Dazu muss man sich aber jetzt einmal vorstellen, dass besonders Estland 1989 am Reißbrett angefangen hat. Losgelöst von der damaligen Sowjetunion hatte das Land die Chance, seine Verwaltung von Grund auf und bei null angefangen neu zu gestalten und neu aufzubauen.
Estland stand nämlich vor dem Problem, zu wenige Menschen und zu wenig Geld für eine umfassende Verwaltung zu haben. Verwaltungsprozesse mussten gezwungenermaßen so schlank wie möglich gehalten werden und niemand hätte das auch infrage gestellt. Also hat man konsequent von Anfang an digital alles aufgebaut, denn die technischen Möglichkeiten gab es 1990 bereits, und 30 Jahre später konnten die Bürger nahezu alle Behördengänge auch digital und bequem unterwegs erledigen.
Wir aber stehen vor der Herausforderung, eine gewachsene und funktionierende Verwaltung im laufenden Betrieb umbauen zu müssen – ohne Umstellungsverluste, ohne Brüche, ohne Verzögerung bei der Bearbeitung. Wir können schließlich den Menschen im Land nicht sagen, dass wir die Verwaltung für ein halbes Jahr dichtmachen und erst nach der Sommerpause wieder da sind.
Im vergangenen Sommer hat Minister Pegel die MVServiceplattform vorgestellt, eine Kombination aus Wegweiser im Bereich der behördlichen Verwaltung und der Schnittstelle der Bürger in die digitale Verwaltung. Einzelne Verwaltungsgänge können dort bereits komplett oder teildigitalisiert ausgeführt werden. Wie in anderen Ländern – nehmen wir zum Beispiel das Beispiel Estland – kann man dort ein Nutzerkonto anlegen und soll in Zukunft auch Vorgänge abarbeiten können, die einen gewissen Grad der Authentifizierung benötigen. Dieses einheitliche Portal soll sowohl für Verwaltungsvorgänge des Bundes, der Länder, aber auch der Kommunen als Anlaufpunkt dienen, dem größeren Verbund zugänglich sein. Das Portal wird im Laufe der Zeit weiter wachsen, wird kontinuierlich um neue Funktionen ergänzt, und ich hoffe sehr, dass wir in zehn Jahren zu Estland aufschließen können, im Land ebenso wie in den Kommunen.
Wie bereits gesagt, ist unsere Verwaltung eine gewachsene Verwaltung mit Gesetzen, deren Ursprung teilweise
in der Kaiserzeit liegt. Die Verwaltungsvorgänge sind oftmals nicht auf die digitale Verwaltung oder Verarbeitung ausgelegt, sondern sie bewegen sich im Denken einer gewachsenen Bürokratie. Das ist auch völlig legitim, aber es ist eben auch ein Hemmschuh, wenn man Verwaltung digitalisieren möchte. Darum ist das Digitalisierungsministerium bereits dabei, in Koordination mit den anderen Bundesländern viele der bisherigen Verwaltungsvorgänge zu analysieren, zu verschlanken und zu verändern, dass sie digital verwaltet und verarbeitet werden können.
Zu hinterfragen, welche Daten und in welcher Form diese eigentlich benötigt werden, um einen Vorgang tatsächlich digital bearbeiten zu können, dafür gibt es unterschiedliche Methoden und Abläufe, wie man dieses Ziel erreicht, aber wichtig ist, dass wir uns klar sind, dass viele der bisherigen Abläufe in Verwaltungen nicht eins zu eins in die digitale Verwaltungsarchitektur übertragen werden können. Prozesse müssen aufgebrochen und teilweise neu gedacht werden. In unserem Antrag geht es vor allem darum, dass wir in Zukunft bei allen Verwaltungsvorgängen, die wir neu schaffen, das Digitale zuerst denken. Wenn wir neue Verwaltungsvorgänge schaffen, dann muss die Digitalisierung oberste Priorität bei der Umsetzung in Verwaltungshandeln besitzen. „Digital First“ nennt sich das neudeutsch,
auch wenn es zur Hipster-Werbekampagne etwas in Verruf geraten ist. Verwaltungshandeln von den Datenstrukturen der digitalen Verarbeitung her zu denken, ist keine Raketenwissenschaft, Verwaltungsvorgänge hinsichtlich Datensparsamkeit zu bedenken, auch nicht. Beides sind zudem sinnvolle Vorgänge, Verwaltungsleistungen für Bürgerinnen und Bürger und für Unternehmen deutlich und effizienter sowie transparenter zu gestalten.
