Das Grundgesetz gilt als die beste Verfassung, die unser Volk je hatte. Sie hat allerdings den Makel, dass das Grundgesetz trotz der in Artikel 146 festgelegten Vorläufigkeit nicht in eine vom Volk beschlossene Verfassung transformiert wurde. Das hier nach der Wende Versäumte wird schwer nachzuholen sein. Dies vorausgeschickt gilt dennoch, die im Grundgesetz festgeschriebenen rechtsstaatlichen Grundprinzipien stehen außer Frage und, was das Wichtigste ist, das Demokratieprinzip ist nicht nur im politischen Diskurs, sondern auch im Bewusstsein der Bevölkerung ganz überwiegend anerkannt und verankert.
Die Demokratie – das lehrt die Geschichte – funktioniert nur als eine wehrhafte Demokratie. Die freiheitlichdemokratische Grundordnung, deren zentrale Grundprinzipien die Menschenwürde, das Demokratieprinzip und das Rechtsstaatsprinzip sind, ist nicht verhandelbar. Extremismus und Totalitarismus dürfen, egal von welcher Seite, nicht toleriert werden. Deshalb muss diese Demokratie wehrhaft sein und bei realen Gefahren für unsere Grundordnung auch spürbar handeln können.
Der Antrag des Abgeordneten Arppe fordert, dass der Verfassungsschutz abgeschafft werden soll. Zur Begründung wird angeführt, dass der Verfassungsschutz massiv in den Prozess der freien politischen Willensbildung eingreife, seine Kompetenzen missbrauche und zur Bekämpfung unliebsamer politischer Konkurrenz instrumentalisiert werde. Ja, da ist was dran. Ich komme darauf zurück. Aber selbst wenn der Verfassungsschutz seiner Aufgabe nicht in der gebotenen Weise gerecht wird, es gibt keinen durchgreifenden Grund, ihn abzuschaffen, genauso wenig wie die Polizei, wenn dort Missstände eingetreten wären.
Die Polizei kann den Verfassungsschutz mit seinen geheimdienstlichen Fähigkeiten nicht ersetzen. So wenig man einen Krieg mit der Strafprozessordnung führen kann, so wenig kann man die Gefahr des Terrorismus und politischen Extremismus allein mit polizeilichen Mitteln bekämpfen. Der Verfassungsschutz arbeitet mit anderen Mitteln als die Polizei, seine Informationen haben andere Quellen und können nicht ohne Weiteres in einem Strafverfahren verwertet werden. Es gilt das Tren
nungsgebot, das heißt, dass Polizei und Nachrichtendienste in Bezug auf ihre Organisationen und Aufgaben getrennt sind. Die uneingeschränkte Weitergabe von Informationen ist nicht zulässig.
Übrigens, Grundlage für dieses Trennungsgebot, das sich nicht unmittelbar aus der Verfassung ergibt, ist der sogenannte Polizeibrief der Alliierten, nach deren Vorgaben – das ist nun mal so – das Grundgesetz vom Parlamentarischen Rat geschaffen wurde, und dort, in diesem Brief steht sinngemäß, dass die Stelle, die betreffende Stelle, also was wir heute Verfassungsschutz nennen, keine Polizeibefugnisse haben darf, und das ist auch bis heute so geblieben.
Die Vorstellung, man käme ohne einen Verfassungsschutz, insbesondere im präventiven Bereich aus, ist geradezu naiv. Das zentrale Anliegen des Verfassungsschutzes ist es zu Recht, unsere Ordnung als Dreiklang von Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaat zu beschützen. Nach den bitteren Erfahrungen aus Weimar darf sich die Demokratie selbst nicht mehr mit demokratischen Mitteln abschaffen. Der Verfassungsschutz ist deshalb eine Waffe im Kampf gegen den Extremismus, der nicht gegen die Demokratie selbst gerichtet werden darf.
Meine Damen und Herren, wer schützt uns freie Bürger vor dem Verfassungsschutz? Nach 70 Jahren Grundgesetz ist diese Frage mittlerweile leider nicht mehr ganz einfach zu beantworten. Uns sollte ein vom Gesetzgeber klar umrissenes Aufgabenfeld vor einer politischen Instrumentalisierung des Verfassungsschutzes schützen.
Ein Verfassungsschutz, der sich einseitig auf die Seite etablierter Parteien schlägt, handelt rechtswidrig und unbürokratisch.
