Protocol of the Session on September 5, 2019

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD – Zurufe von Patrick Dahlemann, SPD, und Dr. Ralph Weber, AfD)

Zehn Tage waren es leider nur. Zehn Jahre wären sicherlich auch sehr spannend gewesen,

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

weil es ein sehr fantastisches Land ist.

... zehn Tage die Möglichkeit, in Moskau, insbesondere aber auch in Wolgograd unterwegs zu sein. Und wenn man sich dann die Gräuel des Krieges anschaut, wenn man sich die Aufarbeitung der Geschichte vor Ort anschaut und wenn man dann sieht, dass die russische Bevölkerung bereit ist, den Deutschen wieder die Hand zu reichen und die Versöhnung über den Gräbern zu ermöglichen, kann man das gar nicht hoch genug bewerten, meine Damen und Herren.

Das gilt auch im besonderen Maße für die Bevölkerung des heutigen Sankt Petersburg und des Leningrader Oblasts, die schreckliche Jahre der Besatzung, der Vernichtung und des Leids erfahren musste. Ich denke da an die 872-tägige Blockade Leningrads, die mit dem Planziel ausgegeben wurde, die Bevölkerung verhungern zu lassen. Das ist eines der größten deutschen Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg gewesen, dem etwa eine Million Menschen zum Opfer gefallen sind. Das muss man sich mal vorstellen, eine Million Menschen, die bewusst ausgehungert wurden und den Tod fanden! Und auch im Umland, mit dem wir nun die Beziehung noch weiter knüpfen wollen, gab es großes Leid. Es gab Zwangsdeportationen, es gab Zwangsmassenerschießungen, die Verwüstung ganzer Landstriche. In einigen Gebieten wurden 95 Prozent der Dörfer verbrannt und ausgelöscht. Das muss man sich mal vorstellen! Das sind Zahlen, die Ausdruck dieser Barbarei sind.

Die Geschichte, meine Damen und Herren, mahnt uns nachdrücklich, alles zu unternehmen, dass Gespräche und eben nicht Geschosse den Gang der Weltgeschichte bestimmen. Und sie mahnt uns eindringlich, menschenverachtenden, rassistischen Ideologien konsequent von

Anfang an die Stirn zu bieten. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, begrüße ich auf der Besuchertribüne die Mitglieder des Vereins Seniorentanz Bad Doberan und Kühlungsborn. Herzlich willkommen!

Und ich rufe auf für die Fraktion der CDU den Abgeordneten Herrn Waldmüller.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, ein ganz, ganz wichtiger Antrag.

Und, Herr Sellering, Sie haben ihn eingebracht, eins zu eins unterschreibt unsere Fraktion das, was Sie gesagt haben. Besser kann man es auch nicht sagen und besser kann man es auch nicht einbringen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Ich glaube, es ist sehr, sehr wichtig, und deswegen werde ich mich auch kürzer fassen, ich glaube, es ist sehr, sehr wichtig, dass wir – was wir heute tun –, dass wir also von der Regierungsebene auf die Legislativebene auch in diesem Bereich eben in den Austausch kommen, weil die Beziehung, Sie haben da alles gesagt, die Beziehung ja doch eine Herausforderung ist. Hier im Gespräch zu bleiben auch mit der Legislative, ich glaube, das ist ein sehr, sehr guter Weg, den wir alle hier gemeinsam gehen. Mich freut es auch ganz besonders, dass es ein fraktionsübergreifender Antrag ist, der dann auch eine hohe Zustimmung in diesem Haus haben wird.

Aber ich muss eins sagen – ich will jetzt von dem eigentlichen, weil es ist genug dazu gesagt worden und Sie haben dort verstanden, dass wir da zu 100 Prozent dazu stehen –, aber ich bin Wirtschaftspolitiker und will natürlich einen kleinen Schwenk dabei machen, weil letztendlich geht es ja auch um Außenwirtschaft, um wirtschaftliche Kontakte, Wertschöpfungserhöhung und so weiter. Und da gestatten Sie mir eins: Wenn wir die Auflistung in der Staatskanzlei sehen und unsere Exportpartner ansehen, dann ist Russland eben an der sechsten Stelle. Da kommen viele noch vorher,

(Sebastian Ehlers, CDU: Sehr richtig!)