Die Aufforderung, denkt neu, denkt digital, mag wenig klingen, aber der Prozess dahin, der dahinterliegt, ist ebenfalls nicht trivial. Ich bin überzeugt und ich weiß, dass diese Aufgabe in den Händen von Minister Pegel den Hervorragenden gefunden hat. Und gerade, weil die Opposition gerne auf seiner Arbeit herumhackt, muss ich heute einmal betonen, dass er gerade bei der Digitalisierung wichtige Impulse für unser Land gesetzt hat
und dass das Energieministerium an den richtigen Stellen vorausschauend unterwegs ist, Stichwort „Breitbandausbau“, bei dem sich die anderen Bundesländer nach den ersten drei Vergaberunden nur noch gewundert und die Augen gerieben haben, selbst Bayern.
Die Punkte 2 und 3 in II. sollten selbsterklärend sein. Wir hielten es aber für sinnvoll, sie trotzdem noch einmal explizit zu erwähnen. Wenn wir als Land Software bestellen, dann muss diese natürlich so flexibel sein, dass eine Änderung der Gesetze auch in der Software nachvollzogen werden kann. Wenn wir Digitalisierung der Verwaltung konsequent umsetzen wollen, dann ist das eine zwingende Notwendigkeit, denn dann besteht nicht die Möglichkeit, Verwaltungsprozesse so lange anzuhalten,
bis die neue Software fertig ist, mal eben ein paar Monate händisch zu erledigen oder Ähnliches kommt dabei nicht infrage.
Der zweite Punkt ist ebenfalls selbsterklärend. Warum sollen wir das Rad jedes Mal neu erfinden, wenn in anderen Bundesländern der Kern unseres Anliegens oder der Karren schon lange rollt, es für unsere Probleme also längst funktionierende Lösungen gibt? Warum sollte jedes Bundesland allein für eine Sonderaufgabe eine eigene Struktur vorhalten? In vielen Bereichen machen wir das bereits und das soll auch in Zukunft eine der vorsorglichen Maßnahmen sein. Zusammenarbeit dort, wo es sinnvoll ist, spart den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Unternehmen Kosten. Wir haben in der Sitzungswoche ja gerade die Zusammenarbeit mit Hamburg bei der Überprüfung der Sicherheitsvoraussetzungen an Flughäfen besprochen. Solche Sonderfelder gibt es in vielen Bereichen.
Ich würde mich freuen, wenn der Antrag eine breite Unterstützung findet, und danke für Ihre Aufmerksamkeit. Dem Energieministerium wünsche ich weiterhin
Sehr geehrter Herr da Cunha, breite Unterstützung dürfte klappen. Wenn ich das richtig sehe, wird der Antrag einstimmig angenommen,
Der Landtag soll also noch mal feststellen, dass Verwaltungsverfahren einfacher und schneller werden können, wenn wir digitalisieren. Das stimmt natürlich. Es geht darum, Bürgernähe zu stärken, es geht darum, Maßnahmen zu beschleunigen,
(Heiterkeit bei Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE – Torsten Renz, CDU: Das ist jetzt die Beschreibung des Rückenwindantrages! – Zuruf von Philipp da Cunha, SPD)
Prozesse sollen vereinfacht werden, und natürlich geht es in Zukunft auch darum, Personalkosten einzusparen. Das sind positive Effekte, die Sie in Ihrem Antrag benennen und die natürlich auch für uns erstrebenswert sind. Ein schöner Antrag, und Herr Minister hat ja auch schon vorgetragen, welche ersten Erfolge es im Bereich der Digitalisierung gibt.
Sie stellen in Ihrem Antrag fest, Mecklenburg-Vorpommern sei mit dem Onlinezugangsgesetz auf einem guten Weg. Das können wir nur bedingt nachvollziehen. Und in der Opposition ist es ja auch unsere Aufgabe, was Kritisches zu sagen
und dahin zu zeigen, wo es vielleicht noch nicht ganz so ideal läuft, auch wenn wir bei diesem Thema ja gemeinsam versuchen, diesen Weg zu gehen.
