Sehr geehrter Herr Minister! Wir kennen uns ja schon ein Weilchen, deswegen fällt es mir nicht schwer, Sie zu loben an dieser Stelle, weil ich schon das Gefühl habe, dass Sie zu den Ministern dieser Landesregierung gehören, die sich intensiv mit den Themen unserer Fraktion auseinandersetzen. Das muss man anerkennen,
auch wenn natürlich die Schlussfolgerungen, die Sie ziehen, uns nicht immer gefallen. So am Ende dann zu sagen, zieh mal den Antrag zurück, das hilft uns ja nicht weiter.
Was uns auch nicht weiterhilft, ist dann, dass doch an der einen oder anderen Stelle Dinge erzählt werden, die mit der Realität nichts zu tun haben. Also hier immer so zu tun, dass Rot-Rot sozusagen schuld wäre an der dramatischen Arbeitslosigkeit hier in diesem Lande, das stimmt so nicht. Ich will bloß mal kurz zitieren aus dem Statistischen Jahresbericht von 1997. Sie werden sich erinnern, wer da noch regiert hat. Da heißt es: „Die Zahl der registrierten Arbeitslosen erhöhte sich 1997 im Jahresdurchschnitt um 13,9 Prozent auf 168.364 Männer und Frauen. Die Arbeitslosenquote stieg damit auf 20,3 Prozent an (Vorjahr: 18,0 Prozent), sie war damit die zweithöchste in den neuen Bundesländern (nach Sachsen- Anhalt …) und fast doppelt so hoch wie im früheren Bundesgebiet“. Zitatende. Das war die Erbschaft, die wir von einer CDU-geführten Regierung 1998 übernommen haben, mit der wir uns auseinandersetzen mussten.
im Zusammenhang mit Hartz IV: Es gab in dieser Bundesrepublik einen Arbeitsminister, der in Frankfurt am Main aufgestanden ist, als Hartz IV vorgestellt worden ist, der gesagt hat, das ist das falsche Instrument. Dieser Arbeitsminister hieß Helmut Holter.
Ich kann mich an Herrn Holter gut erinnern und an 25 Jahre miteinander oder zumindest in der Diskussion auch manchmal gegeneinander. Daran kann ich mich lebhaft und manchmal auch erfreut erinnern. Also wir beide kennen uns über diese lange Zeit.
Die Frage ist jetzt, wer hat am Ende recht, wenn wir uns um 20 oder 22 Prozent streiten. Heute hat MecklenburgVorpommern eine Arbeitslosenquote von 6,5 Prozent. Wir sind sozusagen auf Augenhöhe mit NRW, wir sind besser als Berlin, wir sind besser als Bremen, wir sind besser als Sachsen-Anhalt. Und ich sage Ihnen noch mal: Das hätte uns vor fünf Jahren noch nicht mal jemand zugetraut, und von daher freuen wir uns, denke ich, miteinander, dass es so ist.
Wir sind auf dem richtigen Weg, natürlich auch dank vielleicht der Kritik der LINKEN, aber am Hebel sitzen wir.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wir sind uns sicherlich einig, die Einführung von Hartz IV hat ebenso wie die übrigen Maßnahmen der Agenda 2010 Deutschland nachhaltig verändert, und das mit Sicherheit nicht zum Besseren. Das über Jahrzehnte herangereifte deutsche Arbeitsrecht wurde plötzlich liberalisiert, als gäbe es kein Morgen. Die Begünstigung von Zeitarbeit und Leiharbeit, die Schaffung neuer Arbeitsformen wie Minijobs wurden von den Arbeitgebern begierig aufgenommen. Politisches Anliegen war es dabei immer, Menschen schrittweise an die Arbeit heranzuführen, mit dem Ziel, dass daraus ein reguläres Arbeitsverhältnis wieder entstehen kann.
Sehr geehrte Damen und Herren, wo stehen wir heute, 15 Jahre nach Einführung von Hartz IV? Nun, bei Inkrafttreten betrug die Arbeitslosenquote offiziell 10,5 Prozent, heute sind es 5 Prozent. Das entspricht einer Verminderung von 4,38 Millionen 2004 auf heute 2,2 Millionen. Auch die Zahl der Hartz-IV-Empfänger geht zurück.
Waren es 2011 noch 4,5 Millionen, so sind es heute 3,9 Millionen. Bedeuten diese Zahlen nicht, dass es dringend Zeit wird für eine Veränderung?
Richtig ist, dass jede gesetzliche Regelung irgendwann mal auf den Prüfstand gehört, insbesondere nach Ablauf einer gewissen Erprobungszeit. Mit den oben genannten Zahlen hat Hartz IV sicher sein Hauptziel erreicht. Es
wurden die offiziellen Arbeitslosenzahlen nahezu halbiert. Aber – und das hat hier noch keiner angesprochen – zu welchem Preis? Deutschland wurde in Europa zu einem Land der Niedriglöhner
mit derzeit immerhin 23 Prozent Niedriglohnanteil. Das war jedoch nicht immer so. Noch 1996 wies die Statistik einen Anteil von 14 Prozent für Deutschland aus, womit man unter den Industriestaaten im Mittelfeld lag.
