Ein Satz vorweg, Herr de Jesus Fernandes: Es ist doch ein bisschen viel, was Sie in das Gesetz da eben reininterpretiert haben.
Wenn wir heute dem Gesetzentwurf über die Finanzierung und zur Transparenz in der Freien Wohlfahrtspflege nach nun Zweiter Lesung und umfangreicher Anhörungen im Ausschuss zustimmen, werden wir in Mecklenburg-Vorpommern einen historisch neuen Weg einschlagen. Transparenz in der Verwendung und der Vergabe öffentlicher Mittel ist – da wiederhole ich gern die Maxime meiner Fraktion – das Gebot der Stunde, gerade, aber nicht nur in der Finanzierung der Freien Wohlfahrtspflege. Und genau dies ist der wesentliche Politikansatz, den wir mit dem Wohlfahrtsgesetz in MecklenburgVorpommern bezwecken.
Ich bin davon überzeugt, dass wir mit dem heutigen Tag einen gewichtigen Beitrag leisten werden, die Finanzierungsbeziehungen zwischen Land und den Spitzenverbänden auf ein rechtlich verlässlicheres und transparenteres Fundament zu stellen. Damit zeigen wir die Bereitschaft, den Schutzgedanken gegenüber den Trägern der Freien Wohlfahrtspflege zu sichern, zu bewahren und offenkundige Reputationsverluste aus der Vergangenheit wiederherzustellen. Dies ist notwendig, weil wir damit den Feststellungen des Landesrechnungshofes aus dem Jahre 2015 gesetzgeberisch begegnen und, wie ich finde, im Bundesvergleich übertreffen. Nur das Land Niedersachsen verfügt ebenso über ein eigenes Wohlfahrtsgesetz.
Mir war und ist es wichtig, dass wir landesseitig schnellstens mit unserem Wohlfahrtsgesetz den CorporateGovernance-Prozess innerhalb der Trägerlandschaft untersetzen. Und dies ist eindeutig der Fall, da nach meinem Kenntnisstand alle Spitzenverbände sich Transparenzinitiativen angeschlossen haben und ihre Offenheit für ein Transparenzgesetz in Mecklenburg-Vorpommern in der Anhörung eindringlich unterstrichen haben.
Sicher ist es unmöglich, kriminelles Handeln Einzelner zu hundert Prozent auszuschließen, aber dennoch sehe ich uns mit der steuernden Wirkung des Wohlfahrtsgesetzes auf einem guten Weg. Dennoch wird es zukünftig von Bedeutung sein, dass die interne Transparenz der Wohlfahrtsverbände weiter gefestigt wird, indem beispielsweise satzungsrechtliche Bestimmungen gefunden werden, die die Kontroll- und Einflussmöglichkeiten gegenüber den rechtlich selbstständigen Untergliederungen erhöhen.
Letztlich muss es klar sein, dass wir nur gemeinsam – Land und Spitzenverbände der Wohlfahrtspflege – für mehr Transparenz sorgen können, da wir auf die wertvollen sozialen Dienste an der Gesellschaft in der Fläche und in den Zentren angewiesen sind. Auch an Zahlen lässt sich die gestiegene sozialräumliche Bedeutung der Freien Wohlfahrtspflege sehr anschaulich darlegen. Nimmt man als Basis das Jahr 1970, so ist die Zahl der Einrichtungen allein bis 2008 deutschlandweit um 95 Prozent, die Anzahl der Plätze um 71 Prozent und die Zahl der hauptamtlich Beschäftigten um 300 Prozent angestiegen, und das hat sich bis heute verfestigt.
Ich habe folgende Frage: Sind Sie der Meinung, dass man in diesem Gesetz auch die Trennung zwischen Haupt- und Ehrenamt reinschreiben hätte können als Bedingung?
Also ich denke, dass man Haupt- und Ehrenamt bei den Wohlfahrtsverbänden nicht auseinanderreißen kann. Ich kann nur mal als Beispiel sagen fürs Deutsche Rote Kreuz, es gibt Leute, die arbeiten hauptamtlich und die arbeiten auch ehrenamtlich, meinetwegen jemand, der als Ersthelfer Dienst in der Kongresshalle macht, wenn da irgendein Konzert ist oder so was. Er kann aber sehr wohl auch hauptamtlich irgendwo arbeiten in der Geschäftsstelle und Ehrenamtskoordinator sein oder solche Sachen.
