Ich danke dem Bündnis für „Gute Schule“ und allen, die dabei mitgewirkt haben, für diesen intensiven Austausch, auch wenn ein solches Ringen zugegebenermaßen manchmal etwas anstrengend sein kann. Aber ich denke, dass wir mit Bündnis für „Gute Schule“ auch in Zukunft einen guten, richtigen und wichtigen Ansprechpartner haben werden, eine breite Basis der Zivilgesellschaft in Schule, in Bildung, mit denen wir auch weiter im Gespräch sein wollen, um gute Schule in MecklenburgVorpommern weiter gemeinsam voranzubringen.
Sehr geehrte Damen und Herren, wie gesagt, Ziel dieser Novelle ist die behutsame und anforderungsgerechte Weiterentwicklung unseres Schulsystems. Um das zu gewährleisten, war es nur konsequent, auf die zentrale Forderung des Bündnisses einzugehen und die Zeitschiene für die Umsetzung der Inklusionsstrategie zu strecken. Das war eine wichtige Forderung. Ursprünglich war für die Umsetzung das Datum 2013 vorgesehen. Die Partner des Inklusionsfriedens haben im Mai einer solchen Verlängerung bis zum Schuljahr 2027/2028 zugestimmt, sodass die Schulen jetzt Zeit, mehr Zeit und Luft haben, Schritt für Schritt die Inklusionsstrategie vor Ort auch umzusetzen.
Bevor ich aber auf die Einzelheiten eingehen will, die diese Inklusionsstrategie und darüber hinaus der Gesetzentwurf beinhaltet, lassen Sie mich kurz noch das bildungspolitische Ziel, was dem Ganzen sozusagen als Schirm obendrüber zugrunde liegt …
Nein, wir wollen, dass alle Kinder und Jugendlichen die bestmögliche individuelle Förderung an unseren Schulen erhalten.
Und Fakt ist ja auch, dass Inklusion schon lange, schon sehr lange gelebte Realität an unseren Schulen ist, Inklusion, also das gemeinsame Lernen von Kindern und Jugendlichen mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen, von der Hochbegabung bis hin zur Lernschwäche. Wir wollen diesen Weg in ein inklusives Bildungssystem in Mecklenburg-Vorpommern schrittweise und behutsam gehen und wir wollen, dass die Schulen sich in ihrem eigenen Tempo dieser Entwicklung stellen können. Genau dafür schafft das Gesetz die Bedingungen. Es bietet Zeit, es bietet Gestaltungsmöglichkeiten und mit den hierzu vorgesehenen Schulversuchen bietet es auch die Chance, auch mal einen anderen Weg auszuprobieren, Neues zu erproben und neben die bereits vorhandenen Beispiele zu stellen.
Mir ist wichtig, klar auf die in den zurückliegenden Monaten deutlich gewordenen Sorgen, auch der Überforderungen der Schulen vor Ort einzugehen, eine Überforderung durch eine vermeintlich allgemeine Anforderung Inklusion. Dieses Schulgesetz sieht genau das nicht vor. Stattdessen setzen wir auf konkrete Instrumente, die auf dem weiteren Weg hin zur inklusiven Schule erforderlich sind.
Ja, und was sind das jetzt für Instrumente, was für Schritte, mit denen wir das gemeinsame Lernen und den Lernerfolg der einzelnen Schülerinnen und Schüler stärken wollen?
Erstens. Wir wollen an den Schulen sogenannte Lerngruppen einrichten. Das heißt, möglichst viele Kinder sollen gemeinsam lernen können in den Regelklassen oder, und das ist neu, teilweise auch in extra eingerichteten Lerngruppen für Schülerinnen und Schüler mit besonders stark ausgeprägtem sonderpädagogischen Förderbedarf im Bereich Sprache, Lernen oder auch Verhalten.
Zweitens wird es darüber hinaus 28 Schulen mit spezifischer Kompetenz geben, die die wohnortnahe Beschulung von Schülerinnen und Schülern mit den Förderbedarfen Sehen, Hören, körperliche und motorische Entwicklung deutlich stärken.
