Unterrichtung durch die Landesregierung Landesprogramm „Demokratie und Toleranz gemeinsam stärken!“ (Erste Fortschreibung) – Drucksache 7/3418 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft und Kultur (7. Ausschuss) – Drucksache 7/4236 –
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf Drucksache 7/4236 liegen Ihnen die Beschlussempfehlung des Bildungsausschusses zu der Unterrichtung durch die Landesregierung – Landesprogramm „Demokratie und Toleranz gemeinsam stärken!“ (Erste Fortschreibung) – sowie mein schriftlicher Bericht vor.
Der Bildungsausschuss hat die Unterrichtung in vier Sitzungen beraten. Hintergrund der Beschlussempfehlung ist die Erste Fortschreibung des Landesprogramms, mit dem das Ziel unterstützt wird, die Werte unserer Gesellschaft zu stärken. Das Landesprogramm ist als Arbeitsgrundlage und Verständnispapier zu verstehen, was Demokratie ist und wie man sie gestalten möchte. Das Landesprogramm soll den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft stärken, das Verständnis für demokratische Prozesse fördern, Menschen in das Gemeinwesen einbinden sowie antidemokratischen Bestrebungen begegnen.
Die Erste Fortschreibung des Landesprogramms enthält Anpassungen an die extremistischen Gefährdungen für die freiheitlich-demokratische Grundordnung und sonstigen antidemokratischen Bestrebungen sowie an die
aktuellen Herausforderungen für unsere demokratische politische Kultur, wie zum Beispiel die sinkende politische Teilhabe der Menschen im Land. Für die weitere Umsetzung des Landesprogramms einschließlich der Anpassung an die jetzigen Gegebenheiten ist die Erarbeitung einer Umsetzungsstrategie durch die Landesregierung notwendig, in der konkrete Einzelprojekte und Maßnahmen beschrieben werden sollen.
Meine Damen und Herren, der Bildungsausschuss hat nach intensiven Beratungen den Entschließungsantrag einvernehmlich mit den Stimmen der Fraktionen SPD, CDU, DIE LINKE und Freie Wähler/BMV sowie Stimmenthaltung seitens der Fraktion der AfD angenommen. Für weitere Einzelheiten verweise ich auf meinen ausführlichen schriftlichen Bericht und bitte Sie nun im Namen des Bildungsausschusses um Ihre Zustimmung zu dieser Beschlussempfehlung, um das Landesprogramm weiter zu verwirklichen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat wurde vereinbart, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 55 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Das Wort hat für die Landesregierung die Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Frau Martin.
Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich denke, das ist heute ein guter Kontext, in dem wir diese Fortschreibung des Landesprogramms diskutieren. Wir haben eben eine Stunde lang über die furchtbaren Vorkommnisse in Halle gesprochen. Wir schreiben heute das Landesprogramm „Demokratie und Toleranz gemeinsam stärken!“ fort. Ich denke, das ist ein guter Tag dafür.
Vor 30 Jahren sind viele mutige Ostdeutsche auf die Straße gegangen, um für Demokratie zu kämpfen. Sie haben dabei Gefahren in Kauf genommen, Gefahren auch für Leib und Leben. 30 Jahre nach dieser friedlichen Revolution ist diese Demokratie, für die diese Menschen auf die Straße gegangen sind, in Gefahr geraten. Wir haben es lange gerade schon diskutiert, trotzdem möchte ich noch mal in diesen Kontext stellen: Die furchtbare Gewalttat in Halle hat uns brutal vor Augen geführt, unsere offene und freiheitliche Gesellschaft ist nichts Selbstverständliches. Sie muss verteidigt werden jeden Tag und sie muss auch gelebt werden, aktiv gelebt werden, weil sonst die Demokratie die Bindekraft verliert bei den Menschen. Und genau diesen Geist atmet das Landesprogramm.
Wenn Juden in Deutschland wieder Angst haben müssen, auf die Straße zu gehen, dann müssen alle Demokratinnen und Demokraten alarmiert sein, und wir alle müssen uns fragen, wie konnte es dazu kommen in unserer Gesellschaft und vor allem, was müssen wir tun, um unser demokratisches Zusammenleben, unser demokratisches Miteinander zu bewahren.
Ein Wegbereiter für diese besorgniserregende Entwicklung ist, da bin ich sehr sicher, die Verrohung der Spra
che im öffentlichen Diskurs. Die politischen Debatten werden schärfer und die Auseinandersetzungen übersteigen nicht selten das Maß des Erträglichen. Wo Diskussion gefragt ist, wird persönlich diffamiert und beleidigt.
Das erleben wir im Internet mit seinen Hasskommentaren und Hetzereien. Das erleben wir leider auch hier in diesem Hohen Haus.
(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Das schreiben Sie sich mal auf die Fahne, aber dick! – Peter Ritter, DIE LINKE: Fragen Sie mal den Kollegen Hersel, was der dazu sagt!)
