Protocol of the Session on May 24, 2019

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten!

Liebe Kollegin Larisch, ich weiß nicht so richtig, was wir als Landtag mit diesem Antrag anfangen sollen.

(Beifall Dr. Ralph Weber, AfD)

Er ist letztendlich wortgleich mit dem offenen Brief der zivilgesellschaftlichen Organisationen, den Sie ja in Ihrem Antrag auch zitieren, der sich aber richtigerweise an die Bundesregierung, namentlich die Bundeskanzlerin richtet, zu Recht. Und wenn man sich diesen Brief durchliest, dann ist aus meiner festen Überzeugung – ich glaube, auch aus der festen Überzeugung aller Parlamentarier – davon grundsätzlich erst mal nichts falsch.

Ja, die Bundesregierung verhandelt bereits mit anderen europäischen Staaten über ein Verteil- und Aufnahmeverfahren für Flüchtlinge, die im Mittelmeer gerettet werden. So hat der Europäische Rat einen neuen Ansatz zur Ausschiffung gefordert, also, dass in Seenot geratene Flüchtlinge das Rettungsschiff verlassen und an Land gehen dürfen. Rat und Kommission sollen in Zusammenarbeit mit dem UN-Flüchtlingswerk und der Internationalen Organisation für Migration ein Konzept für regionale Ausschiffungsplattformen in Drittstaaten ausarbeiten, und auch in der EU soll es auf freiwilliger Basis solche Möglichkeiten geben. An beiden Konzepten will sich die Bundesregierung beteiligen.

Hier ist aber ganz klar der Bund gefragt. So etwas hat das BMI und nicht eine Landesregierung zu entscheiden. Außerdem laufen die Verhandlungen hierzu in Deutschland und es ist auf die Hilfe der anderen Mitgliedsstaaten angewiesen, weil es eben keine alleinige Entscheidung ist. Und wie wir alle wissen, ist nicht Deutschland der Bremsklotz bei der Frage einer fairen Verteilung von Flüchtlingen, was, denke ich, auch gut aus dem Brief der Organisationen hervorgeht und die Bundeskanzlerin in ihrem Interview aus der letzten Woche mit der „Süddeutschen Zeitung“ deutlich gemacht hat. Die Sorgen um die Zukunft Europas sind berechtigt, wenn sich nicht alle Mitgliedsstaaten stärker als bisher für die EU einsetzen.

Unabhängig von diesen Verhandlungen ist es in der Vergangenheit aber auch immer wieder vorgekommen, dass Deutschland in konkreten Einzelfällen Migranten aufgenommen hat, die auf dem Mittelmeer in Seenot geraten sind, zuletzt gerade erst wieder im Fall der „Alan Kurdi“. Auch in diesen Fällen waren wir aber jeweils immer auf ein entsprechendes Zeichen des Bundesinnenministeriums angewiesen. Insoweit erübrigt sich der Punkt Ihres Antrages.

Das Gleiche in Grün gilt im Übrigen auch für den Punkt der sicheren Häfen. Rostock hat hier zuerst im letzten Jahr beispielsweise einen Antrag mit einer solchen politi

schen Willensbekundung verabschiedet und auch andere Städte haben das bereits getan. Dagegen ist grundsätzlich erst einmal gar nichts einzuwenden, allerdings möchte ich auch darauf hinweisen, dass nach der Migrationskrise in den Jahren 2015/2016 erst jetzt die Welle der aufenthaltsrechtlichen Verfahren auf uns zuläuft, die uns noch vor genug Herausforderungen stellen wird. Aber auch hier gilt, wenn über den Königsteiner Schlüssel hinaus Möglichkeiten geschaffen werden sollen, zusätzlich Schutzsuchende aufzunehmen, dann müssen dafür zuerst einmal auf Bundesebene die Voraussetzungen geschaffen werden. Auch hier ist also die Bundesregierung der richtige Adressat.

