Protocol of the Session on March 14, 2019

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Liebe Landsleute! Es fällt mir ja fast schwer, aus diesen Sphären runterzukommen

(Torsten Renz, CDU: Sie kriegen das hin. – Zurufe von Manfred Dachner, SPD, und Patrick Dahlemann, SPD)

auf ein ganz niedriges Niveau, jetzt ganz unten auf den Boden, nämlich beim Nachbarrechtsgesetz.

(Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU: Reden Sie einfach los!)

Also mit unserem Antrag streben wir an, dass Mecklenburg-Vorpommern ein Nachbarrechtsgesetz erhält.

(Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU: Zurückziehen wäre noch möglich.)

Es gibt außer Mecklenburg-Vorpommern nur zwei Bundesländer, die ein solches Gesetz nicht haben,

(Thomas Krüger, SPD: Das ist gut so. – Dietmar Eifler, CDU: Nicht brauchen. Wir brauchen das nicht.)

nämlich Hamburg und Bremen. Diese beiden Stadtstaaten haben allerdings einige nachbarrechtliche Bestimmungen in ihren Ausführungsgesetzen zum BGB geregelt. Als Flächenland sind wir mithin das einzige Land, das bislang auf ein solches Gesetz komplett verzichtet hat.

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Das legt den Schluss nahe, dass es gute Gründe für ein eigenständiges Nachbarrechtsgesetz geben muss.

(Zuruf von Burkhard Lenz, CDU)

Das war wohl auch mal die Auffassung des Ministeriums, denn dieses hat in den 90er-Jahren mal den Entwurf eines Nachbarrechtsgesetzes vorgelegt, der dann allerdings nicht weiterverfolgt wurde. Die Justizministerin hat sich bisher klar gegen ein solches Gesetz positioniert. Da wir uns hier aber auf einem völlig ideologiefreien Feld befinden,

(Andreas Butzki, SPD: Das stimmt.)

appelliere ich an alle anderen Fraktionen, sich des Themas unbefangen anzunehmen und bereit zu sein, die bisher eingenommene Position vielleicht zu überdenken.

In realistischer Vorausschau, wie mit den Anträgen der AfD in diesem Hohen Hause umgegangen wird, haben wir allerdings auf einen eigenen Gesetzentwurf, der sich an das Nachbarrechtsgesetz Schleswig-Holstein angelehnt hätte, verzichtet.

(Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

Gleichwohl hegen wir die Hoffnung, dass unser Antrag eine Mehrheit findet.

Was spricht nun für ein Nachbarrechtsgesetz?

(Thomas Krüger, SPD: Was spricht für mehr Bürokratie?)

Das BGB enthält in Paragraf 906 ff. einige wichtige Regeln zum Nachbarrecht, so zum Thema Lärm, Gerüche und ähnliche Einwirkungen. Dabei geht es in der Praxis oft um die Frage der Hinnehmbarkeit beziehungsweise darum, wie wesentlich die Beeinträchtigung ist und was als ortsüblich hinzunehmen ist. Praxisrelevant sind ferner die Vorschriften über eine Vertiefung des Grundstücks zum Nachbargrundstück, zum Überhang von Zweigen und Wurzeln und zum Überbau. Das BGB regelt aber beileibe nicht alle Fragen, die im Verhältnis der Grundstücksnachbarn auftreten können.

Ich möchte hier einige der Abschnittsüberschriften aus dem Nachbarrechtsgesetz Schleswig-Holstein anführen, um die Regelungsbreite aufzuzeigen: Da sind die Themen Nachbarwand, Grenzwand, Hammerschlags- und

Leiterrecht. Dabei geht es um die Duldung von Instandsetzungs- und Unterhaltungsarbeiten vom Nachbargrundstück aus, Fenster- und Lichtrecht, Bodenerhöhung und Traufe, Einfriedung und Grenzabstände für Anpflanzungen.

(Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

Hierzu liefert das Gesetz eindeutige Festlegungen, die wesentlich für Klarheit sorgen.

Bei Anpflanzungen geht es oft um die Beeinträchtigung des Lichteinfalls. Hier greift eine klare und einfache Abstandsregelung, wonach jeder Teil der Anpflanzung mindestens einen Abstand von einem Drittel seiner Höhe haben muss. Beispiel: Ein Baum von drei Metern Höhe muss einen Mindestabstand von einem Meter und ein Baum von sechs Metern Höhe einen Abstand von zwei Metern haben. Bei Überschreitung kann der Rückschnitt verlangt werden.

