(Der Abgeordnete Manfred Dachner spricht bei abgeschaltetem Mikrofon. – Peter Ritter, DIE LINKE: Mikro!)
Herr Kramer, ich will nicht auf all Ihre Punkte eingehen, aber auf zwei. Also wenn es wirklich so unerträglich bei der Polizei ist und Sie auf dem Zahnfleisch kriechen müssen, was ich Ihnen nicht ansehe, dann sage ich, niemand hat Sie gezwungen, bei der Polizei dauerhaft zu bleiben. Sie haben jederzeit die Wahl, wenn Sie es nicht aushalten können, Ihren Dienst zu quittieren.
Dann darf ich Ihnen noch ein Beispiel sagen. Wissen Sie, ich war 20 Jahre in der Polizeidirektion Neubrandenburg. Das wissen Sie?! Und wenn Sie ehrlich sind – ich will mich hier nicht selbst loben –, die Neubrandenburger Polizisten haben mit hohem Engagement 20 Jahre lang die besten Ergebnisse gebracht, die dieses Land in einer Direktion bringen kann, sowohl in den Zielvereinbarungen als auch in der Strafverfolgung und in der Aufklärung – überall, wohin Sie gucken können. Dann sage ich Ihnen noch etwas: Sie hat die wenigsten Über
stunden geleistet, die wenigsten. Ich will nicht sagen, dass die Überstunden alle hausgemacht sind, aber ein Großteil ist strukturell und führungspolitisch nicht in den Griff zu bekommen. Da gibt es Tausende Beispiele zu nennen. Darauf will ich aber heute nicht eingehen, weil das nicht unser Thema ist.
Wenn Sie vergleichen und sich nur die Zahlen raussuchen, die Ihnen gerade angenehm sind, und Sie zum Beispiel sagen, Herr Mager hat gesagt, die Jugendkriminalität wird ansteigen, aber Sie gleichzeitig auch die Angriffe auf Polizeibeamte als absolute Zahl nennen, dann müssen Sie dazusagen, die Angriffe auf Polizeibeamte gehen in diesem Jahr zurück. Das ist auch eine Wahrheit. Damit sage ich nicht, dass es in Ordnung ist und dass die Angriffe, nur, weil sie zurückgehen, auch hinnehmbar wären, das sind sie nicht, aber suchen Sie sich nicht nur die Zahlen und Halbwahrheiten aus, die Ihnen gerade so in den Kram passen und die Ihnen politisch dienlich wären!
Ihren Antrag werden wir natürlich ablehnen, weil er den Menschen in unserem Land suggeriert, dass sie von Verbrechern umgeben wären. Das ist nicht so. Damit schaden Sie unserem Land, der Wirtschaft und ganz besonders auch dem Tourismus in erheblichem Maße. Wenn Sie als AfD den Eindruck erwecken wollen, dass Sie sich insbesondere für Sicherheit und Polizei einsetzen, dann gucken wir mal gemeinsam in das Grundsatzprogramm der AfD des Bundes: Da haben Sie vier Sätze über Polizei, alles andere sind Denkweisen Ihrer Art und Zustandsbeschreibungen. Gucken Sie dann in Ihr eigenes Programm vom 04.09. – das wird Ihnen ja wohl präsent sein –, da haben Sie fünf Sätze für die Polizei übrig, alles andere sind ebenfalls nur Lageschreibungen. Von diesen fünf Sätzen ist ein einziger neu, nämlich was Sie schaffen wollen, alles andere ist alt. Das haben Sie vor allen Dingen von uns, von SPD und CDU, übernommen. Das ist ja auch nicht falsch.
Sie haben also einen neuen Satz geprägt: Sie wollen eine „Sicherheitswacht“ beschaffen oder zumindest einführen. Haben Sie denn schon mal die Gewerkschaften oder die Polizeibeamten gefragt, was die davon halten? Ich kann es Ihnen sagen: gar nichts. Diese amateurhaften Vorstellungen werden von den Polizeibeamten abgelehnt. In Ihrem Programm schreiben Sie im September zur Wahl kein einziges Wort zur Verstärkung der Polizei, nicht ein einziges Wort zur Verstärkung. Da müsste Ihnen doch schon nach Ihrer Auffassung klar gewesen sein,
dass hier Größenordnungen an Polizisten fehlen. Nein, Sie fordern ausschließlich den Stopp der Minimierung der Polizei. Das haben die CDU und SPD bereits Anfang 2016 getan.
