Protocol of the Session on June 12, 2020

Und, meine Damen und Herren, es gab auch ganz andere Versammlungen, auf die DIE LINKE in dem Antrag auch eingeht und über die wir als Parlament in der Tat auch sprechen sollten. Einige davon habe ich mir persönlich angeschaut. Beispielsweise in Rostock haben mehrere solche Corona-Spaziergänge, wie sie sich genannt haben, stattgefunden, wo sich teils rund 500 Personen versammelt haben, klatschend, mit „Wir-sind-das-Volk“Sprechchören, aber eigentlich ohne Botschaft, ohne Positionierung, ohne Forderung. Und neben Vertretern des AfD-Kreisvorstandes und auch weiteren AfDlern war auch die Identitäre Bewegung, waren Hooligans, waren autonome Nationalisten mit dabei und gleichzeitig aber auch sehr viele bürgerliche Gesichter. Es gab keine Reden, keine offiziellen oder sichtbaren Positionierungen, und ich hatte tatsächlich den Eindruck, dass da erst mal jeder für seine eigene Wahrheit demonstriert hat.

Das dürfte wohl auch das Einzige sein, was diese total gegensätzliche Querfront eint: dagegen sein. In Wirklichkeit, meine Damen und Herren, liegen die Intentionen meines Erachtens sehr, sehr weit auseinander. Während es klassische Rechtsaußen und Neonazis gibt, die am liebsten Corona als Hebel nutzen würden, im Rahmen einer paradoxen Intervention – so nenne ich es mal – unsere freiheitliche Demokratie abzuschaffen, fühlen sich andere Bürgerinnen und Bürger durch staatliche Hygieneverordnungen derart in ihrer persönlichen Freiheit beschnitten, dass sie diktatorische Züge erkennen, die es zu bekämpfen gilt.

Einige der Teilnehmenden solcher Spaziergänge – das war meine Beobachtung – demonstrieren tatsächlich das erste Mal in ihrem Leben, haben kein Vertrauen in die Regierung, und für viele andere in dieser Gruppe hängt aber schon lange alles mit allem zusammen und es ist gar nichts mehr wahr, was man in der Presse lesen kann, was überhaupt in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Wieder andere wollen den Protest aufstacheln, wollen ihn übernehmen, wollen sich politisch gegen das gesamte verhasste demokratische System richten.

Was zum Beispiel ein Mundschutz mit einer, Zitat, „Merkel-Burka“, Zitatende, zu tun hat oder Kontaktbeschränkungen gegen ein weltweit aktives Virus mit, Zitat, „Erich-Honecker-Methoden“, Zitatende, zu tun haben, erschließt sich mir nicht. Das sind keine Fakten, das sind absichtliche und bösartige Übertreibungen. Tja, und wo solche Begriffe dann herkommen, die solche Denkweisen, solche Ideen, solche Verschwörungsideen nähren, da habe ich zumindest beim Begriff „Merkel-Burka“ eine sehr, sehr klare Vorstellung, wo so etwas herkommt.

Meine Damen und Herren, alle Gemäßigten in solchen Kundgebungen, wo es um Verschwörungsideen geht, alle Gemäßigten müssen sich zumindest zwei Fragen gefallen lassen, nämlich die erste Frage, die, finde ich, ist mit Abstand auch die relevanteste Frage: Was wäre eigentlich ihre eigene Lösung für ein verantwortungsvolles Umgehen mit einem unbekannten Virus, das, wenn es nicht gebremst wird, andernorts zu Kliniknotstand und Massengräbern führt?

(Zuruf von Dirk Lerche, AfD)

Was ist die eigene Idee? Weil die muss man, finde ich, präsentieren können, wenn man sagt, andere gehen in einer freiheitlichen Demokratie nicht verantwortungsbewusst damit um.

Und die zweite Frage, die, finde ich, auch in diesem Zusammenhang sich jeder Bürger und jede Bürgerin, die es nach eigenem Bekunden gut meint mit unserer Verfassung, mit unserem Staat, auch gefallen lassen muss, ist: Wieso läuft man eigentlich auf Kundgebungen ohne eine Distanzierung mit den Feinden des Grundgesetzes, mit Faschisten mit? Macht man sich, wenn man da einfach ohne Distanzierung mitläuft, nicht eigentlich mit solchen Leuten gemein?

Die erste Frage, also was ist der richtige Weg, die haben wir hier sehr ausführlich diskutiert in diesem Parlament, und die zweite Frage ist in meinen Augen sehr einfach zu beantworten, nämlich mit Ja. Ja, wenn ich mich nicht mit Neonazis und Feinden unserer Demokratie gemeinmachen möchte, dann sollte ich auch nicht mit diesen Personen auf einer gemeinsamen Demo laufen, ohne mich davon zu distanzieren oder ohne auch im Nachhinein, selbst wenn man es irgendwo nicht auf dem Schirm hatte, damit einen kritischen Umgang zu finden.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Ich habe noch nie gehört, dass Sie sich von der Antifa distanziert hätten, noch nie.)

