Protocol of the Session on June 11, 2020

und darum haben wir eine Verantwortung. Hätten wir früher eingegriffen und hätten gesagt, ja, 2013 haben wir doch gesehen, was auf uns zukommt, als wir in den Nahen Osten geguckt haben.

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Gesehen haben wir es 2011, 2012. 2013 war absolut klar, und da, da hätten wir schon sagen müssen, wir brauchen ein europäisches System. Jetzt haben wir 2020. Nichts ist passiert! Das Elend wird immer größer an den europäischen Grenzen und das Mittelmeer ist eines der größten Massengräber der Neuzeit. Furchtbar ist das! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Die Fraktion DIE LINKE hat gemäß Paragraf 91 Absatz 1 unserer Geschäftsordnung zum Tagesordnungspunkt 25 „Landesaufnahmeprogramm für Geflüchtete auflegen“ auf Drucksache 7/5006 eine namentliche Abstimmung beantragt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir beginnen nun mit der Abstimmung. Dazu werden Sie hier vom Schriftführer namentlich aufgerufen und gebeten, vom Platz aus Ihre Stimme mit Ja, Nein oder Enthaltung abzugeben. Damit Ihr Votum korrekt erfasst werden kann, bitte ich Sie, sich nach Aufruf, wenn möglich, von Ihrem Platz zu erheben und Ihre Stimme laut und vernehmlich abzugeben. Darüber hinaus bitte ich alle im Saal Anwesenden, während des Abstimmungsvorgangs von störenden Gesprächen Abstand zu nehmen.

Ich bitte nun den Schriftführer, die Namen aufzurufen.

(Die namentliche Abstimmung wird durchgeführt. – Schriftführer Dirk Lerche: So, ist noch einer reingekommen? – allgemeine Unruhe und Heiterkeit)

Bei allem Elan, das ist jetzt meine Frage, und ich frage, ob es noch Mitglieder des Hauses gibt, die anwesend sind und ihre Stimme abgeben möchten.

Jetzt dürfen Sie wieder in der Reihenfolge die Abgeordneten aufrufen.

(Schriftführer Dirk Lerche: Alle? – allgemeine Heiterkeit – Die Abgeordneten Andreas Butzki, Harry Glawe, Dr. Gunter Jess, Thomas de Jesus Fernandes und Stephan J. Reuken werden nachträglich zur Stimmabgabe aufgerufen.)

Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme abzugeben wünscht? – Das sehe und höre ich nicht.

Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführer mit der Auszählung zu beginnen. Ich gebe Ihnen zwei Minuten. Also die Sitzung ist für zwei Minuten unterbrochen.

Unterbrechung: 16.13 Uhr

__________

Wiederbeginn: 16.14 Uhr

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich eröffne die unterbrochene Sitzung und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt. An der Abstimmung haben insgesamt 61 Abgeordnete teilgenommen. Mit Ja stimmten 9 Abgeordnete, mit Nein stimmten 52 Abgeordnete, kein Abgeordneter enthielt sich der Stimme. Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/5006 abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 26: Beratung des Antrages des Abgeordneten Holger Arppe, fraktionslos, – Deutsche Souveränität bewahren – Schuldenunion verhindern, Drucksache 7/4995.

Antrag des Abgeordneten Holger Arppe, fraktionslos Deutsche Souveränität bewahren – Schuldenunion verhindern – Drucksache 7/4995 –

Das Wort zur Begründung hat folglich der Abgeordnete Herr Arppe.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Damen und Herren Abgeordnete! Vor wenigen Tagen bekam ich eine Mail der Initiative „Jugend wählt“, worin deren Mitglieder die generelle Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre fordern. In der Begründung steht geschrieben, ich zitiere: „Jeden Tag heißt es: Gemeinsam Zukunft gestalten. Doch während Erwachsene wählen gehen und so ihren Beitrag zur politischen Geschehnissen leisten können, scheint es jenen, welche all diese Entscheidungen und Handlungen zukünftig am stärksten tragen müssen, verwehrt zu bleiben, sich aktiv an politischen Prozessen zu beteiligen.“ Zitatende.

