Es begann schon damit, dass Frau Tegtmeier hier anfing zu rügen, dass wir die doch im Sozialausschuss abgelehnten Änderungsanträge im Plenum noch mal einbringen, und sie damit die Funktion der Ausschüsse als rein beratende Institution verkannt hat.
Und das hat dann seine Fortsetzung gefunden, nachdem wir feststellen mussten, dass das Sozialministerium, bevor die Abstimmung hier überhaupt begonnen hat, eine Pressemitteilung herausgegeben hat, wo schon die unveränderte Annahme, also ungeachtet aller Änderungsanträge von uns und von der Fraktion DIE LINKE, gefeiert wird. Das macht unsere Abstimmung hier zu einer reinen Farce, wenn so was vorkommt. Das ist eine offizielle Pressemitteilung. An so einer Farce sind wir nicht bereit, uns zu beteiligen.
Das ist eine grobe Missachtung unseres Parlaments und der demokratischen parlamentarischen Grundlagen, die wir hier vertreten. So was sollte nicht ungeahndet über die Bühne gehen. Deswegen haben wir ab dem Moment
an der Abstimmung nicht weiter teilgenommen. Und wir sollten uns das alle zu Herzen nehmen, denn das ist genau die Grundlage, auf der es passiert, dass die Arbeit dieses Parlaments nach außen oftmals als unnötig angesehen wird.
Wenn das Parlament selbst und Pressemitteilungen einer Ministerin oder eines Ministeriums dazu beitragen, dann ist das eine Schande, die jedenfalls hier im Parlament auch entsprechend gerügt werden soll, was ich hiermit dann getan habe und wir durch unsere weitere Nichtteilnahme an den Abstimmungen dokumentiert haben. – Danke.
(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD, Holger Arppe, fraktionslos, und Christel Weißig, fraktionslos)
Herr Professor Weber, ich wollte Sie nur kurz darauf hinweisen, dass es Ihnen nicht zusteht, etwas zu rügen hier an dieser Stelle.
(Dr. Ralph Weber, AfD: Bei einer Erklärung kann ich erklären, was ich möchte. – Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 8: Zweite Lesung und Schlussabstimmung des Gesetzentwurfes der Fraktion der AfD – Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes Mecklenburg-Vorpommern, Drucksache 7/4012.
Gesetzentwurf der Fraktion der AfD Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes Mecklenburg-Vorpommern (Zweite Lesung und Schlussabstimmung) – Drucksache 7/4012 –
In der 70. Sitzung des Landtages am 4. September 2019 ist die Überweisung dieses Gesetzentwurfes in die Ausschüsse abgelehnt worden. Gemäß Paragraf 48 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung wird der Gesetzentwurf spätestens nach drei Monaten zur Zweiten Lesung auf die Tagesordnung gesetzt.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 55 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Landsleute und sehr geehrte Gäste! Wir sprechen heute in Zweiter Lesung über den Gesetzentwurf der AfD-Fraktion zur Änderung des bestehenden FAG, in dem wir entgegen der derzeitig vorgenommenen Regelung die vollständige landespolitisch zweckfreie Weiterleitung der Gemeindesteuerkraftzuweisungen des Bundes an die Kommunen vorgeschlagen haben. Das betrifft eine Bundesergänzungszuweisung von circa 230 Millionen Euro.
In der Ersten Lesung am 4. September 2019 versprachen Sie, Herr Innenminister, ich zitiere aus dem Plenarprotokoll: „… im Rahmen der FAG-Beratung … können Sie“ – in Klammern sage ich, die Opposition – „mit den Parlamentariern über die Bund-Länder-Beziehungen aus
führlich und fachlich … sehr gut diskutieren“. Zitatende. Sie haben damals ein Versprechen gegeben, welches letztlich in keiner Weise eingehalten wurde. Die vertikalen Finanzbeziehungen zwischen unseren Kommunen und dem Land werden durch Kapitel 1102 Maßnahmegruppe 01 im Landeshaushalt festgelegt. Aktualisierte Unterlagen, die mit dem heute in Erster Lesung vorgesehenen Regierungsentwurf zum FAG M-V übereinstimmen sollen, sind am 5. November 2019 dem Finanzausschuss vorgelegt worden. Die Frist zur Abgabe von Änderungsvorschlägen zu den vertikalen Finanzbeziehungen im FAG M-V endet morgen.
