Dennoch ist dieses Thema allgegenwärtig, die Ministerin hat es erwähnt, und hat erst jüngst durch einen Suizid als drastischste Form eines, ich sage mal, als Ausdruck des Leidens eines Opfers – einer 11-jährigen Schülerin in Berlin-Reinickendorf – größere mediale Aufmerksamkeit erregt, weil das Kind mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ein Mobbingopfer war.
Nichtsdestotrotz ist es auch so, dass das Mobbing dazu führt, dass Kinder Schulaversionen entwickeln, dass Kinder nachhaltig, wenn sie nicht über die entsprechende seelische Resilienz verfügen, darunter leiden und dann auch, ich sage mal, psychologische Hilfe in Anspruch nehmen müssen. Das kann sogar dazu führen, dass bestimmte Störungen ausgeprägt werden, die sich dann nachhaltig das ganze Leben lang auswirken können.
Gewiss ist dieser Fall nicht abschließend geklärt. Fest steht allerdings, dass an einer der betreffenden Schulen, wie auch an vielen anderen Schulen unseres Landes, das Problem Mobbing als erhebliches Problem sich darstellt. Wir haben es an dem Fall von Crivitz gehört, gestern war in Anklam eine Zusammenkunft zu dem Thema, wo Leute sehr emotional darüber berichtet haben, insbesondere Elternteile, was ihren Kindern dort widerfährt.
Daher begrüßen wir den Antrag der CDU und SPD zu einer Neufassung der Anti-Mobbing-Strategie an Schulen. Die Regierungskoalition folgt damit einem ähnlichen, aber wesentlich detaillierteren Antrag der AfD-Fraktion des Berliner Abgeordnetenhauses vom 13. Februar dieses Jahres.
Einige Kritik sei dennoch angebracht. Zunächst: Warum erfolgt diese parlamentarische Initiative erst jetzt, obwohl das Problem doch schon lange bekannt ist?
(Vincent Kokert, CDU: Warum habt ihr denn keinen eher gemacht? – Andreas Butzki, SPD: Den hättet ihr doch wieder abschreiben können.)
Ja, Moment mal, das kann man sicherlich einer kritischen Betrachtung unterziehen, aber ich verwahre mich dagegen, dass wir irgendwie nur stumpf abschreiben. Und das ist ein klassisches Beispiel, dass es vielleicht mal möglich wäre, bei dem ernsten Thema einfach mal bei der Sache zu bleiben und nicht irgendwie darauf rumzureüssieren, wer wann was nicht gemacht hat. Das können wir alle besser.
Warum erfolgt diese parlamentarische Initiative wie gesagt erst jetzt, obwohl das Problem doch schon lange bekannt ist? Soll hier angesichts der Präsenz des Themas in den Medien lediglich der Eindruck erweckt werden, es werde etwas getan? Jedenfalls ist es ein Eingeständnis, dass alle bisherigen Anti-Mobbing-Maßnahmen doch nicht den gewünschten Erfolg hatten.
Zweitens. Warum soll das Konzept einer Anti-MobbingStrategie erst bis Ende 2020 vorgelegt werden? Sollen zahllose Kinder erst noch zwei weitere Jahre leiden, mit der Folge von möglicherweise starken Leistungseinbrüchen bis hin zu ernsteren Erkrankungen oder auch zu Schulaversionen? Ferner: Glauben Sie wirklich, dass ein einzelner Anti-Mobbing-Projekttag, der im Schuljahr 2021/2022, also in etwa drei Jahren erstmals stattfinden soll, das Problem in nennenswerter Weise lösen wird?
