Protocol of the Session on September 5, 2019

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Brodkorb.

(Andreas Butzki, SPD: Mathias, den Redebeitrag kannst du nicht toppen!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Zunächst, Herr Borschke, herzlichen Dank, jetzt sind wieder alle wach

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU und Thomas Krüger, SPD)

und ich kann mich über eine größere Aufmerksamkeit freuen. Insofern waren Ihre CO2-Emissionen nicht völlig sinnlos.

(allgemeine Heiterkeit)

Es gibt jetzt die Möglichkeit, diese Grundsatzdebatte über Klima noch mal zu führen. Da habe ich beim letzten Mal alles gesagt, was ich glaube, in dem Zusammenhang sagen zu müssen. Ich müsste sonst noch mal den Erfinder des kommunistischen Kängurus zitieren. Das haben Sie alles noch gut im Ohr, deswegen will ich gleich mal zur Sache kommen.

Ich finde die Argumentation von Herrn Pegel, Frau Schwenke, ziemlich nachvollziehbar, auch von anderen Kollegen, dass das Klimaschutzgesetz MecklenburgVorpommern a) im Moment zeitlich falsch platziert ist, bevor die Bundesebene sich nicht entsprechend positioniert, was sie macht.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Bei der Regierung?!)

Da müsste man also insofern vielleicht wenigstens ein paar Monate warten, aber selbst dann würde ich es nicht für,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ob es die noch so lange gibt, wissen wir ja auch nicht.)

nein, selbst dann, lieber Peter Ritter, würde ich es nicht wirklich für richtig und geboten halten, und ich versuche, das mal an konkreten Beispielen deutlich zu machen.

Es gibt ja in der Bundesrepublik Deutschland verschiedene Klimaschutzgesetze und ich dachte mir so, das radikalste wird es doch wohl in Baden-Württemberg geben. Da gibt es einen grünen Ministerpräsidenten, also die ziehen da unten doch mit Sicherheit richtig durch.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Der ist ja stockkonservativ.)

Und dann habe ich mir das Klimaschutzgesetz angeguckt. Das hat elf Paragrafen,...

(Henning Foerster, DIE LINKE: Mit wem koalieren die denn da?)

(Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU: Bestimmt die CDU ausgebremst.)

... elf Paragrafen. Mein Lieblingsparagraf ist Paragraf 8. Halten Sie sich fest, Frau Schwenke, da steht drin, ich darf zitieren: „Jeder soll nach seinen Möglichkeiten“ – das erinnert fast ein bisschen an die Kritik des Gothaer Programms von Marx –, also, „jeder soll nach seinen Möglichkeiten zur Verwirklichung der Klimaschutzziele, insbesondere durch Energieeinsparung, effiziente Bereitstellung, Umwandlung, Nutzung und Speicherung von Energie sowie Nutzung erneuerbarer Energien beitragen.“

(Horst Förster, AfD: Großartig! – Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Das steht im Gesetz. Da fragt man sich natürlich: Wie wird denn die Einhaltung des Gesetzes überprüft?

(Zuruf von Horst Förster, AfD)

Jeder soll im Rahmen seiner Möglichkeiten sich anständig verhalten. Das ist ein Wahnsinnsparagraf, der wird durchschlagen und die Welt verändern!

Die einzigen Sachen, die ein bisschen konkreter sind, sind die Paragrafen 6 und 7. Ich weiß nicht, ob Sie das gerade präsent haben. Paragraf 6 ist „Integriertes Energie- und Klimaschutzkonzept“ und Paragraf 7 ist „Vorbildfunktion der öffentlichen Hand“. Ich darf Ihnen das einmal kurz vorlesen, was da steht. Paragraf 6 Absatz 1: „Die Landesregierung beschließt nach Anhörung von Verbänden und Vereinigungen ein integriertes Energie- und Klimaschutzkonzept...“

(Horst Förster, AfD: Toll! – Jens-Holger Schneider, AfD: Steht so im Gesetz.)