Parallel dazu wird es drittens in Mecklenburg-Vorpommern auch weiterhin ein Netz an Förderschulen geben. Dauerhaft bestehen bleiben die folgenden Schwerpunkte: Schwerpunkt Sehen, Schwerpunkt Hören, emotionale und soziale Entwicklung, körperliche und motorische Entwicklung, geistige Entwicklung und Schule für Kranke. Aufgehoben werden zwei Bereiche, zwei Schwerpunkte, und zwar die letzte Förderschule in Mecklenburg-Vorpommern mit dem Förderschwerpunkt Sprache ab dem nächsten Schuljahr – darüber sind wir, das Bildungsministerium mit dem Schulträger, auch schon seit Monaten im Gespräch – und die Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Lernen, das allerdings erst ab der zweiten Hälfte der 20erJahre. Das ist also ein Bereich, wo wir auch Zeit reingegeben haben.
Viertens. Weil wir wissen, dass gerade kleinere Kinder mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen in die Schule kommen, richten wir eine flexible Schuleingangsphase ein. Da können die Jahrgangsstufen 1 und 2 in einem Zeitraum von bis zu drei Schuljahren besucht werden. Und
wir haben auch vorgesehen, dass an weiterführenden Schulen jahrgangsübergreifend gelernt werden kann. Ob das allerdings an den Schulen eingeführt wird, diese Entscheidung obliegt der Schulkonferenz an der jeweiligen Schule selbst.
In dieser Schuleingangsphase, also bei den kleinen Schülern, wird es keine Ziffernoten geben. Und damit wirklich alle Jugendlichen die Möglichkeit haben, einen Schulabschluss zu machen – und ich finde, darum muss es uns gehen, dass alle Kinder, alle Jugendlichen die Schule mit einem Abschluss auch verlassen –, damit das möglich ist, wollen wir eine flexible Schulausgangsphase einrichten. Insbesondere an den Regionalschulen wollen wir besser auf diejenigen eingehen können, die vielleicht auch aus ihrer eigenen Lebenssituation heraus aber insgesamt ein Problem haben mit Schule. Davon gibt es einige.
Wir wollen aber auch uns die in den Blick nehmen können, besser an den Schulen, die Schwierigkeiten haben mit dem Lernstoff, einfach vielleicht ein bisschen langsamer sind beim Lernen, ein bisschen länger brauchen. Wir haben das ermöglicht, das haben wir schon ermöglicht, durch die Maßnahme eines freiwilligen zehnten Schuljahres oder eben durch die Berufsreife dual. Da werden Jugendlichen ganz klar Wege aufgezeichnet, wie sie den Weg ins Berufsleben auch finden können, wenn es ihnen über den herkömmlichen Weg an der Regelschule nicht gelingt. Sie erhalten mehr individuelle Möglichkeiten, dieses Ziel zu erreichen, und das ist wichtig, finde ich. Sie kriegen auch eine Brücke in das Berufsleben, indem wir stärker auch Einblicke gewähren in das praktische Berufsleben.
Mir ist an dieser Stelle noch mal wichtig zu betonen, dass Inklusion, so, wie wir sie verstanden wissen wollen, nicht ausschließlich darauf abzielt, die vermeintlich Schwächeren, diejenigen mit Benachteiligungen, dass es nicht nur darum geht, sie zu integrieren und irgendwie mitzuziehen. Unser Verständnis von Inklusion ist, alle individuell beschulen zu können, individuell zu fördern, und das so, dass jeder und jede Einzelne nach seinen oder ihren Begabungen und Talenten auch gefördert werden kann.