beispielsweise Polen, Schweden, Dänemark und Finnland, also die Ostseeanrainer, und Russland natürlich. Und es ist vielleicht ganz gut, wenn wir neben Russland, wo wir den Russlandtag eingeführt haben, wo wir wirtschaftliche Beziehungen vorantreiben möchten, dass wir die Ostseeanrainer natürlich nicht außer Acht lassen oder aus dem Kopf verlieren.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU und Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV)

Das tun wir nicht, in der Tat nicht, aber wir haben auch vielerlei Aktivitäten im Land, die wir ausüben mit den Ostseeanrainern, Ostseeparlamentarierkonferenz, all diese Dinge, die wir eben tun. Und wenn wir das bündeln und jetzt sozusagen einen Ostseeanrainertag zu

diesem sehr, sehr guten Russlandtag hinzufügen für die künftige Ausgestaltung unserer Beziehungen auch zu den anderen Ostseeanrainern in Richtung, auch Wertschöpfung zu erhöhen, Verflechtung der Wirtschaft, ich glaube, darüber sollten wir zusätzlich nachdenken. Wir sind ja da auch im Gespräch. Und mit diesem kleinen Hinweis stimmen wir selbstverständlich diesem Antrag zu. Wir halten ihn für einen sehr guten Antrag. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion Freie Wähler/BMV der Fraktionsvorsitzende Herr Wildt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Mitbürger! Selbstverständlich tragen wir diesen Antrag sehr gerne mit. Und ich glaube, wenn Sie die Schlüsselbegriffe aus dem Antrag sich kurz noch mal vor Augen führen, „regelmäßiger politischer Meinungs- und Erfahrungsaustausch“, „Verständigung“, „Zusammenarbeit“, „Vorurteile abbauen“, „Verständnis füreinander entwickeln“, „freundschaftlich und kooperativ zusammenarbeiten“, dann braucht man es eigentlich gar nicht mehr weiter zu begründen. Das sind alles derartig positive Begriffe, dass man sozusagen gar nicht dagegen sein kann.

Allerdings haben wir uns diese Entscheidung durchaus gut überlegt. Wir haben schon darüber intensiv nachgedacht und uns nicht nur von diesen positiven Begriffen anstecken lassen, sondern, was auch ganz offensichtlich ist, dieses Abkommen soll nicht gegen andere gerichtet sein. Das ist für uns ein ganz wichtiger Punkt. Wir leben in einer multilateralen Welt. Wir möchten nicht zurückkehren zu einer Welt, in der man nur bilateral miteinander Abkommen schließt, die dann schnell dazu führen, dass andere sich ausgeschlossen fühlen, sondern wir möchten alle einbeziehen. Und das wird auch in diesem Antrag sehr deutlich gesagt, es geht um die Annäherung und Zusammenarbeit zwischen den beiden Regionen, aber auch zwischen den Regionen im Ostseeraum im Allgemeinen. Also es richtet sich gegen niemanden, sondern es ist die Einladung, intensiver zusammenzuarbeiten.

Herr Kolbe hat eben hingewiesen auf die historischen Erfahrungen, die Russland zum Beispiel im Zweiten Weltkrieg gemacht hat oder auch gerade die Region Leningrad, sicherlich zu Recht. Wir wissen aber, das historische Gedächtnis ist auch in anderen Ländern natürlich vorhanden. Wir wissen, dass es Bedenken in Polen gibt, in Litauen, in Lettland, in Estland und dass auch gerade da eine besondere Verantwortung auf Deutschland und auf Russland ruht, auf beiden großen Ländern, die links und rechts von dieser Region liegen, dass eine Zusammenarbeit unserer Regionen sich niemals gegen die anderen Ostseeanrainerstaaten richtet.

Und es wurde auch angesprochen das Thema Westdeutschland oder andere Länder, die dann das Ganze vielleicht ein bisschen anders sehen könnten. Das möchte ich ein bisschen geraderücken. In Westdeutschland gibt es eine alte Tradition, lange Tradition, die direkt nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs begonnen hat, Völker

verständigung aufzubauen, gute Nachbarschaft zu pflegen. Das richtete sich natürlich in erster Linie, weil das einfacher war, an die westlichen Nachbarstaaten Westdeutschlands. Das heißt, es gibt unzählige Zusammenarbeiten zwischen Deutschland und den Niederlanden, Deutschland und Frankreich, Deutschland und England und so weiter.