Und Paragraf 7: „Der öffentlichen Hand kommt beim Klimaschutz in ihrem Organisationsbereich eine allgemeine Vorbildfunktion zu, insbesondere durch Energieeinsparung“ und so weiter. Und deswegen, Absatz 2: „Das Land setzt sich zum Ziel“, eben entsprechend „klimaneutral“ zu werden. Und auch dafür wird ein Konzept erarbeitet.

(Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

Das heißt also, im Gesetz steht drin, die Regierung soll ein Konzept erarbeiten. Ich würde sagen, das kann man auch in einen Antrag reinschreiben, weil das hat dieselbe Wirkung, das hat nur den Unterschied, dass wir nicht ein Gesetzgebungsverfahren haben und unsere Zeit damit verplempern, so ein Gesetz zu erarbeiten und zu beschließen. Also insofern, dieses radikalstmögliche Klimaschutzgesetz der Bundesrepublik Deutschland, das wir aus Baden-Württemberg haben – davon muss ich jedenfalls ausgehen –, bietet genau das Bild, das Herr Pegel vorhin gezeichnet hat, dass man doch wahrscheinlich die Situation hat, dass, wenn man etwas tun will für den Klimaschutz, man sehr konkret werden muss, und Gesetze normalerweise nicht dazu gedacht sind, sehr konkret zu werden, sondern dafür gibt es exekutives Handeln und entsprechende Konzepte.

Ich würde deswegen aber trotzdem sagen, Frau Schwenke, die Diskussion ist richtig: Mit welchen Instrumenten erreichen wir das Ziel am besten? Sie sagen jetzt vielleicht, es ist ein Gesetz. Ich glaube da nicht daran. Ich glaube daran, dass man scharfe, abrechenbare Maßnahmen braucht. So. Und deswegen finde ich den Paragrafen 7 „Vorbildfunktion der öffentlichen Hand“ da besonders spannend. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, meine Wahrnehmung ist, das Thema Klimaschutz ist in aller Munde. Es werden unglaublich viele Sonntagsreden von unglaublich vielen Menschen gehalten und ich spüre eine gewisse Diskrepanz zwischen diesen öffentlichen Bekundungen und dem eigenen Handeln. Ich mag mich daran erinnern, es gab mal eine Abgeordnete, die stand hier vorne, hat gesagt, also ja, ich fliege auch in den Urlaub, aber ich habe wenigstens ein schlechtes Gewissen.

(Horst Förster, AfD: Großartig!)

Das ist natürlich sozusagen diese Diskrepanz. Das kann man als Erkenntnisfortschritt betrachten, wenn man ein schlechtes Gewissen hat, aber wenn man dann genau dasselbe tut, was man eigentlich für falsch hält, ist es halt ein Problem.

Also langer Rede kurzer Sinn: Wir haben diese Lücke zwischen Erkenntnis und eigenem Handeln überall.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Ich würde mal sagen, das wird uns wahrscheinlich mehr oder weniger alle betreffen. Und die spannende Frage ist, wie kann man diese Lücke schließen, also von der Erkenntnis zum Handeln kommen. Und da finde ich das, was die Baden-Württemberger gemacht haben, zu sagen, wenn die Politik den Versuch machen will, die Menschen dazu zu bringen, dass sie sich anders verhalten, dann fangen der Staat und die Politik bitte erst mal selbst bei sich an, bevor sie große, kluge Reden gegenüber der Bevölkerung halten.

(Beifall Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV)

Und deswegen ist diese Idee, die öffentliche Hand mit einer Vorbildfunktion auszustatten und die Frage zu stellen, was kann denn der Staat erst mal selbst tun, um möglichst klimaneutral zu werden, das finde ich den richtigen Ansatz, auch um den Menschen da draußen mitzunehmen und nicht in eine Abwehrhaltung zu bringen.

