Protocol of the Session on October 18, 2019

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Bevor ich zum Thema komme, zwei Worte noch zum Kollegen Grimm: Ich habe immer gedacht, Sie sind aus der SPD ausgetreten wegen der Europolitik und nicht wegen Hartz IV, weil Ihren Ausführungen zufolge haben Sie ja dann jahrelang hier wahrscheinlich sehr gelitten unter der Arbeitsmarktpolitik und der Agenda 2010 unter Gerhard Schröder, die Sie hier in Bausch und Bogen gerade zerredet haben.

Aber nun zum Thema: „Jobcenter und Sozialgerichte entlasten – Hartz-IV-Sanktionen abschaffen“, „12 Euro Mindestlohn – Jetzt und für alle“, „Hartz IV muss weg“, „Existenzminimum sichern – Hartz IV überwinden“, „15 Jahre Hartz IV erfordern Kurskorrektur in der Arbeitsmarktpolitik“ –

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Aber das hast du gut gesagt, das sitzt. Und jetzt zustimmen, dann ist die Sache erledigt.)

das waren die Titel der letzten Anträge, die wir hier miteinander auf Initiative von Kollege Foerster besprochen haben, heute nun also „15 Jahre Hartz IV erfordern Kurs- korrektur in der Arbeitsmarktpolitik“.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Da kann man jetzt natürlich schon ein bisschen davon ausgehen, dass man vielleicht auch mal den Bereich etwas thematisch breiter fassen könnte, aber das würde ich hier an der Stelle nicht weiter bewerten. Das Zahlenfeuerwerk, das der Kollege Foerster hier wieder abgebrannt hat, ist natürlich kaum zu toppen. Ich habe versucht, die Rede mal ohne Zahlen zu machen,

(Heiterkeit bei Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

aber drei Zahlen sind natürlich auf jeden Fall Pflicht, wenn ich hier schon mal vorn stehe, und die kann ich Ihnen jetzt an der Stelle auch nicht ersparen, denn wir

haben ja aktuelle Arbeitsmarktzahlen aus dem September 2019. Die Arbeitslosenquote ist im Vergleich zum Vorjahresmonat um 0,7 Prozent gesunken,

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

wir sind also jetzt bei 6,5 Prozent, die Anzahl der Arbeitslosen ist gesunken auf 53.100.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Torsten Renz, CDU: Sehr gut! Sehr gut!)

Und der aktuelle Wert – und deswegen ist es ja nicht, Herr Kollege Foerster, wie Sie immer sagen, nur demografiebedingt –, sondern auch der aktuelle Wert der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten liegt bei 578.300, also ein ganz hervorragendes Ergebnis.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Marc Reinhardt, CDU: Sehr gut!)

Von daher, der Minister hat es gesagt, sind wir auf Augenhöhe mit Nordrhein-Westfalen. Wir haben viele andere Länder überholt, und natürlich ist die Agenda 2010, sind die notwendigen Reformen ein Grund dieser positiven Entwicklung.

Und wenn Sie jetzt fordern beispielsweise, die Sanktionen für unter 25-Jährige auszusetzen, sanktionsfreie Mindestsicherung, Anhebung von Mindestlohn und natürlich Hartz IV generell abzuschaffen, dann ist das aus meiner Sicht in Zeiten, in denen wir auch in Teilen Mecklenburg-Vorpommerns in Richtung Vollbeschäftigung steuern – da brauche ich nur mal hier nach Westmecklenburg zu gucken –, glaube ich, das völlig falsche Signal, denn wir brauchen händeringend Menschen, die bereit sind zu arbeiten, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, und wir brauchen nicht zusätzliche Anreize, um genau das Gegenteil zu machen, um nicht zu arbeiten.