Wir hatten also lediglich eine knappe Frist von acht Tagen. In diesen acht Tagen waren eine inhaltliche Auseinandersetzung und Konsultationen mit betroffenen Kommunalvertretern für die Opposition eigentlich nicht hinreichend möglich. Ausführliche und fachlich qualifizierte Beratungen zu den Bund-Länder-Finanzbeziehungen und die hinreichende Diskussion über eine vollständige Weitergabe von Bundesmitteln mit kommunaler Zweckbindung im Rahmen der FAG-Beratungen werden also nicht möglich sein, auch deshalb nicht, weil die Regierungskoalition einer Überweisung unseres Gesetzentwurfes in die Ausschüsse mit ihrer Mehrheit verhinderte.
Da eine Diskussion in den zuständigen Ausschüssen nicht möglich war, möchte ich hier noch auf einige Punkte aus der Plenumsdiskussion der Ersten Lesung am 04.09. eingehen.
Frau Tegtmeier, Sie behaupteten damals, ich zitiere: „Die sogenannten Gemeindesteuerkraftzuweisungen des Bundes sind ein Ersatz für die Solidarpaktmittel“. Zitatende. Diese Aussage ist falsch. Richtig ist das, was Erwin Sellering als Beschluss der Regierungschefs und des Bundes vom 14. Oktober 2016 verkündet hat. Ich zitiere aus der damaligen Presseerklärung: „Es werden Zuweisungen des Bundes zum Ausgleich der Finanzkraftunterschiede auf Gemeindeebene in verfassungsrechtlich abgesicherter Form … gewährt. Dabei wird die unterdurchschnittliche Gemeindefinanzkraft zu 53,5 % bezogen auf die Lücke bis 80 % des Durchschnitts der Gemeindesteuerkraft ausgeglichen.“ Ich denke, das sagt deutlich, es geht um die Gemeindeebene und ein neues System der Bund-Länder-Finanzierung. Sie sehen in der Weigerung der Landesregierung, diese Mittel den betroffenen Kommunen komplett zur Verfügung zu stellen, einen Vertrauensbruch des Landes gegenüber den Kommunen.
Sehen wir uns die Situationen in unseren Kommunen doch einmal an. Nach der aktuellen Bevölkerungsprognose der Landesregierung wird unser Land in den nächsten 20 Jahren rund 100.000 Einwohner verlieren und deutlich altern. Diese Entwicklung soll aber recht unterschiedlich verlaufen. Rostock und Schwerin sollen leichte Bevölkerungsgewinne haben, die Landkreise aber sollen dagegen zukünftig Einwohner verlieren. Die Landesregierung schätzt den Einwohnerverlust bis 2040 in Vorpommern-Greifswald auf über 12 Prozent und in der Mecklenburgischen Seenplatte auf 13 Prozent. Nach dem Grundgesetz haben die Gemeinden die Aufgabe, sich um die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu kümmern. Dies betrifft insbesonde
Wenn wir das ausgegebene Ziel „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse für alle Bürger in unserem Land anstreben“ nicht aufgeben wollen, dann müssen die Kommunen vor Ort auch die finanziellen Ressourcen zur Verfügung gestellt bekommen, die es ihnen ermöglichen, eine hinreichend attraktive Infrastruktur aufzubauen und zu erhalten. Der Spielraum der Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern, Infrastrukturen, Daseinsvorsorge und freiwillige Leistungen für ihre Bürger zu erhalten beziehungsweise anzupassen und auszubauen, ist für die Attraktivität der ländlichen Regionen von zentraler, ja, ich will sogar sagen, existenzieller Bedeutung.
Viele Menschen in den ländlichen Kommunen fragen sich: Wie sieht es in Zukunft mit der Versorgung von Gütern und Dienstleistungen aus? Werde ich mein Alter im gewohnten Umfeld erleben können? Wo werde ich den nächsten Hausarzt oder Facharzt erreichen? Wo wird das nächste Krankenhaus sein? Was mache ich, wenn die eigene Mobilität mit Pkw nicht mehr möglich ist? Der Bundesinnenminister hat federführend die Situation der Lebensverhältnisse in Deutschland analysieren lassen. Die Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern gehören zu jenen mit dem höchsten Nachholbedarf. Viele Gemeinden bei uns im Land belasten hohe Kassenkredite, Schulden, hohe Sozialausgaben und eine geringe Steuerkraft.
