Protocol of the Session on May 23, 2019

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich will da nur einen Satz zu sagen: Wer hier grundsätzlich staatlich organisiertes Handeln im Wirtschaftsleben als etwas darstellt, moniert, kritisiert, was grundsätzlich schlechter wäre, den will ich nur mal daran erinnern, dass einer der größten Staatsfonds dieser Welt, nämlich der des Landes Norwegen, des Staates Norwegen, mit knapp 830 Milliarden Euro Anlagevermögen im Durchschnitt der letzten 20 Jahre eine höhere Rendite erzielt hat als der DAX, und das, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, obwohl der norwegische Staat über das Finanzministerium die Ausrichtung, die Ziele dieses Fonds vordefiniert.

Und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das ist auch, glaube ich, wichtig, um das an dieser Stelle zu sagen. Die Gesellschaftsform, die Eigentumsform sagt erst mal überhaupt nichts über das erfolgreiche Handeln eines Unternehmens oder jedes anderen Wirtschaftsobjektes.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Außerhalb des Euroraums.)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen …

Auch innerhalb des Euroraums.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Nein.)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich hatte ja eigentlich gedacht, dass man eine ernsthafte Debatte führt auch über das Thema. Die kann man ja auch durchaus führen, und sowohl der Kollege Ritter als auch – das weiß ich sehr zu schätzen – Herr Kollege Wildt, von Ihrer Seite, haben ja tatsächlich mal auf die Fragen zumindest hingewiesen, über die wir uns natürlich heute auch im 21. Jahrhundert unterhalten sollten, auch übrigens in diesem Plenarsaal, auch wenn wir sicherlich nicht für Verstaatlichung in der Bundesrepublik Deutschland Ver

antwortung tragen, aber wir müssen den Menschen auch in diesem Land klar und deutlich sagen, wie wir eigentlich mit bestimmten Problemen umgehen wollen.

Und da komme ich dann auch gleich noch mal dazu, weil natürlich hat auch die Frage des Eigentums und der Verantwortung aus dem Eigentum und der Umgang mit dem Eigentum – und Herr Kollege Wildt hat es ja zu Recht angesprochen, wie gehe ich zum Beispiel mit der Frage der Konsolidierung immer größerer Vermögen in immer weniger Händen um. Und es gibt ja gerade den neuesten Bericht der Bundesregierung dazu, wie gehen wir eigentlich in der Zukunft in der Bundesrepublik Deutschland um. Wir führen in diesem Haus, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, teilweise stundenlange Debatten darüber, wie wir auch zum Beispiel mit dem Thema Segregation umgehen. Segregation ist letztendlich auch in Mecklenburg-Vorpommern eine Frage der Vermögensgestaltung in dieser Gesellschaft. Da haben wir vielleicht unterschiedliche Antworten drauf, aber die Frage sollten wir doch dann ernsthaft diskutieren und da nicht auf ein Stammtischniveau kommen.

Und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich will jetzt auch mal auf meinen Parteifreund Kevin Kühnert eingehen. Teile der Öffentlichkeit und – Kollege Ritter hat es ja angesprochen – auch Teile der SPD sind ja etwas irritiert gewesen, als der Bundesvorsitzende der Jungsozialisten etwas gemacht hat, womit wohl niemand gerechnet hat. Ob man das dann zum Beispiel unbedingt zu diesem Zeitpunkt – da gebe ich dann wiederum dem Kollegen Ehlers recht – in einem Wahlkampf machen muss, gut, das ist Geschmacksache, aber das ist nicht meine Entscheidung gewesen, das ist seine Entscheidung gewesen.

Aber letztendlich hat er einen Satz aufgegriffen aus dem Bundesprogramm der SPD aus dem Jahre 2007, dem sogenannten Hamburger Programm, und er hat dann gesagt, der demokratische Sozialismus bleibt unsere Vision, und er hat darüber spekuliert – so will ich es mal nennen –, ob man möglicherweise in der Bundesrepublik Deutschland große Konzerne wie etwa BMW als Beispiel privatisieren sollte.

(Torsten Renz, CDU: So macht man das, wenn man Grenzen austesten will.)