(Beifall Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Von daher, glaube ich, sollten wir alles das unterlassen und uns vor allem darum kümmern – und das ist, glaube ich, ein Thema, was ganz wichtig ist –, dass sich Arbeit wieder lohnt, denn es gab ja auch jüngst wieder Berichterstattungen darüber. Da werden ja dann immer die Beispiele genannt von den Eltern mit zwei Kindern, die arbeiten gehen, und von denen, die nicht arbeiten gehen. Wenn am Ende des Tages dann die Differenz zwischen denen, die arbeiten gehen, und denen, die nicht arbeiten gehen, nicht mehr allzu groß ist, dann sinkt auch die Motivation. Deswegen sollten wir, glaube ich, alles tun, hier an der Stelle auch gegenzuhalten.

Ich glaube, auch beim Thema Mindestlohn gibt es eine vernünftige Lösung, gibt es vernünftige Regularien auf Bundesebene, wie das dort entschieden wird, auch mit den Tarifpartnern zusammen. Von daher halte ich wenig davon, jetzt hier politisch par ordre du mufti aus dem Landtag etwas anderes zu beschließen.

Deswegen, Kollege Foerster, wird Sie das nicht verwundern, dass wir Ihren Antrag heute ablehnen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Vielen Dank, Herr Ehlers.

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE Herr Foerster.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mir war natürlich klar, dass es hier und heute keine Zustimmung für unsere Initiative geben wird. Gespannt war ich allerdings, wie man deren Ablehnung begründen würde, denn als wir Teilaspekte in der Vergangenheit hier eingebracht haben, Herr Ehlers, da musste ich mir ja häufiger Sätze wie „ein dünner Antrag, der so nicht zustimmungsfähig ist“ oder „der durchsichtige Versuch, die SPD vorzuführen“ anhören. Nun haben wir Ihnen diesmal einen wirklich komplexen Antrag auf den Tisch gelegt und ich habe eigentlich erwartet, dass nun in umgekehrter Richtung gestöhnt wird. So ähnlich ist es auch gekommen, viel zu viele Fragen in einen Topf geworfen und dreimal gerührt oder so ähnlich waren die Aussagen des Ministers.

Nun ja, das Thema ist komplex, aber wenn wir eine Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik fordern, dann ist das eben mehr als die Frage der Sanktionen oder der Regelsätze im Hartz-IV-Bereich. Das macht im Übrigen nicht nur dieser Antrag deutlich, sondern das wird auch die Diskussion auf dem vielfach angesprochenen 22. Er- werbslosenparlament zeigen, denn wenn ich die Verlautbarungen auf der Landespressekonferenz diese Woche richtig interpretiere, dann wird der Forderungskatalog in diesem Jahr auch eine große Bandbreite aufweisen. Das kann auch nicht überraschen, denn erfreulicherweise haben sich Landesseniorenbeirat, Landesarmutskonferenz und Erwerbslosenbeirat jetzt auf ein gemeinsames Agieren verständigt. Die Stichworte lauten „Überwindung von Hartz IV“, „armutsfeste Grundsicherung“, „Landesmittel für den Arbeitsmarkt“, „wirksame Unterstützung der Beschäftigungsgesellschaften“ oder auch „unabhängige Sozialberichterstattung“.

Und, Herr Ehlers, ich bin sehr gespannt, ob Sie und andere Vertreter der anderen Fraktionen den Gästen des Erwerbslosenparlamentes dann auch wieder die vermeintliche Erfolgsgeschichte vom Wandel Deutschlands, das einst „der kranke Mann Europas“ war, zu dessen wirtschaftlichem Motor erzählen werden.

(Sebastian Ehlers, CDU: Natürlich!)

Mal sehen, ob Sie sich trauen, das dort im ähnlichen Stil abzufeiern,

(Sebastian Ehlers, CDU: Werde ich.)

wie Sie es hier jedes Mal im Landtag tun,

(Sebastian Ehlers, CDU: Werde ich, werde ich.)

denn das eine ist ja, im Schloss hier mal so locker daherzureden, und das andere ist, den von 15 Jahren Hartz IV unmittelbar Betroffenen ins Gesicht zu sagen, dass die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und Armut vermeintlich nur noch eine Randnotiz ist, weil die neue Herausforderung Sicherung des Arbeits- und Fachkräftemangels heißt.