Deshalb erwarten die Bürger zu Recht effektive und sichtbare Schritte hin zu einer Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse. Dies gilt insbesondere und auch für die ländlichen Regionen, die besonders stark vom Einwohnerverlust und der Überalterung der Bevölkerung betroffen sind. Ausgleichszahlungen und Fördertöpfe ändern sich mit jedem Doppelhaushalt des Landes. Die armen und finanzschwachen Gemeinden unseres Landes brauchen aber eine dauerhafte, stabile Finanzierung. Das kann durch eine vollständige Weiterleitung der Gemeindesteuerkraftzuweisungen des Bundes ohne landespolitische Zweckbindung erreicht werden. Diese Mittel sind im Bundes-FAG verankert und eine verlässliche Grundlage für die Zukunft.
Diejenigen, die davor warnen, den Gemeinden zu viel eigenverantwortlichen finanziellen Spielraum einzuräumen, sagen damit nichts anders, als dass sie den Gemeindeverantwortlichen vor Ort ein verantwortungsvolles Handeln nicht zutrauen. Wir sehen darin ein Relikt obrigkeitsstaatlichen Denkens. Nur Bürger, die verantwortliches Handeln in ihren Kommunen subsidiär praktizieren können, werden sich auch mit ihren Kommunen und Regionen identifizieren und der Stadt Bestes suchen, um die Bibel zu zitieren.
Sehr oft sprechen die Regierungsvertreter vom Wert der kommunalen Selbstverwaltung, gleichzeitig besteht aber keine Bereitschaft, diese Selbstverwaltung durch ausreichende zweckfreie finanzielle Mittel zu ermöglichen. Dabei stellt der Bund diese Mittel zur Verfügung, sie müssten nur eins zu eins weitergereicht werden. Wenn dies erfolgen würde, dann könnte man unseres Erachtens bis zur wirtschaftlichen Besserstellung aller Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern sogar auf den horizontalen kommunalen Finanzausgleich für einen begrenzten Zeitraum verzichten. Das würde den Kommunen, die gerade einmal den Kopf steuerlich etwas erhoben haben,
helfen, sich dauerhaft zu stärken. Es kann und muss einzig und allein darum gehen, unsere Kommunen und Städte attraktiv und lebenswert zu gestalten. Wenn uns dies gelingt, dann werden sich manch andere Probleme einfacher lösen lassen. Eine Spirale nach unten darf es für keine unserer Regionen geben.
Ja, natürlich ist mit dem Recht der kommunalen Selbstverwaltung auch die Pflicht der finanziellen Eigenverantwortung verbunden. Finanzielle Eigenverantwortung erreicht die Regierung nicht, indem sie die Gemeinden zu Bittstellern bei einer Vielzahl von Fördertöpfen macht. Die Fähigkeit eigenverantwortlichen Handelns erwerben die Kommunalvertreter nur durch das Wirtschaften mit eigenen Mitteln. Deshalb muss die angemessene finanzielle Grundausstattung der Gemeinden Vorrang vor zweckgebundenen Förderungen haben. Die Bürger und Kommunalpolitiker vor Ort wissen am besten, was sie brauchen. Deshalb sollten Parlament und Regierung nicht kommunale Gelder des Bundes eigenen landespolitischen Zwecken unterordnen, sondern den Kommunen für eigene Entscheidungsspielräume zur Verfügung stellen.