Der Herr Minister hat es ja gerade erwähnt. Die 47 Stellen, die gestrichen werden sollten, wurden wiederbesetzt. Weiterhin kamen 100 Stellen zusätzlich dazu, und wir werden in die Fläche 300 abgeben.
Jetzt komme ich, Herr Kramer, wieder auf Ihre Rechenart: 150 neue Stellen und 150, die eigentlich in der Admi
nistrativität versickert sind. Das ist natürlich auch eine Kritik an die Polizei, selbstverständlich. Das ist auch nicht meine Kritik, das hat das Innenministerium selbst in einem sehr ehrlichen Evaluationsbericht im Innenausschuss vorgestellt. Die Struktur wurde so schön schlankgerechnet durch Polizeiführer, die alle in dieser Strukturreform mitgearbeitet haben – alle befördert worden. Und als sie das durchhatten, wie sie es wollten, da haben sie plötzlich ihre Beamten genommen, die sie brauchten, und haben sie wieder in die Verwaltung gesteckt. 150 Mann! Da hätten Sie mitarbeiten können, da hätten Sie die Finger drauflegen und sagen können, da machen wir nicht mit. Ich wäre an Ihrer Seite gewesen. Das kann man auch nicht. Aber das Ministerium hat darauf schon im letzten Jahr reagiert und gesagt, das machen sie auch nicht mit – sicherlich etwas spät.
Nun frage ich mich bei der Polizei überhaupt – es gab ja zumindest zu meiner Zeit goldene Kühe, die nie geschlachtet werden –: Wer kann eigentlich bei einem bestätigten Stellenplan das tun, was er will? Das können heute Polizeiführer tun, ohne dafür zur Verantwortung gezogen zu werden. Und dann werden sie auch noch befördert, Ihrer nämlich da in Anklam, der plötzlich in Penkun auch so eine missliche Geschichte macht. Da muss man doch eindeutig sagen, da hätten Sie die Finger drauflegen müssen. Aber das, was Sie heute vortragen – die 550 Stellen sind doch so, als wenn sie aus dem Muspott kommen.
(Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Torsten Renz, CDU: Das ist aber vor allem ein Lächerlichmachen der Situation. Das kommt noch dazu.)
Ihr Stopp des Stellenabbaus und die 555 Stellen kommen zu spät. Das hatten wir im Koalitionsvertrag doch schon lange festgeschrieben.
Und jetzt zur objektiven Berechnung: Natürlich waren wir an einer objektiven Berechnung interessiert, um zu sagen, wie viele Polizeibeamte wir brauchen und wo wir sie brauchen. Wissen Sie, 40 Jahre war ich Polizist. Es ist niemals gesagt worden, die Polizei reicht aus. Immer haben Polizisten gefehlt, immer war das subjektive Sicherheitsgefühl durch mehr Polizei noch zu erhöhen. Darauf will ich heute gar nicht eingehen, ich will Ihnen nur sagen, das Thema brennt so lange, wie es die Menschheit gibt.
Deshalb haben wir gesagt, wir brauchen ein Gutachten von einem unabhängigen Wirtschaftsunternehmen, PwC, und haben noch Gutachter hinzugesetzt, nämlich einen Chef des Bundeskriminalamtes und einen Polizeipräsidenten aus München, die das begleitet haben. Das war auch gut so. Und nun suchen Sie aus diesem Gutachten das heraus, was Ihnen wahrscheinlich gerade politisch so entgegenkommt, und sagen, diese Polizei, das ist ja enttäuschend, zu wenig Leute, überaltert, häufig krank, und das stimmt sogar. Und 43 Jahre ist überaltert?! Nun frage ich mich, was das denn für eine undifferenzierte Wertung ist. Wer ist mit 43 Jahren in der Kriminalpolizei zu alt, wer in den Führungsgruppen und wer in den Einsatzplanungen?
Wissen Sie, ein Kriminalist mit 60, 65 oder 63 hat so viele Erfahrungen gesammelt, der kann dermaßen viel leisten
für die Polizei und für uns als Land, und die, die in der Planung sind, erst recht. Da können Sie doch nicht von Überalterung sprechen. Das, was Sie zu den Hauptrevieren sagen – ja sicherlich, 43 ist grenzwertig, da muss man sich den einzelnen Gesundheitszustand ansehen und sagen, das kann nicht so bleiben. Dazu kommt auch das Gutachten und sagt, der Krankenstand ist zu hoch. Das Innenministerium hat darauf mit einem Gesundheitsmanagement reagiert. Das wird auch nicht ausreichen. Diese Sache werden wir sehr ernst nehmen, daran werden wir arbeiten und wenn Sie kluge Vorschläge haben – herzlich willkommen.