Und von solchen Distanzierungen war nichts zu sehen, meine Damen und Herren, von solchen Distanzierungen war nichts zu sehen.

Und erlauben Sie mir aber auch bei der anderen Frage, was denn die beste Lösung wäre, noch mal einen Rückblick auf die vorangegangenen Sitzungswochen hier im Landtag. Da gab es nämlich eine Fraktion in diesem Hause, die hat uns Schweden – und das gegen jede Evidenz – als das Corona-Schlaraffenland, wo ohne Einschränkungen Milch und Honig fließen, verkaufen wollen. Und, meine Damen und Herren, da müssen wir uns nicht wundern, dass Menschen in diesem Land verunsichert durch die Gegend laufen, lebensrettende und richtige Maßnahmen in Zweifel ziehen, wenn es hier einen sehr lautstarken Parlamentarischen Abend des, ich

sage mal, alternativen Nachrichtengeschäftes und der alternativen Weltsichten gibt, meine Damen und Herren.

„Echte Solidarität ist mehr als Klatschen“, das war ein Motto einer Kundgebung in Rostock. Für uns alle, meine Damen und Herren, ist der Umgang und bleibt der Umgang mit Corona wirklich schwer, wirklich herausfordernd, aber anstelle klatschend mit Neonazis durch die Straßen zu laufen, sollten wir uns alle gemeinsam fragen – und das ist eine Einladung an alle Bürgerinnen und Bürger –, sollten wir uns alle gemeinsam fragen, wie wir möglichst vernünftig, mit Respekt vor den Schwächeren und mit gegenseitiger Unterstützung durch eine solche Krise kommen.

Jeder von uns gewünschte und auch jeder grundgesetzlich geschützte, freiheitliche Umgang miteinander setzt doch voraus, dass alle Menschen Verantwortung für sich und für andere übernehmen und das Wir – nicht das Ich, Ich, Ich-möchte-dieses-oder-jenes-nicht – in den Mittelpunkt stellen, das Wir. Und viel zitiert und trotzdem wahr – Frau Bernhardt hat es ja im Grunde auch gesagt –, eine Freiheit gibt es nur, wenn man Verantwortung übernimmt, und Grundrechte für alle, das bedeutet, Regeln einzuhalten. Gemeinsam mit den Feinden unserer Demokratie auf alle Regeln zum Schutze Dritter zu pfeifen, auf Verantwortung zu übernehmen zu pfeifen, das ist definitiv nicht der richtige Weg dort. Darüber herrscht, glaube ich, in diesem Hause sehr weitgehend Einigkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Sebastian Ehlers, CDU)

Die CDU müsste jetzt auch klatschen, aber der Herr Ehlers macht das, also er übernimmt das stellvertretend für alle Kolleginnen und Kollegen, die physisch noch anwesend sind.

Also abschließend gesagt, meine Damen und Herren, der vorliegende Antrag enthält inhaltlich viel Richtiges. Ob das jetzt ein Beschluss von uns werden muss, ob nicht auch eine Aussprache mit einer kantigen Pressemitteilung gereicht hätte, vermag ich nicht zu beurteilen, eine gemeinsame Antragsinitiative hätte jedenfalls der gemeinsamen Meinungsbildung sicher gutgetan. So werden wir dem im Ergebnis nicht zustimmen. Ich bedanke mich aber trotzdem sehr herzlich für die Aussprache zu diesem wichtigen Thema. – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Sebastian Ehlers, CDU – Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der AfD der Fraktionsvorsitzende Herr Kramer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Meine Uhr steht hier bei 13 Minuten und 16 Sekunden. Frau Larisch, vielleicht könnten Sie das re… Ah, herzlichen Dank!

Herr Barlen, Sie haben eingangs erwähnt, dass die Maßnahmen verhältnismäßig sein müssen. Er ist ja gar nicht mehr da, na gut.

(Julian Barlen, SPD: Doch, hier hinten!)

Ach da! Entschuldigen Sie bitte!

(Zuruf von Julian Barlen, SPD)

Ja, guter Hinweis.

Die Maßnahmen staatlichen Handelns, die in Grundrechte eingreifen, die müssen aber nicht nur verhältnismäßig sein, sondern eben auch geeignet und erforderlich. Das ist der sogenannte Dreiklang vom staatlichen Handeln. Und diese Geeignetheit und Erforderlichkeit, die darf wohl auch hinterfragt werden. Das zu Ihrem Beitrag.

(Beifall Dr. Ralph Weber, AfD – Zuruf von Julian Barlen, SPD)

Der uns vorliegende Antrag …

Nee, haben Sie gar nicht.