Meine Fraktion wird bei Ablehnung unseres Gesetzentwurfs fristgemäß einen Änderungsantrag für den Doppelhaushalt einbringen, in dem die vollständige Weiterleitung der Gemeindesteuerkraftzuweisung des Bundes an die Kommunen beantragt wird. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das passt ja gut, dass ich da direkt drauf antworten kann, weil – ich werde das noch mal im Protokoll nachlesen –, weil, wenn Sie eine Kurzaussage gegen eine andere stellen, muss man das natürlich auch immer im Kontext sehen, um zu beurteilen, ob das tatsächlich falsch war oder nur in dieser Zusammenstellung, weil ich meine mich sehr deutlich daran zu erinnern, dass ich einen anderen Kontext hatte, nämlich habe ich abgewogen, dass im Gesamtpaket der Neuausrichtung der Länderfinanzbeziehungen, in den Bund-Länder-Finanzbeziehungen, dass man dort nicht einfach sagen kann, das ist zusätzlich und das können wir eins zu eins durchreichen, sondern man hat auch zu berücksichtigen, was dafür wegfällt. Nämlich das war mein Kontext. Ich habe darauf abgezielt, dass es zwar mehr Bundesergänzungszuweisungen geben wird, aber nicht berücksichtigt dabei im Gesamtergebnis wurde der Wegfall der Solidarbundesergänzungszuweisungen, die ab 2020 entfallen, genauso wenig wie die Entflechtungsmittel in Höhe von 81 Millionen Euro, die entfallen. So meine ich damals darauf abgezielt zu haben.
Und „Gesamtpaket“ ist eigentlich das Wort, worauf alles hinausläuft. Wir werden im späteren Verlauf des Abends – leider wahrscheinlich unter wenig öffentlicher Beteiligung, obwohl wir von einem wirklich guten Gesetz hier sprechen werden – den Innenminister in 15 Minuten die wesentlichen Bestandteile und Kernpunkte des neuen Finanzausgleichsgesetzes hier referieren hören. Und da
werden garantiert sehr viele Punkte angesprochen von denen, die Sie hier eben auch erwähnt haben. Und genau darauf kam es uns auch an. Wir sind auf ein Gesamtpaket ausgerichtet, das wir teilweise schon mit der kommunalen Ebene verhandelt haben und weiterverhandeln werden im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens. Nämlich letztendlich muss die kommunale Ebene mit dem Endergebnis leben können. Und es sind verschiedenste Bestandteile zu berücksichtigen. Und insgesamt wird ein Paket daraus und keine Einzelpunkte werden vorgezogen, sondern das ist ein Abwägungsprozess, der allen letztendlich gerecht werden soll. Und deswegen lehnen wir Ihren Gesetzentwurf zum jetzigen Zeitpunkt – was heißt, zum jetzigen Zeitpunkt –, den lehnen wir natürlich in Endkonsequenz ab.
Und ich höre mit Verwunderung, dass Sie jetzt zum Haushaltsentwurf einen Antrag einreichen wollen. Kann man denn davon ausgehen, dass Sie zum Finanzausgleichsgesetz, das wir zu einer späteren Stunde heute erstmals diskutieren werden, keinen Antrag stellen werden? Da bin ich ja mal gespannt. Oder vielleicht fahren Sie auch zweigleisig, das kann ja auch sein.
Auf jeden Fall, wir sind für ein Gesamtpaket, für eine Insgesamtlösung für alle Bereiche und nicht für eine vorgezogene Sonderposition an dieser Stelle, die aus unserer Sicht auch nicht gedeckt ist – ein ungedeckter Scheck. Hier werden Mittel ausgegeben, die nicht da sind. – Vielen Dank.
Damen und Herren! Frau Tegtmeier hat eigentlich das Wesentliche schon gesagt. Es ist eigentlich auch aus der Ersten Lesung, Herr Dr. Jess, nicht viel hinzuzufügen. Es ist klar, so einen einzelnen Punkt hier aus dem Finanzausgleich zu betrachten, ist immer schwierig. Wir haben ja nachher noch die große Debatte zum Finanzausgleich. Man kann das alles machen, was Sie dabei übersehen, ist der ganze Gleichmäßigkeitsgrundsatz, von dem man mal profitiert und mal auch nicht. Den würden wir mit so einer Einzelmaßnahme zerstören.
Es besteht aus meiner Sicht auch gar keine Not, das hier jetzt zu behandeln. Wir können das ruhig und gelassen auch im großen Aufschlag im Finanzausgleich machen, den wir ja dann wahrscheinlich im März in Zweiter Lesung hier behandeln, weil die Kommunen haben bereits Planungssicherheit. In der letzten Woche wurde der