Nun zu einigen Aussagen zur Personalausstattung der Landespolizei, Blatt 38 des Gutachtens. Also vorweg will ich Ihnen Folgendes sagen: In der Vergangenheit wurde immer gesagt, um die Länder zu vergleichen, wurden Einwohnerzahl und Belastung der Polizei berechnet und wie viel Polizisten die Länder haben. Weil es Diskussionen darüber gab, was wir mit den Flächenländern machen, die Flächen werden zwar nicht bedient, aber wir haben weite Wege und wir haben den Tourismus, den andere Länder nicht haben, hat dieses Unternehmen genau das alles unter die Lupe genommen.
Dazu ein paar Ausführungen: Im Vergleich zu allen Flächenländern – Flächenländer, das werden Sie sicherlich wissen, Hamburg und Berlin gehören nicht dazu – kommt man, wenn man nur die Einwohnerzahl und die Polizeibeamten nimmt, darauf, dass wir im Land 1.350 Beamte zu viel haben. Nun fallen Sie nicht tot um, die Rechnung geht weiter. Vergleicht man die Ostländer – und die Ostländer haben erfahrungsgemäß immer mehr Polizisten als die westlichen Flächenländer, das ist ja auch in Ordnung –, dann bleiben immer noch 500 Stellen mehr übrig, die wir gegenüber allen anderen Ostflächenländern haben.
Jetzt wird man weiterrechnen und wird die ganzen Straßen- und Wegenetze berechnen und auch den Tourismus umrechnen auf die Einwohner und stellt dann fest,
wir hätten gegenüber allen anderen Flächenländern in der Bundesrepublik immer noch 900 zu viel, und gegenüber den Ostländern hätten wir immerhin noch 110 Stellen zu viel. Das ist die wahre Rechnung von Leuten, die unabhängig mitmachen.
Das muss ja alles gar nicht gut sein, aber ich sage Ihnen, wie man systematisch da herangeht. Man kann nicht einfach von sonst wo herkommen und sagen, wir brauchen 555, und warum brauchen wir sie eigentlich. Ja, weil das Sicherheitsgefühl nun mal so ist. So geht das einfach nicht. Wissen Sie, was wir hier ausgeben, das sind Steuergelder. Ich komme nachher noch mal auf eine Zahl zurück. Das ist das, wofür sich andere abmühen müssen – der Friseur, der Bäcker, der Schlosser –, um Geld zu verdienen, damit der Polizist bezahlt werden kann.
Betrachtet man also die sächlichen Verwaltungsausgaben, die Zuweisungen, Zuschüsse und die bereinigten Personalausgaben, dann stellen wir fest, dass Mecklenburg-Vorpommern neben Hessen und Brandenburg die höchsten Ausgaben hat. Dann sagen Sie, wir haben hier
noch zu wenig ausgegeben. Nimmt man die reinen Personalausgaben, dann haben wir die höchsten Ausgaben in der ganzen Bundesrepublik in den Flächenländern, nur die Personalausgaben der Polizei. Der Hintergrund ist: Weil wir ernsthaft 110 Beamte mehr haben. Das kann man doch nicht einfach ignorieren, das muss man zur Kenntnis nehmen und zumindest darüber nachdenken, wenn man verantwortliche Politik machen will.
Auf 1.000 Einwohner in Mecklenburg-Vorpommern haben wir mit Berücksichtigung von Fläche, Tourismus und Belastung bei der Kriminalitätsbekämpfung – auf die Belastung komme ich gleich noch mal – 3,6 Personalstellen. Das sind 28,6 Stellen mehr, als jedes andere Flächenland hat. Was denken Sie, was jeder Polizeibeamte im Jahr kostet? 44.236 Euro. Das macht für 150 Beamte, die zusätzlich eingestellt werden, 6,6 Millionen. Und wenn Sie sagen 555, dann sage ich Ihnen auch eine Zahl: Das kostet jährlich 24.500.000, um ein paar Zahlen zu sagen. Wenn Sie meinen, das kann jeder Arbeiter hier im Land für die Polizei erwirtschaften und wir müssen uns dazu keine Gedanken machen, wir nehmen die einfach, wir stellen die ein – ja, ich weiß nicht, das ist doch blauäugige Politik.