Hier gibt es also eine klare, nicht auslegungsbedürftige Regelung, deren Anwendung im Konfliktfall keinen juristischen Fachverstand erfordert. Ohne eine solche Regelung ist die Diskussion darüber, wie störend der schattenwerfende Baum für die eine Seite beziehungsweise wie wunderbar anzusehen das Gehölz für die andere Seite ist, voll eröffnet und wird dann damit auch für den Richter schnell zu einer Frage der Weltanschauung.

Dasselbe gilt für die Frage der Verwirkung beziehungsweise des Ausschlusses des Anspruchs auf Zurückschneiden beziehungsweise Beseitigung der Anpflanzung. Was ist, wenn der Nachbar die unzulässige Höhe längere Zeit geduldet hat, bis es ihm dann wirklich zu viel wurde. Auch hier schweigt das BGB. Das Nachbarrechtsgesetz liefert eine klare Regelung. Es bestimmt eine Frist von zwei Jahren nach Überschreitung der zulässigen Höhe, binnen der der Anspruch geltend gemacht werden muss. Ohne eine solche Regelung befindet man sich auf dem schwammigen Feld des Vertretbaren und Unberechenbaren. Es gibt also eine Fülle von im BGB nicht geregelten Sachverhalten, die einer Regelung durch ein Nachbarrechtsgesetz bedürfen, es sei denn, man sieht ganz bewusst von einer Regelung ab.

Das ist die Position des Justizministeriums mit der Begründung, entscheidend sei eine gute Nachbarschaft. Das dafür notwendige friedliche Miteinander, Einsicht und Verständnis ließen sich nicht per Gesetz erzwingen, weshalb Mecklenburg-Vorpommern bewusst auf ein Nachbarrechtsgesetz verzichtet habe. So liest es sich in der vom Justizministerium herausgegebenen Broschüre „Wie sich Streit vermeiden lässt“. Zugleich wird allerdings auf die wenigen vorhandenen Regelungen hingewiesen und betont, dass die Nachbarn nicht in einem rechtsfreien Raum lebten.

Der These, dass ein Nachbarstreit besser in Kompromissen und außergerichtlich geschlichtet werden sollte, ist nichts entgegenzusetzen. Jedoch behindert ein Nachbarrechtsgesetz derlei Kompromissfindungen nicht, sondern erleichtert sie, denn wenn die Umstände, die zu nachbarlichen Auseinandersetzungen führen können, konkret gesetzlich geregelt sind, hat dies eine Klarstellungsfunktion. Diese führt eher dazu, einen gerichtlichen Streit zu vermeiden.

Natürlich ist es so, dass hinter einem bei Gericht gelandeten Nachbarstreit häufig andere tiefer gehende Zer

würfnisse stehen. Das gilt aber auch für viele andere Streitigkeiten. Diese werden geführt, weil es eben im konkreten Fall an Einsicht und Kompromissbereitschaft fehlt. Mit der Logik des Ministeriums könnte das gesamte Schuldrecht auf einen seiner Kernsätze, nämlich den Grundsatz von Treue und Glauben, zurückgeführt werden.

Die Aufgabe des Gesetzgebers ist es, das Nachbarrecht so zu gestalten, dass die Nachbarn wissen, woran sie sind, und welche Regeln an der gemeinsamen Grenze gelten. Dieser Aufgabe wird der Gesetzgeber nicht gerecht, wenn er eine Regelung bewusst unterlässt, um den Bürger zu einem einvernehmlichen Miteinander zu zwingen. Klare Regelungen mit eindeutigen Festlegungen sind eher streitvermeidend als streitfördernd.

Demgegenüber ist eine Regelungslücke, die im Konfliktfall keine Lösung anbietet oder mit unbestimmten Rechtsbegriffen, die unterschiedlich ausgelegt werden können, vieles offenlässt, eher streitfördernd als streitvermeidend. Dabei wird nicht verkannt, dass eine Regelungslücke den Einigungsdruck grundsätzlich erhöhen mag. Es geht hier aber nicht um eine Erziehung der Bürger, sondern um eine praxistaugliche Regelung.

Richtig ist, dass die Nachbarstreitigkeiten nur einen geringen Teil der Zivilsachen an den Amtsgerichten ausmachen und der einzelne Zivilrichter damit nur gelegentlich befasst ist. Das sollte aber für die Frage, ob ein eigenes Nachbarrechtsgesetz notwendig oder sinnvoll ist, nicht entscheidend sein. Da eindeutige Festlegungen fehlen, hat das Gericht viel Spielraum bei seiner Entscheidung. Das Fehlen klarer Regelungen macht eine Entscheidung nicht einfacher, sondern schwerer und auch unberechenbarer.

