dem öffentlichen Marktplatz ausgetragen zu werden. Und das bedeutet nicht, dass man nicht für Transparenz ist. Das bedeutet, dass man nicht durch eine öffentliche Debatte auf der einen Seite bestimmte Dinge schon kaputtreden will,

(Wolfgang Waldmüller, CDU: So ist es.)

die noch nicht kaputt sind, und es bedeutet auch, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen – das muss ich all denjenigen, die hier schon länger dabei sind und sich damals auch mit dem Thema Werftenfinanzierungsgesetz beschäftigt haben, nicht sagen –, das bedeutet auch, dass man am Ende dieses Land auch vor eventuellen Regressansprüchen schützen muss. Weil was ist denn zum Beispiel eine Diskussion, wenn sie hier geführt werden würde, nach dem Motto, na ja, wir diskutieren mal darüber, dass die MV WERFTEN kurz vor der Insolvenz stehen, und hinterher zeigt sich, das wäre eigentlich gar nicht der Fall, aber wir haben sie quasi in die Pleite geredet? Und das, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, nur diese Überlegung ist der Punkt gewesen, weswegen wir uns so lange damit umgetrieben haben, ob wir hier überhaupt eine solche Debatte wollen.

(Thomas Krüger, SPD: So ist es.)

Und als wir uns dann gesagt haben, na ja, wir versuchen dann eine Debatte zu führen, die vom Grundsatz her den Möglichkeiten auch dieses Hauses entspricht, dann haben wir natürlich gesagt, dann möchten wir das aber bitte auch mit einem eigenen Antrag entsprechend mitbestimmen können, wie die Debatte verläuft, und haben dann diesen Dringlichkeitsantrag eingebracht.

Und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, in dem Moment war es für uns auch nicht mehr die Frage, dass wir dann als Regierungsfraktionen sagen, dann stimmen wir aber auch den Dringlichkeitsanträgen der beiden Oppositionsfraktionen zu. Das hat nichts damit zu tun, dass man sich vor einer Debatte drücken will, das hat damit zu tun, dass man sich der Verantwortung bewusst ist, die man gegenüber den Menschen in diesem Land, den Beschäftigten in dem Unternehmen und auch dem Unternehmen selber gegenüber hat.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich werde jetzt nicht auf – wie gesagt, es juckt mir in den Fingern –, ich werde jetzt nicht auf die Anträge der beiden anderen Fraktionen eingehen,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wir haben ja noch Redezeit.)

aber wir haben ja noch die Aussprache, Herr Kollege Ritter, da werde ich dann noch was zu sagen. Aber ich habe trotzdem, ich habe trotzdem den Wunsch, das will ich an dieser Stelle sagen, ich habe trotzdem den Wunsch – und vielleicht, Frau Kollegin Oldenburg, ich habe Sie ja nun, vielleicht habe ich Sie auch richtig verstanden eben in Ihrem Debattenbeitrag –, dass es vielleicht auch eine Zustimmung über die Regierungsfraktionen hinaus zu diesem Antrag geben könnte. Ich würde mich freuen. Ich würde mich freuen, wenn das so wäre, weil...

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wir sind nicht so!)

Ach, Peter!

Es würde mich freuen, weil dort oben,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wenn so eine Vorlage geliefert wird!)

dort oben sitzen Vertreterinnen, Vertreter der Betriebsräte der MV WERFTEN, und die werden das Signal aus diesem Haus heute mitnehmen, wie wir in der breiten Mehrheit zu diesem Standort, zu dieser Werft, zu den Beschäftigten dort stehen und auch zu den Zuliefererbetrieben, die darüber hinaus in diesem Land wichtig sind. Und dafür ist eine breite Unterstützung, dafür werbe ich noch mal ausdrücklich, auch unseres Antrages erforderlich. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Vielen Dank, Herr Schulte!

Und um allen Versuchungen vorzubeugen, begrüße ich deshalb für den Landtag auf der Besuchertribüne alle Gewerkschaftsvertreter.