Herr Ehlers, aus unserer Sicht gehören beide Dinge zusammen, jedenfalls dann, wenn man frühere Verlautbarungen, zum Beispiel aus dem Bündnis für Arbeit, noch halbwegs ernst nimmt. Da hieß die Parole nämlich noch: Niemand darf mehr zurückgelassen werden, im Arbeits- und im Ausbildungsmarkt gleichermaßen.

Wenn wir jetzt noch mal auf die einzelnen Punkte des Antrags schauen, dann wäre noch Folgendes zu sagen: Wir wollen die Schutzfunktion der Arbeitslosenversicherung wieder deutlich erhöhen, und dabei geht es uns um die Statussicherung der Beschäftigten. Das soll wieder das leitende Prinzip sein. Ein Instrument, um diesem Ziel näherzukommen, ist die Ausweitung der Dauer des Leistungsbezuges, ein weiteres die stärkere Förderung von Arbeitslosen insbesondere mit Blick auf Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung.

Auf diesem Weg würde sowohl dem Schutzinteresse der Beschäftigten als auch dem Ziel einer besseren Anpassung von Arbeitskräfteangebot und Arbeitskräftenachfrage Rechnung getragen. Das will auch finanziert werden, na klar, deshalb war unsere Bundestagsfraktion gegen eine Absenkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung von 3 auf 2,5 Prozent des Bruttoeinkommens. Dieses Geld hätte man wie beschrieben sinnvoller einsetzen können.

Zur angekündigten Erhöhung der Regelsätze um 8 Euro auf dann 432 Euro für einen Erwachsenen im Hartz-IVBezug gibt es aus unserer Sicht berechtigte Kritik. Der Vorsitzende des Paritätischen Bundesverbandes Ulrich Schneider sagte dazu Folgendes, ich darf das zitieren: „Die Bundesregierung setzt ihre traurige Tradition fort und gönnt Bezieherinnen und Beziehern von Hartz IV auch im kommenden Jahr kaum mehr. Die Bundesregierung hat erneut lediglich die Lohn- und Preisentwicklung fortgeschrieben. Notwendig wäre aber eine Erhöhung, die auch die Teilhabe der Menschen am Leben wieder ermöglicht. Damit wird Armut in Deutschland weiter zementiert und die Spaltung der Gesellschaft vorangetrieben.“ Zitatende.

Die Regelsätze sind auch nach Auffassung des Sozialverbandes VdK zu gering. Dort verweist man auf die alle fünf Jahre stattfindende Einkommens- und Verbrauchsstichprobe. Dabei werden die Einnahmen und Ausgaben von rund 60.000 Haushalten der einkommensschwächsten 20 Prozent untersucht, die nicht auf Sozialleistungen angewiesen sind. Das ist dann die sogenannte Referenzgruppe und die ist Grundlage für die Regelsätze. Schon 2011 hat man aber diese Referenzgruppe verkleinert, bei Erwachsenen nämlich auf die ärmsten 15 Prozent, und die geben im Schnitt natürlich weniger aus, mit der Folge, dass der Hartz-IV-Satz dann auch nicht in dem erforderlichen Maße angehoben wird.

Darüber hinaus hat der Gesetzgeber einige Verbrauchsausgaben herausgekürzt, da er sie nicht für relevant für die Existenzsicherung erachtet. Dazu gehören zum Beispiel Ausgaben für Zimmerpflanzen, Gartenarbeit, chemische Reinigung oder Gaststättenbesuche. Wenn die Grundsicherungshöhe aber tatsächlich mehr sein soll, als das physische Überleben zu sichern, und ein Mindestmaß an sozialer Teilhabe absichern mag, dann gehört dazu auch ein gelegentliches Treffen mit Freunden in einer Gaststätte oder das Aufstellen eines Weihnachtsbaums.

