Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen, damit wir einigermaßen pünktlich mit der Landtagssitzung beginnen können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 8. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die vorläufige Tagesordnung der 8. und 9. Sitzung liegt Ihnen vor.
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, den Tagesordnungspunkt 25 nach Tagesordnungspunkt 5 und den Tagesordnungspunkt 6 nach Tagesordnungspunkt 24 zu beraten. Seitens der Fraktion DIE LINKE ist signalisiert worden, dass sie den Antrag auf Drucksache 7/194 zurückzieht. Somit entfällt die Beratung dieses Antrages unter Tagesordnungspunkt 8. Seitens der Fraktion der AfD ist vorgeschlagen worden, auf die Behandlung der Tagesordnungspunkte 19 und 20 zu verzichten. Wird der so geänderten vorläufigen Tagesordnung widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Damit gilt die Tagesordnung der 8. und 9. Sitzung gemäß Paragraf 73 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung als festgestellt.
Auf Drucksache 7/325 liegt Ihnen ein Dringlichkeitsantrag der Fraktion der AfD zum Thema „Aufhebung der Fangbegrenzung auf Dorsch für Freizeitangler“ vor. Die Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE haben zum Thema „Netzentgeltmodernisierungsgesetz im Bundesrat unterstützen“ einen Dringlichkeitsantrag vorgelegt, der Ihnen auf Drucksache 7/348 gleich verteilt wird. Wir werden diese Vorlagen, um die die Tagesordnung erweitert werden soll, nach angemessener Zeit für eine Verständigung innerhalb und zwischen den Fraktionen nach dem Tagesordnungspunkt 1 aufrufen. Ich werde das Wort zur Begründung des Dringlichkeitsantrages erteilen sowie die Abstimmung über dessen Aufsetzung durchführen. Ich sehe und höre auch dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde. Die Fraktion der CDU hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Auch im Wahljahr: Faire Debatten führen, statt einander zu missachten“ beantragt.
Liebe Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir vorab – ich hoffe, im Namen aller Kollegen dieses Hohen Hauses –, allen Frauen in Mecklenburg-Vorpommern Dank zu sagen für das, was sie an vielen Stellen jeden Tag für unsere Gesellschaft leisten. Ich wünsche insbesondere den Frauen, dass Frieden, Menschlichkeit, Toleranz und auch die Grundtugenden weiter die Grundbedingungen in unserem Leben bleiben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die CDUFraktion hat heute die Aktuelle Stunde beantragt unter dem Titel „Auch im Wahljahr: Faire Debatten führen, statt einander zu missachten“. Eine Debatte über das Debattieren zu führen, ist, jedenfalls solange ich in diesem Hohen Hause bin, so noch nicht vorgekommen. Ich halte es trotzdem für an der Zeit, in der Aktuellen Stunde darüber zu diskutieren. Ich will Ihnen drei Gründe dafür nennen, warum das für uns heute ein wichtiger Punkt ist.
Erstens. Für mich gibt es einen entscheidenden Unterschied zwischen gelebter Debattenkultur und ziellosem Streit.
Zweitens. Für mich gibt es einen deutlichen Unterschied zwischen politischem Anstand und für jede schnelle Nachrichtenmeldung diesen über Bord zu werfen.
Drittens. Es gibt für mich keine bessere Gelegenheit als in einer Aktuellen Stunde und auch keinen geeigneteren Ort als genau diesen, um über diese Debattenkultur in Mecklenburg-Vorpommern zu sprechen.
Ich möchte gleich vorab sagen: Ich glaube schon – und das hören Sie auch von den Besuchergruppen, mir ist es das letzte Mal auf dem Forum der „Ostsee-Zeitung“ noch einmal bewusst geworden –, so, wie wir uns hier untereinander verhalten, so strahlt das auch ins Land aus. Die Menschen nehmen das sehr wohl mit und nehmen sich daran vielleicht auch ein Beispiel, wie sie in den Kreistagen und in den Gemeindevertretungen diskutieren. Ich meine schon, dass wir uns dieser Debatte stellen sollten.
Damit wir uns nicht verkehrt verstehen, ich will gar keinen Streichelzoo aus dem Landtag machen, ich bin selbst ein Freund von lebhaften Debatten. Es gibt auch viele jüngere Demokratien, beispielsweise Großbritannien. Sehen Sie sich da mal Liveübertragungen aus dem Parlament an! Da fragt man sich: Wie hält das eigentlich eine Premierministerin aus? Da gibt es sehr, sehr lebhafte Debatten, aber niemand würde in Großbritannien deshalb die Demokratie infrage stellen.