Ich habe mich hernach gefragt, ob diesen jungen Leuten wirklich klar ist, wie recht sie gerade jetzt mit dieser Feststellung haben. 500 Milliarden Euro wollen Angela Merkel und Emmanuel Macron für einen sogenannten Europäischen Wiederaufbaufonds zur Verfügung stellen. EUKommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will sogar noch 250 Milliarden Euro draufpacken. Schon der Begriff „Wiederaufbaufonds“ ist eine Täuschung. Durch die Covid-19-Pandemie ist nämlich keine einzige Fabrik, keine einzige Straße und kein einziges Gebäude zerstört worden. Genau das wird aber suggeriert,

(Thomas Krüger, SPD: Von wem denn?)

gerade so, als hätten die südeuropäischen Länder

(Thomas Krüger, SPD: Von wem denn?)

einen Weltkrieg hinter sich.

(Thomas Krüger, SPD: Das ist doch Quatsch, was Sie da erzählen! Das wissen Sie auch!)

Tatsächlich geht es um Zuschüsse in die maroden Staatshaushalte von Italien, Griechenland, Spanien und anderen. Mit Corona hat das nur vordergründig zu tun, weitaus mehr jedoch mit dem verzweifelten Versuch, den Euro einmal mehr vor dem Zusammenbruch zu retten.

(Thomas Krüger, SPD: Das glauben Sie, ja?)

Dessen Lebensunfähigkeit hat die gegenwärtige Krise erneut offenkundig werden lassen. Darauf hat auch Thomas Mayer, früherer Chefvolkswirt der Deutschen Bank, jüngst hingewiesen. Den Geburtsfehler des Euro, nämlich die Ignoranz gegenüber den realwirtschaftlichen Divergenzen zwischen Nord- und Südeuropa, können auch die geplanten Maßnahmen nicht ausbügeln.

(Thomas Krüger, SPD: Dafür ist er aber stabil, finden Sie nicht auch?)

Das nachgerade Aberwitzige ist, dass man das alles durchaus hätte wissen können, denn eine europäische Währungsunion gab es bereits einmal, die Lateinische Münzunion. 1865 gegründet, brach sie faktisch 1914 aus exakt denselben Gründen zusammen, die gegenwärtig auch dem Euro zu schaffen machen. Auch damals waren einerseits Italien und Griechenland das Problem und andererseits das Primat der Politik anstelle von ökonomischer Vernunft. „Aus der Geschichte lernen“ ist ja so ein Schlagwort. Leider wird es immer nur dann benutzt, wenn es den Protagonisten gerade in den Kram passt.

Nun also sollen die Hilfszahlungen über Kredite aufgebracht und vermittels bestehender Programme der EU verteilt werden, also nicht direkt an Staaten, sondern als EU-Projekte. Davon gibt es viele, und viele sind fragwürdig. Kontrolle fehlt, Missbrauch ist eingepreist,

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

denn die Rückzahlung erfolgt nicht über die Nutznießer. Also nicht Italien zahlt irgendwann diesen De-facto-Kredit, den es ja erhält, an die EU, nicht Griechenland zahlt, sondern die EU selbst. Die Rückzahlung erfolgt über den EU-Haushalt und damit über Nettozahler wie Deutschland.

Das macht das Projekt so interessant: Geld aufnehmen und andere zahlen. Das ist die neue Regel. Da ist Geld schnell ausgegeben, wenn jede eigene Haftung und Verantwortung dafür entfällt. Zudem will Ursula von der Leyen die Auszahlung von EU-Hilfsgeldern auch an diverse Bedingungen knüpfen, wie zum Beispiel einen Nachhaltigkeitsvorbehalt oder politisches Wohlverhalten gegenüber Brüssel. Das ist freilich eine schöne Solidarität und macht deutlich, dass es darum letztlich gar nicht geht.