Zu den Beschäftigungsgesellschaften möchte ich auch noch etwas sagen. Ich empfehle wirklich jedem von Ihnen, sich einmal auf den Weg in den Miniaturpark Göldenitz oder die Miniaturstadt Bützow zu machen.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Warum nicht Schwerin?)

Dort wird gute und wichtige Arbeit geleistet, die nicht nur den in Maßnahmen beschäftigten Menschen zugutekommt, sondern auch übrigens den Kommunen, denn diese Areale werden von Touristen besichtigt und für Geburtstagsfeiern, Firmenveranstaltungen oder sogar Hochzeiten angemietet. In Stralsund wird ein Sozialkaufhaus für Möbel betrieben, das stadtbekannt ist, und von denjenigen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen, auch rege genutzt wird. All diese und andere Dinge werden in Zukunft gebraucht, zum einen, um Langzeitarbeitslose zu stabilisieren und auf eine Rückkehr in den sogenannten ersten Arbeitsmarkt vorzubereiten, und zum anderen aber, weil man sich auch ehrlich machen und endlich feststellen muss, dass es Menschen gibt, die dauerhaft keine Chance auf eine Rückkehr in selbigen haben. Und da ist es doch allemal besser, ihnen in solchen Zusammenhängen eine Chance zu geben, das, was sie noch leisten können, zu tun, als sie nur noch zu verwalten und zu gängeln.

Und eines, Herr Ehlers, sollte man unterlassen, die Arbeit der Beschäftigungsgesellschaften und der dort beschäftigten Menschen verächtlich zu machen, wie es Ihr Kollege Kokert in der vergangenen Wahlperiode getan hat,

(Sebastian Ehlers, CDU: Ich wollte gerade sagen!)

als er pauschal von „unsinnigen Häkelrunden“ oder dem „Nähen von sogenannten Schwitzzelten“ sprach.

Im Übrigen zu der vom Minister angesprochenen Statistik: Es gab jüngst eine Zwischenbilanz der GroKo in Berlin, da hat man sich natürlich auch das Thema Arbeitsmarkt angeguckt

(Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

und festgestellt, nach zwei Jahren sind von den versprochenen 150.000 Plätzen für Langzeitarbeitslose erst circa 30.000 besetzt und in der Mehrzahl eben nicht bei privaten Unternehmen. Die üben sich nämlich in vornehmer Zurückhaltung. Die Mehrzahl der geförderten Personen ist bei freien Trägern, Vereinen, Verbänden oder Beschäftigungsgesellschaften angestellt, und das ist aus meiner Sicht ein weiterer Beleg für die wichtige Arbeit dieser Institutionen, die auch einen Beitrag zur Sicherung des sozialen Friedens in unserem Land leisten. Und dafür, dass sie dies in der gebotenen Qualität tun können, benötigen sie eben geeignetes Fachpersonal. Deshalb ersuchen sie um Unterstützung des Landes im Kontext der laufenden Haushaltsberatung, nicht, um irgendwelche netten Erinnerungen an rot-rote Zeiten zu beflügeln.

In Mecklenburg-Vorpommern haben wir übrigens mit den neuen Förderinstrumenten noch nicht die Fallzahlen erreicht, die wir mit den Vorgängerprogrammen verzeichnen konnten, und das liegt unter anderem daran, dass die Eigenanteile jenseits der zweijährigen 100-ProzentFörderung für kleine Vereine, Träger und auch Gemeinden ein Problem darstellen. Deshalb ja auch die Forderung, die wir in die Haushaltsberatungen einspeisen werden, diesen mit einem Kofinanzierungsfonds des Landes zu helfen.

Zum Thema Sanktionen nur so viel: Sie haben vielleicht zur Kenntnis genommen, dass diese Woche die Chefin