Der uns vorliegende Antrag der LINKEN verdeutlicht, wie abgehoben diese Fraktion mittlerweile ist. Erneut wird dieses Plenum dafür genutzt, die ewig gleiche linke Empörungslust zu befriedigen. Diesmal sind es die Skeptiker der aktuellen Corona-Politik, die mit dem verallgemeinernden Label der Verschwörungsideologien ins Visier genommen werden.

(Heiterkeit bei Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

Und, Frau Bernhardt, da brauchen Sie gar nicht zu lachen, Sie haben am Ende Ihrer Rede alle, die eine andere Auffassung als die Ihrige haben, als rechte Hetzer bezeichnet. Und das finde ich sehr gefährlich, und das spaltet die Gesellschaft, meine Damen und Herren.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Der gesamte Antrag atmet den Geist eines Generalverdachts. Anstatt wirklich das Grundgesetz und unsere Grundrechte zu bestärken und sich umstandslos zur Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit zu bekennen, wird eine verschwörungstheoretische und rechte Gefahr an die Wand gemalt. So macht es sich die Fraktion DIE LINKE mal wieder sehr einfach.

Meine Damen und Herren, wir arbeiten in der CoronaKrise mit vielen Ungewissheiten. Deshalb ist es gefährlich, wenn Zukunftsfragen und Forderungen nach Grundrechten nicht diskutiert oder hinterfragt werden, weil angeblich überall Verschwörungstheoretiker hocken. Mit einer solchen Haltung ist DIE LINKE keine seriöse Oppositionspartei mehr, sie ist eher ein kläffender Hund, der die Maßnahmen der Regierung verteidigt.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Meine Damen und Herren, im Antrag schreibt DIE LINKE, ich zitiere: „Soweit die Landesregierung unverhältnismäßige Maßnahmen beschlossen hat, wurden und werden diese durch die parlamentarische Opposition kritisiert und … durch die unabhängige Justiz korrigiert.“ Zitatende. Welch ein arrogantes Eigenlob! Was für eine Arroganz gegenüber kritischen Bürgern, die jedes Recht dazu haben, auf die Straße zu gehen, auf Fehlentwicklungen hinzuweisen und auf mehr Eigenverantwortung zu pochen!

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Hab ich ja gesagt, Herr Kramer. Da müssen Sie mal zuhören!)

Ja, das haben Sie gesagt, aber all diese Menschen bezeichnen Sie als rechte Hetzer.

(Beifall Dr. Ralph Weber, AfD – Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Nee, bezeichne ich nicht, weil das was ist, was da nicht drinsteht.)

Und das ist mehr als arrogant und gefährlich dazu. Die Pauschalisierung des kritischen Denkens, Frau Bernhardt, in der Bevölkerung gefährdet den demokratischen Diskurs, genau den Diskurs, den Sie immer einfordern, aber nicht bereit sind, selbst zu geben.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Der Einbringer konterkariert also sein eigen formuliertes Anliegen, den Wert des Grundgesetzes in Krisenzeiten hochleben zu lassen. Das ist moralische Wichtigtuerei der schlimmsten Sorte.

(Julian Barlen, SPD: Das, was Sie machen, meinte ich mit „paradox“. – Heiterkeit bei Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE – Zuruf von Julian Barlen, SPD)

Die öffentliche Debatte muss den Streit, Herr Barlen, zulassen und wir alle sollten uns davor hüten, Demonstranten als Verschwörungstheoretiker oder antisemitisch oder rechtsextrem zu beschimpfen, so, wie Sie es taten.

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Haben wir nicht gesagt.)

Wir brauchen intensive und faktenbasierte Gespräche, die auch den kritischen Blick auf politische Entscheidungen zulassen. Wir müssen auch die Kollateralschäden der jetzigen Maßnahmen in den Blick nehmen.

Meine Damen und Herren, DIE LINKE formuliert in ihrem Antrag, die Meinungsfreiheit sei, ich zitiere abermals, „gerade in Krisenzeiten wichtig“, Zitatende. Diese Formulierung ist mir viel zu lasch. Die Meinungsfreiheit ist nämlich ein elementares Grundrecht unserer Bürger. Es zu schützen, hat oberste Priorität. Im Antrag der LINKEN wird gnädigerweise auch die Versammlungsfreiheit als wichtig erachtet, jedoch nur, wenn die Abstandsregeln beachtet werden. Wie das im Einzelnen funktioniert, haben jüngste Demonstrationen von LINKEN und linksextremen Kreisen gezeigt. Tausende haben in Berlin und München die Abstandsregelungen ignoriert und standen in der Masse dicht gedrängt, schreiend, ohne Masken und Distanz beieinander.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Horst Förster, AfD: Das ist ja auch eine andere Richtung.)