Das gilt auch für den vorgerichtlichen Raum, denn bei eindeutigen Festlegungen können die Parteien selbst feststellen, was zulässig und was nicht gestattet ist. Sind die Nachbarn nicht in der Lage, sich zu einigen, können Sie sich an eine Schiedsstelle wenden. Für die Schiedsperson, die in der Regel kein Jurist ist, bietet ein für einen Nichtjuristen verständliches und handhabbares Nachbarrechtsgesetz eine bessere Grundlage für eine Schlichtung als die lückenhafte BGB-Regelung.

In unserem Land besteht für die meisten Nachbarrechtsstreitigkeiten eine obligatorische außergerichtliche Streitschlichtung. Das bedeutet, dass vor Einreichung einer Klage die zuständige Schiedsstelle angerufen werden muss. Erst wenn eine einvernehmliche Beilegung des Streits dort nicht gelingt, ist eine Klage zulässig. Wie ausgeführt, wird ein Nachbarrechtsgesetz nach schleswigholsteinischem Vorbild auch die Streitschlichtung erleichtern.

Das ist nach einem Bericht der „Schweriner Volkszeitung“ aus dem November 2018 auch die Auffassung des Verbandes Deutscher Grundstücksnutzer, wo man in der Beratung auf Vorschriften aus Nachbarrechtsgesetzen anderer Bundesländer zurückgreift. Auch hier im Lande wenden die Gerichte gelegentlich mangels eines eigenen Nachbarrechtsgesetzes Bestimmungen des Nachbarrechtsgesetzes Schleswig-Holstein entsprechend an, ohne dass es dafür eine konkrete Rechtsgrundlage gäbe. Dies alles spricht dafür, dass sich MecklenburgVorpommern ebenfalls für ein Nachbarrechtsgesetz entscheidet.

Frau Ministerin, geben Sie sich einen Ruck und signalisieren Sie Bereitschaft zum Nachdenken! – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Heiterkeit bei Ministerin Katy Hoffmeister)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zunächst die Justizministerin des Landes, Frau Hoffmeister.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Braucht Mecklenburg-Vorpommern ein Nachbarrechtsgesetz?

(Dietmar Eifler, CDU: Nein.)

Ihre Rede zeigt, Herr Förster, dass wir unsere Argumente schon so oft ausgetauscht haben, dass ich wahrscheinlich genauso gut Ihre Argumente reflektieren kann, wie Sie das gerade mit meinen schon vorweggenommen haben.

Natürlich erreichen auch das Justizministerium immer mal wieder Anfragen zum Nachbarschaftsrecht. Und Sie wissen auch, dass ich in Bürgerforen und in vielen Gesprächen zum Nachbarschaftsrecht Diskussionen geführt habe, wobei es im Kern in der Regel tatsächlich immer um Hecken, Bäume, Sträucher, Bäume an der Grundstücksgrenze in der Sache geht.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Wurzeln.)

Meine Damen und Herren, der Landesgesetzgeber hat bislang das Erfordernis eines eigenen Nachbarrechtsgesetzes verneint, zuletzt in der Beratung zu einem Gesetzentwurfsantrag der LINKEN in der 5. Wahlperiode. Und es ist so, meine Haltung dazu ist bekannt. Ich habe wiederholt kürzlich im Rechtsausschuss erklärt, dass ich mich gegen ein solches Gesetz ausspreche, und auch die Gründe dafür dargelegt.

Nun liegt uns heute Ihr Antrag vor, der Antrag der Fraktion der AfD, einen solchen Entwurf für ein Nachbarrechtsgesetz zu erstellen. Auch auf die Gefahr hin, Herr Förster, und meine Damen und Herren, dass ich Altbekanntes und Bewährtes wiederholen werde, würde ich aber gern doch ein paar Tatsachen voranstellen.

Entgegen einer weitverbreiteten Meinung ist das private Nachbarrecht in Mecklenburg-Vorpommern durchaus und aus meiner Sicht auch hinreichend geregelt. Der Bundesgesetzgeber hat im Bürgerlichen Gesetzbuch ganz wesentliche Regelungen getroffen, zum Beispiel zum Überwuchs, zur Lärmbeeinträchtigung und auch zum Notwegerecht.

Im Übrigen ergibt sich aus dem richterlich entwickelten und seit Langem allseits anerkannten nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis eine allgemeine Pflicht zur Rücksichtnahme. Nachbarliche Rechte, wie etwa das Hammerschlags- und Leiterrecht, können also, ohne dass es dafür einer spezifischen Regelung im Landesrecht bedürfte, aus diesem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme hergeleitet werden. Der Landesgesetz