Kommen wir zur Finanzierung des ganzen Projekts. Deutschland haftet schlechterdings mit und zahlt den Löwenanteil. Damit sind diese Mittel genau das, wogegen sich die Bundesregierung und viele Fachleute seit Jahren immer gesträubt haben: Eurobonds, und noch schlimmer als das, denn die Milliarden sind ja nicht nur für die Euro-Mitgliedsstaaten bestimmt, sondern für die gesamte Europäische Union. Deutschland haftet für unvorstellbare Geldmengen, die andere Länder ausgeben dürfen. Man kann es auch so ausdrücken: Deutschland zahlt automatisch die Schulden anderer Staaten!

Nun hat Deutschland bei der Einführung des Euro in den Maastrichter Verträgen genau so etwas kategorisch ausgeschlossen, hat sich exakt dagegen immer vehement gewehrt. Damit ist es jetzt offenbar vorbei. Corona macht es möglich, liefert das Pathos, um die Sachverhalte zu verschleiern und die gravierenden Veränderungen zu verbergen.

Momentan reden ja alle so gerne vom Grundgesetz. Wer aber diese Schuldenunion durch die Hintertür unterstützt, läutet das Totenglöckchen für unsere deutsche Verfassung. Das hat der Eklat um ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts jüngst gezeigt. Worum ging es? Die EZB hat ja ihrerseits neben diesen 500 Milliarden bereits weitere 750 Milliarden als Anleiheankaufsprogramme bereitgestellt. Insgesamt hat die EZB schon für 2.666.000.000.000 Euro Anleihen der Mitgliedsstaaten gekauft, bevorzugt wertlose Papiere der südeuropäischen Länder. Weil so sichtbar deutsche Sparer und deutsche Staatshaushalte vertraglich für ein Viertel direkt in die Pflicht genommen werden, will man in Karlsruhe verständlicherweise gerne wissen, ob das notwendig ist, also eine Art Kreditprüfung. Erfolgt die nicht, darf sich die Bundesbank nicht mehr daran beteiligen, also deutsche Steuergelder nach Brüssel umleiten.

Das deutsche Volk soll also erfahren, was mit seinem Geld geschieht. Doch das will die EU nicht. Sie will Unterwerfung unter sogenanntes EU-Recht,

(Thomas Krüger, SPD: Unterwerfung?!)

als sei Europa bereits ein Bundesstaat.

(Thomas Krüger, SPD: Ach darum geht es!)

Die Schlussfolgerung ist bemerkenswert:

(Thomas Krüger, SPD: Mann, Mann, Mann!)

Wenn die Bundesbank entgegen dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das darin eine Verletzung des Grundgesetzes sieht, blind mitmachen muss, dann sind deutsches Recht sowie das Grundgesetz forthin Makulatur. Die EZB bestimmt und im entscheidungsbefugten EZB-Rat hat Deutschland eine von 21 Stimmen, gelegentlich, denn die fünf größten Länder teilen sich im Monatswechsel 4 Stimmen. Der Entmachtung bei der Entscheidungsfindung in der EZB folgt die Entmachtung der wirtschaftlichen und fiskalischen Souveränität. Deutschland wird auf eine Provinz herabgestuft, die von den Entscheidungen in Brüssel oder der EZB abhängig ist.

Wenn Deutschland nun dergestalt die Verantwortung für die Schulden aller Länder der EU übernimmt, leidet fürderhin sehr schnell auch seine Kreditwürdigkeit. Wer der Bundesrepublik Geld leiht, leiht es dann tatsächlich Brüssel. Damit werden dann doch langsam auch die Zinsen steigen, die Deutschland für seine gerade explodierende Staatsverschuldung aufbringen muss. Und so kommt das Land mehrfach in die Klemme. Seine Bonität sinkt, seine Verpflichtungen steigen.

Abschließend möchte ich noch einmal auf die Mail der Initiative „Jugend wählt“ zurückkommen. Ich glaube kaum, dass diese jungen Leute eine Vorstellung davon haben, was da auf sie und ihre Kinder zukommt. Sie hier in diesem Hohen Hause sollten es aber wissen und daher auf Bundes- und europäischer Ebene alles tun, um

diesen katastrophalen Irrweg zu verhindern. – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)