Protocol of the Session on September 6, 2019

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Für die Fraktion der SPD hat jetzt das Wort der Abgeordnete Barlen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der nun wirklich nicht von besonders viel Sachverstand getrübten Rede des Abgeordneten Lerche – nach dem Motto: „Leute, lasst die Drogen sein, trinkt euch lieber einen!“ –

(Heiterkeit bei Horst Förster, AfD)

würde ich gern ausführen, meine Damen und Herren von den LINKEN.

(Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

Sehr geehrter Herr Koplin, die Wahrscheinlichkeit, dass die sprichwörtlichen Uhren in Mecklenburg-Vorpommern ausgerechnet beim Thema Cannabis, einer Substanz, die beruhigende, lindernde, wahrnehmungsverändernde und verzögernde Wirkung hat,

(Jürgen Strohschein, AfD: Sie widersprechen sich.)

dass die Uhren in Mecklenburg-Vorpommern im Abgleich mit der Bundesebene ausgerechnet bei einer solchen

entschleunigenden Substanz 50 Jahre vorgehen sollten, ist ausgesprochen gering,

(Beifall Dr. Wolfgang Weiß, DIE LINKE)

womit ich mich ausdrücklich nicht dafür ausspreche, dass Sie beim nächsten Mal die Freigabe von Speed, zu Deutsch Geschwindigkeit, hier im Landtag fordern sollten.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

So viel als humoristische Einleitung.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Ist angekommen.)

Meine Damen und Herren, die Diskussion über den Umgang mit Cannabis, insbesondere in Abgrenzung zu den in unserer Gesellschaft allgegenwärtigen Konsumdrogen Alkohol und Tabak, wird insbesondere auf der – und das müssen wir uns ja auch für die heutige Debatte hier im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern vor Augen halten – zuständigen Bundesebene sehr intensiv geführt.

Unser Ziel, meine Damen und Herren, als SPD-Fraktion ist völlig klar: Wir stehen gegen jegliche Art von Sucht, wir stehen gegen jegliche Art von Abhängigkeit und wir stehen gegen jegliche Art von Schädigung der Gesundheit der Männer und Frauen, der Jungen und Mädchen in unserer Gesellschaft. Und diesem Ziel fühlen wir uns durch unsere Politik verpflichtet. Bei uns ist das Thema in der Gesundheitspolitik angesiedelt, andere Fraktionen handhaben das vielleicht anders. In der Landesregierung hat der Innenminister zu dem Thema also eher aus einer ordnungs- und sicherheitspolitischen Perspektive gesprochen. Bei uns ist das beim Thema Gesundheitspolitik angesiedelt. Und diesem Ziel gegen Sucht, gegen Abhängigkeit, gegen jegliche Schädigungen von Gesundheit fühlen wir uns, wie gesagt, verpflichtet und nehmen dabei natürlich zur Kenntnis, dass sich unser Bundesland Mecklenburg-Vorpommern beim Thema Cannabislegalisierung oder generell Drogenpolitik nicht in einem luftleeren Raum befindet, allein schon, weil die zuständige Bundesebene letztendlich alle diese Dinge regelt. Andere Staaten, wie die Niederlande, wie Spanien, wie Teile der Vereinigten Staaten von Amerika, wie Kanada, verändern aktuell ihre rechtlichen Bedingungen

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

und stellen sich drogenpräventions- und auch steuerpolitisch neu auf, übrigens nicht, um Kiffer- oder Drogenparadiese zu sein oder zu werden, sondern weil in diesen Staaten die Kontrolle zurückerlangt werden soll über die Verbreitung von Drogen, über Jugendschutz bei einer Substanz, die trotz aller Verbote – und das bitte ich alle zur Kenntnis zu nehmen, denen es ernsthaft an dem Schutz unserer Jugendlichen gelegen ist, und die bereit sind, auf einem sachlichen Niveau darüber nachzudenken, wie wir die Jugend in unserem Land wirksam schützen – weit verbreitet ist, um rechtsstaatliche Kontrolle wiederherzustellen über die harten und extrem gefährlichen Drogen. Das ist auch ein Grund für eine veränderte rechtliche Positionierung im Umgang mit dieser Substanz, denn diese Kontrolle über die Verbreitung von harten, extrem gefährlichen Drogen hat etwas damit zu tun, dass kriminelle Händler zurückgedrängt werden müssen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Thomas Krüger, SPD: Genau das ist das Ziel.)

Das ist unser Ziel. Diese Händler handeln nicht im Interesse von Vergnügen oder von Gesundheit, sondern die wollen möglichst viel Profit machen,

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Das spricht für unser Modellprojekt.)

und denen ist das egal, ob sie jemandem Cannabis, Heroin, Kokain, LSD oder irgendwelche anderen Drogen verkaufen. Je weniger Menschen mit solchen Kriminellen in Kontakt kommen, desto besser ist es.