Und auch beim dritten Punkt, den Rückführungen nach Libyen, ist in erster Linie nicht die Landesregierung gefragt. Es ist gut, dass sich die Bundesregierung gegenüber anderen Mitgliedsstaaten dafür einsetzt, dass gerettete Menschen auch an einen sicheren Ort evakuiert werden. Für die Landesregierung kann ich jedoch sagen, dass das Thema „Rückführung nach Libyen“ für uns keines ist. 38 libysche Staatsangehörige halten sich überhaupt bei uns in Mecklenburg-Vorpommern auf, wovon lediglich drei Personen ausreisepflichtig sind, die allerdings im Besitz einer Duldung sind. Überhaupt ist zuletzt 2017 ein libyscher Asylbewerber nach Mecklenburg-Vorpommern zugezogen. Das entspricht im Übrigen den ebenfalls sehr geringen Bundeszahlen. Auch hat Mecklenburg-Vorpommern bislang nie nach Libyen abgeschoben und auch aus anderen Bundesländern ist mir nichts anderes bekannt.

Es ist noch völlig offen, wann das Thema der Rückführung nach Libyen überhaupt wieder auf der Tagesordnung steht. Aber der Lagebericht des Auswärtigen Amtes zur Situation in Libyen deutet nicht gerade darauf hin, dass so etwas zeitnah in Angriff genommen wird. Darauf spielen ja auch die Unterzeichner des Briefes an die Bundeskanzlerin an. Deshalb besteht auch überhaupt keine Notwendigkeit, dass sich die Landesregierung gegenüber dem Bund dafür starkmacht, Abschiebungen nach Libyen auf Grundlage des Artikels 33 der Genfer Flüchtlingskonvention zu verbieten.

Insofern frage ich mich schon ein bisschen, was genau jetzt eigentlich Anlass für diesen Antrag war. Gegen den Brief, auf den der Antrag abstellt, ist nichts einzuwenden. Er wurde an die richtige Stelle adressiert. Den Forderungen, die darin aufgemacht werden, wird bereits entsprochen oder sie sind sogar schon gegenstandslos. Von daher weiß ich nicht, welchen Mehrwert die Debatte heute bringt oder was die Landesregierung hier noch unternehmen soll. Deswegen empfehle ich die Ablehnung dieses Antrages und danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU, AfD und Holger Arppe, fraktionslos)

Für die Fraktion der AfD hat jetzt das Wort der Abgeordnete Förster.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Frau Larisch bleibt konsequent bei ihrer Linie, das muss man ihr lassen. Sie hat ja schon öfter ihre grundsätzliche Auffassung hier vertreten, dass es in erster Linie immer darauf ankommt, um wen es sich handelt, und wenn es sich um Menschen handelt, dann, das ist ihre Auffassung, sind die überall und egal, wo und warum, gleich zu behandeln.

(Karen Larisch, DIE LINKE: Richtig!)

Sofern ist das ihre konsequente Linie, die ich zwar nicht teile, die aber jedenfalls konsequent vorgetragen wird.

Auf der anderen Seite sehe ich auf diesem Gebiet viel Heuchelei und viel Widersprüchliches,

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

dazu aber später.

Natürlich lehnen wir als AfD auch die Kernbegründung ab, nämlich diese moralische Überhöhung, mit der Sie Ihr Anliegen hier vortragen. Sie gehen sogar so weit, dass die, die letztlich dieser Ansicht nicht beitreten und dort nicht konkret helfen wollen, Mord durch Unterlassen begehen. Tötung durch Unterlassen, eine Straftat durch Unterlassen setzt immer voraus, dass man eine besondere Rechtspflicht zum Handeln hat. Da müsste man die erst mal begründen, dass wir hier in Deutschland grundsätzlich verpflichtet sind, Schiffbrüchigen- oder Seenotrettungen auf allen Meeren dieser Erde zu betreiben.

DIE LINKE macht sich also die humanitäre Sicht- und Argumentationsweise eines offenen Briefes von Hilfsorganisationen zu eigen und fordert unter dem Stichwort „Seenotrettung“ eine Aktivierung der Hilfsmaßnahmen für Bootsflüchtlinge im Mittelmeer, vor der Küste Libyens. Die AfD lehnt den Antrag ab.