Genauso wichtig ist es, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, klarzustellen, dass dieses Schulgesetz kein Inklusionsgesetz ist, sondern eher ein Schulentwicklungsgesetz. Es geht um die Weiterentwicklung unserer Schulen, ich habe es eingangs gesagt. Und um dieser Weiterentwicklung Rechnung zu tragen, haben wir auch weitere Themen angepackt, die Rahmenbedingungen an den Schulen bei uns in Mecklenburg-Vorpommern zu verbessern. Ich werde jetzt ein paar aufzählen:
Zum Beispiel trägt die Ermächtigungsgrundlage für Schulgirokonten dazu bei, dass künftig Klassenfahrten oder Wandertage besser und einfacher zu organisieren sind. Schulen erhalten mehr Freiheiten, unter anderem, indem sie Schulbücher und Unterrichtsmedien selbst auswählen können. Mit der Erweiterung des Schullastenausgleichs für Kooperative Gesamtschulen, für Schüler aus anderen Bundesländern oder auch für die Sportgymnasien passen wir die Vorschriften an die tatsächlichen Verhältnisse an. Und wir tragen mit einer Neuregelung der Mittleren Reife dafür Rechnung, dass Jugendliche, die sich nach der 10. Klasse im Gymnasium entscheiden, doch nicht weiterzugehen bis zum Abi, auch eine gute Möglichkeit haben, die Mittlere Reife zu erhalten und
(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Zurufe von Simone Oldenburg, DIE LINKE, und Peter Ritter, DIE LINKE)
Bevor ich um Ihre Zustimmung zu diesem Gesetz bitte, möchte ich noch zwei Regelungen herausheben, die mir wichtig sind.
Zum einen ist es die Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung. Das ist ein Ziel, das wir im Gesetz ganz klar formuliert haben. Wir haben es aber auch unterlegt mit konkreten Regelungen. Es wird in Zukunft am Gymnasium nicht nur die Studienorientierung geben, sondern ganz klar auch eine Berufsorientierung. Diese Berufsorientierung wird integraler Bestandteil aller Fächer und Jahrgangsstufen. Und wir werden ab nächstem Schuljahr auch einen Grundkurs in der gymnasialen Oberstufe einführen, Berufsorientierung. Ich halte das für zentral wichtig, weil es muss nicht immer ein Studium sein.
(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und Dr. Ralph Weber, AfD – Simone Oldenburg, DIE LINKE: Ja.)
Die Perspektive einer dualen Ausbildung ist heutzutage oft genauso oder manchmal sogar besser als ein Studium. Insofern, denke ich, ist das nur richtig und konstruktiv, dass wir da auf Augenhöhe auch im Gesetz gehen.
Zum anderen möchte ich noch erwähnen – und das ist mir wirklich persönlich ein Anliegen gewesen –, dass wir den Schutz gegen sexualisierte Gewalt und Mobbing erstmals als Auftrag, als verbindlichen Auftrag im Schulgesetz aufgenommen haben. Es geht darum, dass Schulen dort, wo Kinder ja den ganzen Vormittag mindestens sind, manchmal noch länger, also einen großen Teil ihrer Zeit verbringen, dass Schulen natürlich den Auftrag haben, genau hinzugucken. Nicht nur Schulen, sondern überall da, wo Kinder sind und Jugendliche, muss genau hingeguckt werden. Das tun Schulen schon heute. Wir haben diesen Auftrag erstmals verbindlich auch in Zukunft so festgeschrieben, dass dies Teil des Schulprogramms ist, dort genau hinzugucken. Mit dieser gesetzlichen Verankerung sind wir bundesweit die Ersten. Ich wünsche mir, dass diese Verankerung auch in anderen Bundesländern folgt.
Ich hatte vor, ja, ein paar Monaten hier in Schwerin eine Veranstaltung mit dem Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung gegen sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen, Wilhelm Rörig, der genau das gefordert hat, nämlich zu sagen, es ist Schluss mit der Freiwilligkeit an Schulen, an unseren Institutionen, den öffentlichen. Wir müssen da genau hingucken und dieses Tabu brechen. Ich finde, er hat recht. Deswegen bin ich sehr froh, dass die Fraktionen dort eine Lösung gefunden haben. Vielen Dank dafür.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, Mecklenburg-Vorpommern braucht ein modernes und zeitgemäßes Schulgesetz. Mit dem vorliegenden Entwurf lösen wir diese Forderung ein. Ich bedanke mich ausdrücklich bei all denen, die mitgewirkt haben, und, wie schon gesagt, über die Parteigrenzen hinweg. Ich finde das wichtig, auch hier am Ende noch einmal zu betonen, für mich, die Bildung unserer Kinder, die Bildung unserer Jugendlichen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Und noch mal: Es ist gut und es ist richtig, dass wir das auch über alle Parteigrenzen hinweg gemeinsam hinkriegen, uns in wichtigen gesamtgesellschaftlichen Fragen auch einigen zu können. Ich hielte es für äußerst bedauerlich, wenn wir damit nicht bei dem wichtigen Thema Inklusion auch fortführen könnten, diesen Konsens herzustellen. Ich glaube, noch mal, dass die Menschen da draußen das von uns erwarten, bei diesen großen Themen da beisammen zu sein. Deswegen lade ich die LINKE-Fraktion herzlich ein,
zum Wohle der Lehrerinnen und Lehrer und zum Wohle auch der, ja, vor allen Dingen der Eltern und der Kinder, würde ich sagen. Deswegen danke ich Ihnen. Ich hoffe auf die Zustimmung zu diesem Gesetz. – Vielen Dank.