Hinzu kommt, meine Damen und Herren, dass mittlerweile auch in Deutschland – Minister Caffier ist darauf eingegangen – der Einsatz von Cannabis bei der medizinischen Behandlung und Schmerztherapie längst angekommen ist. Auch in unserem Bundesland MecklenburgVorpommern – das wäre jetzt wiederum ein Fall für die Intervention des Wirtschaftsministers – sind bereits Firmen am Markt, die mit medizinischen Cannabisprodukten aus den Niederlanden und bald auch aus den Vereinigten Staaten handeln und Geschäfte machen und Mitarbeiter beschäftigen. Sehr interessant und abzuwarten ist in diesem Zusammenhang auch die Rechtsprechung zu diesem Thema.

Der von dem bekannten Jugendstrafrichter Andreas Müller angekündigte neuerliche Gang vor das Bundesverfassungsgericht wird möglicherweise Erkenntnisse zu diesem Thema bringen. Dieser Jugendstrafrichter Andreas Müller ist für seine harten Urteile gegen Jugendliche, aber auch für meinungsstarke Äußerungen bekannt. Wer möchte, kann das mal in der Onlineausgabe der „Zeit“ nachlesen, wo er sich zitieren lässt, dass es beispielsweise mittlerweile einen wissenschaftlichen Konsens darüber gibt, dass Cannabis keine Einstiegsdroge für härtere Drogen sei. Nur in der Politik habe sich das noch nicht so richtig rumgesprochen. Im Original ist diese Äußerung zu Ungunsten der Politik deutlich unflätiger. Deshalb belasse ich es mal bei der indirekten Zitierweise.

Meine Damen und Herren, es tun sich Dinge im ganzen Bereich der Drogenpolitik, auch in Deutschland, und ich möchte daher den Bogen bei dieser Gelegenheit noch mal auf den Punkt bringen, den ich eingangs nannte, nämlich das konsequente Handeln gegen jede Art von Sucht, gegen jede Art von Abhängigkeit und gegen jede Art von Schädigung von Gesundheit. Dieser Punkt liegt unserer Fraktion im Kern am Herzen, nämlich, dass wir für alle Bürgerinnen und Bürger unseres Landes und insbesondere zum Wohl der Kinder und Jugendlichen in Mecklenburg-Vorpommern auch in Zukunft weiter dafür sorgen, dass durch erfolgreiche Prävention, durch erfolgreiche Therapie, durch erfolgreiche Hilfe zum Ausstieg und durch erfolgreiche Bekämpfung von Drogenkriminalität möglichst viele und am besten alle Menschen im wahrsten Sinne des Wortes unabhängig und frei von Süchten leben können. Das, meine Damen und Herren, muss unser gemeinsames Ziel sein.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Dabei ist für uns zunächst unerheblich, um welche Art der Sucht es sich handelt. Bei einer wirksamen Prävention oder Bekämpfung von Süchten kann es – um jetzt mal ein anschaulich verständliches und leider auch übrigens

nicht allzu lebensfernes Beispiel zu zeichnen – nämlich nicht Sinn der Sache sein, dass beispielsweise ein 15jähriger Jugendlicher von seinen Eltern oder von einem deutschen Gericht scharfe Sanktionen erfährt, weil er mit Freunden Cannabis konsumiert hat, und im Wohnzimmer seines Elternhauses bearbeitet sich gleichzeitig der Rest der Familie mit Hochprozentigem. Das wäre eher ein Beispiel für eine sehr inkonsequente Verhaltensweise gegen schädigenden Konsum und gegen Abhängigkeit, weil aus der Sicht des Jugendlichen gedacht, der betreffende Junge merkt sich in dem Kontext doch vor allem eins: In unserer Gesellschaft ist es wichtig, nicht zum falschen Suchtmittel zu greifen. Wir wollen erreichen, dass die Menschen zu keinem Suchtmittel greifen und kein schädigendes Verhalten an den Tag legen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Es ließen sich zahlreiche weitere paradoxe Beispiele finden, die uns allesamt deutlich zeigen, dass das Thema „Prävention von Abhängigkeit“ und dass das Thema „konkrete Hilfe bei Sucht“ nicht isoliert von der jeweiligen persönlichen familiären Situation angepackt werden kann. Es geht um ganzheitliche Prävention und Therapie. Wir wollen möglichst frühzeitig die jungen Menschen und ihr ganzes soziales Umfeld, also Eltern, Familie, Freunde, so unterstützen und ihre persönlichen und ihre sozialen Kompetenzen so stärken, dass sie von selbst Nein zur Abhängigkeit und zu schädlichem Konsum sagen, und das muss eingebunden sein in ein umfassendes Konzept auch zur Gesundheitsförderung. Und da, meine Damen und Herren, gibt es in unseren Augen auch kein Entweder-oder von Prävention und Repression.