Zuerst stellt sich die Frage nach einer rechtlichen Verpflichtung Deutschlands. Neben der Pflicht eines jeden Schiffsführers zur Seenotrettung besteht nach dem Übereinkommen über Seenotrettung nur für die Küstenstaaten eine solche Verpflichtung. Diese haben dazu bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, unter anderem Rettungsleitstellen einzurichten, Personal zu stellen und so weiter. Das Zurückweisungsverbot nach Artikel 33 der Genfer Flüchtlingskonvention begründet kein Recht auf internationalen Schutz. Es erzeugt lediglich Schutz vor Ausweisung, Zurückweisung aufgegriffener Flüchtlinge, wenn ihnen im Rückführungsstaat Verfolgung droht. Es besteht also grundsätzlich für Deutschland keine Verpflichtung zur Rettung von Bootsflüchtlingen im Mittelmeer.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Anders verhält es sich bei den Grenzüberwachungseinsätzen der EU-Grenzschutzagentur Frontex und der 2015 gestarteten Operation „Sophia“. Hier greift die Seeaußengrenzenverordnung der EU vom 15.05.2014. In deren Kapitel III sind unter Artikel 9 Such- und Rettungseinsätze geregelt. Danach besteht eine Pflicht zur Seenotrettung. Kernauftrag der Operation „Sophia“ ist die Bekämpfung krimineller Schleusernetzwerke vor der libyschen Küste, daneben soll diese zum Kapazitätsaufbau der libyschen Küstenwache beitragen. Diese solle damit in die Lage versetzt werden, das Geschäftsmodell des Menschenschmuggels auf der zentralen Mittelmeerroute zu unterbinden, die Sicherheit in den libyschen Hoheitsgewässern zu verbessern und Such- und Rettungsaktionen durchzuführen. Damit soll ein Beitrag zur Stärkung staatlicher Strukturen geleistet werden.

Da sich die EU auf ein neues System der Verteilung der Flüchtlinge nicht einigen kann und Italien keine Flüchtlinge mehr aufnimmt und eine Einigung im Übrigen auch

nicht in Sicht ist, wurde die Mission vorerst gestoppt. Das Training der Küstenwache geht jedoch weiter.

Da sich die Aktivitäten der Operation auf die hohe See beschränken mussten, konnte die Schleuserei nicht wirklich bekämpft werden. Knapp 50.000 Migranten wurden gerettet beziehungsweise aufgegriffen und nach Italien gebracht. Die entscheidende Frage ist jedoch nicht die rechtliche, sondern eine politische: Wollen wir, dass die Flüchtlinge nach Europa kommen, und das heißt letztlich überwiegend nach Deutschland, oder wollen wir das nicht? Wenn nicht, dann kann man die Einsätze letztlich nur einstellen oder eine Rückführung in andere Länder vornehmen. Aus der Sicht der LINKEN steht, wie bereits gesagt, der Flüchtling als Mensch im Mittelpunkt. Wenn dieser in Seenot gerät, dann muss er gerettet werden. Das ist schlüssig und dagegen ist zunächst grundsätzlich nichts einzuwenden.

Aber natürlich darf eine Politik der Vernunft hier nicht stehen bleiben. Sie muss danach fragen, wo ein unbedingtes Ja am Ende hinführt und ob das gewollt sein kann. Ist das, was hier geschieht, eigentlich das, was man sich unter Seenotrettung vorstellt? Die Seenotrettung ist von Schleusern eingeplant und Teil der Schleusung.

(Jens-Holger Schneider, AfD: So ist es.)