Wertes Präsidium! Liebe Abgeordnete! Werte Gäste! Leiwe Mäkelborger un Vörpommern! Das Einbringen einer Gesetzesnovelle nach dem Durchlaufen des parlamentarischen Verfahrens gehört normalerweise zu den Sternstunden in einer parlamentarischen Demokratie. Allerdings, bei diesem Gesetz will sich die Freude nicht so recht einstellen. Es bleibt ein fades Gefühl zurück, dass das Gesetz den Ansprüchen der Betroffenen nicht gerecht wird, wie das auch an den hier heute noch vorliegenden Änderungsanträgen recht deutlich wird.
Das vorliegende Sechste Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes hat seine Geburtsfehler nicht beheben können. Im Zuge der Anhörung haben Lehrer, Schüler und Schulträger massive Kritikpunkte zum vom Bildungsministerium vorgelegten Entwurf laut werden lassen. Es war damit absehbar geworden, dass das übliche parlamentarische Verfahren, die erforderliche Novellierung des Gesetzes, also das Einbringen wesentlicher Neuerungen, nicht erreicht werden kann. Um überhaupt noch etwas von den Vorstellungen der Betroffenen in das Gesetz einzubringen, gründete sich das Bündnis für „Gute Schule“. Hier wurden die konkreten und berechtig
ten Forderungen noch einmal ausformuliert zusammengetragen. Diese sollten sich dann eigentlich im Wesentlichen in den Änderungsanträgen der Koalitionsfraktionen wiederfinden, da deren Vertreter an diesen Beratungen teilgenommen haben. Mit „eigentlich“ ist dann auch schon alles gesagt.
Das Kernstück des nun vorliegenden Gesetzentwurfes zur Änderung des Schulgesetzes besteht darin, dass die Inklusion im Schulgesetz verankert wird. „Inklusion ist Kommunismus für die Schule.“ Dieser Satz, der von Mathias Brodkorb stammt, trifft es dann auch schon, wenn man am Kern der UN-Behindertenrechtskonvention von 2009 vorbei die Inklusion überinterpretiert
und das dann auch derart gut gemeint umsetzen will. Aber „gut gemeint“ ist das Gegenteil von „gut“, so auch hier.
Bestehende sonderpädagogische Einrichtungen und Schulen, die darauf spezialisiert sind oder waren, den Kindern entsprechend ihren Einschränkungen die bestmöglichen Bildungschancen anzubieten, werden abgewickelt.
Indem Förderschulen mit dem Schwerpunkt Sprache bereits mehrere Jahre vor den Schulen mit dem Förderschwerpunkt Lernen aufgehoben werden sollen, entstehen hier, wie ein Schweriner Beispiel zeigt, ganz handfeste Probleme, wenn Sprachheilschulen auch noch andere Schwerpunkte anbieten und der Sprachbereich auf einmal wegbricht.
Meine Damen und Herren, das Prinzip der Inklusion ist nicht zur Erzielung besserer Lernergebnisse entwickelt worden, sondern vorrangig zur Beseitigung einer vermeintlichen Diskriminierung behinderter Kinder. Es stellt sich aber die Frage, ob sich die betroffenen förderbedürftigen Kinder wirklich an einer Regelschule weniger diskriminiert fühlen als an einer Förderschule. Förderschulen haben nun einmal nicht zu überbietende Vorteile wie ausgebildete Sonderpädagogen, die in kleineren Klassen unterrichten, und die Schulen verfügen darüber hinaus über die nötigen räumlichen und technischen Einrichtungen. Fortbildungen zur Inklusion können bei Weitem nicht das leisten, was Sonderpädagogen in einem langjährigen Studium erlernen.