In den Fällen, wo der Verfassungsschutz Meinungen und nicht politische Ziele bewertet, kann er zu einem Problem für die freiheitlich-demokratische Grundordnung werden. So ist es hoch problematisch, wenn der für die Arbeit des Verfassungsschutzes zentrale Begriff der tatsächlichen Anhaltspunkte oft nur schlampig und ohne vorherige Reflexion angewendet wird. Das über die AfD im Jahr 2018 angefertigte Gutachten ist dafür ein mahnendes Beispiel. Wir brauchen rational begründete und nachvollziehbare Entscheidungen darüber, wer durch den Verfassungsschutz als Extremist gebrandmarkt werden darf und wer nicht. Es sind klare Kriterien notwendig, um dem Ziel einer rechtsstaatlichen Verfassungsschutzpraxis gerecht zu werden.
In Bezug auf die im Antrag problematisierte Veröffentlichung von Verfassungsschutzberichten gehören hierzu die Frage nach der Erforderlichkeit und Eindeutigkeit bei der Beachtung der gesetzlichen Voraussetzungen der Berichterstattung, eine Verdachtsberichterstattung nur zur Abwehr einer konkreten Gefahr, Verhältnismäßigkeit durch hinreichend gewichtige, tatsächliche Anhaltspunkte und eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, die Notwendigkeit einer Gesamtbetrachtung, Vermeidung einer Tabuisierungswirkung durch Verwendung von Meinungsäußerungen als Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche
Bestrebungen. Es bedarf einer konkreten Begründung einer Einstufung als extremistisch. Und vor Veröffentlichung hat eine Anhörung der Betroffenen zu erfolgen.
Meine Damen und Herren, diese Aufzählung unterstreicht die äußerst sensible und für die Demokratie verantwortungsvolle Aufgabe des Verfassungsschutzes. Die Niederlage des Bundesverfassungsschutzes wegen der Benennung der AfD als Prüffall vor dem Verwaltungsgericht in Köln hat gezeigt, dass dieser Verantwortung derzeit nicht ausreichend nachgekommen wird.
Aktuell geht es um die Verdachtsberichterstattung des sogenannten Flügels und unserer Jugendorganisation.
Die von Verfassungsschutzpräsident Haldenwang mit zu verantwortende Demokratiebeschädigung ist offensichtlich. Experten gehen davon aus, dass von den im Gutachten erwähnten 470 Meinungen und Äußerungen der AfD lediglich 6 als verfassungsrechtlich bedenkenswert zu werten sind.
Meine Damen und Herren, das vom Bundesamt veröffentlichte Gefälligkeitsgutachten ist weder neutral noch objektiv. Das wird besonders deutlich, wenn man Aussagen von AfD-Vertretern mit älteren Aussagen von gestandenen Politikern etablierter Parteien vergleicht. Ich darf Ihnen dies mit zwei Zitaten verdeutlichen. Erstes Zitat: „Wir können nicht mehr Ausländer verdauen, das gibt Mord und Totschlag.“ Das war Helmut Schmidt als Kanzler der SPD im Jahr 1981. Völlig unverdächtig, ein Verfassungsfeind zu sein. Zweites Zitat: „Ein Volk kann nur die eigene Einigkeit und Freiheit bewahren, wenn es weitgehend homogen bleibt. Deutschland hat im Laufe seiner Geschichte viele Einwanderer aus benachbarten Kulturen aufgenommen und integriert. Aber alles hat Grenzen.“ Das war Jörg Urban, AfD-Fraktionsvorsitzender, der im Jahr 2018 verdächtigt wurde, durch dieses Zitat die Menschenwürde zu verletzen.
Meine Damen und Herren, hieran ist klar zu sehen, wie sehr zwei ähnliche Äußerungen – und die von Helmut Schmidt finde ich schon relativ robust – zu Migrationsproblemen durch das Gutachten auf unerträgliche Art und Weise unterschiedlich behandelt werden. Während Schmidt ein geachteter Sozialdemokrat ist, soll Urban dem Gutachten zufolge ein Verfassungsfeind sein. Diese Begriffsverwirrung wird scheinbar legitimiert, indem man ganz geschmeidig die Verfassung uminterpretiert, um sie für politische Kampfbegriffe subsumtionsfähig, das heißt passend zu machen.