Im Übrigen würde das nicht nur die Regierung betreffen. Ich finde, man müsste auch die Diskussion führen, was

macht denn die Landtagsverwaltung, was machen denn wir in den Fraktionen in diesem Zusammenhang, kann man da auch noch etwas besser machen. Und deswegen wäre mein Vorschlag, kein Gesetz zu beschließen, stattdessen sich im zuständigen Ausschuss mal den Aktionsplan zu nehmen, miteinander zu diskutieren, welche konkreten, hart abrechenbaren Maßnahmen man in dieser Legislaturperiode noch auf den Weg bringen kann, die auch für die Menschen und das Land eine Vorbildfunktion haben. Dann würden wir, glaube ich, sehr viel schneller zu besseren Ergebnissen kommen, als wenn wir ein solches Gesetz beschließen würden, wie es das in Baden-Württemberg gibt. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Wolfgang Waldmüller, CDU: Jawoll!)

Ums Wort gebeten hat noch einmal für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Herr Obereiner.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Jetzt kann ich es kürzer machen, weil so etwas Ähnliches wie Herr Brodkorb wollte ich eigentlich auch sagen.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Diese Symbolpolitik spezieller Gesetze bringt eigentlich wenig.

(Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD)

Wenn man mal zurückschaut in die Historie in Deutschland: Wann hatten wir die höchsten CO2-Emissionen, Ost- und Westdeutschland zusammengerechnet? Das war im Jahr 1979 mit über 1.400 Millionen Tonnen im Jahr. Dagegen liegen wir jetzt schon 40 Prozent niedriger. Wie ist man da eigentlich hingekommen? Ich lasse die DDR mal weg. Dieser Staat war so marode, der ist halb zusammengebrochen und dann gab es halt weniger CO2-Emissionen, weil die Industrie weg war. Aber in Westdeutschland hat man das dadurch gemacht, dass man in den 70er-Jahren eine Wärmeschutzverordnung erlassen hat, in den 80er-Jahren eine Heizungsanlagenverordnung, die wurden dann in den 90er-Jahren zur Energieeinsparverordnung zusammengelegt. Man beschloss doch ganz konkrete Gesetze, die sich auf bestimmte Bereiche fokussierten, um den Endenergieverbrauch zu senken. Mit der Wärmeschutzverordnung kam die Wärmedämmung, mit der Heizungsanlagenverordnung wurden Ansprüche an den Wirkungsgrad von Heizgeräten aufgestellt, und da kam man sehr weit, da wurde dann sehr viel eingespart.

Sicherlich, zwischendurch wurde auch die Kernkraft ausgebaut, aber die kann man ja jetzt rausrechnen, die ist ja jetzt, es ist noch ein bisschen was übrig, aber die ist ja im Prinzip weg.

Unter dem Jetzigen, was wir hier jetzt machen seit 2009 bis 2017, sind die CO2-Emissionen in Deutschland gestiegen, trotz Energiewende, über einen Zeitraum von acht Jahren. Dass man von Jahr zu Jahr mal Schwankungen hat durch die Witterung, ist ja völlig normal, aber mit dieser Art und Weise, was wir hier betreiben, das bringt überhaupt nichts. Wir sollten viel eher wieder wie

früher beim Endenergieverbrauch ansetzen, auf Effizienz setzen. Die Stadtwerke in Schwerin machen hier gerade ein sehr interessantes Projekt mit einer Geothermieanlage. Es gibt ganz viel.

Herr Pegel sagt dann immer Sektorenkopplung. Die Sektorenkopplung ist total alt. Früher hieß das nur anders, da hat man einfach Strom genommen und hat dann mit einer Elektrowärmepumpe betrieben, die man zur Gebäudebeheizung, für die Wärmerückgewinnung in Lüftungsanlagen, für die Schwimmbadklimatisierung oder sonst was verwendete. Das gibt es schon ewig. Es gibt auch viele andere Arten von Sektorenkopplung.

(Nikolaus Kramer, AfD: Autobahn.)