Dann hat man auch versucht, und das war sicherlich eine der großen Leistungen der sozialliberalen Zeit, diese Zusammenarbeit nach Osteuropa auszubauen. Das Stichwort war damals „Wandel durch Annäherung“. Man hat erkannt, nur, wenn man eng zusammenarbeitet, wenn man sich kennenlernt, gelingt es, Vorurteile abzubauen. Und wer miteinander redet, schießt eben auch nicht aufeinander. Das waren sehr positive, gute Erfahrungen.

Und folgerichtig versucht man eben nun seit 1989, seit der Wende, diese Zusammenarbeit mit Osteuropa noch stärker zu intensivieren. Dazu ist schon viel gesagt worden, insbesondere von Herrn Sellering. Das unterstützen wir und wir sind auch froh, dass das gerade hier in Mecklenburg-Vorpommern so ein wichtiges Thema ist.

Wenn man aber nun – ich denke, es ist unstrittig, dass Regierungen miteinander zusammenarbeiten sollen –, wenn man aber nun einen Schritt weiter geht und sagt, auch die Parlamente sollen quasi zusammenarbeiten und eine Basis aufbauen, dann war es für uns schon auch wichtig, noch mal zu überlegen, gibt es da irgendwelche Bedenken vielleicht gegen diese Regionalvertretung des Oblastes Leningrad, denn wir kennen ja aus den Medien durchaus die kritische Berichterstattung zu den Wahlen, dass dort Kandidaten unter Umständen drangsaliert werden, nicht zu den Wahlen antreten dürfen. Also auch an dieser Stelle haben wir das Thema sehr ernst genommen. Wir konnten natürlich nur öffentlich zugängliche Quellen auswerten, haben aber festgestellt, dass es dort keine Bedenken gibt. Also das Parlament deckt ein breites Spektrum der politischen Parteien ab und uns sind keine Fälle bekannt geworden, wo also Kandidaten oder Parteien drangsaliert werden oder irgendwie nicht an den Wahlen teilnehmen können.

Und deswegen können wir aus vollem Herzen sagen, wir möchten diese Zusammenarbeit. Sie ist gut für die Zukunft im Ostseeraum, sie ist gut für die Zukunft unseres Landes, und deswegen stimmen wir diesem Antrag nicht nur zu, sondern tragen ihn sogar sehr gerne mit. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion Freie Wähler/BMV und Thomas Krüger, SPD)

Ums Wort gebeten hat nun die Ministerpräsidentin Frau Schwesig. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich möchte mich ausdrücklich bedanken für die Initiative der SPD-Fraktion, der CDU-Fraktion, der Fraktion DIE LINKE und auch der Bürger für Mecklenburg-Vorpommern, Freie Wähler, richtig, Herr Wildt? Okay.

(Christel Weißig, Freie Wähler/BMV: BMV.)

BMV, aber wir sollen ja so sprechen, dass es alle wissen.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der CDU und Freie Wähler/BMV – Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

Ich weiß noch nicht, Frau Weißig, ob es jetzt alle wissen, und ich beteilige mich gerade daran, Sie bekannter zu machen.

Ich möchte mich ganz herzlich bedanken...

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU – Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

Jetzt zum Ernst der Sache.

Ich möchte mich ganz herzlich bedanken für diese Initiative. Es ist hier von vielen Rednern angesprochen worden, die Spannungen zwischen Deutschland und Russland sind stärker geworden, insbesondere auf der nationalen Ebene, auch in der öffentlichen Debatte. Umso wichtiger ist es, dass man gerade in diesen schwierigen Zeiten Menschen hat, die sagen, wir wollen diesen Dialog mit Russland, zwischen Deutschland und Russland weiter pflegen, und das Beste, wie man das machen kann, sind eben die ganz konkreten regionalen Partnerschaften.

Und ich will mich an der Stelle ganz herzlich bedanken bei Erwin Sellering, der ja – das haben die Vorredner auch der anderen Fraktionen schon so gesagt und anerkannt – diesen Kurs angestoßen hat und intensiviert hat. Und ich konnte nahtlos an diesen guten Dialog mit dem Leningrader Gebiet, mit Gouverneur Drosdenko anschließen.