Viel schlimmer aber sind die Langzeitwirkungen der dadurch erzeugten Niedriglohnbiografien, die sich erst bei Erreichen des Rentenalters zeigen. Unter Zugrundelegung der Parameter für Rentenniveau und Lebensarbeitszeit, wie sie heute in Deutschland gelten, muss ein junger Mensch 45 Jahre lang mindestens 1.907 Euro brutto verdienen, um dereinst bei Eintritt in das Rentenalter einen Rentenanspruch zu erwerben, der gerade noch über der Grundsicherung liegt. Das, meine Damen und Herren, ist auch eine Auswirkung von Hartz IV, und ich finde, sie ist ebenso erschreckend wie verheerend.
Hartz IV erzeugt die Massenaltersarmut von morgen. Gerade junge Leute sollten sich das immer wieder vergegenwärtigen, denn so wird ihnen die Zukunft geklaut und nicht durch den Klimaunsinn.
Grund genug, wie ich finde, Hartz IV so schnell wie möglich abzuschaffen, und da sind wir bei Ihrem Antrag, sehr geehrte LINKE. Der weitestgehende Teil des Antrages ist wohl der zu Ziffer 3. Danach soll Hartz IV abgeschafft und durch eine sanktionsfreie, armutsfeste Grundsicherung abgelöst werden. Nein, liebe Herrschaften von den LINKEN, das kann es nun auch wirklich nicht sein.
Die Einführung einer bedingungslosen Grundsicherung ist keine Lösung. Wer Geld von diesem Staat erhält, der sollte auch verpflichtet sein, etwas dafür zu tun. Die gegenwärtige Fehlentwicklung bei der unkontrollierten, rechtswidrigen Zuwanderung zeigt, wohin es führt, wenn staatliche Leistungen aus dem Füllhorn an Personen ausgeschüttet werden, die absolut nichts dafür geleistet haben: Es kommen immer mehr. Es sind im deutschen Sozialrecht überall genügend Magneten abzuschalten, da müssen schon gar nicht neue Magneten eingeschaltet werden.
Finnland hat übrigens das bedingungslose Grundeinkommen in einem Großexperiment ausprobiert. 2.000 Ar- beitslose sollten zwei Jahre lang 560 Euro erhalten. Was sie dazuverdienten, durften sie behalten. Es wurde eine Geschichte von Strategiewechseln, Rückschlägen und Enttäuschungen. Nach einem Jahr wurde der Versuch abgebrochen. Die Empfänger waren in dem Zeitraum nur einen halben Tag länger in Arbeit als die Vergleichsgruppe ohne Grundeinkommen, ein praktisch nicht relevanter Unterschied.
Bemerkenswert ist aber Folgendes: Auch in Finnland müssen Arbeitslose Bedingungen erfüllen, also Bewer
bungen schreiben oder sich weiterbilden. Wenn aber Versuchsteilnehmer, die bedingungslos Geld erhalten, also keine Bedingungen erfüllen müssen, genauso schnell wieder Arbeit finden wie jene, die diesen Zwängen unterliegen, so spricht dies möglicherweise gegen die Sanktionen im Hartz-IV-System.
Und damit sind wir bei Ziffer 2 Ihres Antrages, liebe LINKE. Sie fordern die bedarfsgerechte Erhöhung der Leistungen unter Sanktionsfreistellung für 25-Jährige sowie in Bezug auf die Kosten für Unterkunft und Heizung. Dazu möchte ich nur kurz sagen: Warten wir es doch bitte ab – ebenso, wie Herr Glawe das gesagt hat –, warten wir den Richterspruch aus Karlsruhe ab! Im Januar wurde dazu mündlich verhandelt, im November wird mit Spannung die Entscheidung erwartet, dann werden wir alle genau wissen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Sanktionen beim SGB II zulässig sind. Bis November ist es nicht mehr lange. Vor diesem Zeitpunkt verbietet es sich von selbst, ausgerechnet bei den Sanktionen gesetzliche Änderungen zu veranlassen.
Ziffer 4 Ihres Antrages überrascht mich nun. Sie fordern darin eine geschlechtsspezifisch individuelle Integration von arbeitslosen Frauen und Männern, insbesondere bei der Weiterbildung. Zunächst einmal habe ich da vollstes Vertrauen in unsere Jobcenter, dass die zwischen Männern und Frauen zu unterscheiden wissen, und schon deshalb individuell fördern. Weitere Ausführungen zur indi- viduellen Förderung Arbeitsloser, unter anderem unter Berücksichtigung der auch von Ihnen unterstützten Genderlehre, möchte ich dem Hohen Haus ersparen.
Wesentlich mehr Sympathien findet bei mir Ihr Antrag zu Ziffer 7, bedeutet er doch ein Stück weit die Wiedereinführung des guten alten Arbeitsrechts, in dem Leiharbeit und befristete Arbeitsverträge strengen Regelungen unterworfen waren. Ginge es nach mir, könnten sämtliche Regelungen der Agenda 2010 rückgängig gemacht werden, denn sie bedeuteten den größten Wohlstandsverlust, den eine deutsche Bundesregierung ihrem Volk je zugemutet hat.