Herr Kollege Renz, vielleicht hören Sie mir einfach mal zu?! Sie schaffen das vielleicht heute auch noch. Für den einen,

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

für den einen, Herr Kollege Renz, für den einen, Kollege Renz, für Sie offensichtlich, war das ein Griff in den Giftschrank,

(Torsten Renz, CDU: Ich habe mich doch noch gar nicht geäußert.)

für den anderen war das ein Entdecken einer für ihn – wenn man das Hamburger Programm nicht gelesen hat – unbekannten literarischen Welt.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das ist nun mal so in dieser Welt, wo über Programme diskutiert wird, ohne dass man sie im Regelfall gelesen hat. Auch das ist nichts Neues in diesem Haus.

Jetzt geht es, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, jetzt geht es mir aber nicht darum,

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

was der Juso-Bundesvorsitzende möglicherweise mit seiner Debatte über die Enteignung eines Automobilkonzerns eigentlich bezwecken wollte. Da will ich hier nicht drüber spekulieren. Und wenn ich die jüngsten Zahlen darüber höre, wie viel Geld zum Beispiel bei BMW in den kommenden Jahren investiert werden muss, dann kann man ja mal spaßeshalber auch die Frage in den Raum stellen, vielleicht hat er ja nur den Aktionären was Gutes tun wollen, weil er ihre Rendite schützen wollte. Ich glaube es jetzt nicht wirklich, aber das Argument ist genauso stichhaltig wie viele andere Argumente, die ich heute hier in dieser Debatte gehört habe. Ich weiß nicht, was er sich gedacht hat, es interessiert mich in diesem Moment auch nicht.

Aber vielleicht, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, hätte bei dem einen oder anderen – damit komme ich auch wieder zum Thema der heutigen Aussprache –, vielleicht hätte ja bei dem einen oder anderen tatsächlich mal der Blick ins Hamburger Programm der SPD zu einer etwas, na ja, sagen wir mal, gefühlten Entspannung führen können, weil dann hätte man sich nämlich die ganze Debatte, die ganze Aussprache heute schon ersparen können, weil die SPD hat genau in diesem Hamburger Programm, aus dem das SPD-Mitglied Kevin Kühnert zitiert hat, ein klares, eindeutiges, uneingeschränktes Bekenntnis eben zur sozialen Marktwirtschaft gegeben. Für die SPD ist die soziale Marktwirtschaft das, worauf unser Gemeinwesen beruht und übrigens auch in den letzten 70 Jahren erfolgreich beruht hat.

Und, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich kann diese Hysterie über Sozialmusdebatten sowieso nicht mehr nachvollziehen. Was ist denn eigentlich Sozialismus? Wenn ich mir das vorstelle, was wir heute haben – und es ist ja teilweise hier schon angesprochen worden, unter anderem von Herrn Ritter, unter anderem von Herrn Wildt, aber ich glaube, sogar Herr Ehlers war es –, wir reden heute nicht mehr über die Frage von Mitbestimmung, wir reden heute nicht mehr über die Frage von Teilhabe von Beschäftigten in den Unternehmen,

(Thomas Krüger, SPD: So ist es.)

wir reden auch nicht, ich nehme noch mal das Beispiel der Rede von Herrn Kollegen Wildt, wir reden heute auch nicht mehr über die Frage, ob zum Beispiel Vermögen, wenn sie von einem Erblasser auf den Erben übergehen, besteuert werden müssen – das ist ein Eigentumseingriff – , wir reden heute über die Frage, Herr Kollege Wildt, das kann man dann auch diskutieren, wie groß ist der Eingriff.

Aber jetzt stelle ich mir mal die Frage, das, was wir heute für selbstverständlich halten, das ist zu dem Zeitpunkt als die SPD gegründet worden ist vor mehr als 130 Jahren, die Ausgeburt des Sozialismus gewesen. Die Menschen sind dafür ins Gefängnis gegangen. Die SPD ist für diese Forderung verboten worden.

(Thomas Krüger, SPD: So ist es.)

Und wir stellen uns heute hin und sagen, das sind die Errungenschaften der sozialen Marktwirtschaft. Das nur

zu dem Thema „Diskurs Sozialismus“ auf der einen Seite, „soziale Marktwirtschaft“ auf der anderen Seite.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das ist nicht Geschichte, das ist nicht Vergangenheit. Wir leben heute noch in einer Welt, wir leben noch heute in einer Welt – und vielleicht möchte ja irgendwann der eine oder andere Kollege der Fraktion der CDU dann auch dort hinziehen, weil vielleicht gefällt es ihm dann da besser –, wir leben heute noch in einer Welt, wo Menschen regieren, zum Beispiel in den USA, wo eine gesetzliche Krankenversicherung für alle Menschen,

(Torsten Renz, CDU: Was hat das mit der CDU jetzt zu tun?)

für alle Menschen Ausdruck des Sozialismus ist. Das, was wir hier haben, ist Beispiel für den derzeit amtierenden US-Präsidenten, ist Sozialismus. Das ist seine Begründung gewesen, weswegen er auch gegen Obamacare war.