Neben dem medialen Interesse gibt es offenbar noch einen weiteren Grund, warum dieser Antrag gerade jetzt gestellt wird. Seiner Begründung kann man entnehmen, ich zitiere: „Gerade vor dem Hintergrund eines angestrebten inklusiven Bildungssystems sind Angst und Hilflosigkeit Einzelner durch Mobbing zu vermeiden.“ Zitatende. Mir fällt da ein Bericht – und da haben Sie in der Tat recht, Herr Kokert, das hätte schon Anlass genug sein sollen, mit diesem Thema sich zu beschäftigen –, mir fällt da der Bericht eines Vaters eines Mädchens aus einer Schule ein. Das Kind hat eine Lernschwäche, ist in eine normale Klasse gekommen und war dort automatisch das Mobbingopfer. Und so was geht nicht, das kann nicht Ziel der Inklusion sein. Und darüber sollten Sie tatsächlich noch mal nachdenken, ob die Kinder, die mit bestimmten Schwächen dort unterwegs sind, nicht in dem geschützteren Umfeld wesentlich besser aufgehoben wären.
Dies ist, wie gesagt, ein Hinweis, dass die Inklusion zu verstärktem Mobbing führen kann und auch, wie ich fürchte, führen wird. Es ist bekannt, dass sich besonders das Cybermobbing sehr oft auf das Äußere anderer Kinder bezieht, welches dann durch Fotos und Videos lächerlich gemacht wird. Kinder können da sehr grausam zueinander sein. Auch sind die Mobbingtäter meist die Stärkeren oder diejenigen, die mitmobben, sei es aktiv oder passiv, weil sie selber Angst haben, Mobbingopfer zu werden. Und die Stärkeren sind es dann körperlich, intellektuell oder aufgrund einer Rangordnung. Die Opfer dagegen sind die Schwächeren. Darüber muss man dann nachdenken.
Bei den passiven Opfern ist das was anderes, aber bei den provozierenden Opfern ist das Thema, dass einfach
in der Gesamtbetrachtung mittels psychologischer Hilfe auch was getan werden kann, dass die Opfergruppen jeweils in der Lage sind, sich adäquat zur Wehr zu setzen, und das auch rechtzeitig, und das immer mithilfe der Eltern und der anderen Verwandten und Angehörigen sowie Freunde. Behinderte sind hier im Nachteil, aber auch nicht behinderte Kinder können zur Zielscheibe aggressiver Mitschüler werden, die besser eine Förderschule mit dem Förderschwerpunkt sozial-emotionale Entwicklung besuchen sollten.
Mobbing als solches ist oftmals schwer abzugrenzen von Rivalenkämpfen, die seit Menschengedenken zur Ausbildung von Rangordnungen führten und immer noch führen. Auch erzeugt abweichendes Verhalten oft einen Druck von außen, der auf Einhaltung einer Norm drängt, und es stellt sich die Frage, inwieweit das dann noch Mobbing ist. Ein entscheidendes Merkmal des Mobbings besteht darin, dass sich die Täter ihrer Macht beziehungsweise Überlegenheit bewusst sind, die Opfer hingegen sich ihrer Schwäche bewusst sind. Solange die Täter einen Genuss an der Ausübung dieses Machttriebes empfinden, wird man ihnen weniger durch Appelle an ihre Menschlichkeit beikommen können als vielmehr durch strikte Disziplinarmaßnahmen, die sie rechtzeitig in die Schranken weisen. Und wenn sich das im Rahmen von Straftaten bewegt und die alt genug sind, diese Täter, dann sollten sie auch strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, denn solche Beispiele dürfen nicht durch eine, ich sage mal, sehr lasche und laxe Handhabung dieser ganzen Problematik Nachahmer animieren. Dieser Genuss dieses Machttriebes wird übrigens durch den Beifall anderer noch verstärkt. Mobbing ist meist ein gruppendynamischer Prozess.
Das Problem des Mobbings an Schulen hat sich besonders durch drei Entwicklungen deutlich verschärft. Die eine wird auch in der Begründung des Antrages genannt, die beiden anderen verschweigt dieser Antrag geflissentlich.