Wir müssen bis Ende 2022 unsere Verwaltungsleistungen elektronisch über Verwaltungsprotale anbieten. Bürger/-innen und Unternehmen sollen über eigene Nutzerkonten, das ist hier schon beschrieben worden, alle Leistungen der Landesverwaltung auch abrufen können. Aber die Umsetzung lässt aktuell zu wünschen übrig. Zahlreiche Projekte stocken oder wurden eben noch nicht begonnen. Die Verpflichtung der Kommunen und anderer Stellen außerhalb der Landesverwaltung, Leistungen elektronisch anzubieten, muss ebenfalls durch das Land erfolgen. Hier trägt die Landesregierung Verantwortung und muss natürlich gesetzgeberisch tätig werden. Doch wie es um die Digitalisierung von Verwaltungsleistungen in den Kommunen bestellt ist, das wissen wir alle gut genug.
Der neue Oberbürgermeister Rostocks, der übrigens, weil wir ja über „Digital First“ reden, ein Däne ist, wie wir wissen, wird nicht müde zu betonen, wie wichtig die Digitalisierung von Verwaltungshandeln und Verwaltungsleistungen sei. Er hat dabei vor allem die Geschwindigkeit von Verwaltungshandeln im Blick. Leider blendet er dabei immer wieder aus, dass Digitalisierung zunächst Geld kostet und einen Personalbedarf verursacht, bevor Einsparpotenziale und zügigere Verfahren etabliert sind. Herr Minister hat zu Recht darauf hingewiesen und dessen sollte man sich auch bewusst sein. Zahlreiche Grundlagen müssen geschaffen werden.
Aber die Situation ist eben aktuell doch noch recht bescheiden auf Landesebene. Der Bericht, der jüngste Bericht des Landesrechnungshofes hat hier eklatante Mängel festgestellt. Und auf diesen Bericht möchte ich mich auch noch mal beziehen.
„Das E-Government-Gesetz bedarf einer Anpassung an aktuelle Entwicklungen“, wird dort gefordert. Eine erste
E-Government-Strategie hat das Land 2004 festgeschrieben. 2011 erfolgte dann eine Überarbeitung, die unter anderem auch Ziele bis 2015 enthielt. Danach hat eine weitere Überarbeitung nicht mehr stattgefunden. Die aktuelle Koalitionsvereinbarung sieht vor, eine Digitalisierungsstrategie zu erarbeiten. Das Energieministerium plant, eine E-Government-Strategie als Beitrag zur Modernisierung der Verwaltung zu erarbeiten. Auch dies ist bisher nicht erfolgt.
Die Landesregierung hat stattdessen eine digitale Agenda beschlossen. Diese Agenda umfasst auch Maßnahmen zum IT-Einsatz der Landesverwaltung und zum E-Government. Diese Ziele sind nicht systematisch hergeleitet, und wie das Erreichen dieser Ziele gemessen werden soll, ist auch nicht erkennbar. Eine Strategie ist nicht vorhanden, ebenso wenig ein Bezug zum E-Government. Dann erfolgt weitere Kritik in Bezug auf IT-Richtlinien und Landesstandards. Hinzu kommt, dass die verwaltungsinterne Prozessoptimierung, die Grundlage von E-Government-Strategien ist und eigentlich in allen Ministerien vorhanden sein sollte, auch noch nicht begonnen hat.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, man darf wohl sagen, es gibt noch viel zu tun. Dabei will ich klarstellen, dass nicht alle Wünsche und Visionen der Digitalisierung erfüllbar sein werden – ein Grund mehr, endlich eine richtige Digitalisierungsstrategie zu erstellen und Schwerpunkte zu setzen. Grundsätzlich darf man Digitalisierungsprozesse nämlich auch kritisch hinterfragen. Nicht alle Vorhaben sind langfristig gut, vor allem auch mit Blick auf das ganz neue große Thema Klimaschutz.
Was nun tun mit Ihrem Antrag, mit dem sogenannten „Rückenwindantrag“? Auch wir stimmen zu, bei aller Kritik. Allerdings hat mir ein bisschen Sorgen gemacht die Debatte zum Azubi-Ticket. Da war ja ein Stück weit zu hören, dass der Haushalt jetzt zu ist und wir ja gar nicht mehr bestimmen können, wie viel Geld über 2021 hinaus ausgegeben wird.