Ich habe auch so ein bisschen den Wunsch, dass, wenn wir irgendwann in den neuen Plenarsaal einziehen, gerade für die Besucherinnen und Besucher diese lebhaften Debatten erlebbarer werden, weil man kann sie dann viel besser verstehen. Aus meiner Sicht gehört zur Demokratie Streit dazu, Streit in der Sache, aber niemals Streit, der in das Persönliche geht. Ich meine, dass wir sehr gut beraten sind, ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl darüber zu sprechen, wie wir unseren eigenen inneren Kompass darauf einstellen. Ich empfinde den Ton, den wir jetzt gegenseitig an den Tag legen, manchmal schon als rau und ich frage mich immer: Wie schaffen wir das noch bis zur Bundestagswahl?
Es gibt mehrere Behauptungen, die in Deutschland und auch in Mecklenburg-Vorpommern diesbezüglich diskutiert werden: Politik und Parteien haben in den Medien eine unheilige Allianz gebildet. Auch von „Parteienfunk“ wurde hier in diesem Hohen Hause schon mal gesprochen. Dabei wissen wir doch alle, dass die gewaltige Vielfalt auch an neuen und modernen Medien und die vielen Player auf der politischen Ebene – das schließt sich gegeneinander für mich aus –, dass da einer den anderen steuert.
Wahr ist natürlich, dass sich die Medienlandschaft verändert hat. Sie ist eine gänzlich andere als noch vor 15 Jahren und mit ihr hat sich natürlich auch die Art und Weise, wie wir miteinander umgehen, verändert. Als ich 2002 erstmalig in diesen Landtag kam, kann ich nicht unbedingt sagen, dass es hier keine lebhaften Debatten gab, aber es war vor 15 Jahren so, dass unsere Tageszeitungen das Leitmedium waren und damit auch die Themen für den politischen Tag gesetzt haben. Heute ist das völlig anders. Rund 50 Millionen Deutsche nutzen ein Smartphone mit Internetzugang und mein Eindruck ist, dass jeder, der ein Smartphone bedienen kann, für sich selber sagt, ich bin auch ein guter Journalist.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, ich bekenne mich da auch gern schuldig: Das erste elektronische Gerät, was man morgens, nachdem man aufgestanden ist, in die Hand nimmt, ist meistens nicht mehr die elektronische Zahnbürste, sondern das Smartphone.
Ja, ich sage ja, das gilt nur für mich. Herr Schulte macht das natürlich anders. Der guckt zuerst seiner Frau in die Augen.
(Tilo Gundlack, SPD: Das war ja ʼne Bombe! – Jochen Schulte, SPD: Herr Kollege Kokert, ich gebe das mal an meine Frau weiter!)
Das, sehen Sie, meine ich mit lebhafter Debatte. Es ist doch schön, dass man dabei auch ein bisschen fröhlich sein kann.
Aber ich bekenne mich gern schuldig, auch ich sehe jeden Morgen zuerst auf mein Smartphone und schaue mir an, ob die Welt noch so existiert, wie sie war, als ich gestern Abend ins Bett gegangen bin. Früher wurde für Meldungen, wenn es richtige Topmeldungen waren, das Fernsehprogramm unterbrochen, wenn irgendwo ein Vulkan ausbrach oder es ein Erdbeben gab und ganze Landstriche verwüstet worden sind.
Ich habe gestern in Vorbereitung auf diese Debatte mal so ein bisschen auf mich selber geachtet. Ich glaube, jeder von Ihnen hat die Tagesschau-App abonniert und so weiter und bekommt dann diese schönen Meldungen automatisch aufs iPhone oder auf welches Smartphone auch immer geschickt. Die Topmeldung gestern war: „20 Uhr hörte sein Herz auf zu schlagen.“ Ich habe natürlich sofort draufgeklickt, weil ich dachte, es wäre irgendjemand, der in der Öffentlichkeit steht, um den man nun
unbedingt trauern müsste. Nein, ich hatte mich geirrt, die Topmeldung des gestrigen Tages handelte vom Eisbären Fritz.
Deshalb sollten wir uns auch selber hinterfragen – und da schließe ich ausdrücklich auch die Medien mit ein –, ob dieser permanente Alarmismus, den wir uns gegenseitig ins Tagebuch schreiben, ob das der richtige Weg ist, die Bevölkerung weiter zu informieren. Ich glaube, wir schaukeln uns damit auch gegeneinander hoch, denn wenn man jeden Tag große Überschriften produzieren will, dann muss man auch erst mal Überschriften haben. Ich denke, so eine Meldung, wie die mit dem armen Eisbären Fritz, wäre vor 15 Jahren vielleicht irgendwo in einer Lokalzeitung, in einem Berliner Blatt aufgetaucht, hätte es aber niemals deutschlandweit unter die Topmeldungen geschafft. Was ich Ihnen damit sagen will, ist, dass sich die Medienlage auch in den letzten 15 Jahren einfach verändert hat.