Kommen wir zur ersten: Es sind die digitalen Medien, besonders die Mobiltelefone, die dem Mobben quantitativ und qualitativ neue Möglichkeiten eröffnet haben. Mobbing endet nun nicht mehr mit dem Schulschluss, und das Opfer hat kaum noch Rückzugsmöglichkeiten. Die Ministerin hat darauf hingewiesen. Bayern und Frankreich haben deshalb schon Handyverbote erlassen und es gibt auch in unserem Bundesland zum Teil schulinterne Regeln, wann ein Handy benutzt werden darf und wann nicht. Solche Regeln erstrecken sich allerdings logischerweise nur auf den Bereich der Schule und natürlich nicht auf die Freizeit, und diese Regeln werden selbst in der Schulzeit unterlaufen. Und da sind in der Tat die Eltern gefragt.
Der zweite Grund, der Mobbing begünstigt, ist ein von allen zu beklagender Werteverfall unserer Gesellschaft. Im Bereich Schule tritt dieser in zunehmender Disziplinlosigkeit und mangelndem Respekt den Lehrkräften gegenüber zutage. Hier müsste den Lehrern und Lehrkräften im Allgemeinen die Anwendung von Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen erleichtert werden. Stattdessen, und das ist auch symptomatisch, soll mit dem neuen Schulgesetz der schriftliche Verweis abgeschafft werden und der Ausschluss eines Schülers vom Unterricht nicht mehr als Erziehungs-, sondern nur noch als Ordnungsmaßnahme verhängt werden.
Ein drittes Problem, und das muss angesprochen werden, ist die Tatsache, dass wir es mit dem Problem zu tun haben, dass auch im Land Mecklenburg-Vorpommern bestimmte Bevölkerungsgruppen andere Bevölkerungsgruppen auch im Schulumfeld nicht besonders pfleglich und, ich sage mal, ordentlich behandeln, und das führt dann so weit, dass sich Gruppen bestimmter Nationalitäten dazu berufen fühlen, Gruppen anderer Nationalitäten besonders arg zu triezen und dann damit zu mobben.
Nee, auch gar nicht, das hat damit überhaupt nichts zu tun. Sie haben vielleicht zugehört, Frau Oldenburg, dass ich versucht habe, das sehr neutral zu formulieren. Und wir sind von den Zuständen, die in, ich sage mal, Großstädten herrschen, Gott sei Dank noch entfernt, wobei sich das Problem für jedes einzelne Mobbingopfer nicht stellt. Dem kann das völlig egal sein. Dem kann das völlig egal sein, welche Nationalität dieser Täter hat. Darüber sollten wir mal nachdenken!
Kommen wir noch mal zu den Änderungsanträgen. Dem Antrag der LINKEN können wir im Wesentlichen so zustimmen, dem Änderungsantrag der BMV nicht, weil, ja, das ist nur rein formal, weil wir eine Ministerin haben, wie schon festgestellt wurde, weil wir auch erst mal...
(Unruhe vonseiten der Fraktionen der CDU und Freie Wähler/BMV – Vincent Kokert, CDU: Oh! – Torsten Renz, CDU: Was heißt denn bei den LINKEN „im Wesentlichen“?)
Also wir stimmen diesem Antrag, dem Änderungsantrag der LINKEN, zu, Ihrem Antrag werden wir auch zustimmen. Den Antrag der BMV sehen wir kritisch, aus verschiedenen Gründen, dem werden wir nicht zustimmen. Und in Erwartung, dass die Landesregierung den Antrag zügig, effektiv und ohne ideologische Scheuklappen umsetzen wird, unterstützen wir ihn selbstverständlich. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem AntiMobbing-Antrag wollen die Koalitionsfraktionen die Prävention an unseren Schulen auf einem sehr sensiblen Feld stärken. Mobbing, wir haben es heute schon mehrfach gehört, kann immer auftreten, überall auftreten, wo Menschen zusammen sind. Das gilt selbstverständlich auch für die Schulen, ob das die Grundschulen sind, die Förderschulen sind, die Regionalen Schulen, die Beruflichen Schulen oder die Gymnasien.