Lassen Sie uns gemeinsam nicht zulassen, dass Grenzen verwischen und der Respekt im Umgang miteinander verloren geht,
(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Ja, bitte! Das haben wir ja gerade gehört von Herrn Krüger! – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)
denn, ich habe es schon einmal gesagt, unsere demokratische Gesellschaft ist alles andere als selbstverständlich. Sie hängt auch davon ab, wie wir im Alltag miteinander umgehen und welcher Sprache wir uns dabei bedienen.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, wie gesagt, Demokratie ist nicht so einfach da, sondern Demokratie braucht den Einsatz und das Engagement ihrer
Bürgerinnen und Bürger. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es dieses Engagement in sehr beeindruckender Weise schon seit vielen Jahren. Anders als in manch anderem Bundesland hat die Landesregierung hier die Gefahr durch den Rechtsextremismus nicht verharmlost und weggeschaut, sondern früher als andere gehandelt und mit ihrer klaren Haltung den Aktiven den Rücken gestärkt. Und das, da bin ich sicher, ist auch der richtige Weg, denn die Frauen und Männer, die sich vor Ort in den Städten und vor allem in den kleinen Dörfern gegen die Rechtsextremen stellen, die brauchen all unsere Unterstützung. Die allermeisten sind ehrenamtlich unterwegs, Sie verdienen unsere höchste Wertschätzung und unseren Dank.
Seit Jahren gibt es einen parteiübergreifenden Konsens der Demokratinnen und Demokraten in MecklenburgVorpommern darüber, dass wir gegen radikale Tendenzen aktiv vorgehen müssen und vor allem, dass die Menschen, die sich vor Ort für unsere Demokratie einsetzen, gestärkt werden müssen. Dafür bietet unser Landesprogramm „Demokratie und Toleranz gemeinsam stärken!“ seit vielen Jahren einen wichtigen Rahmen.
Der Landtag hatte die Landesregierung aufgefordert, das Landesprogramm fortzuschreiben und zu überarbeiten. Diesem Auftrag sind wir nachgekommen und legen heute die Fortschreibung des Landesprogramms vor – gemeinsam. Das Landesprogramm ist seit jeher breit ausgerichtet. Es wurde als parteiübergreifende Initiative ins Leben gerufen und wird von allen demokratischen Parteien im Land getragen und begleitet, und es wird vor Ort umgesetzt in enger Zusammenarbeit zwischen staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren. Einige von Ihnen, soweit ich informiert bin, sitzen auch hier im Raum, und, ich denke, das ist ein guter Anlass auch da Danke zu sagen.
Ein wichtiges Ergebnis ihrer Arbeit ist, dass sie über die Jahre gemeinsam Strukturen aufgebaut haben im Land, ein enges Beratungsnetzwerk über unser gesamtes Gebiet gespannt. Viele Bundesländer beneiden uns um dieses Beratungsnetzwerk und es ist in der Tat ein sehr wichtiger Anker in unserer Demokratiearbeit. Doch was genau heißt das eigentlich, Demokratiearbeit? Oft fängt das Nachdenken über Demokratie klein an. Da merkt jemand im Sportverein, in meiner Mannschaft da nehmen unbedachte Äußerungen zu. Es wird rumgepöbelt vielleicht gegen Minderheiten, vielleicht auch irgendwann gegen die eigenen Mannschaftskameradinnen und -kameraden, oder jemand lernt den neuen Nachbarn kennen und stellt fest, es ist ein stadtbekannter Neonazi. Die erste Reaktion ist, das geht doch nicht, ich will das nicht, ich will was tun. Die zweite Reaktion ist oft Ratlosigkeit, was kann ich tun, was mache ich denn jetzt, und Angst, denn alleine ist man verloren. Wenn hier jemand abbricht, ist das verständlich. Aber die Demokratie ist dann ein Stück schwächer geworden. Wenn jemand hier Rat findet und Unterstützung und weitermacht, nachdenkt, sich wehrt, vielleicht gemeinsam mit anderen, ist die Demokratie ein Stück stärker geworden.
Die Projekte unseres Landesprogrammes tragen genau dazu bei, dass es mehr Rat und Unterstützung und weniger Angst gibt. Mehr Rat und Unterstützung gibt den
Mut, sich mit Problemen auseinanderzusetzen, zu erwidern, wenn jemand eine fremdenfeindliche Bemerkung macht, den Schankraum zu verweigern, wenn Nazis reinkommen, weiterzuwissen, wenn Eltern ihre Kinder mit Hakenkreuz-T-Shirt in die Schule schicken. Demokratie ist anstrengend. Sie muss geschützt und immer wieder neu erstritten werden, aber die Anstrengung lohnt sich.
Und deswegen ist es ein sehr wichtiges Signal, wenn der Landtag heute die Fortschreibung des Landesprogramms „Demokratie und Toleranz gemeinsam stärken!“ beschließt.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, worum geht es im weiterentwickelten Landesprogramm? Es macht sich nach wie vor stark für eine freie Gesellschaft mündiger Bürgerinnen und Bürger. Und ich zitiere aus dem Leitbild: „Demokratie lebt von der Wertschätzung jedes einzelnen Menschen.“ Und weiter: „Unsere offene Gesellschaft ist gekennzeichnet durch einen Pluralismus von Interessen, Lebensentwürfen, Kulturen und Meinungen sowie durch die Toleranz, diese Vielfalt nicht nur auszuhalten, sondern auch zu gestalten.“