Wir haben den letzten Landtagswahlkampf noch nicht so lange hinter uns – damit will ich dann auch gerne die Überleitung zu dem eigentlichen Thema finden – und vielleicht war es ja nur bei der CDU so, aber durch unsere Wahlplakate fegte quasi jeden Abend ein Orkan. Wir kamen sogar mit der Nachplakatierung gar nicht hinterher. Ich habe auch schon den einen oder anderen Wahlkampf gemacht, aber das war etwas sehr Besonderes, und das endete nicht mit Wahlplakaten, es wurden dann Scheiben eingeschlagen und es brannten Autos. Ich sage Ihnen, wenn ich das zusammenführe, habe ich schon das Gefühl, dass erst das Wort kommt und dann die Tat.
Und das hat sich verändert bei Wahlkämpfen, wie ich sie in der Vergangenheit erlebt habe. Ich will weder den einen noch den anderen dafür hier in Haftung nehmen und beschuldigen, weil ich glaube, es waren alle davon betroffen, aber deshalb sollten wir gerade in der Öffentlichkeit mit unserer Wortwahl sehr, sehr vorsichtig sein, denn ganz schnell hat man das politische Klima vergiftet.
Der eine oder andere, und da gibt es ja viele politische Mitbewerber, auch das fiel mir auf dem OZ-Forum wieder auf, wenn man quasi dem politischen Gegner schaden will, führt man sich auf wie Rambo, dann kann man gar nicht genug draufschlagen und kann gar nicht genug martialische Worte finden. Wenn man aber nur ganz leicht zurücktickert, dann benehmen sich die gleichen Leute so wie Prinzessin Lillifee oder ein kleines Mädchen, das irgendwie Zahnschmerzen hat.
das müssten wir uns natürlich auch mal überlegen, wenn wir selbst nicht so behandelt werden wollen, dann
überlegen wir uns doch bitte auch in Landtagsdebatten und vor allem auch in Pressemitteilungen, auf Facebook, auf Twitter: Wie gehen wir eigentlich mit dem Gegenüber um? Lassen Sie uns hart in der Sache um die richtigen Dinge streiten – ich habe schon mal gesagt, das ist wichtig für eine Demokratie –, aber lassen Sie uns die ganzen persönlichen Animositäten da bitte rauslassen!
Für mich ist der gemeinsame Bezugsrahmen unser Grundgesetz und dort steht unanfechtbar drin, die menschliche Würde ist unantastbar. Und das heißt für mich, zur Demokratie gehört der Streit dazu, man kann es gar nicht oft genug wiederholen, ja, er muss sogar sein, aber es gibt enge Grenzen, nämlich da, wo die Würde des anderen angegriffen wird.
Gerade dieses sollte für alle Abgeordneten dieses Hohen Hauses gelten, insbesondere dann, wenn sie natürlich auch noch herausgehobene Funktionen haben und dieses Parlament nach außen und nach innen repräsentieren.
Und mit Sorge sehe ich – ich weiß nicht, wie Ihnen das geht – auf andere Staaten. Es vergeht kein Tag, wo nicht Russland damit in der Zeitung steht, die Demokratie zu beschneiden oder die eigene Opposition zu drangsalieren, die Türkei, auch die Vereinigten Staaten machen mir, persönlich jedenfalls, ein bisschen Sorge. Ich glaube, die Mehrheit in diesem Hause kommt noch aus einem Staat, der unfrei war. Da möchten wir alle insgesamt nie wieder hin. Deshalb sind Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, Demokratie unsere höchsten Güter und wir sollten sie gerade nicht dazu gebrauchen, um politischen Hass und auch Verachtung zu kultivieren.
Ich wünsche mir, dass wir alle miteinander diesen Weg auch in einem aufgeheizten politischen Klima beschreiten. Ich werbe für leidenschaftliche Debatten, ich werbe auch für Streit in der Sache, auch meinetwegen für die politische Zuspitzung, aber ich werbe auch für Fairness, für das Beachten von Grenzen und für eine Debatte, die mit Fakten arbeitet und nicht mit Fakes. – Haben Sie vielen Dank, meine Damen und Herren.