(Zurufe von Dr. Ralph Weber, AfD, und Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV)

Das ist für uns Selbstverständlichkeit, weil es auch das Soziale in unserem System ist, das Soziale auch an unserer Marktwirtschaft.

(Zuruf von Horst Förster, AfD)

Das zeigt doch nur die Hirnrissigkeit der heute hier in diesem Haus so geführten Debatte, anstatt tatsächlich mal die wirklichen Probleme, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, zu diskutieren.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Und, meine Damen und Herren, das – und jetzt komme ich noch mal zurück –, das, was der Kollege Wildt zu Recht angesprochen hat, das ist letztendlich eine der grundlegenden Herausforderungen, der wir uns auch in diesem Haus, in diesem Land stellen müssen. Und die Frage, die wir uns stellen müssen – das ist ein bisschen auch durch den Kollegen Ritter angerissen worden –, ist doch nicht die Frage, ob wir die soziale Marktwirtschaft aufgeben wollen. Das will doch keiner,

(Torsten Renz, CDU: Kevin vielleicht.)

jedenfalls keiner innerhalb der SPD und vor allem keiner innerhalb der SPD, der dort für Entscheidungen verantwortlich ist. Die Frage, die wir uns stellen müssen, und da gebe ich dem Kollegen Wildt völlig recht, die Frage, die wir uns stellen müssen, ist die Frage, wie gehen wir mit den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts um, wo wir eine ganz andere Art von Kapitalismus haben, und ich meine das jetzt nicht irgendwie despektierlich, sondern nur als systembeschreibend, wo wir eine ganz andere Art des Kapitalismus haben als die, die im 19. Jahrhundert vorherrschte, als Karl Marx sein „Kapital“ geschrieben hat.

Es ist eine andere Art des Kapitalismus als die, die Anfang des 20. Jahrhunderts geherrscht hat, als in Deutsch

land tatsächlich die entsprechenden Maßnahmen nach 1918 im Rahmen der Sozialgesetzgebung durchgeführt worden sind. Es ist eine andere Art von Kapitalismus als auch die, die Anfang der 50er-Jahre, als das Grundgesetz das erste Mal gegriffen hat, tatsächlich auch in Deutschland herrschte. Wir haben heute Finanzmärkte, die globalisiert sind. Wir reden hier jede Sitzung über Digitalisierung, wir reden darüber, dass sich Vermögen, wie gesagt, in einzelnen Händen kumulieren und dass natürlich auch Macht mit Geld verbunden ist. Und für diese Fragen müssen wir im Rahmen einer sozialen Marktwirtschaft, damit sie sozial bleibt, damit das Vertrauen der Menschen in diese Marktwirtschaft erhalten bleibt, für diese Fragen müssen wir Antworten geben.

(Torsten Renz, CDU: Deswegen hat ja Kevin diese Diskussion auch angeschoben.)

Und diese Plattitüden, diese Plattitüden, die ich dort in diesem Zusammenhang immer wieder höre, Sozialismus, das ist alles schädlich und dies alles ist gut, das wird nicht reichen. Wir werden den Menschen Antworten geben müssen, wie wir im 21. Jahrhundert auch ihre sozialen Belange tatsächlich bezahlen können. Und das wird an der einen oder anderen Stelle sicherlich auch nicht mit Eingriffen in die Vermögen oder in die Eigentümer stattfinden können, weil wir werden Geld auch für bestimmte Dinge brauchen, völlig egal, ob es Vorstellungen der CDU, der LINKEN, der SPD oder von wem auch immer sind. Und deswegen, denke ich mal, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, schenken wir uns diese Aussprache, sie ist die Zeit nicht wert gewesen,

(Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD – Nikolaus Kramer, AfD: Dafür haben Sie aber ganz schön lange gesprochen.)

aber beschäftigen wir uns bitte mit den Themen, die tatsächlich damit verbunden sind.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Professor Dr. Weber.

Liebe Bürger von Mecklenburg und Vorpommern! Frau Präsident! Werte Kollegen und liebe Gäste! Ich möchte mal ganz hinten anfangen mit der Debatte Erbschaftssteuer.