Und auch als Vorsitzende der Freundschaftsgruppe des Bundesrates haben wir jetzt seit zwei Jahren wieder einen intensiven Austausch mit dem Rat der Russischen Föderation. Wir waren dieses Jahr in Sankt Petersburg zu dem Petersburger Dialog, haben auch die Freundschaftsgruppen tagen lassen, und aus dieser Erfahrung heraus weiß ich auch, dass es wichtig ist, dass nicht nur die Regierungen diesen Austausch pflegen, sondern eben auch die Parlamente. Und deshalb finde ich diese Initiative sehr gut und freue mich, dass wir dieses wichtige Thema sozusagen zwischen den Regierungen, aber auch zwischen den Parlamenten jetzt weiter verfestigen werden. Wir sind ausgezeichnet worden für diese Partnerschaft von beiden Außenministern von Deutschland und von Russland, also diese intensive Partnerschaft, die hier gepflegt wird zwischen Mecklenburg-Vorpommern und dem Leningrader Gebiet, gerade in schwierigen Zeiten, wird durchaus auch durch die nationalen Regierungen unterstützt.

Und ich glaube, dass es auch wichtig ist, den Wunsch der Bevölkerung nicht zu ignorieren. 80 Prozent der Menschen in Mecklenburg-Vorpommern haben gesagt, sie wünschen sich, dass wir an diesem Dialog zwischen uns und dem Leningrader Gebiet festhalten und ihn intensivieren. Übrigens haben genauso viele gesagt, dass sie sich auch eine enge Partnerschaft zwischen uns und unseren Nachbarn Polen wünschen. Es sind übrigens auch sogar die gleichen Leute, woran man sehen kann, dass für die Bürgerinnen und Bürger ein guter Dialog zwischen uns und dem Leningrader Gebiet, also zwischen Deutschland und Russland, und zwischen uns und Polen gar kein Widerspruch ist.

Und so würde ich das gerne auch verstanden wissen, denn unser Wunsch ist ja, und unser Bemühen ist, dass

wir einfach mit unseren guten Nachbarn in Polen, aber auch mit unseren guten Partnern in Russland im Dialog sind, im Gespräch sind für wirtschaftliche Betätigung, aber auch für Kultur, für Jugendaustausch. Da ist die Initiative von Herrn Sellering für uns sehr, sehr wichtig, weil wir damit auch die Zivilgesellschaft mitnehmen.

Und ich glaube, dieser Dreiklang, unsere Aktivitäten als Regierung – wir werden nächstes Jahr das Partnerland für die Deutsche Woche sein, etwas sehr Prominentes vor Ort in Russland, wir werden aber auch in 2021 wieder den Russlandtag hier bei uns in MecklenburgVorpommern haben –, also die Betätigung der Regierung, aber auch Ihre Betätigung als Parlament und die Zivilgesellschaft, die durch den Verein von Erwin Sellering jetzt noch stärker ins Boot geholt wird, ich glaube, dieser Dreiklang Regierung, Parlament und Bürgerinnen und Bürger, dieser Dreiklang muss doch so stark sein, dass er letztendlich dazu beiträgt, dieses Ziel, was wir gemeinsam haben, durch Dialog, der durchaus Kritik sozusagen einbettet, Dialog heißt ja nicht nur, dass wir uns gegenseitig sagen, wie toll wir sind, heißt auch, dass wir kritisch Dinge hinterfragen, wie die einen die Sache bei uns sehen und wir natürlich auch in Russland, aber dass dieser Dialog und diese freundschaftliche Verbundenheit dazu beitragen, dass das bleibt, was sich alle wünschen, dass es friedlich und gut bleibt zwischen den Völkern. Und ich glaube, da kann unser Land, da kann jeder einzelne Bürger und Bürgerin viel dazu beitragen, und ich will mich ganz herzlich bedanken bei Ihnen, weil ich das ein starkes Zeichen finde, dass uns dieses Thema so gemeinsam eint. – Vielen Dank dafür.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und Christel Weißig, Freie Wähler/BMV)

Vielen Dank, Frau Ministerpräsidentin.