Wenn sich das darauf bezieht, dass wir hauptamtlich Angestellte haben, die nicht in den eigenen Vorständen sein können, dahin zielte meine Frage.
Ich glaube, das haben wir wohl jetzt in der Gesetzgebung durchaus lange diskutiert und wir haben das, glaube ich, auch ausdiskutiert.
Meine Damen und Herren, auch gegenüber anderen Marktanbietern ist die Freie Wohlfahrtspflege in der Sicherung der Versorgungsstrukturen nicht wegzudenken. Sie bieten 36 Prozent aller Krankenbetten, 55 Prozent aller Pflegeheime, 38 Prozent der ambulanten Pflegedienste und 80 Prozent der Behindertenplätze an. In der Kinder- und Jugendhilfe entfallen 62 Prozent aller Plätze in Tageseinrichtungen und 75 Prozent aller Einrichtungen auf Angebote der Träger der Freien Wohlfahrtspflege.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die umfassende Anhörung in der Ausschussberatung, auch mit Blick auf die konkrete Umsetzung des Gesetzentwurfes, war überaus erkenntnisreich. So sehe ich mich bestätigt darin, dem zweiten Teil des Gesetzes, den Regelungen zur sozialen und gesundheitlichen Beratung, mehr Zeit bis zum Inkrafttreten zu geben, das wir nun erst zum 1. Januar 2021 vornehmen werden. Dies war der überwiegende Wunsch aller Beteiligten. Da die personellen Kapazitäten der Kommunen durch die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes ohnehin gegenwärtig stark beansprucht sind, erfährt diese Verschiebung ihre Berechtigung.
Auch erhoffe ich mir nach den Erfahrungen der Berliner Kollegen, dass die Transparenz- und Zuwendungsdatenbank ein geeignetes Instrument darstellt, für mehr Offenheit und Übersicht in der Förderpraxis zu sorgen, und die erforderlichen Mittel hierfür werden im Einzelplan 10 veranschlagt.
Ich erhoffe mir, dass wir mit den neu eingeführten Berichtspflichten die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege entlasten, da wir sie von den bisherigen zeitlich und administrativ aufwendigen Verwendungsnachweisen befreien. Der Verteilungsmodus entspricht auch weiterhin der Fördersystematik aus der aktuellen Richtlinienregelung jedoch auf neuer gesetzlicher Basis. Die Höhe bemisst sich künftig anhand eines Sockelbetrages in gleicher Höhe an alle Verbände und einem variablen Anteil entsprechend der Anzahl der beim jeweiligen Wohlfahrtsverband beschäftigten Mitarbeiter. Damit schaffen wir für alle Seiten verlässliche finanzpolitische Strukturen.
Der zweite und erst 2021 in Kraft tretende Gesetzesabschnitt schafft ebenso eine Grundlage für die finanzielle Beteiligung des Landes an der sozialen und der Gesundheitsberatung. Hier werden wir ab 2021 eine Systemumstellung vollziehen, indem Zuweisungsvereinbarungen zwischen dem Land und den Landkreisen sowie mit den kreisfreien Städten geschlossen werden. Dieses auch in anderen Politikbereichen verwendete Verfahren ist für beide Seiten gewinnbringend, da das Land seine Steuerungsaufgaben angemessen wahrnehmen kann und die Kommunen und Landkreise zugleich finanzielle Planungssicherheit erhalten.
Im Nachgang zu der Anhörung im Oktober haben wir uns zudem auf Koalitionsebene auf einen Änderungsantrag im Sozialausschuss verständigt, der Ihnen nun zur Beschlussfassung vorliegt. Der Gesetzentwurf legt angemessene Beschäftigungsbedingungen als gemeinsames Ziel von Land, Landkreisen, kreisfreien Städten und den Trägern der sozialen Arbeit fest.