Zur Belastung, das ist ja nun das Entscheidende: Das Gutachten sagt eindeutig aus, die Belastung im Kriminalitätsbereich ist im Vergleich zu allen Ländern unterdurchschnittlich – unterdurchschnittlich! – und im Bereich der Verkehrsbelastung etwa gleich, aber auch nur deshalb gleich, weil bei uns die Verkehrsunfallzahlen höher sind,
aber bei Personenschaden, wo die Bearbeitung länger dauert, ist es weniger als gegenüber anderen Ländern.
Natürlich – und das haben Sie auch erwähnt – gibt es in einigen Hauptdeliktsgruppen erhöhte Belastungen gegenüber anderen Ländern, wie zum Beispiel bei Betrug, bei Rechtsextremismus und bei unerlaubter Einreise in Mecklenburg-Vorpommern, nämlich durch Ausländer. Aber jeder Ausländer, der unser Land betritt und Asyl beantragt, begeht ja nun mal eine Straftat, richtig, und die geht in die Statistik ein. So wird die Statistik natürlich dann, zumindest für den, der sie lesen will, positiv oder negativ gestaltet.
Jetzt kommt noch eine kleine Differenz, die ich Ihnen auch nicht verschweigen will. Nun sagen wir zwar, die Kriminalpolizei muss nicht weiter gestärkt werden, aber die Gutachter aus der Polizei sagen, doch, sie muss mit 80 Stellen erhöht werden, das sehen wir aus der internationalen Entwicklung heraus, aus Cyberkriminalität und aus der Internetkriminalität allgemein. Dann sagen die Wirtschaftsunternehmen, ja, das könnte sein, aber das können Sie auch durch Umschichtungen in der Polizei selber tun, da sind Polizeiführer, die hochdekoriert sind und befördert werden bis ins Endamt. Darüber können Sie sich doch mal Gedanken machen.
Das Gutachten kommt zu einigen wesentlichen Optimierungsmöglichkeiten – das steht da eindeutig drin – in der Ablauf- und Aufbauorganisation. Genau diese Optimierungslösungen werden wir uns ansehen. Die Landespolizei werden wir personell, materiell und fachlich auf die kommenden schwierigen Herausforderungen ausrichten und so die objektive/subjektive Sicherheit weiter erhöhen.
Ich danke allen Polizeibeamten, die jeden Tag schwere Arbeit machen. Die Überstunde allein ist für mich kein Gradmesser, wenn man die Überstunden nicht genau analysiert. – Danke schön.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist nicht die zentrale Aufgabe meiner Fraktion, die Koalitionsregierung zu verteidigen
oder die Koalitionsvereinbarung gutzuheißen. Der vorliegende AfD-Antrag ist aber vor allen Dingen in seiner Begründung teilweise derart frech, unwahr oder auch lächerlich, dass man hierzu einleitend einige Worte sagen muss, auch zur Verteidigung der Koalition.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Koalitionsvereinbarung sorgt womöglich für Stillstand in einzelnen Politikfeldern, meinethalben in der Sozialpolitik oder in der Gleichstellungspolitik.
Diese Vereinbarung im Ergebnis aber für Terror und Gewalt verantwortlich zu machen, das ist nun – entschuldigen Sie bitte – dumm und frech gleichermaßen. Aber dass es die AfD-Fraktion in Fragen Sicherheit und Migration mit der Faktenlage nicht so ernst nimmt, das zeigt der BKA-Lagebericht „Kriminalität im Kontext von Zuwanderung“. Für Mecklenburg-Vorpommern darf ich hier den Inspekteur der Polizei, Wilfried Kapischke, zitieren: „Eine überproportionale Zunahme von Straftaten aufgrund der Flüchtlingskrise haben wir als Polizei nicht festgestellt.“ Zitatende. Herr Kramer wurde schon bei der Einführung seines Antrages nicht müde, genau das Gegenteil behaupten zu wollen. Aber auch hier ist es für die AfD scheinbar völlig unerheblich, ob die Antragsbegründung wahr oder falsch ist.
Völlig lächerlich wird der Antrag, wenn er mit den 555 neuen Polizeistellen der Bundesanwaltschaft personelle Unterstützung bei Terrorgefahren anbietet. Sie sollten mal lesen, was Sie dem Parlament hier eigentlich anbieten.
Der Generalbundesanwalt hat in einem Brief an die Justizminister beziehungsweise -ministerinnen der Länder um personelle Unterstützung gebeten. Dabei geht es um das Entsenden von Staatsanwälten und Richtern an die Bundesanwaltschaft. Mit ihrem Angebot laut Ihrer Begründung, Herr Professor Weber, würde die AfD nicht nur den Generalbundesanwalt in Verlegenheit bringen, nein,