Ganzheitlich kann man sich unserer Auffassung nach dieser Problemstellung nur nähern, wenn man frühzeitig in Aufklärung und konkrete Hilfestellungen investiert und gleichzeitig wirksam gegen Drogenhandel und den Missbrauch sämtlicher Substanzen vorgeht. Mit dem Missbrauch sämtlicher Substanzen müssen wir – und da sind wir uns in diesem Hause hoffentlich einig – nicht nur illegale Drogen, sondern mindestens ebenso Alkohol, Medikamente inklusive der Psychopharmaka, die im Jugendbereich oft eingesetzt werden, Tabak, Glücksspiel und auch den Medienkonsum in den Blick nehmen, der leider oftmals exzessiv ist heutzutage. Und neben den schlimmen psychischen und körperlichen Folgen des Konsums weicher und harter Drogen dürfen und werden wir die Augen auch in Zukunft nicht verschließen vor der Vielzahl alkoholbedingter Unfalltoter, vor der häuslichen Gewalt unter Alkoholeinfluss, vor Medikamentenabhängigen, übrigens auch im Straßenverkehr und auf der Arbeit, und vor allen Dingen den schweren Erkrankungen und den Toten durch das Rauchen, vor ruinösen Folgen der Spielsucht und nicht zuletzt vor der sozialen Isolation, in der viele Jugendliche stecken, die online-abhängig sind und die in ihren Kinderzimmern im wahrsten Sinne des Wortes verkümmern, weil es keiner erkennt und ihnen keiner hilft.

Genau deshalb ist es der richtige Weg, den wir gemeinsam gehen, die Suchtprävention in den Mittelpunkt zu stellen, weiterhin als Gesamtstrategie zur Gesundheitsförderung und Prävention überall dort, wo der Umgang mit Sucht und der Missbrauch von Suchtmitteln ein Thema ist in den Familien, in den Kitas, in den Schulen, in den Berufsschulen, in den Kommunen und in den Betrieben. Daher, meine Damen und Herren, können

wir uns auch glücklich schätzen, dass in MecklenburgVorpommern zu diesem Thema kompetente Akteure und Partner schon heute in zahlreichen Angeboten, Projekten und Fortbildungen, beispielsweise im Rahmen der Landeskoordinierung und auf kommunaler Ebene, eine hervorragende Arbeit leisten und unsere allerhöchste Anerkennung verdienen. Diesen Frauen und Männern möchte ich zurufen: Dankeschön und weiter so!

(Horst Förster, AfD: Und was ist nun mit dem Antrag?)

Meine Damen und Herren, zum vorliegenden Antrag: Einige in der fachlichen Debatte auf Bundesebene, aber auch international diskutierte Argumente, die für eine Cannabislegalisierung sprechen, hat der Kollege Koplin vorgetragen und begründet. Und die Auffassungen, die uns veranlassen, der Legalisierung von Cannabis hier für Mecklenburg-Vorpommern aber nicht zuzustimmen, hat unser Innenminister eben begründet, und dabei werde ich es bewenden lassen. Mir war es ein Anliegen, die Engstirnigkeit dieser Diskussion um Kifferparadies versus Law-and-Order-Staat einmal auf das Thema zu lenken, was den Menschen in unserem Land wirklich hilft, nämlich frei zu sein von allen Süchten und durch Prävention, durch Hilfe und durch Aufmerksamkeit dafür wirklich etwas an der Lebenssituation zu verändern, und nicht hier am Pult sich zu beweisen, wer der Progressivste oder der Schärfste ist, sondern etwas zu tun für die Menschen hier im Land. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Herr Kollege, bitte bleiben Sie stehen, da nach Paragraf 81 die Kollegin Kröger eine Kurzintervention angemeldet hat.

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Lieber Herr Kollege Barlen, soweit ich weiß, haben die Gesundheitspolitiker/-innen der SPD-Bundestagsfraktion ein Positionspapier entworfen zur Entkriminalisierung von Cannabiskonsum und sich auch für Modellprojekte ausgesprochen. Dieses Positionspapier ist zumindest in den Fachgremien der Fraktion auch beschlossen worden, in der Fraktion zumindest bis heute bedauerlicherweise nicht. Die SPD-Landtagsfraktion in Schleswig-Holstein hat sich auch für Modellprojekte ausgesprochen. Ich würde mich sehr freuen, wir würden uns freuen, wenn die SPD in Mecklenburg-Vorpommern sich auch für diesen Weg öffnen könnte, zumal ich zugegebenermaßen bei Ihrem Redebeitrag nicht so ganz überzeugt davon bin, dass Sie wirklich gegen die Legalisierung von Cannabis sind,

(Horst Förster, AfD: Das war doch deutlich zu hören!)

zumal ich weiß, dass die Jusos in Rostock sehr vehement für die Legalisierung kämpfen. Wir stehen ja auf den Demonstrationen immer zusammen. Deshalb möchte ich noch mal den Appell auch als junges SPD-Mitglied an Sie richten, Ihre Position dahin gehend zu verändern.

Ich wusste gar nicht …

Möchten Sie antworten?

Ich wusste gar nicht, dass Sie junges SPD-Mitglied sind.

(Heiterkeit bei Martina Tegtmeier, SPD: Sie meinte dich, glaube ich.)

Sie, Sie!

Ach so, ich war gemeint! Das ist aber sehr charmant!

(Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Ja, sehr geehrte Kollegin Kröger, ich glaube, ich habe die differenzierte Position zu diesem Thema ausführlich dargestellt, dabei möchte ich es bewenden lassen. – Vielen Dank.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ach, was seid ihr mutig!)