Den Änderungsantrag haben wir nun konkretisiert. Dies ist uns als Union besonders wichtig, dass wir hiermit auch eine Gleichstellung mit kirchenrechtlichen Arbeitsbedingungen herstellen wollen. Auch hierfür bitten wir Sie um Ihre Zustimmung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir diskutieren nun seit geraumer Zeit über die Finanzstrukturen in der Freien Wohlfahrtspflege und auch der eingesetzte Parlamentarische Untersuchungsausschuss unterstreicht regelmäßig, dass mehr Transparenz ein Gewinn für alle Beteiligten sein kann. Ich bin daher fest davon überzeugt, dass wir durch die Verabschiedung des Wohlfahrtsgeset
zes diesen Regulierungsprozess landesseitig konstruktiv und rechtlich zielführend angehen und letztlich zu größtmöglicher Transparenz in der Wohlfahrtspflege gelangen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Position zu diesem jetzt vorgelegten Gesetzentwurf, faktisch zu der Beschlussempfehlung, seitens der LINKEN lässt sich auf eine Formel bringen und die lautet: Es ist gut, dass es ein Wohlfahrtsgesetz geben wird, und es ist schlecht, dass es dieses Wohlfahrtsgesetz, Finanzierungsgesetz und Transparenzgesetz geben soll.
Die Expertinnen und Experten, die wir eingeladen haben in den Fachausschuss, haben uns viele Hinweise gegeben, haben gewürdigt, was sie vorfanden, haben aber auch Kritikpunkte angebracht. Und die allermeisten – Frau Friemann-Jennert hat einen Punkt, den Sie aufgenommen haben zum kirchlichen Arbeitsrecht, jetzt genannt –, aber die allermeisten Hinweise und Empfehlungen, die wir bekommen haben, sind ignoriert worden.
Und ich bin schon sehr erstaunt – das gereicht uns nicht zur Ehre –, dass wir uns, wenn wir uns immer wieder und wieder Expertinnen und Experten einladen, das anhören und dann so gut wie nichts daraus machen. Also wie kann man dem begegnen? Das will ich schon mal hier an dieser Stelle sagen, wahrscheinlich dadurch, dass wir uns selbst in die Pflicht nehmen, wenn wir Empfehlungen von Anzuhörenden nicht folgen, so ähnlich wie im Bereich der Behindertenpolitik mit dem Integrationsförderrat, zu sagen, warum wir der Empfehlung nicht folgen, vielleicht auch, um an dieser Stelle eine andere Kultur Einzug halten zu lassen, denn …
Es gab zum Beispiel die Empfehlung, die fachlichen Standards im Gesetz zu verankern, damit sie an dieser Stelle offensichtlich sind, dass sie auch verbindlich sind und dass man es belastbar hat über ein Gesetz letztendlich. Das ist nicht erfolgt.
Dann etwas, was sogar aus einem Entwurf wieder herausgenommen wurde, nämlich das ist, dass die Grundlage der Beratungslandschaft die Sozialplanungen in den Kommunen sein sollten. Es liegt doch auf der Hand, dass man nur dann wirksam werden kann, wenn man eine entsprechende Analyse vorzulegen hat. In einem vorhe
rigen Entwurf war das noch vermerkt und jetzt hat man es sogar noch rausgenommen, sodass dann wirklich Beratungsleistungen nach Kassenlage in Gefahr stehen, und das können wir doch nicht wollen.
Ein dritter Punkt ist eben die unauskömmliche Finanzierung. Ja, Frau Ministerin hat darauf hingewiesen, es wird also mit dem nächsten Haushalt voraussichtlich eine Erhöhung um 12,5 Prozent geben und auch eine Dynamisierung, aber die – darauf komme ich nachher noch mal – steht nicht im Gesetz, wie es in der Mittelfristigen Finanzplanung der Fall ist, und somit hat sie keinen Gesetzescharakter. Faktisch ist das eine Orientierung, aber das ist alles andere als Planbarkeit und Berechenbarkeit. Und mit der Erhöhung um 12,5 Prozent – wir wissen, aus welchen politischen Motiven heraus jetzt noch mal alles rausgehauen wird in diesem Haushalt – wird doch nur zum Teil nachvollzogen, was in der Vergangenheit nicht ausfinanziert wurde.
Und noch ein wichtiger Punkt: Wir haben ein Modellprojekt laufen in Vorpommern-Greifswald über die Neuordnung der Beratungslandschaft. Das ist jetzt im Gange. Es ist noch nicht untersucht worden, wie wirksam dieses Modellprojekt ist, wie wirksam sich das letztendlich für diejenigen auszahlt, die Hilfe, Fürsorge und Begleitung brauchen. Wir ziehen das vor, als gäbe es dieses Modellprojekt nicht. Wir entwerten somit auch Modellprojekte, wenn wir das gutheißen. Das wollen wir als LINKE nicht, deswegen haben wir hier Kritik anzumelden.