Die Schleuser schicken die meist seeuntauglichen Boote aufs Meer und ziehen sich noch innerhalb der libyschen Küstengewässer zurück. Die Flüchtlinge werden dann, wie geplant, von der Marine oder privaten Rettungsschiffen von Nichtregierungsorganisationen aufgegriffen und nach Italien gebracht. Soldaten, die bei dem Rückkehrappell dabei waren, haben mir den Ablauf so geschildert:

In Sichtweite der Schiffe wird mit Messerstichen in die Schlauchboote nachgeholfen, um den Seenotfall sicher herzustellen. Der Seenotfall mit Aufgriff durch die Grenzschutzagentur oder ein anderes Rettungsschiff ist somit ein fest eingeplanter Etappenschritt auf dem Weg nach Europa. Mit einem klassischen Seenotfall hat das Ganze wenig zu tun.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Zuruf von Karen Larisch, DIE LINKE)

Es handelt sich um illegale Migration, eben nur über das Wasser. An deren Beginn stehen die Schleuser, deren Auftrag von den Rettern erfolgreich zu Ende geführt wird. Dabei wissen die Schlepper mit ihren modernen Satellitenortungssystemen ganz genau, wo ein Rettungsschiff patrouilliert. Die Retter sind praktisch der verlängerte Arm der Schlepper und damit Teil deren Geschäftsmodells,

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Jens-Holger Schneider, AfD: Sehr richtig!)

und dieses lohnt sich, denn laut Frontex erhalten die Schleuser in den Sommermonaten 5.000 Dollar pro Migrant. Das macht bei einem Boot mit nur 100 Migranten bereits eine halbe Million US-Dollar aus. Der klassische Seenotfall liegt auch deshalb nicht vor, weil die Migranten nicht gerettet und an die nahe Küste, von der sie gestartet sind, zurückgebracht werden wollen, wie es sonst bei einer Seenotrettung vorgesehen ist. Nein, sie wollen eigentlich nicht gerettet, sondern nach Europa

gebracht werden. Deshalb ist die Fokussierung auf Seenotrettung rechtlich und politisch der falsche Ansatz.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Die Verdammung der Schleuser als üble Kriminelle und die Willkommensheißung der Flüchtlinge schließen sich eigentlich aus,

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

denn ohne Schleuser kämen die Flüchtlinge gar nicht ans Ziel. Die Schleuser sind, ungeachtet der kriminellen Begleitumstände, notwendige Helfer für die Flucht. Dennoch macht sich der Schleuser, auch wenn er sich nicht bezahlen ließe, wegen Einschleusens von Ausländern nach Paragraf 96 Aufenthaltsgesetz strafbar. Mit dieser Vorschrift wurde eine entsprechende Richtlinie der EU umgesetzt. Genauso machen sich die sogenannten NGOs strafbar,

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

wenn es nicht um die konkrete Rettung, sondern die Verbringung von Migranten nach Europa geht.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Wie bedenklich die Aktivitäten dieser Organisationen sind, zeigt ein vom Schweizer Fernsehen ausgestrahltes Wettrennen zwischen einem NGO-Schiff und der libyschen Küstenwache, um ein Schlepperboot zu erreichen. Anstatt die Küstenwache ihre mit EU-Geldern finanzierte Arbeit machen zu lassen,

(Jens-Holger Schneider, AfD: Genau.)

wollte man um jeden Preis die Migranten selbst aufgreifen und nach Europa verbringen. Je dichter die Überwachungen, je sicherer die Rettungen, desto mehr werden sich auf den Weg begeben. Solange eine Seenotrettung gleichbedeutend ist mit dem Zugang zu Europa, wird der Zustrom von Migranten auf diesem Wege nicht abreißen. Angesichts des Elends in der Welt, insbesondere in Afrika, sowie des dortigen enormen Bevölkerungszuwachses ist ein Ende der Zuwanderung, so man diese nicht unterbindet, nicht abzusehen. Im Gegenteil, der Migrationsdruck wird zunehmen.

Die „Zeit“-Journalistin Mariam Lau hat im Juli 2018 die moralische Überhöhung der NGOs mit deutlichen Worten kritisiert, Zitatanfang: „Das Ertrinken im Mittelmeer ist ein Problem aus der Hölle, ein politisches Problem, zu dessen Lösung die private Seenotrettung null und nichts beizutragen hat.“

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD und Holger Arppe, fraktionslos)

Denn Politik besteht eben nicht darin, das vermeintlich Gute einfach mal zu machen, sondern die Dinge im Zusammenhang zu betrachten und auch die Nebenwirkungen gut gemeinten Handelns. Die Retter sind „Teil des Geschäftsmodells der Schlepper“.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)