Das Zitat von Helmut Schmidt ist kein Ausraster und steht nicht alleine. Weitere Zitate. „Ich warne vor einer durchmischten und durchrassten Gesellschaft auf deutschem Grund und Boden“, so der Kanzlerkandidat Stoiber 1988, CSU. „Wenn Ausländer eine Bereicherung sind, dann können wir schon lange sagen: Wir sind reich genug. … Eine multikulturelle Gesellschaft ist eine latente Konfliktgesellschaft. Der innere Friede ist gefährdet“, so der CDU-Bundestagsabgeordnete Heinrich Lummer 1998. „Die Buschtrommeln“ werden „in Afrika signalisieren: Kommt nicht nach Baden-Württemberg, dort müsst
Meine Damen und Herren, es geht nicht darum, ob man die zitierten Meinungen teilt, es geht darum, wie der Verfassungsschutz mit der Meinungsfreiheit umgeht und was wirklich verfassungsfeindlich bedeutet.
Meine Damen und Herren, woher kommt der Übereifer oder besser Missbrauch des Verfassungsschutzes? Es ist die um sich greifende Angst von eher linken Kräften in CDU und SPD, ihre eigene Deutungshoheit an die AfD zu verlieren.
(Peter Ritter, DIE LINKE: Linke Kräfte in der CDU?! – Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU: Das schließt sich aus, ne?!)
Der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen hat diesen Verdacht in einem Interview wie folgt ausgedrückt, Zitatanfang: „Ich sage nur, daß es zu meiner Zeit auf mich und auf meine Kollegen in den Landesverfassungsschutzämtern politischen Druck gab, die AfD unbedingt zu beobachten. Dem habe ich aber in der gebotenen Objektivität widerstanden...“ Zitatende.
es wird sich in Zukunft herausstellen, ob die rechtsstaatlichen politischen Verhältnisse es zulassen, dass der Verfassungsschutz mit klaren Kriterien operiert und für den Schutz unserer Demokratie arbeitet. Der Verfassungsschutz darf keine Sprachpolizei sein, er muss die wirklichen Feinde unseres Grundgesetzes bekämpfen.
Wenn der Verfassungsschutz seine Neutralität aufgibt und sich damit auf den Weg begibt, Schild und Schwert der etablierten Parteien zu sein, dann ist der Rechtsstaat wirklich bedroht, und dann stellt sich die Frage, wer schützt die Verfassung vor dem Verfassungsschutz. Dazu darf es nicht kommen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Eigentlich sollten wir dem Beispiel des Innenministers folgen
und Herrn Arppe mit drei Sätzen stehen lassen. Das werden wir sicherlich noch mal überlegen müssen, denn das kann man ja sicherlich auch auf Dauer nicht ertragen in diesem Haus, zumindest von Herrn Arppe nicht. Das ist wohl auch nicht mit demokratischen Prinzipien zu untermauern oder zu, ja, bestätigen, dass es so möglich wäre. Das, was Sie hier leisten und abgeben an Gewalt und Aufruhr und Demokratiehetze, das ist ja in der Tat nicht mehr hinnehmbar.
Zunächst einmal dann zu Herrn Förster: Also wenn Sie Herrn Stoiber und Herrn Schmidt hier zitieren, dann ist das sicherlich auch so weit in Ordnung, das wird auch so gesagt worden sein, aber man muss es sicherlich auch immer im Kontext sehen, ob die CSU oder die SPD so, wie die AfD sich hier rechtsextremer Kräfte bedient, sie hofiert, begleitet und natürlich gemeinsame, zumindest stillschweigende Akzeptanz wahrt zu den Leuten. Und wenn man mit denen gemeinsam marschiert und demonstriert,
dann ist doch sicherlich diese Aussage, die Sie hier treffen zu Ausländern, etwas anders zu bewerten. Ja, das sehe ich so. Zumindest sehe ich das so.
Jetzt zu dem Antrag. Also diesen Antrag, den lehnen wir natürlich ab. Er ist in sich widersprüchlich, realitätsfremd und natürlich ausschließlich auf die Bedürfnisse des Herrn Arppe und seiner Sinnesgenossen abgestellt. Das zeigt sich schon, wenn man diese Widersprüche in der Ziffer 1 und Ziffer 3 des Antrages sieht. In Ziffer 1 heißt es, dass die „Abteilung 5 (Verfassungsschutz)“ also aufgelöst werden soll, „zugunsten einer … Beobachtungs- und Beratungsstelle“ der Polizei. Nun stelle ich mir vor, in dieser Beratungsstelle sitzt Herr Arppe und klärt also die Menschen auf, was gewaltfrei ist und was man sich unter Gewaltfantasien vorstellt.